Jane Austen: Überredung - Jane Austen - E-Book

Jane Austen: Überredung E-Book

Jane Austen.

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Beschreibung

Jane Austen: Überredung - Die Liebe der Anne Elliot | 2019er Neuausgabe, mit aktualisierter Rechtschreibung und Fußnoten | »Überredung« ist nach »Stolz und Vorurteil« der bekannteste Roman der englischen Autorin Jane Austen - und nicht minder mitreißend. Auch hier geht es um Liebe, Leidenschaft, Zurückweisung, Sehnsucht und Schmerz. Wir begleiten die 27-jährige, unkonventionelle und blitzgescheite Anne Elliot bei ihrer verzwickten, wendungsreichen Suche nach dem Mann fürs Leben. Dieses Buch reiht sich nahtlos in die Reihe der größten Liebesromane aller Zeiten ein.

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Veröffentlichung der Inhalte dieses Buches wird juristisch verfolgt.

INHALT

— ERSTER TEIL —

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Kapitel IX

Kapitel X

Kapitel XI

Kapitel XII

— ZWEITER TEIL —

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Kapitel IX

Kapitel X

Kapitel XI

Kapitel XII

— Über die Autorin —

›ÜBERREDUNG‹ ist nach ›Stolz und Vorurteil‹ der bekannteste Roman der englischen Autorin Jane Austen – und nicht minder mitreissend. Auch hier geht es um Liebe, Leidenschaft, Zurückweisung, Sehnsucht und Schmerz. Wir begleiten die 27-jährige, unkonventionelle und blitzgescheite Anne Elliot bei ihrer verzwickten, wendungsreichen Suche nach dem Mann fürs Leben. Dieses Buch reiht sich nahtlos in die Reihe der größten Liebesromane aller Zeiten ein.

JANE AUSTEN (1775–1817) beeinflusste durch ihre Gesellschaftsromane – am bekanntesten sind ›Pride and Prejudice‹ (›Stolz und Vorurteil‹) und ›Persuasion‹ (›Überredung‹) – die englische Literatur nach ihrer Zeit wie keine andere. Bis heute erscheinen Austens Werke regelmäßig auf Allzeit-Bestsellerlisten

und werden immer wieder aufs Neue verfilmt.

Mehr über die Autorin im Anhang.

— ERSTER TEIL —

KAPITEL I

SIR WALTER ELLIOT auf Kellynch-Hall in der Grafschaft Somerset war ein Mann, der zu seiner Unterhaltung nie ein anderes Buch in die Hand nahm, als das Adelsverzeichnis. Hier fand er Beschäftigung für eine müßige Stunde, und Trost in einer traurigen; hier wurde sein Geist zur Bewunderung und Ehrfurcht gestimmt, wenn er darüber sinnierte, wie wenig von den ältesten Adelslinien noch übrig war, und hier hatte er Gelegenheit, belanglose häusliche Angelegenheiten, die ihn ärgerten, zu vergessen. Überblickte er die zahllosen Adelsverleihungen des letzten Jahrhunderts, so konnte er, wenn ihn sonst nichts aufheiterte, hier auch seine eigene Geschichte immer aufs Neue höchst interessiert lesen, und auf dieser Seite schlug er daher sein Lieblingsbuch gern auf.

Dort stand:

ELLIOT VON KELLYNCH-HALL

»Walter Elliot, geboren am 1. Mai 1760; vermählt am 15. Julius 1784 mit Elisabeth, Tochter des Sir Jakob Stevenson, auf South-Park in der Grafschaft Gloucester; mit welcher – 1800 verstorbenen – Gemahlin er zeugte: Elisabeth, geboren am 1. Junius 1785; Anne, geboren am 9. August 1787; einen tot geborenen Sohn, am 5. November 1789; Marie, geboren am 20. November 1791.«

So war die Stelle aus des Setzers Schriftkasten gekommen; aber unser Baronet1 hatte sie, zu seiner und der seinigen Belehrung, ergänzt durch den Anhang zum Namen seiner jüngsten Tochter:

»Vermählt am 16. Dezember 1810 mit Charles, Sohn und Erben des Mr. Charles Musgrove, auf Uppercross in der Grafschaft Somerset« –

... und durch genaue Angabe des Tages und Monates, an dem er seine Frau verloren hatte.

Darauf folgten die üblichen Angaben über Geschichte und Aufstieg der altehrwürdigen Familie. Wie nämlich dieses Geschlecht sich zuerst in Cheshire angesiedelt, wie es hohe Ämter verwaltet, zu verschiedenen Parlamentssitzungen Volksvertreter geliefert, durch Untertanentreue sich ausgezeichnet, unter Charles’ II. Regierung die Baronetwürde erhalten und mit verschiedenen Maries und Elisabeths sich vermählt hatte. Alles dies füllte zwei Duodezseiten2, und schloss mit der Angabe des Wappens, des Wahlspruches und des Hauptsitzes Kellynch-Hall; worauf dann wieder des Baronets eigenhändiger Zusatz folgte:

»Vermutlicher Erbe: William Walter Elliot, Urenkel des zweiten Baronets, Sir Walter.«

Eitelkeit war Sir Walter Elliots einzige Charaktereigenschaft: er war stolz auf sein Aussehen und stolz auf seine gesellschaftliche Stellung. Er war in seiner Jugend ungemein hübsch gewesen, und trotz seiner vierundfünfzig Jahre noch immer eine ansehnliche Erscheinung. Kaum eine Frau machte sich mehr Gedanken um ihr Äußeres, und kein Kammerdiener irgendeines neu gebackenen Lords hätte sich mehr auf seine gesellschaftliche Stellung einbilden können. Der Segen der Schönheit war nur übertroffen durch den Segen der Baronetwürde, und Sir Walter Elliot, der beide Gaben vereint besaß, war sich selbst der stete Gegenstand wärmster Bewunderung und Verehrung.

In einer Beziehung durfte Sir Walter allerdings stolz auf diese Gaben sein, ihnen verdankte er nämlich die Gattin, die ihn in ihrem Charakter weit übertroffen hatte. Wollte man dieser trefflichen, verständigen und liebenswürdigen Frau die jugendliche Verblendung verzeihen, die sie zu Mrs. Elliot gemacht hatte, so hatte sie später eine nachsichtige Beurteilung nicht nötig. Sie hatte siebzehn Jahre lang seine Fehler erduldet, gemildert oder übergangen, seinen achtbaren Eigenschaften aber Anerkennung verschafft, und wenn sie auch nicht gerade selber die Glücklichste war, so hatte sie doch in ihren Pflichten, in der Freundschaft und in ihren Kindern so viele Bande gefunden, die ihr das Leben wert machten, dass es nicht gleichgültig für sie sein konnte, als sie scheiden sollte.

Drei Töchter, von welchen die beiden ältesten sechzehn und vierzehn Jahre alt waren, konnte eine Mutter nicht ohne Sorgen zurücklassen, und nur mit banger Bekümmernis sie der Gewalt und Leitung eines eingebildeten, forschen Vaters anvertrauen. Sie besaß indes eine sehr vertraute Freundin, eine verständige, würdige Frau, welche sich durch ihre Zuneigung zu Mrs. Elliot hatte bewegen lassen, in dem nahen Dorfe Kellynch ihren Wohnsitz zu nehmen, und von der Güte und dem klugen Rate dieser Freundin erwartete die sterbende Mutter den besten Beistand für die Erhaltung der guten Grundsätze und Lehren, die sie ihren Töchtern zu geben bemüht gewesen war.

Diese Freundin und der Baronet vermählten sich nicht, trotz aller Spekulationen, die man auf ihre Bekanntschaft gebaut hatte. Dreizehn Jahre waren seit dem Tode der Mrs. Elliot verflossen, und noch immer waren beide bloß Nachbarn und durch vertraute Freundschaft verbunden, aber er blieb Witwer und sie Witwe. Dass Mrs. Russell die schon in reiferen Jahren, von besonnenem Gemüte und sehr wohlhabend war, nicht an eine zweite Ehe dachte, bedarf keiner Entschuldigung vor der Welt, die eher wenn eine Frau wieder heiratet, als wenn sie es nicht tut, ein unbilliges Missfallen zu äußern pflegt. Aber es bedarf einiger Erläuterung, warum der Baronet ledig blieb:

Man wisse also, dass er, als er bei einigen sehr unbedachten Annäherungsversuchen in aller Stille ein Paar Körbchen erhalten hatte, sich rühmte, um seiner lieben Töchter willen nicht wieder zu heiraten. Für seine älteste Tochter würde er in der Tat gern alles hingegeben haben – was allerdings nicht wirklich nötig war. Elisabeth war in ihrem sechzehnten Jahre, so viel es geschehen konnte, in die Rechte und das Ansehen ihrer Mutter getreten, und da sie sehr hübsch und ihm sehr ähnlich war, so hatte sie stets viel Einfluss auf ihn gehabt, und beide waren bestens miteinander ausgekommen. Die beiden anderen Kinder standen weit tiefer in seiner Gunst. Marie hatte zwar, als sie den jungen Musgrove heiratete, ein bisschen künstliches Ansehen gewonnen. Anne aber, die verständige Menschen wegen ihrer Intelligenz und Sanftmut hoch geschätzt hätten, galt weder bei ihrem Vater, noch bei ihrer Schwester viel; ihr Wort hatte kein Gewicht, ihre Wünsche musste immer nachstehen, sie war nichts weiter – als Anne.

Mrs. Russell aber liebte und schätzte das Mädchen, ihr Patenkind, sehr innig, und wenn sie auch allen gewogen war, so konnte sie doch nur in Anne die Mutter wieder aufleben sehen. Einige Jahre früher war Anne Elliot ein sehr hübsches Mädchen gewesen, ihre Blüte war jedoch früh gewelkt; aber selbst als sie noch den vollen Schmuck ihrer Reize besaß, hatte ihr Vater wenig an ihr zu bewundern gefunden, da ihre zarten Züge und ihre sanften schwarzen Augen so ganz verschieden von den seinigen waren; und wie hätte nun die etwas Gewelkte noch seine Achtung erwecken können? Er hatte nie viel Hoffnung gehabt, und nun gar keine mehr, je ihren Namen auf einer neuen Seite seines Lieblingsbuches zu lesen. Nur für Elisabeth ließ sich noch eine ebenbürtige Verbindung erwarten. Denn Marie hatte nur in eine alte achtbare und wohlhabende Landadel-Familie geheiratet, und daher alte Ehre gegeben, aber keine erhalten. Elisabeth musste sich früher oder später ordentlich vermählen!

Es geschieht zuweilen, dass eine Frau in einem Alter von neunundzwanzig Jahren hübscher ist, als zehn Jahre früher, und im allgemeinen, wenn weder Krankheit, noch Kummer gestört haben, ist in jener Lebenszeit wohl schwerlich ein Reiz verloren. So war es bei Elisabeth: Noch immer das hübsche Fräulein Elliot, wie sie dreizehn Jahre früher aufzublühen begann, und man konnte deshalb ihren Vater entschuldigen, wenn er ihr Alter vergaß, oder ihn doch nur für einen halben Toren halten, wenn er sich und Elisabeth für blühender hielt denn je, während ringsum alle anderen alterten. Er sah ja vor Augen, wie alt alle seine Angehörigen und Bekannten wurden. Anne wurde hager, Marie wurde zu wohlbeleibt, jedes Gesicht in der ganzen Umgebung schlechter, und die schnelle Vermehrung der Runzeln an den Schläfen der Mrs. Russell waren ihm schon lange ein Herzeleid gewesen.

Elisabeth hatte dennoch nicht ganz so viel Selbstzufriedenheit, wie ihr Vater. Dreizehn Jahre lang war sie die Herrin in Kellynch-Hall gewesen und hatte alles mit so viel Besonnenheit und entschiedenem Ansehen geleitet, dass man sie nie für jünger halten konnte, als sie war. Sie hatte dreizehn Jahre lang dem Hauswesen vorgestanden, war immer vorangegangen zu der Kutsche mit vier Pferden und immer zunächst hinter Mrs. Russell aus allen Besuchszimmern und Speisezimmern in der Umgebung. Dreizehn Winter hindurch hatte sie jeden ansehnlichen Ball eröffnet, den die nicht zahlreich bewohnte Nachbarschaft darbot, und dreizehn Frühlinge waren im Blumenschmuck erschienen, seit sie mit ihrem Vater nach London reiste, um jährlich ein paar Wochen die Freuden der großen Welt zu genießen. Sie erinnerte sich an all dies, und dachte genug an ihre neunundzwanzig Jahre, um einigen Besorgnissen Raum zu geben. Dass sie noch so hübsch war, als immer, wusste sie sehr gut; aber sie fühlte, dass sie den gefährlichen Jahren nahe rückte, und würde sich höchlich gefreut haben über die Gewissheit, in den nächsten zwölf, oder vierundzwanzig Monaten von altadeligem Blute gebührend zum Ehebunde eingeladen zu werden. Dann hätte sie noch einmal das Buch der Bücher mit so großer Freude in die Hand nehmen können, als in ihrer frühen Jugend, aber jetzt konnte sie es nicht ausstehen. Das hässliche Buch zeigte ihr nichts als den Tag ihrer Geburt, aber nirgends eine Vermählung, so wie bei ihrer jüngsten Schwester, und mehr als einmal, wenn ihr Vater es nicht weit von ihr offen auf dem Tische liegen ließ, hatte sie es mit abgewendetem Blick zugeklappt und weggeschoben.

Es war ihr überdies eine Erwartung vereitelt worden, woran dieses Buch, und besonders die Geschichte ihres eigenen Hauses, sie stets erinnern musste. Der mutmaßliche Erbe, eben jener William Walter Elliot, dessen Rechte ihr Vater so großmütig anerkannte, hatte sie getäuscht. Als ihr in ihrer frühen Jugend bekannt geworden war, dass er, wenn sie keinen Bruder erhielte, ihres Vaters Adelswürde erben sollte, hatte sie ihn heiraten wollen. Und ihr Vater immer gemeint, so solle es sein. Man hatte ihn als Knaben nicht gekannt, aber bald nach dem Tode der Mrs. Elliot war vom Baronet selber Anlass zur Anknüpfung einer Bekanntschaft gegeben worden, und obwohl der junge Mann gar nicht so begeistert darüber war, so hatte Elisabeths Vater doch beharrlich ihn ausgesucht, und so kam er um eine Vorstellung nicht herum – als Elisabeth in den ersten Blüte ihrer Reize einst in den Frühlingsmonaten mit ihrem Vater in London war.

Er war zu jener Zeit, wo er sich der Rechtswissenschaft befliss, noch sehr jung und Elisabeth fand ihn so ungemein angenehm, dass alle zu seinen Gunsten gemachten Vorurteile bestätigt wurden. Man lud ihn ein, den Landsitz Kellynch-Hall zu besuchen. Man sprach während des ganzen übrigen Jahres von ihm und erwartete ihn, aber er ließ sich nicht sehen. Im nächsten Frühling sah man ihn wieder in der Hauptstadt, fand ihn ebenso liebenswürdig, ermunterte, lud und erwartete ihn wieder, aber er kam wieder nicht, und die nächste Botschaft war die Nachricht von seiner Vermählung. Statt sein Glück auf dem Wege zu suchen, der dem Erben des Hauses Elliot vorgezeichnet war, hatte er durch die Verbindung mit einer reichen Frau von geringer Herkunft ein unabhängiges Los gesucht.

Der Baronet war betroffen davon. Als Haupt der Familie hätte man ihn, meinte er, um Rat fragen sollen, zumal er den jungen Mann bei zwei oder drei Gelegenheiten öffentlich bei der Hand genommen, wo man sie notwendig hatte bemerken müssen. Er verhehlte auch seine Missbilligung nicht, aber man schien sich wenig darum zu bekümmern. Der junge Elliot suchte sich gar nicht zu entschuldigen und während es ihm offensichtlich gleichgültig war, ob seine Verwandten ihn länger beachteten, hielt ihn der Baronet seiner Aufmerksamkeit unwürdig. Alle Verbindung ward abgebrochen.

Elisabeth konnte, auch nach Verlauf von mehreren Jahren, nicht ohne Unmut an des Vetters unartiges Benehmen denken. Sie war dem Manne gewogen gewesen, weil er ihr gefiel, und noch mehr weil er der Erbe ihres Vaters war, dessen Ahnenstolz nur in ihm einem ebenbürtigen Gemahl für des Baronets, Sir Walter Elliot, älteste Tochter finden konnte. Es gab auch keinen Baronet Von-und-Zu, den ihre Gefühle so gern als ebenbürtig hätten anerkennen können. Aber er hatte sich so erbärmlich benommen, dass sie, ungeachtet sie zu jener Zeit, im Sommer des Jahres 1814, ein schwarzes Band für seine Frau trug, doch nicht annehmen konnte, er wäre es wert, dass sie noch einmal an ihn dächte.

Die Schmach seiner ersten Ehe hätte sich vielleicht, da sie kinderlos geblieben war, noch vergessen lassen, wenn ihm nicht noch etwas Schlimmeres zur Last gefallen wäre. Denn er hatte, wie ihnen durch die Dienstfertigkeit gütiger Freunde zu Ohren gekommen war, sehr unehrerbietig von ihnen allen, sehr geringschätzig und verachtend von dem Blute gesprochen, wozu er gehörte, und von der Ehrenstufe, die er künftig selber einnehmen sollte. Wie wäre das zu verzeihen!

Das waren Elisabeths Gesinnungen und Gefühle, das die Sorgen, die sie lindern, die Unruhe, die sie zerstreuen musste; das war die Einförmigkeit und die Annehmlichkeit; das Gute und das Nichts, das waren die Gefühle, womit sie den langen Aufenthalt in dem ewigen einerlei einer ländlichen Provinz überstand; womit sie sich in leeren Augenblicken beschäftigen sollte. Doch weder die Gewohnheit, im Hause nützlich zu sein, noch ihr Engagement, das häusliche Leben zu verschönern, befriedigten sie.

Andere Sorgen, andere Bekümmernisse kamen bald dazu. Ihr Vater geriet in Geldverlegenheiten. Sie wusste, er nahm das Adelsbuch nur in der Absicht zur Hand, um sich die leidigen Rechnungen der Kaufleute und die unwillkommenen Winke seines Geschäftsführers Shepherd, aus den Gedanken zu schlagen. Der Landsitz Kellynch war ansehnlich, aber doch nicht einträglich genug zur Bestreitung des Aufwandes, den der Besitzer desselben, nach des Baronets Meinung, betreiben musste. So lange seine Frau lebte, herrschte so viel Ordnung, Mäßigkeit und Sparsamkeit in seinem Hauswesen, dass seine Einkünfte nicht überschritten wurden. Mit ihrem Tode aber hatte diese Redlichkeit ein Ende genommen und von da an hatte er immer über seine Verhältnisse gelebt. Es war ihm nicht möglich gewesen, weniger auszugeben; er hatte ja nichts getan, als was er als Baronet notwendig tun musste; aber so unschuldig er war, er hatte sich tief in Schulden verstrickt, und musste so oft davon hören, dass es ein vergeblicher Versuch gewesen sein würde, seine Lage auch nur teilweise vor seiner Tochter zu verbergen. Er hatte ihr im letzten Frühling in der Stadt einige Winke darüber gegeben. Ja er war so weit gegangen, sie zu fragen: »Können wir uns einschränken? Weißt du irgendetwas, worin wir uns einschränken könnten?«

Man muss es Miss Elisabeth nachrühmen, dass sie trotz der ersten Aufwallung ihrer Unruhe ernstlich nachdachte, was getan werden könnte, und endlich schlug sie als Sparmaßnahmen vor, einige unnötige Almosen einzuziehen und die neue Einrichtung des Besuchszimmers aufzugeben – und später fügte sie noch den Vorschlag hinzu, ihrer Schwester Anne das Geschenk zu entziehen, das man ihr gewöhnlich in jedem Jahre gegeben hatte. Diese Maßnahmen aber waren unzulänglich gegen das Übel, und der Baronet sah sich bald genötigt, ihr den ganzen Umfang desselben zu enthüllen. Elisabeth wusste aber kein wirksames Mittel. Sie hielt sich für ebenso ungerecht behandelt und unglücklich, wie ihr Vater, und sie wusste genauso wenig wie er, wie die Ausgaben vermindert werden konnten, ohne der Würde des Hauses etwas zu vergeben, oder ihre Bequemlichkeit auf eine qualvolle Weise einzuschränken.

Nur ein kleiner Teil seines Landgutes war des Baronets freier Verfügung überlassen. Aber selbst wenn jeder Morgen Landes veräußerlich gewesen wäre, er würde sich nie dazu überwunden haben, es zu verkaufen. Nein, nie hätte er seinem Namen solche Schmach aufladen mögen. Das Gut Kellynch sollte ganz und ungeteilt, wie er es erhalten, auf die Nachkommen übergehen werden.

Die beiden Hausfreunde, Mr. Shepherd, der im nahen Marktflecken wohnte, und Mrs. Russell wurden um Rat gefragt. Aber Vater und Tochter schienen zu erwarten, dass der eine oder die andere etwas aussinnen könnte, wodurch die missliche Lage umgehend beseitigt würde und die Ausgaben eingeschränkt werden könnten, ohne nur irgendeine Annehmlichkeit aufzugeben, die – sei es der persönliche Neigung wegen, oder des Familienstolz halber – eingefordert wurde.

KAPITEL II

MR. SHEPHERD war ein höflicher, vorsichtiger Rechtsanwalt, der durchaus eine Meinung über Sir Walters Probleme hatte, aber unangenehme Ratschläge lieber anderen überließ. Also enthielt er sich jeder Äußerung und erlaubte sich nur eine Empfehlung und Weiterleitung an Lady Russell – die ja ein ganz treffliches Urteilsvermögen besitze –, in der festen Zuversicht, dass deren scharfer Verstand genau die drastischen Maßnahmen anraten werde, die auch Shepherd empfohlen hätte.

Mrs. Russell erwog die Angelegenheit eifrig und ernstlich. Sie besaß mehr gesunden, als schnellen Verstand, und es ward ihr ungemein schwer, hier zu einer Entscheidung zu kommen, wo zwei widerstreitende Grundsätze sich entgegen standen. Sie hatte selbst strenge Redlichkeit und zartes Ehrgefühl; aber sie wünschte so sehr, des Baronets Gefühl zu schonen, sie war so eifrig bedacht, das Ansehen der Familie zu erhalten, und so adelsstolz in ihren Ansichten über dasjenige, was ihren Freunden gebührte, wie es eine verständige und redliche Frau nur sein konnte.

Eine wohlwollende, mildtätige, gute Frau war sie, zu warmer Zuneigung fähig. Durchaus unbescholten in ihrem Wandel, streng in ihren Ansichten vom Anstand, und von musterhaft feiner Lebensart. Sie hatte einen gebildeten Geist und war im allgemeinen bodenständig, aber Standesdünkel verzerrten ihren Blick, und sie achtete Rang und Stand so hoch, dass sie ein wenig blind gegen die Fehler derjenigen wurde, welche jener Schicht angehörten. Als die Witwe eines Edelmannes von geringerem Range, sah sie zur Würde eines Baronets achtungsvoll auf, und auch abgesehen von den Ansprüchen, die Sir Walter als alter Bekannter, als aufmerksamer Nachbar, als gefälliger Gutsherr, als der Gemahl ihrer teuren Freundin, als Annes und deren Schwestern Vater, machen konnte, war er schon als Baronet, nach ihrer Meinung, bei seinen Bedrängnissen eines innigen Mitgefühls und besonderer Rücksicht würdig.

Einschränkungen mussten gemacht werden, das war nicht zu bezweifeln; aber Mrs. Russell wollte dabei ihm und Elisabeth so wenig als möglich ein schmerzliches Gefühl bereiten. Sie kalkulierte Einsparungen, sie ließ sich in genaue Berechnungen ein, und, woran sonst niemand dachte, sie zog auch Anne zu Rate, welche von den anderen behandelt wurde, als ob die ganze Sache ihr völlig fremd wäre. Annes Meinung war nicht ohne Einfluss auf den Plan zu Einsparungen, den sie endlich dem Baronet vorlegte. Jede Veränderung, die Anne darin gemacht hatte, war von dem Grundsatz ausgegangen, dass Redlichkeit mehr als Wichtigtun gelten müsste. Sie wünschte noch kräftigere Maßregeln, eine noch vollständigere Neuorganisation des Hauswesens, eine schnellere Befreiung von Schulden, und eine lauter ausgesprochene Missbilligung gegen alles, nur nicht gegen Gerechtigkeit und Redlichkeit.

»Können wir ihren Vater zu allen diesen Vorschlagen bereden«, sprach Mrs. Russell, ihre Schrift überblickend: »so kann viel getan werden. In sieben Jahren ist er schuldenfrei, wenn er diese Maßnahmen sich gefallen lässt, und ich hoffe, wir werden ihn und Elisabeth überzeugen können, dass Kellynch-Hall trotz all dieser Einschränkungen, dennoch ein achtbarer Wohnsitz bleiben wird, und dass Sir Walter Elliots wahre Würde in den Augen verständiger Menschen keineswegs vermindert werden kann, wenn er als Mann von Grundsätzen handelt. Was wird er denn auch anders tun, als was sehr viele unserer ersten Häuser getan haben, oder tun sollten? Es ist gar nichts Sonderbares in diesem Falle, und solche Sonderbarkeit macht eben oft das Schlimmste in unsern Leiden, wie immer in unserm Benehmen. Ich habe große Hoffnung, es soll uns gelingen. Wir müssen ernsthaft und entschlossen sein, denn am Ende muss doch bezahlen, wer Schulden gemacht hat, und wie viel Schonung auch dem Gefühle eines Edelmanns und eines Familienhauptes gebührt, so kommt doch noch weit mehr auf den Ruf eines redlichen Mannes an.«

Dies war der Grundsatz, welchem, nach Annes Wunsch, ihr Vater folgen sollte; und den seine Freunde, wie sie meinte, ihm dringend empfehlen müssten. Sie hielt es für unumgängliche Pflicht, die Ansprüche der Gläubiger so schnell zu befriedigen, als es bei der durchgreifendsten Einschränkung im Hauswesen nur irgend möglich war, und sah nur in dieser Maßregel allein etwas Würdiges. Sie wollte diesen Schritt vorgeschrieben wissen, weil sie ihn für Pflicht hielt. Sie rechnete viel auf den Einfluss der Mrs. Russell, und da sie selber zu einem hohen Grade von Einschränkung sich fähig fühlte, so glaubte sie, es werde nicht viel schwieriger sein, ihre Angehörigen zu einer vollständigen, als zu einer halben Umkehr zu bewegen. Wie sie ihren Vater und Elisabeth kannte, musste sie glauben, dass man es kaum für weniger schmerzlicher halten werde, ein Paar Kutschpferde, als beide Paare, aufzuopfern, und so ging sie durch das ganze Verzeichnis der schonenden Einschränkungen, die Mrs. Russell vorschlug.

Es ist überflüssig zu fragen, welche Aufnahme Annes strengere Forderungen gefunden hätten, denn selbst was Mrs. Russell verlangte, wurde für unausführbar und unerträglich erklärt. Wie? Jede Bequemlichkeit des Lebens sich entziehen? Reisen, Aufenthalte in London, Dienerschaft, Pferde, Tafel – überall Verminderungen und Beschränkungen? Wie, er sollte nicht länger mit dem Wohlstand leben, der einem ehrenwerten Mann gebührte? Nein, lieber wollte er Kellynch-Hall ganz verlassen, als unter so schmählichen Bedingungen zu leben.

Kellynch-Hall verlassen! Dieser Wink ward alsbald von Shepherd ergriffen, dessen Vorteil es verlangte, dass sich der Baronet zu Einschränkungen bequemte, und der vollkommen überzeugt war, dass ohne Wechsel des Wohnorts nichts geschehen würde. Wenn ein solcher Gedanke, äußerte er, von demjenigen ausginge, der ihn vorschreiben müsste, so wollte er unbedenklich zustimmen. Es schien ihm aber nicht möglich zu sein, dass der Baronet eine wesentliche Beschränkung seiner Lebensweise gerade in diesem Hause einführen könnte, das den Ruf der Gastfreundschaft und alter Würde erhalten müsste. An jedem anderen Orte könnte sein Gönner allein der eigenen Ansicht folgen, und glauben, niemand würde es ihm verdenken, wenn er sein Hauswesen nach Belieben einrichtete.

Der Baronet wollte sein Landgut verlassen, und als er noch einige Tage in Zweifel und Unschlüssigkeit geschwankt hatte, war auch die große Frage, wohin er sich begeben wollte, entschieden, und der erste Umriss der wichtigen Lebensveränderung skizziert.

Man hatte unter drei Vorschlägen gewählt, London, Bath, oder ein anderes Landhaus. Anne war ganz für den letzten Vorschlag. Ein kleines Haus in der Umgegend, wo sie den Umgang der Mrs. Russell genießen, in Maries Nähe leben, und zuweilen das Vergnügen haben könnten, die Rasenplätze und Lustwäldchen von Kellynch-Hall zu sehen – darauf waren ihre Wünsche gerichtet. Es war jedoch Annes gewöhnliches Schicksal, gerade dasjenige gewählt zu sehen, was ihrer Neigung entgegen war, und Bath, das sie nicht leiden konnte, sollte ihr künftiger Wohnort sein.

Der Baronet war anfangs mehr für London gewesen, Mr. Shepherd aber, der wohl einsah, dass er seinem Gönner bei dem Aufenthalte in London nicht trauen könnte, wusste geschickt davon abzuraten und Bath den Vorzug zu verschaffen. Es wäre ein angemessenerer Wohnsitz für einen Mann wie den Baronet, sagte er, und dieser könnte dort eine bedeutende Rolle mit einem verhältnismäßig geringen Aufwand spielen. Bath besaß zwei wesentliche Vorzüge vor London, die wahrscheinlich entschieden hatten: Es war nur ungefähr eine Tagereise von Kellynch entfernt, und Mrs. Russell brachte jährlich einen Teil des Winters daselbst zu. Sie hatte gleich anfangs für Bath gestimmt, und es war ihr sehr angenehm, dass der Baronet und Elisabeth glaubten, sie würden weder von ihrem Ansehen, noch von ihren Genüssen etwas verlieren, wenn sie sich dort niederließen.

Mrs. Russell musste sich den bekannten Wünschen ihrer lieben Anne entgegen setzen. Es hieße, meinte sie, zu viel von dem Baronet verlangen, wenn man ihm ansinnen wollte, ein kleines Haus in der Umgegend zu bewohnen. Für Anne selber würde es, setzte die Freundin hinzu, demütigender gewesen sein, als sie voraussah, und für ihres Vaters Gefühle wäre die Demütigung schrecklich gewesen. Annes Abneigung gegen Bath nannte Mrs. Russell Vorurteil und Missverständnis, woran der Umstand schuld sein sollte, dass Anne dort nach ihrer Mutter Tode drei Jahre in der Schule gewesen war, und späterhin, als sie einen Winter mit ihrer Freundin daselbst zubrachte, sich nicht ganz wohl befunden hatte. Mrs. Russell liebte Bath, und meinte, es müsste allen angenehm sein, und auch für Annes Gesundheit konnte alle Gefahr vermieden werden, wenn sie die warme Jahreszeit bei ihrer Freundin in Kellynch zubrachte. Anne hatte, wie Mrs. Russell glaubte, zu wenig außer dem Hause gelebt, zu wenig gesehen. Sie war nicht lebendig genug, und in größerer Gesellschaft sollte sich diese Ahnungslosigkeit verlieren.

In der Umgegend eine Wohnung zu wählen, war auch darum höchst unangenehm für den Baronet, weil es glücklicherweise, gleich von Anfange an, zu dem entworfenen Plane gehörte, dass er sein Haus nicht nur verlassen, sondern auch in anderen Händen sehen sollte; eine Probe der Standhaftigkeit, die selbst stärkere Seelen, als er, zu schwer gefunden haben würden. Kellynch-Hall sollte verpachtet werden! Aber das war ein tiefes Geheimnis, das fürs Erste nicht über den häuslichen Kreis hinaus kommen durfte.

Der Baronet hätte die Herabwürdigung nicht ertragen können, wenn man gewusst hätte, dass er sein Landgut zu verpachten gesonnen wäre. Mr. Shepherd hatte einmal das Wort ›Bekanntmachung‹ fallen lassen, wagte aber nie wieder, darauf zurückzukommen. Der Baronet lehnte es ab, das Gut auf irgendeine Weise anzubieten. Er verbot, auch nur den leisesten Wink zu geben, dass er eine solche Absicht hätte, und nur wenn er freiwillig von einem ganz unbescholtenen Manne, als um eine große Gunst und auf selbst zu bestimmende Bedingungen, darum ersucht würde, wollte er das Gut überhaupt verpachten.

Wie schnell kommen die Gründe, etwas zu billigen, das wir lieben! Mrs. Russell erhielt bald einen anderen trefflichen Grund, sich sehr zu freuen, dass der Baronet und seine Angehörigen die Gegend verließen. Elisabeth hatte in der letzten Zeit eine Freundschaft angeknüpft, die Mrs. Russell zerrissen zu sehen wünschte. Es war eine vertraute Verbindung mit Shepherds Tochter, die nach einer unglücklichen Ehe mit zwei Kindern in ihres Vaters Haus zurückgekehrt war. Sie hatte viel Gewandtheit, und wusste zu gefallen, wenigstens in Kellynch-Hall zu gefallen, und hatte sich bei Fräulein Elisabeth so sehr eingeschmeichelt, dass sie schon mehr als einmal im Schlosse geblieben war, wie sehr auch Mrs. Russell, die eine solche Freundschaft für ganz unangemessen hielt, zu Behutsamkeit und Zurückhaltung ermahnen mochte.

Mrs. Russell vermochte nicht viel über Elisabeth, und schien sie fast nur darum zu lieben, weil sie es wollte, weniger weil Elisabeth Liebe verdiente. Sie hatte nie mehr, als äußere Beweise von Aufmerksamkeit erhalten, nichts mehr als die Beobachtung höflicher Umgangssitte, und es war ihr nie gelungen, irgendetwas gegen des Fräuleins vorgefasste Neigung durchzusetzen.

Mehr als einmal hatte sie sehr ernstlich den Wunsch ausgesprochen, dass auch Anne ihren Vater und ihre Schwester nach London begleiten sollte, da sie lebhaft fühlte, wie ungerecht und wie nachteilig für den Ruf der Familie die egoistische Haltung war, wodurch Anne ausgeschlossen wurde. Bei vielen unbedeutenderen Anlässen hatte sie sich bemüht, Elisabeth in den Vorteil zu setzen, ihr besseres Urteil und ihre Erfahrung geltend zu machen, aber immer vergebens. Elisabeth wollte ihren eigenen Weg gehen, und nie hatte sie ihn in entschiedenerem Widerspruch gegen Mrs. Russell verfolgt, als bei der Wahl der Mrs. Clay. Sie entzog sich dem Umgange ihrer trefflichen Schwester, um ihre Zuneigung und ihr Vertrauen einer Frau zu schenken, der sie nie mehr als kalte Höflichkeit hätte beweisen sollen.

Shepherds Tochter war, wie Mrs. Russell meinte, ihren Verhältnisse nach, eine sehr ungleiche, nach ihrer Gemütsart eine sehr gefährliche Gesellschafterin, und daher war eine Entfernung, die eine Trennung von Mrs. Clay zur Folge haben, und Fräulein Elisabeth Gelegenheit geben musste, sich passendere Freundinnen zu wählen, ein Umstand von hoher Wichtigkeit.

KAPITEL III

»ERLAUBEN SIE MIR ZU BEMERKEN«, sprach eines Morgens Mr. Shepherd zu dem Baronet, als er ihm eine Zeitung vorlegte, »dass die gegenwärtigen Umstände für uns sehr günstig sind. Der Friede wird alle unsere reichen See-Offiziere an Land bringen – und jeder braucht nun mal ein zu Hause. Es könnte keine bessere Zeit geben, sich Pächter zu wählen, wirklich zahlungsfähige Pächter. Mancher hat im Kriege ein schönes Vermögen gemacht. Wenn uns so ein reicher Admiral in den Weg käme ...

»Nun, er würde ein sehr glücklicher Mann sein«, erwiderte der Baronet, »das ist alles, was ich dazu sagen kann. Kellynch-Hall würde eine Prise3 für ihn sein, die köstlichste Prise von allen, und wenn er vorher auch noch so viele gemacht hätte. Nicht wahr, Shepherd?«

Shepherd lachte über diesen Witz, weil er wusste, dass es erwartet wurde, und fügte hinzu: »Ich wage die Bemerkung, dass mit den Herrn See-Offizieren sich in Geschäften gut auskommen lässt. Ich habe ein bisschen Gelegenheit gehabt, ihre Art kennenzulernen, und ich muss gestehen, dass sie sehr edle Gesinnungen haben, und wohl bessere Mietleute wären, als sonst irgendjemand. Ich wollte mir daher die Freiheit nehmen, die Bemerkung zu machen, wenn etwa das Gerücht von ihrem Vorhaben sich verbreiten sollte – was doch sehr möglich sein könnte, da wir ja wissen, wie schwer es ist, den Spürsinn und die Neugier der Leute auszutricksen. Denn wer in Ansehen steht wie der Baronet, muss nun einmal dafür etwas in Kauf nehmen.

Ich zum Beispiel könnte meine Familienangelegenheiten verbergen, wie’s mir beliebt, weil es niemand der Mühe wert hält, mich zu beobachten; aber auf Sir Walter Elliot sind Augen gerichtet, welchen sich nicht leicht ausweichen lässt. Es sollte mich daher gar nicht wundern, wenn bei all unserer Vorsicht das Gerücht die Wahrheit ausbreitete, und da nun in einem solchen Falle ohne allen Zweifel unerwünschte Nachfragen kämen, so meine ich, einer unserer reichen See-Offizieren wäre doch besonderer Aufmerksamkeit würdig. Und ich erlaube mir anzumerken, dass ich jederzeit binnen zwei Stunden hier sein kann, um Ihnen selbst die Mühe einer Zusage abzunehmen.«

Der Baronet antwortete nur mit einem Kopfnicken. Bald nachher aber erhob er sich, und auf und nieder gehend, bemerkte er spöttisch: »Es sind wohl wenige unter diesen Herrn See-Offizieren, sollt’ ich denken, die sich nicht mit Verwunderung in einem Hause wie dieses finden würden.«

»Ei, ja, sie würden sich wohl umsehen, und ihr Glück segnen«, sprach Mrs. Clay, die auch zugegen war, denn ihr Vater hatte sie mitfahren lassen, weil für ihre Gesundheit nichts so wohltätig war, als eine Fahrt nach Kellynch-Hall. »Aber ich bin ganz meines Vaters Meinung, ein Seemann würde ein sehr erwünschter Mietmann sein. Ich habe Gelegenheit gehabt, viel von ihrem Tun und Treiben kennenzulernen, und von ihrer Freigebigkeit abgesehen, sind sie auch in allen Dingen so reinlich und sorgsam. Diese kostbaren Gemälde würden ganz sicher sein, wenn Sie die Bilder etwa hier lassen wollten. Es würde für alles in und außer dem Hause aufs Beste gesorgt werden, und die Gärten und Gesträuche würde man in der guten Ordnung erhalten, worin sie jetzt sind. Sie dürften nicht besorgt sein, Fräulein Elliot, dass ihr allerliebstes Blumengärtchen vernachlässigt würde.«

»Ich kann darüber nichts sagen«, erwiderte der Baronet kalt, »denn sofern ich mich auch bewegen ließe, mein Haus jemanden zu überlassen, so bin ich doch noch gar nicht mit mir einig, welche Vorrechte ich damit verbinden würde. Ich habe nicht sonderlich viel Lust, meinen Mietmann zu begünstigen. Der Park würde ihm freilich offen stehen, und wohl nur wenige See-Offiziere, oder auch sonst Leute von irgendeiner Art, würden je einen solchen Spaziergang gehabt haben; aber mit welchen Einschränkungen ich die Benutzung der Lustanlagen gestatten würde, das ist eine andere Frage. Ich würde es wohl nicht gern haben, dass meine Pflanzungen immer zugänglich wären, und ich möchte meiner Tochter raten, für ihren Blumengarten besorgt zu sein. In der Tat, ich habe wenig Lust, einem Mieter besondere Gunst zu beweisen, mag er Seemann oder Soldat sein.«

Nach einer kurzen Pause wagte Shepherd die Bemerkung: »In allen diesen Fällen bestehen gewisse herkömmliche Gebräuche, die alle Verhältnisse zwischen Gutsherrn und Pächter klar und unproblematisch machen. Ihr Vorteil, gnädiger Herr, ist in sichern Händen. Verlassen Sie sich darauf, dass ich Sorge tragen werde, keinem Mietmanne mehr zu geben, als was ihm nach strengem Rechte zukommt. Ich erlaube mir die Bemerkung, dass Sie, gnädiger Herr, nicht halb so besorgt für ihr Eigentum sein können, als ich es sein werde.«

»Die Seeleute«, hob Anne an, »haben so viel für uns getan, dass sie wohl ebenso großen Anspruch, als sonst irgend jemand, auf alle Bequemlichkeiten und alle Vorrechte haben, die eine Heimat geben kann. Wir müssen wohl alle zugeben, dass die Seeleute sich die Bequemlichkeiten des Lebens mit schwerer Arbeit verdienen.«

»Sehr wahr! sehr wahr! Fräulein Anne hat ganz recht«, erwiderte Shepherd.

»O gewiss!«, setzte seine Tochter hinzu.

»Dieser Berufsstand hat seinen Nutzen«, bemerkte darauf der Baronet, »aber ich möchte doch nicht gern, dass einer von meinen Freunden dazu gehörte.«

»Wirklich?«, antwortete man mit einem Blicke der Überraschung.

»Ja, zwei Dinge sind mir anstößig dabei, zwei wichtige Einwendungen hab’ ich dagegen: Fürs Erste gibt dieses Gewerbe Anlass, Leute von geringer Herkunft zu ungebührlicher Auszeichnung zu bringen, und Leuten Ehrenbezeigungen zu verschaffen, wovon sich ihre Voreltern nichts träumen ließen, und für’s andere reibt dieses Gewerbe die Jugendkraft der Menschen auf eine furchtbare Weise auf. Ein Seemann wird schneller alt, als sonst jemand, ich habe das mein Leben lang bemerkt. Im Seedienst ist ein Mann in größerer Gefahr, von jemandem herablassend behandelt zu werden, mit dessen Vater sein Vater zu sprechen verschmäht haben würde; und auch einfacher selber ein Gegenstand des Widerwillens zu werden, als in jedem anderen Stande.

Im vorigen Frühjahr war ich in London mit zwei Männern in Gesellschaft, die deutliche Beweise für meine Behauptung lieferten. Der eine war Lord St. Ives, dessen Vater, wie wir alle wissen, ein eifriger Dorfpfarrer war; und einem gewissen Admiral Baldwin – ich kann nicht beschreiben, wie kläglich der aussah, ein Gesicht wie Mahagoni, rau und wild, lauter Linien und Runzeln – neun graue Härchen auf einer Seite und nichts als einen Klecks Puder auf dem Scheitel. ›Um Himmels willen, wer ist der alte Mann?‹, fragte ich einen Freund, der neben mir stand. ›Alter Mann?‹, erwiderte er. ›Es ist Admiral Baldwin. Und wie alt schätzen Sie ihn?‹ ›Sechzig‹, sagte ich, ›oder vielleicht zweiundsechzig.‹ ›Vierzig‹, antwortete mein Freund, ›vierzig und nicht mehr.‹ Denken Sie sich mein Erstaunen! Nein, den Admiral Baldwin vergesse ich nicht so leicht. Ich habe nie an einem so unglücklichen Beispiele gesehen, was das Seeleben tun kann. Aber so geht’s mehr oder weniger allen. Sie werden hinaus gestoßen, jeder Willkür und jeder Witterung ausgesetzt, bis man sie nicht mehr ansehen kann. Schade, dass man sie nicht lieber gleich auf den Kopf schlägt, ehe sie so alt werden wie Admiral Baldwin.«

»Ei, das ist doch sehr strenge gesagt!«, sprach Mrs. Clay. »Haben Sie doch ein bisschen Mitleid mit den armen Leuten! Wir sind ja nicht alle hübsch geboren. Die See verschönert freilich nicht, Seeleute werden alt vor der Zeit, das hab’ ich oft bemerkt, und verlieren früh das jugendliche Ansehen. Aber ist’s denn nicht ebenso bei vielen anderen Gewerben, oder gar bei den meisten? Soldaten im Landkriege geht’s nicht besser, und selbst in ruhigeren Berufsarten muss sich der Geist plagen und abmühen, wenn nicht der Leib, und dabei behält der Mensch selten das Ansehen, das er nach dem natürlichen Laufe der Zeit haben sollte. Der Rechtsgelehrte plackt sich und wird durch Sorgen aufgerieben; der Arzt ist zu allen Stunden auf und reiset bei jedem Wetter; und selbst der Geistliche« – sie schwieg einen Augenblick, erwägend, was für den Geistlichen passte – »ja selbst der Geistliche muss, wie Sie wissen, ansteckende Kranke besuchen, seine Gesundheit und sein gutes Aussehen in einer vergifteten Atmosphäre daran wagen. Kurz, wie ich schon längst überzeugt gewesen bin, jeder Stand ist zwar an seinem Platze nötig und ehrenvoll, aber nur denjenigen, die nicht genötigt sind, einem Berufe zu folgen, die auf dem Land einer regelmäßigen Lebensordnung nachgehen, die Herren ihrer Zeit sind, nach ihrem Belieben sich beschäftigen und auf ihrem Eigentum leben, nur jene haben das Glück, den Segen der Gesundheit und eines guten Aussehens aufs Längste zu bewahren. Ich kenne sonst keine Art von Leuten, die nicht etwas von ihrer angenehmen Erscheinung verlören, wenn sie nicht mehr ganz jung sind.«

Es hatte das Ansehen, als ob Mr. Shepherd, bei seiner eifrigen Bemühung, dem Baronet einen See-Offizier zum Mietmann zu empfehlen, mit Sehergabe ausgerüstet gewesen wäre. Denn die erste Nachfrage nach dem Landhause kam vom Admiral Croft, den er bald nachher bei der Gerichtstagung in Taunton traf, und er hatte allerdings auch aus London von einem Geschäftsführer des Admirals einen Wink erhalten. Nach dem Berichte, den er in Kellynch-Hall abzulegen sich beeilte, war Admiral Croft aus der Grafschaft Somerset, hatte sich ein hübsches Vermögen erworben, wünschte sich in seiner Heimat niederzulassen und war nach Taunton gekommen, um einige zu veräußernde Landgüter in jener Gegend anzusehen, die ihm aber nicht gefallen hatten. Bei der Gelegenheit war ihm denn zufällig zu Ohren gekommen, – Mr. Shepherd hatte es ja vorausgesagt, des Baronets Angelegenheiten ließen sich nicht geheim halten – dass Kellynch-Hall vielleicht zu haben wäre, und da ihm Shepherds Verbindung mit dem Eigentümer bekannt geworden war, so hatte er sich an ihn gewendet, um das Nähere zu erfahren, und bei einer ziemlich langen Unterredung ein so lebhaftes Verlangen nach dem Gute verraten, als jemand hegen konnte, der nur Beschreibungen davon erhalten hatte. Shepherd wollte nach allem, was er bei der Gelegenheit gehört, sich überzeugt haben, dass der Admiral ein sehr zuverlässiger und aller Empfehlung würdiger Mietmann wär.

»Und wer ist Admiral Croft?«, fragte der Baronet argwöhnisch.

Shepherd antwortete, der Admiral wäre von guter Herkunft, und nannte dessen Stammhaus.

»Er ist Tonne-Admiral von der weißen Flagge«, setzte Anne nach einer Pause hinzu. »Er war in der Schlacht bei Trafalgar4, und seitdem in Indien, wo er, wie ich glaube, mehrere Jahre gewesen ist.«

»Nun, dann ist sein Gesicht ohne Zweifel so pomeranzengelb, als Kragen und Aufschläge an meiner Livree«, sprach der Baronet.

Shepherd versicherte schnell, Admiral Croft sähe sehr gesund, frisch und angenehm aus, zwar ein wenig gebräunt, doch gar nicht viel, wäre übrigens in seinen Gesinnungen und seinem Benehmen ein sehr gebildeter Mann, würde keine Schwierigkeiten über die Bedingungen machen, wünschte nur eine angenehme Wohnung, die er so bald als möglich beziehen könnte, wüsste recht gut, dass er für seine Bequemlichkeit zu bezahlen hatte, wüsste auch, wie viel ein völlig eingerichtetes Haus von solcher Bedeutung kosten könnte, würde sich auch nicht wundern, wenn der Baronet mehr fordern wollte, hatte zwar wohl gewünscht, die grundherrlichen Rechte auch übernehmen zu können, machte sich aber nicht viel daraus; ginge zwar zu Zeiten mit einer Flinte auf ’s Feld, schösse aber nie – kurz ein recht feiner Mann.

Mr. Shepherd war beredsam über den Gegenstand, und setzte alle die häuslichen Umstände auseinander, die den Admiral zu einem sehr willkommenen Pächter machten. Der Seemann war zwar verheiratet, aber ohne Kinder, und gerade einen solchen Mann musste man haben. Ein Haus würde nie gut besorgt, wo keine Frau wäre, meinte Shepherd, und er wüsste nicht, sagte er, ob nicht die Einrichtung in ebenso große Gefahr käme, wo keine Frau wäre, als wo es zu viele Kinder gäbe. Eine Hausfrau ohne Kinder war, nach seiner Versicherung, die beste Bewahrerin des Hausrates. Der Rechtsmann hatte auch des Admirals Gemahlin selber gesehen, die bei der ganzen Verhandlung zugegen gewesen war, »Eine recht beredsame, artige, kluge Frau schien sie zu sein. Sie fragte mehr über das Haus, die Bedingungen und die Abgaben, als der Admiral, und schien sich gut auf Geschäfte zu verstehen. Auch ist sie nicht ganz unbekannt hier in unserer Gegend. Sie ist nämlich die Schwester eines Herrn, der einmal in unserer Nachbarschaft wohnte, dessen, der sich vor einigen Jahren in Monkford aufhielt. Nun wie hieß er denn gleich? Ich kann mich nicht auf den Namen besinnen, und habe ihn doch erst kürzlich gehört. Liebe Penelope! kannst du mir denn nicht mit dem Namen des Herrn helfen, der in Monkford wohnte – der Bruder der Gemahlin des Admirals.«

Frau Penelope Clay sprach so eifrig mit Fräulein Elisabeth, dass sie die Frage nicht vernahm.

»Ich begreife nicht, wen sie meinen können, Shepherd«, hob der Baronet an. »Ich wüsste nicht, was für ein Herr in Monkford gewohnt hätte, seit dem alten Gouverneur Trent.«

»Ei das ist doch seltsam! Ich vergesse am Ende gar meinen eigenen Namen. Ich habe den Namen so gut gekannt, den Herrn selber so gut von Ansehen gekannt, wohl hundertmal ihn gesehen, habe ihm auch einmal meinen Rat gegeben – Es war eine Streitigkeit mit den Nachbarn – die Bauern hatten sich an seinem Obstgarten vergriffen, Äpfel gestohlen, aber hinterher machte er alles gütlich ab, gegen meinen Rat. Wunderlich, dass ich ihn vergessen kann!«

»Sie meinen wohl Mr. Wentworth?«, sprach Anne nach einer Pause.

»Wentworth, ja das ist der Name!«, antwortete Shepherd dankbar. »Mr. Wentworth, der war’s. Er hatte die Pfarrei von Monkford auf zwei bis drei Jahre, wie Sie sich erinnern, gnädiger Herr, etwa um das Jahr 1805 kam er, glaub’ ich. Sie müssen sich seiner erinnern.«

»Wentworth? O ja! Der Pfarrer in Monkford. Ich wurde nur irre, weil Sie von einem Herrn sprachen. Ich dachte, Sie meinten einen Gutsbesitzer. Dieser Mr. Wentworth war nicht von Adel, wie ich mich erinnere, hatte nichts zu tun mit dem Hause Strafford. Es verwundert, wie die Namen von vielen adeligen Geschlechtern so gemein werden.«5

Als Shepherd merkte, dass diese Verbindung die Familie Croft bei dem Baronet nicht empfehlen konnte, sprach er nicht weiter davon, und hob desto eifriger die Umstände hervor, welche unbestreitbar zu ihrem Vorteile waren: ihr Alter, ihre große Verwandtschaft, ihren Reichtum; die hohe Meinung, die sie von Kellynch-Hall hatten, und ihren lebhaften Wunsch, das Landgut in Pacht zu nehmen; und nach Shepherds Äußerungen hielten sie es für das größte Glück, des Baronets Mietleute zu sein. Gewiss eine seltsame Neigung, wenn sich hätte voraussehen lassen, dass sie mit des Baronets Ansichten von den Pflichten eines Mietmannes bekannt gewesen wären.

Die Sache hatte indes guten Fortgang, und wiewohl der Baronet immer mit ungünstigem Auge auf jeden blicken musste, der dieses Haus zu bewohnen sich vornahm, und selbst wenn er die höchsten Bedingungen hätte machen wollen, noch immer der Meinung war, dass sein Mietmann noch viel zu gut davon käme, wenn ihm auch die höchsten Bedingungen aufgelegt werden sollten, so ließ er sich doch am Ende bewegen, seinem Rechtsfreunde den Abschluss des Vertrages zu überlassen, und ihn zu ermächtigen, den Admiral in Taunton zu besuchen, und den Tag zur Besichtigung des Landgutes zu verabreden.

Der Baronet war nicht allzu weise, aber er besaß doch Weltkenntnis genug, um einzusehen, dass er nicht leicht einen untadelhafteren Mietmann, als Admiral Croft in jeder Hinsicht zu sein schien, finden könne. So viel sagte ihm sein Verstand, und seine Eitelkeit fand auch noch eine kleine Milderung in des Admirals Rang, der gerade hoch genug, aber doch nicht zu hoch war. ›Ich habe mein Landhaus an den Admiral Croft vermietet‹, würde sehr gut lauten, weit besser, als: ›An den Herrn N. N.‹ – denn der Herr, weil es ihrer vielleicht ein halbes Dutzend andere gleiches Namens gibt, muss immer noch durch einen Zusatz erläutert werden. Ein Admiral verkündigt durch seinen Namen schon seine Wichtigkeit, und konnte doch einen Baronet nicht verkleinern. In allen ihren Verhandlungen musste Sir Walter Elliot stets den Vorrang haben.

Ohne Besprechung mit Elisabeth konnte indes nichts getan werden; aber ihre Neigung zu einer Ortsveränderung war so lebhaft geworden, dass sie sich freute, als die Abreise bestimmt und ein Mietmann gefunden war. Sie sagte nicht ein Wort, um die Entscheidung aufzuhalten.

Shepherd erhielt unbeschränkte Vollmacht zum Abschluss, und sobald es so weit gekommen war, erhob sich Anne, die sehr aufmerksam zugehört hatte, und ging hinaus, um im Freien ihre glühende Wange zu kühlen. Sie wandelte durch ihr liebes Wäldchen, und sprach mit einem leisen Seufzer: »Noch einige Monate, und er wandelt vielleicht hier!«

KAPITEL IV

DIESERER war nicht etwa der ehemalige Pfarrer von Monkford, wie man es leicht vermuten könnte, sondern ein Captain Friedrich Wentworth, sein Bruder, der sich durch seine Tapferkeit auf San Domingo ausgezeichnet hatte. Aber weil er nicht sogleich eine Anstellung gefunden, kam er im Sommer 1806 nach der Grafschaft Somerset, wo er für ein halbes Jahr eine Heimat in Monkford fand. Er war zu jener Zeit ein junger Mann von ausgezeichneter Schönheit, verständig, lebendig – und Anne ein sehr hübsches Mädchen, voller Anmut, Bescheidenheit, Geschmack und Gefühl. Halb so viel Anziehendes auf beiden Seiten würde schon genug gewesen sein. Denn er hatte nichts anderes zu tun, und sie kaum jemanden, den sie hatte lieben können; aber wo die Natur so verschwenderisch ihre Vorzüge verteilt hatte, konnte der Liebesknall nicht ausbleiben. Sie wurden allmählich miteinander bekannt, und als sie einmal sich kannten, schnell und feurig verliebt. Es würde sich schwer sagen lassen, wer von beiden die höhere Vollkommenheit in dem anderen gesehen hatte, oder wer am glücklichsten gewesen wäre: Sie, als sie seine Erklärungen und Anträge empfing, oder er, als er dieselben angenommen sah.

Es folgte eine Zeit des schönsten Glückes, aber nur eine kurze. Bald gab es Störungen. Der Baronet, dem die Wünsche der Liebenden eröffnet wurden, verweigerte zwar seine Einwilligung nicht ausdrücklich, und sagte ebenso wenig, dass er nie einwilligen werde; aber seine auffallende Überraschung, seine auffallende Kälte, sein auffallendes Stillschweigen, und seine Erklärung, nichts für seine Tochter tun zu wollen, alles dies war so gut als eine abschlägige Antwort. Er hielt die Verbindung für sehr herabwürdigend, und Mrs. Russell, wiewohl mit gemäßigterem und verzeihlicherem Stolze, hielt sie für eine sehr unglückliche. Es war ihr ein schmerzlicher Gedanke, dass sich Anne bei allen Vorzügen, welche Herkunft, Schönheit und Geistesbildung ihr gaben, im neunzehnten Jahre wegwerfen, im neunzehnten Jahre mit einem jungen Mann sich einlassen wollte, der keine Empfehlungen, keine Hoffnung hatte, sich Einfluss zu verschaffen, als in den Glücksfällen eines sehr ungewissen Berufes, und auch keine Verbindungen, um selbst in diesem Berufe sich empor zu schwingen. Anne, ihre noch so junge, so wenig in der Welt bekannte Freundin, sollte ein Fremdling ohne Familienverbindungen, ohne Vermögen weghohlen oder mit sich in einen Zustand ermüdender, kummervoller, die Jugendkraft ertötender Abhängigkeit ziehen! Es durfte nicht sein, wenn es durch redliche Einmischung der Freundschaft, durch den Rat einer Freundin, die fast mütterliche Liebe und mütterliche Rechte besaß, verhindert werden konnte.