Überredung - Jane Austen - E-Book + Hörbuch

Überredung E-Book und Hörbuch

Jane Austen.

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Beschreibung

Anne Elliot ist bereits siebenundzwanzig – und unverheiratet. Aus Standesdünkel riet ihre Familie ihr vor acht Jahren dazu, den Heiratsantrag von Annes großer Liebe, dem bürgerlichen und mittellosen Frederick Wentworth, abzulehnen. Allerdings langweilt der Alltag in den Kreisen des Landadels die kluge und unkonventionelle Anne und auch ihren Verlust scheint sie nie überwunden zu haben. Als sie eines Tages unverhofft erneut auf den mittlerweile wohlhabenden und geachteten Captain Wentworth trifft, erweckt diese Begegnung tiefe Gefühle in Anne. Wentworth scheint indes eher ihrer jungen und lebhaften Nachbarin Louisa Musgrove zugetan zu sein ... -

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Seitenzahl: 363

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Zeit:8 Std. 34 min

Sprecher:Christina Puciata
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Jane Austen

Überredung

Übersezt von Margarete Rauchenberger, überarbeitet von Hanne Tyslik

ROMAN

Saga

Überredung

 

Aus dem Englischen übersetzt von Margarete Rauchenberger, überarbeitet von Hanne Tyslik

 

Titel der Originalausgabe: Persuasion

 

Originalsprache: Englisch

 

Cover Design © Netflix 2022. Used with permission.

Copyright © 1822, 2022 SAGA Egmont

Anmerkung des Verlags: Überredung ist Jane Austens letzter vollständiger Roman. Er wurde zwischen August 1815 und August 1816 verfasst, aber erst 1818 posthum veröffentlicht. Der Roman wurde wenige Jahre nach Erscheinen erstmals in die deutsche Sprache übersetzt und über die Jahre sind diverse Neuübersetzungen gefolgt, weshalb auch die deutsche Titel-Übersetzung variiert. Die häufigste deutsche Übersetzung ist „Überredung“ oder, nach der Protagonistin, „Anne Elliot“.

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788728440346

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Anmerkung des Verlags

Überredung ist Jane Austens letzter vollständiger Roman. Er wurde zwischen August 1815 und August 1816 verfasst, aber erst 1818 posthum veröffentlicht. Der Roman wurde wenige Jahre nach Erscheinen erstmals in die deutsche Sprache übersetzt und über die Jahre sind diverse Neuübersetzungen gefolgt, weshalb auch die deutsche Titel-Übersetzung variiert. Die häufigste deutsche Übersetzung ist „Überredung“ oder, nach der Protagonistin, „Anne Elliot“.

I.

Sir Walter Elliot auf Kellynch Hall in Somersetshire nahm zu seiner eigenen Unterhaltung nie ein anderes Buch als den Adelsalmanach zur Hand. Dort fand er Beschäftigung für manche müßige Stunde und Trost in Zeiten des Kummers. Seine Sinne erhoben sich bei Betrachtung der spärlichen Überreste uralter Adelsbriefe zu Bewunderung und Ehrfurcht. Alle unwillkommenen Empfindungen, die auf häusliche Schwierigkeiten zurückgingen, wandelten sich auf natürliche Weise in Mitleid und Verachtung, wenn er die fast endlosen Ernennungen des letzten Jahrhunderts durchblätterte – und wenn jedes andere Blatt machtlos blieb, verfolgte er seine eigene Abstammungsgeschichte mit niemals versagendem Interesse. Die Seite, auf der sich der bevorzugte Band schon von selbst öffnete, lautete:

„ELLIOT OF KELLYNCH HALL

Walter Elliot, geboren am 1. März 1760, heiratete am 15. Juni 1784 Elisabeth, die Tochter des James Stevenson von South Park in der Grafschaft Gloucester; diese Dame (gestorben 1800) gebar ihm Elisabeth, geboren am 1. Juni 1785, Anne, geboren am 9. August 1787, einen Sohn, totgeboren am 5. November 1789, Mary, geboren am 20. November 1791.“

Genau so hatte der Absatz ursprünglich bei der Drucklegung gelautet, aber Sir Walter hatte ihn verbessert und zu seiner und der eigenen Familie Unterrichtung nach Marys Geburtsdatum angefügt: „Heiratete am 16. Dezember 1810 Charles, den Sohn und Erben von Charles Musgrove auf Uppercross in der Grafschaft Somerset“ – und gleichfalls hatte er den genauen Todestag seiner Frau eingetragen.

Dann folgten in üblicher Weise Angaben über die Geschichte und den Aufstieg der alten und angesehenen Familie: wie sie sich zunächst in Cheshire niedergelassen hatte; wie sie in Dugdale das Amt des obersten Gerichtsbeamten innehatte und in drei aufeinanderfolgenden Parlamenten die Gemeinde vertrat, mit hohen Beweisen der Treue gegen das Vaterland; wie ihr die Baronetwürde im ersten Regierungsjahr Charles II. verliehen wurde, mit all den Marys und Elisabeths, die sie geheiratet hatten. Alles das umfasste zwei schöne Duodezseiten, einschließlich Wappen und Wahlspruch. „Hauptsitz: Kellynch Hall in der Grafschaft Somerset“, und darunter stand von Sir Walters Hand das Finale: „Voraussichtlicher Erbe: William Walter Elliot, Urenkel des zweiten Sir Walter.“

Sir Walter Elliots Charakter stand im Zeichen von Eitelkeit, Eigen- und Standesdünkel. In seiner Jugend war er außerordentlich hübsch gewesen, und mit 54 Jahren galt er noch immer als ein schöner Mann. Es gab wohl wenig Frauen, die mehr um ihre äußere Erscheinung besorgt waren als er, und auch der Kammerdiener eines neu ernannten Lords konnte kaum mehr von seiner Stellung in der Gesellschaft entzückt sein. Für ihn kam der Segen der Schönheit gleich hinter dem Segen der Baronetwürde; und jener Sir Walter Elliot, der diese Gaben in sich vereinigte, war das ständige Ziel seiner wärmsten Achtung und Hingabe.

Sein Aussehen und sein Rang hatten wohl einen Anspruch auf seine Zuneigung, denn ihnen verdankte er eine vortreffliche Gattin. Lady Elliot war eine ausgezeichnete, kluge und liebenswürdige Frau, deren Urteilskraft und Haltung keiner Nachsicht bedurfte, wenn man ihr auch die jugendliche Verblendung zugutehalten muss, die sie zu einer Lady Elliot gemacht hatte. Sie hatte seine Schwächen mit Heiterkeit oder Milde bemäntelt und siebzehn lange Jahre sein Ansehen gefördert. Und wenn sie sich auch selbst nicht als das glücklichste Wesen auf Erden pries, so hatte sie doch in ihren Pflichten, in ihren Freunden und in ihren Kindern genug gefunden, was sie ans Leben fesselte. Und daher fiel es ihr nicht allzu leicht, als sie von ihnen abberufen wurde. Drei Töchter, die beiden ältesten 16 und 14 Jahre, waren für eine Mutter eine erdrückende Hinterlassenschaft, mehr noch eine erdrückende Last, die sie der Obhut und Führung eines eingebildeten, törichten Vaters anvertrauen musste. Sie besaß jedoch eine sehr liebe Freundin, eine kluge, verdienstvolle Frau, die sich aus tiefer Anhänglichkeit ganz in der Nähe, in dem Dorfe Kellynch, angesiedelt hatte. Auf deren Freundlichkeit und Rat stützte Lady Elliot sich hauptsächlich bei ihren Bemühungen um die geistige und seelische Erziehung ihrer Töchter.

Diese Freundin und Sir Walter heirateten nicht, was ihre beiderseitigen Bekannten auch in diesem Punkte vorausgesehen haben mochten. Dreizehn Jahre waren seit Lady Elliots Tod verstrichen, und sie waren immer noch Nachbarn und eng befreundet; er war Witwer und sie Witwe geblieben.

Dass Lady Russell nicht an eine zweite Heirat gedacht hatte, braucht vor der Öffentlichkeit nicht entschuldigt zu werden, zumal diese im Allgemeinen unvernünftigerweise eher Missfallen äußert, wenn eine Frau noch einmal heiratet, als wenn sie es nicht tut. Denn sie war schon gesetzteren Alters und lebte außerdem in sehr guten Verhältnissen. Aber dass Sir Walter allein blieb, bedarf einer Erklärung. Es muss daher gesagt werden, dass sich Sir Walter – nach der Enttäuschung über ein paar sehr unvernünftige Heiratsanträge allerdings – rühmte, als guter Vater um seiner lieben Töchter willen einsam geblieben zu sein. Für eine Tochter, die Älteste, hätte er wirklich alles aufgegeben, was ihn nicht allzu sehr reizte. Elisabeth hatte im Alter von 16 Jahren so weit wie möglich die Rechte ihrer Mutter übernommen und, da sie sehr hübsch und ihm sehr ähnlich war, großen Einfluss auf ihn ausgeübt, und sie waren sehr vergnüglich miteinander ausgekommen. Seinen beiden anderen Töchtern maß er geringeren Wert bei. Mary hatte einen gewissen Ruhm erlangt, als sie Mrs. Charles Musgrove wurde. Aber Anne, die wegen ihrer Gemütstiefe und ihres liebevollen Wesens von allen verständnisvollen Menschen hochgeachtet wurde, bedeutete weder Vater noch Schwester etwas. Ihr Wort hatte kein Gewicht, sie kam erst in zweiter Linie – sie war eben nur Anne.

Für Lady Russell aber war sie ein liebes, hochgeschätztes Patenkind, ihr Liebling und ihre Freundin. Lady Russell liebte alle drei, aber nur in Anne sah sie deren Mutter wiedererstehen.

Noch vor einigen Jahren war Anne Elliot ein sehr hübsches Mädchen gewesen, aber ihre Blüte war früh dahin. Selbst auf dem Höhepunkt hatte ihr Vater wenig Bewundernswertes an ihr gefunden, so völlig wichen ihre zarten Züge und milden dunklen Augen von den seinen ab. Jetzt, da sie verblüht und schmächtig war, galt sie ihm überhaupt nichts mehr.

Er hatte nie sehr viel Hoffnung gehegt, je ihren Namen auf irgendeiner anderen Seite seines Lieblingsbuches zu lesen. Jetzt war sie ganz erstorben. Eine ebenbürtige Verbindung blieb nun Elisabeth vorbehalten; denn Mary hatte sich lediglich mit einer alten, ehrenwerten und wohlhabenden Familie des Landes verbunden und daher nur alle Ehre geboten, aber keine empfangen; Elisabeth würde schon eines Tages standesgemäß heiraten.

Manchmal ist eine Frau mit 29 Jahren hübscher als zehn Jahre früher, und sie büßt in diesem Lebensabschnitt keinen Reiz ein, solange nicht Krankheit oder Kummer an ihr zehren. Das traf auf Elisabeth auch zu. Sie war noch die gleiche hübsche Miss Elliot wie vor dreizehn Jahren zu Beginn ihrer Laufbahn. Und man konnte es Sir Walter daher zugutehalten, wenn er ihr Alter vergaß, oder ihn wenigstens nur für einen halben Narren halten, dass er sich und Elisabeth für blühender denn je hielt angesichts der Trümmer von Schönheit in seiner Umgebung. Denn bei allen anderen Angehörigen seiner Familie und Bekanntschaft nahm er die Spuren des Alters sehr deutlich wahr. Anne war mager, Mary grob, alle Gesichter in der Nachbarschaft verwelkten, und die sich mehrenden Krähenfüße an Lady Russells Schläfen bekümmerten ihn schon lange.

Elisabeth konnte sich in persönlicher Selbstzufriedenheit nicht ganz mit ihrem Vater messen. Seit dreizehn Jahren war sie die Herrin von Kellynch Hall und stand dem Haushalt mit einer Selbstsicherheit und Entschiedenheit vor, die niemanden auf den Gedanken gebracht hätte, sie könnte jünger sein, als sie wirklich war. Seit dreizehn Jahren spielte sie die Gastgeberin und gestaltete das häusliche Leben. Sie führte auf dem Weg zur vierspännigen Kutsche und verließ alle Salons und Speisesäle des Landes gleich hinter Lady Russel. Dreizehn Winterfröste sahen jeden anständigen Ball, den die dürftige Nachbarschaft zu bieten hatte, von ihr eröffnet, und dreizehn Frühlinge prangten in Blüten, wenn sie mit ihrem Vater für ein paar Wochen Unterhaltung in der großen Welt nach London reiste. Sie war sich ihrer 29 Jahre bewusst, und das verursachte ihr manches Bedauern und manche Furcht. Vollkommen befriedigt, noch immer so hübsch wie damals zu sein, fühlte sie doch, dass sie sich den gefährlichen Jahren näherte, und wäre über die Gewissheit glücklich gewesen, in den nächsten zwölf Monaten von einem Baronet ordnungsgemäß umworben zu werden. Dann hätte sie wieder mit der gleichen Freude wie in ihrer frühen Jugend das Buch der Bücher zur Hand genommen. Aber jetzt mochte sie nicht daran gehen. Sie betrachtete das Buch als ein Übel, solange es das Datum der Heirat nur hinter dem Namen ihrer jüngsten Schwester zeigte. Und mehr als einmal hatte sie es mit abgewandten Augen geschlossen und fortgestoßen, wenn ihr Vater es geöffnet hatte liegen lassen.

Außerdem trug sie eine Enttäuschung, die ihr dieses Buch und besonders die Geschichte ihrer eigenen Familie immer wieder in Erinnerung rief, seitens des voraussichtlichen Erben, gerade dieses William Walter Elliot, dessen Rechte von ihrem Vater in so großzügiger Weise unterstützt wurden.

Schon als sehr junges Mädchen hatte sie ihn heiraten wollen, da er in Ermanglung eines leiblichen Bruders der Baronet werden würde; und ihr Vater war immer gleicher Meinung gewesen. Sie hatten ihn in seinen Knabenjahren nicht gekannt. Aber kurz nach Lady Elliots Tod, anlässlich einer jener Frühlingsausflüge nach London, als Elisabeth in ihrer ersten Blüte stand, hatte Sir Walter seine Bekanntschaft gesucht, zu Anfang zwar keine große Gegenliebe gefunden, doch die Zurückhaltung jugendlicher Bescheidenheit zugeschrieben.

Damals war Mr. Elliot noch ein sehr junger Mann, der Rechtswissenschaft studierte. Elisabeth fand ihn äußerst angenehm und stimmte jedem Plan zu seinen Gunsten zu. Er wurde nach Kellynch Hall eingeladen, und das ganze Jahr lang sprach man von ihm, aber er kam nicht. Im folgenden Frühjahr traf man ihn wieder in London, fand ihn ebenso angenehm und ermutigte ihn wieder, lud ihn ein und wartete auf ihn – und wiederum kam er nicht. Die nächste Nachricht kündigte seine Heirat an. Anstatt sein Schicksal in das einem Erben des Hauses Elliot vorgezeichnete Gleis zu lenken, erkaufte er sich Unabhängigkeit durch die Ehe mit einer reichen Frau von niederer Herkunft.

Sir Walter war ungehalten. Als Haupt der Familie hätte man seine Einwilligung nachsuchen sollen, zumal er den jungen Mann vor der Öffentlichkeit so ausgezeichnet hatte. „Denn man muss uns zusammen gesehen haben“, bemerkte er, „einmal im Tattersall und zweimal im Unterhaus.“ Er sprach seinen Unwillen offen aus, fand aber wenig Beachtung. Mr. Elliot versuchte sich nicht einmal zu entschuldigen und zeigte deutlich, dass ihm nichts an einer weiteren Anerkennung durch die Familie lag, als Sir Walter ihn deren für unwürdig erklärte. Somit war jede Bekanntschaft zwischen ihnen beendet.

Diese wirklich peinliche Geschichte mit Mr. Elliot erfüllte Elisabeth noch nach Jahren mit Zorn. Denn sie hatte den Mann um seinetwillen geschätzt und mehr noch als Erben ihres Vaters, dessen stark ausgeprägter Familienstolz nur jenen als passenden Gatten für Sir Walter Elliots älteste Tochter hielt. Es gab keinen anderen Baronet, den sie so freiwillig für ebenbürtig angesehen hätte, und doch hatte er sich so elendiglich aufgeführt, dass sie im Augenblick – man schrieb den Sommer des Jahres 1814 – ihn immer noch jedes Gedankens für unwert hielt, obgleich sie für seine Frau einen Trauerflor trug. Die Schande seiner ersten Heirat wäre vielleicht noch zu vergessen gewesen – da sie durch keinerlei Nachkommen fortleben würde –, hätte er es nicht noch schlimmer getrieben; aber nach dem Bericht lieber Freunde hatte er äußerst respektlos von ihnen gesprochen, lästerlich und verächtlich von dem Blut, zu dem er gehörte, und von den Ehren, die später die seinen werden sollten. Das war schlechthin unverzeihlich.

Solcher Art waren Elisabeth Elliots Gefühle und Empfindungen. Die Sorgen entsprangen einer Mischung aus Eintönigkeit, Wohlleben und allgemeiner Nichtigkeit ihres Lebens. Sie verliehen einem ereignislosen Beharren in immer dem gleichen ländlichen Kreise Abwechslung und füllten die Lücken, wenn es an Unterhaltung und Reisen fehlte oder Talente und Fertigkeiten nicht ausreichten, um sich die Zeit zu Hause zu vertreiben.

Aber jetzt gesellte sich eine neue Beschäftigung und Unruhe des Gemüts dazu. Ihrem Vater ging mehr und mehr das Geld aus. Wenn er jetzt den Adelsalmanach zur Hand nahm, suchte er die schweren Rechnungen der Geschäftsleute und die unwillkommenen Andeutungen Mr. Shepherds aus seinen Gedanken zu bannen. Die Besitzung von Kellynch war ertragreich, aber den Anforderungen nicht gewachsen, die Sir Walter an die Lebenshaltung ihres Eigentümers stellte. Solange Lady Elliot lebte, waren durch eine gewisse Mäßigkeit und Sparsamkeit immer gerade die Grenzen des Einkommens eingehalten worden. Aber mit ihr starb alle Besonnenheit, und sein Budget wurde ständig überzogen. Eine Einschränkung seiner Ausgaben war ihm nicht möglich. Er hatte nicht mehr getan, als was gebieterisch von einem Sir Walter Elliot verlangt wurde. Aber so schuldlos er auch war, er geriet nicht nur entsetzlich in Schulden, sondern hörte auch oft davon sprechen, so dass jeder Versuch vereitelt wurde, es länger vor seiner Tochter geheim zu halten. Im letzten Frühjahr in London hatte er ihr einige Andeutungen gemacht und sogar die Frage gewagt: „Können wir uns einschränken? Hast du vielleicht eine Vorstellung, in welcher Richtung wir uns einschränken können?“ Um Elisabeth gerecht zu werden, muss man anerkennen, dass sie im ersten Eifer weiblicher Besorgnis ernsthaft darüber nachdachte, was zu tun sei, und schließlich folgende beiden Sparmaßnahmen vorschlug: die unnötigen Almosen einzuschränken und den Salon nicht neu auszustatten. Später kam ihr noch der glückliche Gedanke, Anne kein Geschenk mitzubringen, wie man es bisher gehalten hatte. Aber wie gut diese Vorkehrungen an sich auch sein mochten, sie entsprachen nicht der Größe des Übels, und kurz darauf musste Sir Walter ihr den ganzen Umfang der Schwierigkeit aufdecken. Einschneidendere Maßnahmen hatte Elisabeth nicht vorzuschlagen; sie fand sich grausam behandelt, gerade wie ihr Vater, und beide wussten ihre Ausgaben nicht zu verringern, ohne ihre Würde bloßzustellen oder ihre Bequemlichkeit in einem unerträglichen Maße einzuschränken.

Sir Walter konnte nur über einen kleinen Teil seines Besitztums frei verfügen. Aber selbst wenn jeder Acker veräußerlich gewesen wäre, hätte das nichts geändert. Er hatte das Gut bis zum Äußersten mit Hypotheken belastet, aber sich nie dazu herablassen können, etwas Grund zu verkaufen. Nein, derart würde er seinen Namen nie entehren. Die Besitzung Kellynch würde ganz und gar ungeteilt übergeben, so wie er sie empfangen hatte.

Seine beiden vertrauten Freunde Mr. Shepherd, der in der nächsten Marktstadt wohnte, und Lady Russell wurden zu Rate gezogen, und Vater wie Tochter schienen zu erwarten, dass einer von ihnen ihre Verlegenheit zu beseitigen und ihre Ausgaben ohne jede Einbuße an Bequemlichkeit und Stolz zu verringern wisse.

II.

Mr. Shepherd, ein zuvorkommender, vorsichtiger Rechtsanwalt, zog es vor, ungeachtet seines Einflusses auf Sir Walter und seiner Ansichten über ihn, das Unangenehme durch andere vorbringen zu lassen. Daher entschuldigte er sich, nicht mit Vorschlägen aufwarten zu wollen, und empfahl lediglich eine uneingeschränkte Fügung in Lady Russells ausgezeichnetes Urteil – denn er wusste, dass ihr kluger Menschenverstand gerade zu jenen einschneidenden Maßnahmen raten würde, die er angenommen wissen wollte.

Lady Russell machte sich eifrigst an diese Aufgabe und widmete ihr manch ernsthafte Überlegung. Als Frau von mehr gesundem als schnellem Denken stieß sie wegen der Gegensätzlichkeit der beiden Hauptpunkte auf große Schwierigkeiten. In ihrer persönlichen Makellosigkeit und ihrem feinen Ehrgefühl bemühte sie sich, Sir Walters Empfindungen zu schonen. Sie war so besorgt um das Ansehen der Familie und vornehm in ihren Ansichten über das, was ihr gebührte, wie nur ein Mensch von Vernunft und Anstand. Eine wohlwollende, hilfsbereite Frau und starker Anhänglichkeit fähig, immer korrekt in ihrem Verhalten und unnachgiebig in ihren Ansichten über die Schicklichkeit, verfügte sie über Umgangsformen, die als ein Beispiel guter Erziehung angesehen wurden, und über einen kultivierten Geschmack. Allgemein gesehen, handelte sie vernünftig und konsequent. Aber in Bezug auf die Herkunft hatte sie Vorurteile, schätzte Rang und Ansehen hoch, sodass sie gern die Fehler derer übersah, die Rang und Ansehen besaßen. Sie selbst war nur die Witwe eines Ritters; aber der Würde eines Baronets ließ sie alle Achtung angedeihen, und unabhängig davon, dass Sir Walter ein alter Bekannter, ein aufmerksamer Nachbar, ein liebenswürdiger Grundherr, der Gatte einer teuren Freundin, der Vater von Anne und deren Schwestern war, hatte er für ihr Empfinden Anspruch auf Anteilnahme und Rücksicht in seinen gegenwärtigen Schwierigkeiten.

Sie mussten sich einschränken, das stand außer Zweifel. Aber Lady Russell war darauf bedacht, es für ihn und Elisabeth so schmerzlos wie möglich einzurichten. Sie stellte Wirtschaftspläne auf, machte genaue Berechnungen und tat etwas, woran bisher noch niemand gedacht hatte, nämlich sie befragte Anne, deren mangelndes Interesse die anderen bisher angenommen zu haben schienen. Lady Russell zog Anne zu Rate, die ihr in hohem Maße bei der Ausarbeitung eines Sparsystems half, das schließlich Sir Walter unterbreitet wurde. Annes Vorschläge zielten mehr auf Redlichkeit als auf äußeres Ansehen. Sie wünschte energischere Maßnahmen, eine vollständig geänderte Lebensführung, schnellere Abtragung der Schulden und größere Gleichgültigkeit gegen alle äußeren Umstände.

„Wenn es gelingt, deinen Vater zu alledem zu überreden“, meinte Lady Russell, „kann viel geholfen werden. Wenn er diese Regelung annimmt, wird er in sieben Jahren aller Schulden ledig sein; und hoffentlich überzeugen wir ihn und Elisabeth davon, dass die Achtung vor Kellynch Hall durch diese Einschränkungen nicht beeinträchtigt wird. Es mindert die wahre Würde eines Sir Walter Elliot in den Augen vernünftiger Menschen nicht, wenn er wie ein Mann von Grundsätzen handelt. Er tut nichts anderes als sehr viele unserer ersten Familien – oder was sie doch wenigstens tun sollten. Sein Fall steht keineswegs vereinzelt, und gerade dieses Alleinestehen ist meist das Schlimmste an unseren Leiden – an unserem Verhalten immer. Ich hoffe sehr auf ein Gelingen. Wir müssen allen Ernst und alle Entschlossenheit daran setzen; denn schließlich muss ja der, der diese Schulden verursacht hat, sie auch bezahlen. Und wenn man auch auf die Gefühle eines Edelmannes und eines Familienoberhauptes Rücksicht nehmen muss, so schuldet man doch dem Charakter eines ehrlichen Menschen noch mehr.“

Nach diesem Grundsatz hätte Anne ihren Vater gern handeln sehen, und seine Freunde sollten ihn dazu überreden. Ihr erschien es eine unumgängliche Pflicht, alle Ansprüche der Gläubiger so schnell zu befriedigen, wie es die umfassendsten Einschränkungen gestatteten. Alles andere dünkte ihr unwürdig. Sie bewertete Lady Russells Einfluss sehr hoch, und da ihre Gewissenhaltigkeit sie zu großer Selbstverleugnung verleitete, glaubte sie, es verursache nur wenig mehr Schwierigkeiten, zu einer völligen als zu einer halben Reform zu überreden. Wie sie ihren Vater und Elisabeth kannte, würde das Opfer eines Pferdegespanns ihnen kaum weniger schmerzlich sein als der Verlust beider Gespanne. Und so ging es bei jedem Posten der von Lady Russell vorgeschlagenen, allzu sanften Einschränkungen.

Die Betrachtung, wie Annes strengere Maßnahmen aufgenommen worden wären, ist unwichtig, da schon Lady Russells Vorschlägen jedweder Erfolg versagt blieb. Sie waren unannehmbar und unerträglich. Was? Jegliche Bequemlichkeit einfach zerschlagen? Reisen, London, Dienstboten, Pferde, Mahlzeiten – Einschränkungen und Kürzungen überall. Nicht einmal mit dem Anstand eines einfachen Edelmannes leben? Nein, eher wollte er Kellynch Hall auf der Stelle verlassen, als unter solch schändlichen Bedingungen dort weiterleben.

„Kellynch Hall verlassen!“ Dieses Stichwort griff Mr. Shepherd sofort auf; denn er war sehr an der Verwirklichung von Sir Walters Einschränkungen interessiert und fest davon überzeugt, dass ohne Wohnungswechsel nichts ausgerichtet würde. Und da dieser Gedanke gerade von dem stamme, der zu bestimmen habe, gestehe er ohne Skrupel, sagte er, dass sich sein Gutachten in der gleichen Richtung bewege. Seinem Ermessen nach könne Sir Walter seinen Lebensstil nicht wesentlich ändern, solange er in einem Haus wohne, das einen derartig hohen Stand von Gastfreundschaft und althergebrachter Würde verkörpere. In jedem anderen Orte könne Sir Walter selbst entscheiden, und man würde zu ihm als dem Gestalter einer neuen Lebensführung aufsehen, wie er auch immer seinen Haushalt zu ändern geneigt sei.

Sir Walter wollte Kellynch Hall verlassen. Und nach nur wenigen Tagen des Zweifels und der Unentschlossenheit war die große Frage, wohin er sich wenden solle, gelöst und der erste Umriss dieser einschneidenden Veränderungen geplant.

Drei Orte standen zur Wahl: London, Bath oder irgendein Landhaus dieser Gegend. Anne hatte sich sehnlichst Letzteres gewünscht. Ihr ganzer Ehrgeiz galt einem kleinen Haus in der Nachbarschaft, wo sie weiter Lady Russells Gesellschaft genießen, Mary nahe sein konnte und ihr immer noch die Freude blieb, dann und wann die Rasen und Waldungen von Kellynch zu sehen. Aber Anne blieb ihr gewöhnliches Schicksal vorbehalten, und das Gegenteil ihrer Wünsche wurde ihr aufgezwungen. Sie liebte Bath nicht und glaubte, es bekäme ihr nicht – und nun sollte ihre neue Heimat werden.

Zuerst war Sir Walter eher London mehr zugeneigt, aber Mr. Shepherd befürchtete, London ihnen nicht zutrauen zu können. Er war geschickt genug, ihm diesen Plan auszureden und Bath wünschenswerter erscheinen zu lassen, ein viel sichererer Platz für einen Herrn seiner misslichen Lage, wo er angesehen bei verhältnismäßig geringen Kosten leben konnte. – Zwei wichtige Vorteile hatten natürlich Bath vor London den Vorzug gegeben: die bequemere Lage zu Kellynch mit nur 50 Meilen Entfernung und die Möglichkeit für Lady Russell, jeden Winter einige Zeit dort zu verbringen. Zur größten Befriedigung von Lady Russell, die bei dem geplanten Wechsel sogleich für Bath gestimmt hatte, konnte man Sir Walter und Elisabeth zu dem Glauben überreden, weder an Ansehen noch an Vergnügen einzubüßen, wenn sie dort Wohnung nähmen.

Lady Russell sah sich zu einem Einspruch gegen die Wünsche ihrer lieben Anne gezwungen. Es hieße, zu viel von Sir Walter erwarten, sich mit einem kleinen Haus in seiner eigenen Nachbarschaft zu begnügen. Selbst Anne würde die Demütigung stärker empfunden haben, als sie jetzt ahnte, und Sir Walter geradezu darunter leiden. Außerdem betrachtete sie Annes Abneigung gegen Bath als ein Vorurteil, das zunächst darauf zurückzuführen war, dass sie nach dem Tod ihrer Mutter dort drei Jahre die Schule besucht und später in einer ziemlich niedergeschlagenen Gemütsverfassung einen Winter mit ihr zusammen dort verbracht hatte.

Lady Russell liebte Bath und neigte zu der Ansicht, es müsse allen Menschen gefallen. Jeder Gefahr für die Gesundheit ihrer jungen Freundin sei dadurch zu begegnen, dass man die warmen Monate in Kellynch Lodge verbringe, ein Klimawechsel, den sie für Gesundheit wie Gemüt nur zuträglich fand. Anne war kaum von zu Hause fortgewesen und hatte zu wenig gesehen. Ihr Gemüt war nicht heiter genug, ein großer Kreis würde ihr wohltun, und sie käme mehr in Gesellschaft.

Das Unerwünschte des Planes, ein anderes Haus in der gleichen Gegend für Sir Walter zu suchen, wurde durch eine gewisse und sehr wichtige Erwägung unterstützt, die man glücklicherweise gleich zu Anfang bedacht hatte. Er sollte sein Heim nicht nur verlassen, sondern es auch von anderen Menschen bewohnt sehen; diese Probe seiner Kraft wäre selbst besinnlicheren Köpfen als Sir Walter zu schwergefallen. Kellynch Hall sollte vermietet werden; es war jedoch ein tiefes Geheimnis, das ihren eigenen Kreis nicht überschreiten durfte.

Sir Walter hätte die Demütigung nicht ertragen, wenn die Absicht, sein Haus zu vermieten, bekannt geworden wäre. Mr. Shepherd hatte einmal das Wort „anzeigen“ erwähnt, aber nicht mehr darauf zurückzukommen gewagt. Sir Walter hatte den Gedanken, es in irgendeiner Weise anzubieten, weit von sich gewiesen, den geringsten Hinweis darauf verbeten, dass er überhaupt dergleichen beabsichtigt hatte, und erklärt, sich nur dann zu einer Vermietung herbeizulassen, wenn ein ganz hervorragender Bewerber spontan an ihn herantreten würde, um es zu ihm gemäßen Bedingungen und als ganz besondere Vergünstigung zu übernehmen.

Wie schnell bieten sich Gründe, wenn es gilt, unsere Wünsche zu bekräftigen! Lady Russell hatte noch einen ausgezeichneten bei der Hand, glücklich, dass Sir Walter mit seiner Familie die Gegend verlassen wollte. Elisabeth hatte kürzlich eine Freundschaft geschlossen, deren sie überdrüssig war. Die Freundin, Mr. Shepherds Tochter, war nach einer unersprießlichen Ehe mit der zusätzlichen Last von zwei Kindern zu ihrem Vater zurückgekehrt, eine kluge junge Frau, die sich ungewöhnlich auf die Kunst zu gefallen verstand. Zumindest galt das für Kellynch Hall. Sie hatte sich bei Miss Elliot sehr angebiedert und schon mehrmals dort gewohnt, trotz aller von Lady Russell anempfohlener Vorsicht und Zurückhaltung, die diese Freundschaft für fehl am Platze hielt.

Lady Russells Einfluss auf Elisabeth war gering, und sie schien Elisabeth mehr um des Liebens willen zu lieben. Nie hatte ihr Elisabeth mehr als äußerliche Aufmerksamkeit und Beweise unumgänglicher Höflichkeit bekundet, und es war ihr nie gelungen, etwas gegen deren Neigungen auszurichten. Verschiedentlich hatte sie ernsthaft vorgeschlagen, Anne in die Besuche nach London einzuschließen, da sie sich der ganzen Ungerechtigkeit und Schande jener selbstsüchtigen Pläne bewusst war, die Anne ausschlossen. Auch bei geringeren Anlässen hatte Lady Russell sich bemüht, Elisabeth kraft ihres besseren Urteils und ihrer Erfahrung zu beraten – aber immer vergeblich. Elisabeth ging ihren eigenen Weg und hatte ihn nie in ausgesprochenerem Gegensatz zu Lady Russell verfolgt als bei dieser Wahl von Mrs. Clay. Sie wandte sich von der Gesellschaft ihrer verdienstvollen Schwester ab, um Zuneigung und Vertrauen einem Menschen zu schenken, dem nur kühle Höflichkeit gebührt hätte.

In Lady Russells Augen war Mrs. Clay ihrer Stellung nach eine sehr unpassende und ihrem Charakter nach eine sehr gewagte Gefährtin – und ein Umzug, der Mrs. Clay zurücklassen und Miss Elliot passenderen Freundinnen zuführen würde, war daher von außerordentlicher Wichtigkeit.

III.

„Ich gestatte mir die Bemerkung, Sir Walter“, sagte Mr. Shepherd eines Morgens in Kellynch Hall, während er die Zeitung niederlegte, „dass die augenblickliche Lage sehr günstig für uns ist. Dieser Friede wird all unsere reichen Seeoffiziere ans Ufer werfen. Sie werden alle nach einem Heim suchen. Es könnte gar keine bessere Zeit geben, Sir Walter, um eine Auswahl an Mietern, sehr verantwortungsbewussten Mietern zu haben. Mancher hat während des Krieges ein beachtliches Vermögen gemacht, und wenn so ein reicher Admiral unseren Weg kreuzen sollte, Sir Walter ...“

„So wäre er ein Glückspilz, Shepherd“, erwiderte Sir Walter. „Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe. Kellynch Hall wäre für ihn eine Auszeichnung und wahrscheinlich sogar die größte, gleichviel welche er vorher schon empfangen haben mag – he, Shepherd?“

Mr. Shepherd lachte gebührend über diesen Witz und fügte dann hinzu: „Ich wage zu bemerken, Sir Walter, dass die Herren von der Marine in Geschäftssachen leicht zu behandeln sind. Ich habe einige Übung in ihren Praktiken. Ich finde ihre Ansichten sehr liberal, kurzum, sie sind die annehmbarsten Mieter, die einem begegnen können. Es ist gewiss, dass sich die Handlungen und Pläne einer Gesellschaftsschicht nur schwer vor der Neugier und Beobachtung der anderen verheimlichen lassen, denn Berühmtheit hat ihren Preis. Ich, John Shepherd, kann wohl jede Familienangelegenheit nach Belieben geheim halten, denn niemand würde es der Mühe wert halten, auf mich zu achten, aber dem kann Sir Walter nur schwer entgehen. Und daher nehme ich mir die Freiheit zu der Anmerkung, dass es mich nicht sehr überraschen würde, wenn trotz aller Vorsicht irgendein Gerücht über die Wahrheit durchsickerte. Von dieser Annahme ausgehend, wollte ich bemerken, dass ich, da zweifellos eine Anfrage erfolgen wird, einen reichen Marinekommandeur für besonders geeignet halte. Gestatten Sie mir noch hinzuzufügen, dass ich jederzeit in zwei Stunden hier sein kann, um Ihnen die Mühe der Entscheidung zu ersparen.“

Sir Walter nickte nur; aber kurz darauf erhob er sich, durchmaß den Raum mit großen Schritten und bemerkte sarkastisch: „Ich glaube, es würde nur wenige Herren von der Marine nicht erstaunen, ein solches Haus zu bewohnen.“

„Sie werden sich zweifellos umsehen und ihr Glück preisen“, warf Mrs. Clay ein, die zugegen war. Ihr Vater hatte sie mitgebracht, denn nichts war Mrs. Clays Gesundheit so zuträglich wie eine Fahrt nach Kellynch. „Ich bin mit meinem Vater völlig einer Meinung, dass ein Seemann ein sehr wünschenswerter Mieter wäre. Ich kenne eine ganze Menge Leute dieses Berufs. Neben ihrer Freisinnigkeit sind sie so sauber und vorsichtig in ihrer Art! Falls sie diese wertvollen Bilder hier lassen sollten, Sir Walter, wären sie in diesem Fall vollkommen sicher. Alles würde aufs Sorgfältigste gepflegt, und Garten und Park würden in fast dem gleichen hervorragenden Zustand gehalten werden wie jetzt. Sie brauchen nicht zu befürchten, Miss Elliot, dass Ihr reizender Blumengarten vernachlässigt wird.“

„Über Einzelheiten habe ich mich noch nicht entschieden“, fiel Sir Walter kühl ein, „falls ich mich wirklich dazu verleiten lassen sollte, mein Haus zu vermieten. Ich bin nicht sonderlich geneigt, einen Mieter zu begünstigen. Der Park stünde ihm natürlich offen. Es wird wohl wenig Seeoffiziere oder überhaupt andere Männer geben, die je solch ein Grundstück zur Verfügung hatten. Aber welche Einschränkungen ich für die Benutzung der Gartenanlagen festlegen mag, steht noch zu erwägen. Der Gedanke, dass mein Garten jedermann zugänglich ist, sagt mir gar nicht zu, und ich möchte Miss Elliot raten, bezüglich ihres Blumengartens auf der Hut zu sein. Ich habe keinerlei Neigung, einem Mieter von Kellynch Hall irgendwelche Vergünstigungen zu gewähren, das kann ich Ihnen versichern, sei er nun Soldat oder Seemann.“

Nach kurzer Pause wagte Mr. Shepherd die Bemerkung:

„In all diesen Fällen können bestimmte Vorschriften alle Beziehungen zwischen Besitzer und Mieter klar und einfach festlegen. Ihre Interessen, Sir Walter, liegen in guten Händen. Sie können sich auf mich verlassen, kein Mieter erhält mehr als seine billigen Rechte. Und ich möchte mir den Hinweis gestatten, dass Sir Walter Elliot auch nicht halb so streng über seinen Besitz wachen könnte wie John Shepherd an seiner statt.“

Hier mischte sich Anne ein.

„Die Marine hat so viel für uns getan, sie hat doch sicherlich das gleiche Anrecht wie andere Menschen auf alle Bequemlichkeiten und Vergünstigungen, die ein Heim zu bieten hat. Seeleute arbeiten schwer genug, ehe sie zu Behaglichkeit kommen, das müssen wir wohl alle zugeben.“

„Sehr wahr, sehr wahr! Was Miss Anne sagt, ist sehr wahr“, stellte Mr. Shepherd fest, und „Oh, gewiss“, echote seine Tochter. Aber gleich darauf bemerkte Sir Walter:

„Der Beruf hat gewiss seine Vorzüge, aber es täte mir leid, wenn einer meiner Freunde dazugehörte.“

„Tatsächlich“, war die Antwort, und man sah Mr. Shepherd verwundert an.

„Ja, in zweierlei Hinsicht ist er mir zuwider, ich habe zwei starke Einwände. Einmal erhebt er Menschen obskurer Herkunft zu unverdienten Ehren, von denen weder ihre Väter noch ihre Großväter geträumt haben; zweitens zerstört er die Jugend und Kraft eines Mannes aufs Abscheulichste. Ein Seemann altert früher als jeder andere Mann. Ich habe das immer beobachtet. In der Marine läuft ein Mann eher als in irgendeinem anderen Beruf Gefahr, durch den Aufstieg eines Mannes beleidigt zu werden, dessen Vater man nie angesprochen hätte. Im vergangenen Frühjahr befand ich mich in London eines Tages in Gesellschaft zweier Männer, die meine Behauptungen treffend belegten. Beiden sollte ich Platz machen: Lord St. Ives, dessen Vater bekanntlich ein armseliger Landpfarrer war, und einem gewissen Admiral Baldwin, einer denkbar bedauernswert aussehenden Person. Sein Gesicht war mahagonifarben, grau und zerfurcht. Lauter Linien und Falten, neun graue Haare auf jeder Seite und nur ein bisschen Puder obenauf. ,Im Namen des Himmels, wer ist der alte Kerl?‘, sagte ich zu meinem Freunde, Sir Basil Morley, der neben mir stand. ,Alter Kerl?‘, rief Sir Basil. ,Das ist Admiral Baldwin. Für wie alt halten Sie ihn?‘ – ,Für sechzig‘, antwortete ich, ,oder vielleicht zweiundsechzig.‘ – ,Vierzig ist er‘, erwiderte Sir Basil, ,vierzig und kein Jahr mehr.‘ Stellen Sie sich meine Bestürzung vor; ich werde Admiral Baldwin sobald nicht vergessen. Ich habe nie ein jämmerlicheres Beispiel dafür gesehen, wie Seefahrt einen Menschen zurichtet. Aber in gewissem Sinne ist es mit allem das Gleiche: Sie werden herumgeschlagen, sind jedem Wetter und jedem Klima ausgesetzt, bis man sie nicht mehr ansehen mag. Es ist schade, wenn sie nicht einen über den Schädel bekommen, ehe sie Admiral Baldwins Alter erreichen.“

„Das nenne ich wirklich unerbittlich, Sir Walter“, rief Mrs. Clay. „Haben Sie ein wenig Gnade mit diesen armen Männern. Wir sind nicht alle zur Schönheit geboren. Die See ist kein Schönheitsinstitut; Seeleute altern früh, das habe ich oft bemerkt. Sie verlieren bald ihr jugendliches Aussehen. Aber trifft das Gleiche nicht für viele andere Berufe zu? Vielleicht sogar für die meisten? Soldaten ergeht es im aktiven Dienst nicht besser. Und sogar in ruhigeren Berufen lassen Mühe und Arbeit den Körper eines Mannes selten auf natürliche Weise altern. Der Rechtsanwalt plackt sich ab und wird ganz abgehärmt; der Arzt ist zu jeder Stunde auf den Beinen und muss in jedem Wetter über Land; und sogar der Geistliche“ – sie zögerte einen Augenblick, um nachzudenken, was für den Geistlichen passe –, „und sogar der Geistliche, wissen Sie, muss in Krankenstuben gehen und seine Gesundheit und sein Aussehen allen Gefahren einer vergifteten Atmosphäre aussetzen. Ich bin schon lange überzeugt, dass nur diejenigen, die keinem Beruf nachgehen, obgleich ein jeder notwendig und in seiner Art ehrenvoll ist, die ein geregeltes Leben auf dem Lande führen, sich ihre Zeit einteilen und tun können, was ihnen gefällt, die sorgenlos von ihrem Vermögen leben können, nur sie, sage ich, können die Segnungen der Gesundheit und des guten Aussehens bis zuletzt bewahren. Sonst verliert meines Wissens jeder andere Mann seine stattliche Erscheinung, wenn die Jugend ihn verlässt.“

In seiner Besorgnis, Sir Walters Gutwilligkeit gegenüber einem Seeoffizier als Mieter heraufzubeschwören, schien Mr. Shepherd mit Prophetengabe ausgestattet gewesen zu sein; denn schon die erste Bewerbung um das Haus kam von einem Admiral Croft, mit dem er kurz darauf bei der vierteljährlichen Versammlung in Taunton zusammentraf. In Wahrheit war Mr. Shepherd von einem Londoner Mitarbeiter schon wegen des Admirals verständigt worden. Nach dem Bericht, den er schleunigst nach Kellynch weitergab, stammte Admiral Croft aus Somersetshire, besaß beachtliches Vermögen und wünschte in seiner Heimat sesshaft zu werden. Er war nach Taunton gekommen, um in der unmittelbaren Umgebung einige angebotene Häuser zu besichtigen. Es hatte ihm aber noch nichts zugesagt. Da er zufällig – wie Shepherd vorausgesagt hatte, konnten Sir Walters Angelegenheiten einfach nicht geheim bleiben – von der Möglichkeit gehört hatte, Kellynch Hall sei zu mieten, und von Mr. Shepherds Beziehungen zu dem Besitzer erfuhr, ließ er sich vorstellen, um sich genauer zu unterrichten. Im Laufe einer ziemlich langen Unterredung hatte er so großes Interesse für das Haus bekundet und in einem ausführlichen Bericht über sich selbst Mr. Shepherd jeden erforderlichen Beweis dafür geliefert, ein sehr verantwortungsbewusster und wünschenswerter Mieter zu sein.

„Und wer ist Admiral Croft?“, fragte Sir Walter kühl und misstrauisch. Mr. Shepherd verbürgte sich dafür, dass er einer angesehenen Familie entstamme. Nach einer kleinen Pause fügte Anne hinzu:

„Er ist Konteradmiral der Weißen, war bei Trafalgar dabei und seitdem in Ostindien, ich glaube, er war dort mehrere Jahre stationiert.“

„Dann bin ich unterrichtet“, bemerkte Sir Walter, „sein Gesicht wird ebenso orangefarbig sein wie die Aufschläge und Kragen meiner Livreen.“

Mr. Shepherd beeilte sich zu versichern, Admiral Croft sei ein Mann von sehr gesundem, herzhaftem und gutem Aussehen, ein wenig verwittert, aber nicht sehr auffallend, und nach seinen Ansichten und seinem Benehmen ein wirklicher Edelmann. Wahrscheinlich würde er wegen der Bedingungen keine Schwierigkeiten machen, er suche nur ein gemütliches Heim, um es so bald wie möglich zu beziehen. Es sei ihm bewusst, dass er für diesen Vorteil zahlen müsse und wie hoch die Miete für ein fertig eingerichtetes und angesehenes Haus liege. Gewiss wäre er auch nicht im Geringsten verwundert gewesen, wenn Sir Walter mehr verlangt hätte. Er hätte nach dem Herrenhaus gefragt – die damit verbundene Vollmacht freue ihn, aber er messe ihr nicht viel Wichtigkeit bei; er hole auch dann und wann das Gewehr hervor, aber er schösse nie. Er sei also ganz ein Edelmann.

Mr. Shepherd wurde ganz redselig bei dem Thema. Er betonte alle Einzelheiten über die Familie des Admirals, die ihn als Mieter besonders wünschenswert erscheinen ließen. Er war verheiratet, aber kinderlos. Also sei alles nach Wunsch. Ein Haus ohne Hausfrau würde nie so recht gepflegt.

Er hatte Mrs. Croft selbst gesehen. Sie war mit dem Admiral in Taunton und bei allen Erörterungen der Angelegenheit zugegen gewesen.

„Sie machte mir den Eindruck einer sehr gebildeten, freundlichen, klugen Dame“, fuhr er fort, „sie stellte mehr Fragen über das Haus, über Bedingungen und Steuern als der Admiral und schien in diesen Dingen besser unterrichtet zu sein als er. Sie hat außerdem in dieser Gegend nicht weniger Verwandte als ihr Mann; das heißt, sie ist die Schwester eines Herrn, der einstmals unter uns lebte und vor ein paar Jahren in Monkford wohnte. Meiner Seel! Wie war doch sein Name? Im Augenblick kann ich mich nicht auf seinen Namen besinnen, obgleich ich ihn erst kürzlich gehört habe. Penelope, meine Liebe, erinnerst du dich nicht des Namens von Mrs. Crofts Bruder?“

Aber Mrs. Clay unterhielt sich eifrig mit Miss Elliot und überhörte diesen Zuruf.

„Meiner Seel! Wie seltsam! Ich werde demnächst noch meinen eigenen Namen vergessen. Der Name war mir so geläufig; ich erinnerte mich des Herrn so genau, ich habe ihn wohl an die hundertmal gesehen. Er kam auch einmal, um sich Rat bei mir zu holen, wenn ich mich recht entsinne, wegen des Übergriffs eines seiner Nachbarn – ein Bauernknecht war in seinen Obstgarten eingedrungen, hatte die Mauer beschädigt, Äpfel gestohlen und wurde in flagranti ertappt; hinterher ging er entgegen meinem Urteil einen freundschaftlichen Vergleich ein. Wirklich sehr merkwürdig!“

Nachdem er wieder einen Augenblick gezögert hatte, sagte Anne:

„Sie meinen wohl Mr. Wentworth.“

Mr. Shepherd floss über vor Dankbarkeit.

„Wentworth, das ist der Name! Mr. Wentworth war mein Mann. Er war der Geistliche von Monkford. Wissen Sie, Sir Walter, vor ungefähr zwei oder drei Jahren. Er kam gegen 1805 in diese Gegend. Sie werden sich seiner gewiss erinnern.“

„Wentworth? Oh! Aha, Mr. Wentworth, der Geistliche von Monkford. Ich ließ mich durch den Ausdruck ,Herr‘ irreführen. Ich glaubte, sie sprächen von einem begüterten Manne. Mr. Wentworth war ein Niemand. Ich entsinne mich, er war ohne jede Verwandtschaft und hatte mit der Familie in Stafford nichts zu tun. Wie doch der Name vieler unserer Adelshäuser ins Plebejische absinkt.“

Als Mr. Shepherd bemerkte, dass diese Verwandtschaft Croft bei Sir Walter nicht empfahl, erwähnte er sie nicht weiter und wandte sich eifrig wieder den Umständen zu, die unbestreitbar zu ihrem Besten sprachen, ihrem Alter, ihrem Vermögen, ihrer hohen Meinung von Kellynch Hall und der außergewöhnlichen Beflissenheit, es für sich zu gewinnen. Er legte es so aus, als stellten sie das Glück, Sir Walter Elliots Mieter zu werden, über alles. Sicherlich eine merkwürdige Neigung, wenn sie in das Geheimnis von Sir Walters Ansichten über die Rechte des Mieters eingeweiht gewesen wären.

Die Verständigung gelang jedoch, und obgleich Sir Walter jeden mit scheelen Augen betrachtete, der in diesem Haus zu wohnen gedachte, und ihn entschieden für zu wohlhabend hielt, weil er es trotz der hohen Bedingungen mieten konnte, ließ er sich dazu bereden, Mr. Shepherd die Abfassung des Vertrages zu gestatten. Er beauftragte ihn auch, Admiral Croft zu besuchen, der sich immer noch in Taunton aufhielt, und einen Tag für die Besichtigung des Hauses festzusetzen.

Sir Walter war nicht sehr klug, aber er verfügte über genügend Erfahrung, um zu wissen, dass hinsichtlich der wichtigsten Punkte kein besserer Mieter gefunden werden konnte, als Admiral Croft zu sein versprach. So weit reichte sein Verstand, und seine Eitelkeit erfuhr noch einen kleinen zusätzlichen Trost durch die Stellung des Admirals, die hoch genug, aber nicht zu hoch war. „Ich habe mein Haus an Admiral Croft vermietet“ würde ganz gut klingen; viel besser als nur Mr. Sowieso. Ein Mister – abgesehen von vielleicht einem halben Dutzend im ganzen Lande – erfordert immer einen aufklärenden Hinweis. Ein Admiral spricht für seinen eigenen Wert und kann gleichzeitig einen Baronet nie zu gering erscheinen lassen. In all ihren Unternehmungen und Berührungspunkten würde Sir Walter Elliot den Vorrang haben.

Nichts konnte ohne Elisabeths Genehmigung unternommen werden; aber sie neigte so lebhaft einem Umzug zu, dass sie glücklich war, die Angelegenheit durch einen vorhandenen Mieter so schnell wie möglich entschieden und bewerkstelligt zu sehen. Sie äußerte kein Wort, das die Entscheidung hätte aufschieben können.

Mr. Shepherd wurde zum Vertragsabschluss bevollmächtigt, und als man so weit gediehen war, verließ Anne, die sehr aufmerksam zugehört hatte, den Raum, um im Freien Kühlung für ihre brennenden Wangen zu suchen. Während sie ihren Lieblingsweg entlangschritt, entrang sich ihr ein sanfter Seufzer:

„In wenigen Wochen wird er vielleicht hier wandeln.“

IV.

Er war nicht Mr. Wentworth, der ehemalige Geistliche von Monkford, sondern dessen Bruder, Kapitän Frederick Wentworth, der im Anschluss an die Maßnahmen von St. Domingo zum Befehlshaber ernannt wurde und im Sommer 1806 nach Somersetshire gekommen war, da sich nicht sogleich eine Verwendung bot. Elternlos fand er für ein halbes Jahr ein Heim in Monkford. Damals war er ein beachtenswert hübscher junger Mann mit sehr viel Klugheit, Geist und Feuer; Anne war zur gleichen Zeit ein reizendes, sanftes Mädchen mit Geschmack und Empfinden. Schon halb so viel anziehende Eigenschaften auf beiden Seiten hätten genügt; denn er hatte nichts zu tun, und sie hatte niemanden zum Liebhaben. Aber ein Zusammentreffen solch verschwenderischer Vorzüge konnte seine Wirkung nicht verfehlen. Die jungen Leute wurden allmählich miteinander bekannt und verliebten sich schleunigst und recht heftig ineinander. Es wäre schwer zu sagen, wer von beiden den anderen für vollkommener hielt oder wer glücklicher war: sie über seine Erklärungen und Anträge oder er über deren Widerhall.

Es folgte eine kurze Spanne höchster Glückseligkeit, aber sie währte nicht lange. Bald entstanden Schwierigkeiten. Sir Walter verweigerte eigentlich nicht seine Zustimmung, als man sich an ihn wandte, er zeigte seine Ablehnung nur durch große Verwunderung, tiefe Kälte, umfassendes Schweigen und sprach seinen Entschluss aus, nichts für seine Tochter zu tun. Er hielt die Verbindung für eine ausgesprochene Mesalliance; und Lady Russell betrachtete sie als äußerst unglückselig, wenn auch mit mehr Mäßigung und verständlichem Stolz.

Anne Elliot mit all ihren Ansprüchen der Geburt, der Schönheit und des Verstandes sollte sich im Alter von neunzehn Jahren wegwerfen, mit neunzehn Jahren ein Verlöbnis mit einem jungen Mann eingehen, der nur sich selbst zum Fürsprecher hatte und keinerlei Hoffnung besaß, einmal im Überfluss zu schwelgen, der außer den Chancen eines äußerst unsicheren Berufes keinerlei Verbindungen aufwies, die seinen Aufstieg gesichert hätten? Es wäre wirklich ein Fortwerfen, schon der Gedanke daran bekümmerte sie! Anne Elliot war noch zu jung und zu wenig bekannt, um einem Fremden ohne Vermögen und Verbindungen zuzufallen oder durch ihn in kümmerliche, sorgenvolle und jugendtötende Abhängigkeit zu sinken! Das musste durch wohlmeinende, freundschaftliche Einmischung verhindert werden, durch die Vorstellungen eines Menschen, der sie fast wie eine Mutter liebte und Mutterstelle an ihr vertrat.

Kapitän Wentworth hatte kein Vermögen. Er hatte in seinem Beruf Glück gehabt; aber er hatte frei ausgegeben, was ihm in den Schoß fiel, und nichts zurückgelegt. Er vertraute darauf, bald reich zu sein. Er würde bald ein Schiff steuern und einen Standort haben, der ihm alle Wünsche erfüllen müsse. Er hatte immer Glück gehabt, und so werde es bleiben. Dieses Vertrauen musste Anne genügen. Es war so übermächtig in der ihm eigenen Wärme und so bezaubernd in der Art, wie er es vorbrachte; aber Lady Russell sah es ganz anders. Sein Optimismus, seine Unerschrockenheit hatten auf sie eine andere Wirkung: sie verschärften das Übel. Er schien ihr ein Feuerkopf, ein Ungestüm. Lady Russell hatte wenig Sinn für Witz; alles, was nach Unvernunft aussah, erfüllte sie mit Entsetzen. Sie lehnte diese Verbindung in jeder Hinsicht ab.