Je te tire mon chapeau en 2023 - Peter Elben - E-Book

Je te tire mon chapeau en 2023 E-Book

Peter Elben

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Beschreibung

Je te tire mon cheapeau en 2023 ist ein Ausflug in eine Welt von Geschichten, welche gelebt, erlebt oder geträumt hat. Eine jede Geschichte enthält sowohl biographische, als auch fiktive Elemente und zeigt in skuriller Weise die Veränderung des Ganzen, die Veränderung von Teilen in einer Welt, wie wir sie kennen oder kannten. Verwirrend, sinnvoll, sinnlos. Es ist es Wert in eine Phantasie abzutauchen, welche die Welt ehrlich, teilweise überzogen, aber für den Autor prägant erfahren und gefühlt Auszüge aus seinem bisherigen Leben bühnenreif präsentiert. Sie fragen sich, warum ich in einem deutsch formulierten Buch meine einleitenden Gedanken auf französisch formuliere, so wie auch den Titel französisch den Inhalt des Buches zusammen fasst. Die Antwort ist einfacher als Sie vielleicht denken mögen. Ich spreche kein Französisch, doch neben der Schönheit und Ehrlichkeit der Sprache, finde ich es interessant und auch erleichternd, dass die Verwendung einer anderen Sprache den Interpretationsspielraum erweitert und die Interpretation einem jeden Leser selbst überlassen wird. Tauchen Sie ein in Teile meiner Welt. Vielleicht regen sie zum Nachdenken an, vielleicht auch zum Vergessen. Es bleibt Ihnen überlassen. Salú.

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Inhaltsverzeichnis

Bonjour, Servas, Griass di, Hallo!

1. On ne sait jamais – Man weiß nie

2. Donne-moi ton voile – Gib‘ her den Fetzen

3. Une petite couronne pour la princesse – Ein Krönchen für die Prinzessin

4. Se déguiser avec grâce – Sich graziell verstellen

5. Essaie ou brûle – Versuche es oder brenne

6. Le guerrier a gagné, mais il a eu le chapeau – Der Krieger hat gewonnen, bekommt jedoch nur den Hut

7. Non, il n’y a pas de grande liberte – Nein, die große Freiheit gibt es nicht

8. Qui suis-je, ou la fin, ou la question de pourquoi nous ne mourons pas – Wer bin ich, oder das Ende, oder die Frage, weshalb wir nicht sterben

La Fin – Finale

Bonjour, Servas, Griass di, Hallo!

Dies soll kein Vorwort sein, sondern lediglich eine Begrüßung. Mehr haben Sie sich als Leser bislang noch nicht verdient. Warum auch? Weshalb sollte ich Strom verschwenden, um diese Zeilen zu schreiben, mir die Finger wund schreiben und letztendlich legt man es nach dem Vorwort zur Seite und nimmt das nächste „Werk“ in seine Hände, wenn man sich in der Badewanne befindlich, vielleicht gerade daran denkt, sich die Pulsadern aufzuschneiden, oder ein Glas Wein trinkt, um endlich einzuschlafen.

Wie auch immer. Sie werden hier keinen Roman vorfinden. Sie werden auch kein Sachbuch in der Hand halten.

Sofern Sie bisher die Literatur nicht gewechselt haben, so sei zusammengefasst, dass Sie sich mit Geschichten von Menschen konfrontieren werden. Viele Teile dieser Geschichten sind zusammenhängend zu verstehen, viele Teile aus dem Zusammenhang gerissen. Und. Eine jede Geschichte hat einen garantierten Wahrheitsgehalt sowie Bezüge zu aktuellen oder vergangenen politischen Ereignissen. Diese Ereignisse werden selbstverständlich kommentiert. Man kann so Etwas nicht einfach ansprechen und unkommentiert stehen lassen.

Also stellen Sie sich auch auf einen politischen Diskurs mit mir selbst ein, welcher zum Nachdenken anregen soll oder kann, oder andererseits das Einschlafen fördern wird.

Ich ziehe den Hut vor Jedem, welcher sich darauf einlassen möchte. Weshalb Französisch unterlegt? Man weiß nie, wozu „Französisch“ im weiteren Leben hilfreich sein wird. Des Weiteren klingt es vokalisch sehr gut und kann auch manche oralen Mängel der Kindheit stillen. Je nachdem, wie man das „Endgerät“ benutzt.

Festgehalten sei, dass diese Zeilen auch keine KI oder AI geschrieben haben. Nein, das war Peter. Mitsamt sämtlichen Rechtschreib- und Tippfehlern. Diese Zeilen kommen von einem angeschlagenen Herzen, Großteils der Realität entnommen.

Man könnte sich auch die neuen Folgen von „Barbara-Salesch“ ansehen, doch dazu verfüge ich leider, oder gottseidank noch über ein wenig Verstand. Oder „Tinder-Reisen“ sind ganz aktuell derzeit auf einem Privatsender, sowie die Soap-Opera „SPÖ“. Nein, dies langweilt mich. Viel lieber spreche ich mit mir selbst, konsultiere meine Katzen und versuche Einiges aus meiner Vergangenheit oder aus dem Leben generell auf Druckerpapier zu bringen. Ein billiges Papier, erfüllt jedoch seinen Zweck.

Viele tun dies mit einem Tagebuch. Diese Phase habe ich hinter mir. Ein Tagebuch ist für den Tag, nicht für die Zukunft. Einige Menschen verletzten sich kontinuierlich selbst, ganz gleich in welcher Art und Weise. Manche Menschen Trinken, manche sind tablettensüchtig, manche benutzen Messer. Heutzutage ist Alles möglich. Sie halten es in „Tagebüchern“ fest. Gut, wenn es ihnen hilft, ist der weitere Sinn nicht mehr zu hinterfragen.

Ich schreibe diese Zeilen primär für mich. Und das ist auch gut so. Denn durch jede einzelne Zeile und Geschichte habe ich für mich selbst, mit ein wenig Humor, bestimmte Situationen wieder aufleben lassen können, um jedoch gleichzeitig an die Zukunft zu denken.

Ich kann Ihnen sagen, dass dies nicht leicht war. Es waren harte fünf Tage und Nächte, und die Albträume danach, welche ich hatte, waren nicht leicht zu verdauen.

Apropos Verdauen. Diese Zeilen geben mir einfach das Gefühl, Etwas vollbracht zu haben. Sofern man unter Verstopfung leidet, genießt man dieses Gefühl nicht ganz so oft und freut sich über jeden kleinen Erfolg. 29

Je te tire mon chapeau en 2023

1. On ne sait jamais – Man weiß nie

Qui a dit que le sens du sens est sans sens? Moi. Avant-hier. Wer hat gesagt, dass die Bedeutung von Bedeutung völlig bedeutungslos ist? Ich, vorgestern.

Gewöhnen Sie sich daran. Ohne der französischen Sprache hätte die Aufklärung niemals stattfinden können, es hätten keine Kirchen gebaut, oder Frauen verbrannt werden können. Was wäre dann aus dieser Welt geworden?

Tja, Englisch. Englisch spricht ein Jeder. Ein jeder Syrer, ein jeder Afghane, und dies meist besser als so mancher Österreicher. Obwohl haben Sie sich eventuell schon einmal die Frage gestellt, wie viel „Österreich“ in Ihnen selbst steckt?

Ich stelle mir sie sehr oft. Oh ja. Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, ob mein Großvater väterlicherseits, dessen Mutter Slowakin war, und deren gemeinsame Tochter Kroatin, welche einen Südsteirer adoptiert hat, die Ursprünge für das Entstehen meiner Mutter sein könnten. Der Südsteirer ist oder war übrigens mein Vater. So sagt man mir. Aber meine „Großtante“, „Großcousine“, also „Mama“ hatte auch mehrere Verehrer. In den 1950er-Jahren waren die Russen noch ein wenig präsent in unserem schönen Niederösterreich, jedenfalls lagen deren abgetriebene oder getötete Babys in den Gärten der Großeltern, schön über pflanzt mit Pfingstrosen oder einem Komposthaufen.

Ungarn waren hier, selbstverständlich noch als fiktiver Bestandteilteil der noch vor 50 Jahre existierenden Doppelmonarchie, Slowenen, Slowaken, Kroaten. Ja, viele Väter kommen in Frage, doch war meine Mutter, streng religiös erzogen, selbstverständlich ihrem Großvater untergeben, der sie in einer seiner vorhin ausgesoffenen und danach mit Milch befüllten Bierflasche sich unter dem brüchigen Esstisch vor Russen in der Küche verstecke, nachdem sie bei ihrem Opa „fertig“ war. Was dann geschah, ich wünschte ich hätte eine Zeitmaschine, dann könnte ich vielleicht meinen Ur-Großvater in Personalunion mit meinem Vater treffen. Obwohl, nein. Dies würde sich zeitlich nicht ausgehen. Da war schon jemand anderes in der Zwischenzeit am Werk und einige Bilder von damals zeigen, wie meine Mutter im Laufe der Zeit ihre „unschuldigen“ Zöpfe gegen offenes Haar ausgetauscht hat und angeblich war sie mit 17 Jahren schwanger und musste mit Hilfe einer „Engelmacherin“ abtreiben.

Mein Gott, der Ausdruck „Engelmacherin“ klingt so romantisch. Vater und Mutter sitzen gemeinsam, halten sich die Hand, während eine gebildete Frau mit einem Stück Draht meine Brüder auf die Welt brachte, um sie letztendlich zu Engeln machten. Ich durfte sie nie kennen lernen, sie bekamen auch keinen Namen. Nicht einmal dem noch letzten verbleibenden Russen in der Küche viel ein Name ein. Vielleicht wollte er sie Lev und Vlad nennen. Ich weiß es nicht, mehr wurde mir nicht übermittelt.

Ja, die liebe „Engelmacherin“, die in etwa damalige 100 Schillinge (umgerechnet ca. EUR 7) gekostet hatte, hat großartige Arbeit geleistet. Lev und Vlad landeten unter einem Baum im Garten der Großmutter oder Großtante. Wohlgemerkt neben dem Grab der Familienkatze namens Igor.

Igor war der Name des Sohnes des letzten verbliebenen Russen, welchen er mit meiner Groß-Groß-Cousinen-Tante gezeugt hat. Er war eine treue Katze, kommunistisch erzogen, wurde standesgemäß hingerichtet, als er sich wehrte, selbst im Brunnen zu ertrinken. Das ist kommunistischer Volksgeist.

Das dürfte nicht leicht für Mama, Papa, Cousine, Tante, Oma, Katze und Russe gewesen sein. Ich durfte zu dieser Zeit das Licht der Welt noch nicht erblicken. Gottseidank, obwohl damals gab es noch nicht einmal die so viel gelobte und gleichzeitig verhasste „Sommerzeit“.

„Scheiß der Hund drauf“, würde meine Freundin sagen, aber damals wurden die noch lebenden Hunde in einem Eintopf verarbeitet. Meine Mutter dürfte dieses Rezept, jedoch reduziert auf die kalorienärmeren Katzen, bis an ihr Lebensende behalten haben. Ihre Katzenfarm war groß, der Katzenschwund war größer.

Nun ja, letztendlich war ich auf der Welt und lernte auch den Menschen kennen, der mein Vater sein sollte. Meine Eltern waren mittlerweile verheiratet, sie mussten, da sie sonst von der Groß-Groß-Cousinen-Tanten-Oma nicht finanziert wurden. Ja, da sich den Papa. Und wisst ihr was, ich kann mich an keinen einzigen Moment mit ihm erinnern.

Erinnerungen an die Mama gab es viele, immerhin hat sie mich – um den Verbrauch zu Katzen zu reduzieren und für später zu sparen – monatelang an ihre Brust festgeklebt. Puh, diesen Anblick werde ich niemals vergessen. Aber damals musste man sparen und Muttermilch war mit Alkohol die beste Stabilisierung für einen Stammesnachfolger. Sie schmeckte dennoch nicht. Seitdem bin ich laktoseintollerant und genieße Brüste nur mehr in Form von Hühnerbrüsten, welche ich einerseits optisch wahrnehme, andererseits verspeise.

Ach Ja, noch kurze Worte zu meinem Vater. Ich kenne ihn nicht. Nicht so wie ihr glaubt. Ich kenne ihn nicht im Sinne von „who the fuck are you really“. Ich werde es wohl nicht erfahren. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass damals vor meiner Geburt Geld geflossen ist. Entweder musste mein Vater Geld bezahlen, um meine Mutter zu bekommen, oder meine Groß-Groß-Cousinen-Tante hat ihm Geld geboten, damit er sie von seiner Bierflasche befreit, oder es war ganz anders.

Igor, der Sohn des letzten Russen, welcher immer noch meiner Mutter in stürmischen Zeiten beiwohnte. Um nicht endgültig als Deserteur zu wirken, musste er Etwas unternehmen. Er erpresste die Familie meines vermeintlichen Vaters das „Flaschenkind“ namens Mama zu ehelichen, um danach ehrenhaft in Moskau angekommen erschossen zu werden. Auch das ist eine Theorie, welche ich verfolge.

Die Familie meines Vaters willigte ein. Diese Familie war wohlbetucht, haben sie doch ihr dreißig Quadratmeter Holzhaus einem psychotischen Kriegsrückkehrer abgenommen. Im Gegensatz haben dazu haben die Eltern, Großeltern, Cousinen, Tanten oder Tunten ihr Familienhaus mit ihren eigenen Händen durch die Peitschenhiebe auf einen nach Kartoffel-Suchenden Obdachlosen selbst aufgebaut.

Ein großartiges Haus. Fünfzehn Jahre Bauzeit, 80 Jahre Verbrechen. Hier erkennt man schon den sozialen Unterschied zwischen den Schichten. Einerseits die Eigentümer, andererseits die Handpeitschenhiebe. Hier trafen zwei Welten aufeinander.

Die Frau war es gewohnt, unter dem Tisch Bier zu trinken, konnte offenbar gebären und würde keine größeren Probleme machen. Tja, da haben sich Opa und Oma, sofern sie es waren, wohl getäuscht. Opa, ein Ex-SS-Mitglied, ehrenhaft aus dem Dienst wegen einer Kriegsverletzung entlassen, danach Kriegsrente bezogen, und Oma, welche sich zweimal von Opa scheiden ließ, zwischenzeitlich mit drei anderen Männern fünf andere Kinder zeugte, und nach ihrer Krebsdiagnose wieder freudig zum Opa zurückgekommen ist, als sie schon mehr Perücken im Schlafzimmer hatte als Mozart seinerseits.

So dürfte es in etwa gewesen sein. Genaueres ist mir nicht bekannt. Ich habe keine NAZI-Devotionalien gesehen, keine KP-Mitgliedschaftsausweise. Igor lernte ich leider nie kennen, meine Geschwister und die Katze leider auch nicht. Ich selbst durfte meine Onkel und Tanten kaum kennen lernen. Ich kenne nicht ihren Namen und ich kannte auch nicht ihr Ziel. Es gab sie und womöglich sind sie übergelaufen, zu Russland oder Kolumbien, dort soll der Kaffee besonders gut schmecken und Sklaven zur Rekrutierung gäbe es auch.

Letztendlich kommt es anders als man denkt und ehe man sich versieht, muss man ein kleines Balg an seiner Seite als Schwester bezeichnen. Nun hatte auch ich so ein „Beiwagerl“ und mein Vater akzeptierte sie als seine Tochter. In eventu war sie auch seine leibliche Tochter, oder auch nicht. Man weiß es nicht, aber im Laufe der Jahre habe ich gelernt, sie als Mensch zu akzeptieren. Nicht zu respektieren, das wäre zu weit gegangen. Viel zu evident waren einem außenstehenden Dritten die Unterschiede zwischen uns erkenntlich. Ich war groß, sie war klein. Ich war ein Bursche, sie ein Mädchen. Ich war schlank, sie war dick. Meine Mutter schrieb mir in der Grundschule die Hausaufgaben, sie lernte erst sehr spät das Lesen und das Schreiben. Ich stotterte, sie stotterte nicht. Ich mochte nicht essen, was nachweislich an den „Kochkünsten“ meiner Mutter lag, sie schaufelte Alles, das nicht auf Drei in den Bäumen war oder sich in der Erde verstecken konnte. Ja. Hier sind doch die Unterschiede erkennbar. Wir konnten nicht von denselben Eltern stammen. Unmöglich. Und diese Unterschiede zogen sich Jahre lang weiter. Sie hatte ihren ersten Mann mit 14 Jahren im Bett, ich hatte meinen ersten Mann erst mit 17 Jahren im Auto gevögelt. Hier sehen Sie es. Sie kam ganz nach ihrer Mutter, ich nach meinem Vater in dieser Hinsicht. Ein gewisses Alter muss erreicht werden, um, ohne sexuell aufgeklärt worden zu sein, die Kunst der Fellatio mit „Learning by doing“ beherrschen zu können. Ja, das waren anstrengende Zeiten. Das Internet gab es in der heutigen Form noch nicht, Mama und Papa wollten auf Sexualität nicht angesprochen werden, also schlief meine Schwester weiterhin mit – wohl betont mit ihrer Zahnspange – noch die nächsten Jahre mit ihrem Schnuller, welchen sie bis zu ihrem 18. Lebensjahr nicht loswerden konnte, in einem Gartenhaus mit diversen männlichen Besuchern. Vielleicht handelte es sich immer um dieselbe Person, doch ihr Zimmer blieb beinahe immer leer. Das Gartenhaus dafür hell beleuchtet. Ich habe mich dafür nicht wirklich interessiert, da ich zu diesem Zeitpunkt für mein Abitur lernen musste und nebstbei Nachhilfe gegeben habe. Töchtern von reichen Eltern, welche zu dumm waren, mit ihren Kindern zu sprechen. Nach der ersten Nachhilfestunde habe ich es mir angewöhnt, in jeder Stunde mindestens eine Flasche Bier zu trinken, um die unbegreifliche, damals schon aufkommende, Leere in jungen Erwachsenen zu sehen. Es war stundenweise sehr schwer zu ertragen. Diese jungen Erwachsenen waren nicht dumm. Nein. Dumm ist jemand, welcher dreimal auf die Herdplatte greift, sich jeweils die Hand verbrennt, und beim vierten Mal jubelt, dass er es geschafft hat. Geschafft, dass die Rettung alarmiert werden muss. Nein. Sie waren tatsächlich nicht dumm. Rückblickend sind alle meine Nachhilfeschüler Innen arbeitslos, haben mindestens zwei Kinder, zwei Scheidungen hinter sich und denken, dass sie mit Mitte Dreißig noch schön sein können. Immerhin bekommen sie von mindestens zwei Männern Unterhaltszahlungen für die Kinder. Auch der Staat hilft ein wenig, aber ein Schloss kann man sich dafür nicht bauen. Dies benötigen heutzutage auch nicht. Sie suchen nach dem nächsten Mann, welcher für sie und ihre Blagen aufkommt und so geht es „step by step“ weiter, bis sie wahrscheinlich mit 50 Jahren erkennen, dass ihr Leben nicht in einer Gartenhütte beginnen hätte sollen.

Bedauerlicherweise ereilte auch meiner Schwester dieses Schicksal. Während ich bereits studierte trug meine Schwester ihr erstes Kind aus. Ich weiß nicht was wirklich größer war, ihr Bauch oder ihr angeschwollener Kopf. Es sah jedenfalls Beides schräge aus. Dem Herrn sei gedankt wohnte ich zu dieser Zeit nicht mehr bei meiner Familie, sondern in meiner ersten eigenen Wohnung, aber ich kann mich an diese Zeit sehr gut erinnern. Es kam mir nicht vor wie eine menschliche Schwangerschaft, sondern wie eine Neuverfilmung von „Rosemary’s Baby“. Meine Schwester um Luft kämpfend, während sie versucht, sich zu Silvester das 20. Belegte Brötchen „reinzuwerfen“ und meine, unsere, ihre Eltern, welche begierig darauf warten, dass der Nachwuchs endlich kommt. Warum so begierig? Wer den Film gesehen hat, der weiß warum. Sie wollten das Kind indoktrinieren. Mein Vater wartete schon mit seiner privaten Waffensammlung darauf, dem vermeintlichen Enkel das Schießen beibringen zu können, meine Mutter hoffte auf eine Enkelin, um sie auf die Zeit in einer Ehe ohne Liebe oder Zuneigung und vor Allem ohne gute Küche vorzubereiten.

Letztendlich erblickte das Kind das Licht der Welt. Verkehrt herum, also irgendwie kam ihr Arsch zuerst, bevor die Ärzte entschlossen, dass es wohl aufgrund der verkehrten Lage zu Komplikationen kommen könnte. Daher nahm man ein Messer und befreite das Kind von seiner erbärmlichen Gefangenschaft in einem mit Nikotin und Zucker verseuchten Uterus. Auch eine Zange musste herhalten und als ich meine Nichte zum ersten Mal sah, dachte ich tatsächlich ich müsste das Krankenhaus sofort verlassen. Der erste Anblick erinnerte mich an den Film „Mars Attacks“. Ein liebes, nettes Babygesicht, jedoch mit einem Schädel, welcher sämtliche elektronische Geräte in diesem Krankenhaus hätte lahmlegen können. Die vorübergehenden Auswirkungen der Zange waren nicht zu übersehen. Ein Schädel so groß wie mein damaliger Bierbauch. Für mich war er klein, aber in Relation zu der Größe des Kopfes eines Säuglings, war er wirklich heftig.

Nun ja, das Kind war da. Meine Schwester wurde um 20 Kilogramm leichter, man bedenke nur das Gewicht des Schädels, und letztendlich haben sich alle gefreut. Ja, alle. Sogar ich. Ich dachte das könnte eine neue Generation der vorherig degenerierten Generationen darstellen.

Es gab nur ein winziges Problem. Und dieses Problem war tatsächlich winzig, wenn ich den Erzählungen meiner Schwester von damals lauschte. Ja, die Größe seiner intimen Bestückung dürfte damals ein Problem gewesen sein, doch ich meine das neue Problem. Es gab ihn nicht mehr. Der Vater war verschwunden.

Ja, Menschen können verschwinden. Man liest es täglich in den Zeitungen, hört es in den Fernsehnachrichten. Viele von diesen Personen tauchen leider nie wieder auf. In diesem Fall wusste man, wo sich der Vater befand.

Der Vater des Kindes war ein sogenanntes „Flüchtlingskind“ aus dem überaus schlimmen und grausamen Bosnien-Krieg in den 1990er-Jahren. Viele Angehörige seiner Familie wurden brutal ermordet, als plötzlich Schüsse zu hören waren. Jemand beschoss das Haus der Familie. Er, seine Mutter, sein Vater und seine Schwester konnten entkommen. Er landete traumatisiert in Österreich und bereits mit 20 Jahren hatte er graues Haar.

Aber zurück zum Thema. Ja, er verschwand einfach. Seine Mutter zwang ihn, eine Bosnierin zu heiraten, welches er tat, und während der Schwangerschaft meiner Schwester wurde auch seine Frau schwanger. Meine Nichte und das „andere“ Kind kamen im selben Jahr zur Welt.

Meine Schwester erfuhr diese Tatsache erst kurz vor der Entbindung. Dies war einer der wenigen Momente in meinem Leben, in welchem ich mit meiner Schwester mitgefühlt habe. Ja, ich mochte sie trotzdem noch nicht, aber ich hegte eine gewisse Sympathie gegenüber meiner Nichte. Dies geschieht recht selten bei mir. Nicht, weil ich im Allgemeinen emotionslos bin, sondern Sympathie fühlen und spüren muss, und bedauerlicherweise nicht in der Lage bin, solche Emotionen vorzutäuschen, auch wenn sie angebracht wären. Nein. Diese Sympathie gegenüber dieser damals noch unschuldigen kleinen Kreatur war tatsächlich bei mir vorhanden.

Ihr Alien-Schädel wurde kleiner und normalisierte sich, der Schmerz und die Verbitterung meiner Schwester wurden immer größer. Ich vergaß in der Zwischenzeit die Unterschiede zwischen meiner Schwester und mir und lernte sie als Schwester nicht zu akzeptieren, sondern auch zu respektieren. Dasselbe galt für meine vermeintlichen Eltern. Ich denke zwar immer noch, dass ich damals mit großer Wahrscheinlichkeit aus einem privaten rumänischen Waisenhaus durch den Einsatz des Mundgeruches meines Vaters und dem Gesicht meiner Mutter meinen eigentlichen Eltern gestohlen wurde. Aber diese Gedanken habe ich zu dieser Zeit zur Seite gelegt. Ja. Ich akzeptierte und respektierte alle Teilnehmenden an diesem „Spiel“ als meine Familie. Klar gab es immer noch verbale Auseinandersetzungen, Knochenbrüche und Blutergüsse. Aber das gehört offenbar zu einer österreichischen Familie dazu.

Im Unterschied zu ausländischen Familien werden solche Auseinandersetzungen in den Medien nur kommuniziert, wenn jemand tatsächlich zur Waffe greift. Ansonsten spricht man nicht darüber. Sobald jedoch ein ausländischer, sich in Österreich befindlicher Mitbürger seiner Tochter aus religiösen Gründen ihre Ohrringe einzeln „herausreißt“, wird dies medial aufbereitet. Wir sind nicht so. Nein, wir trinken kein Bier bei Nachhilfestunden, nein. Nein, wir sind doch keine Alkoholiker wie die Russen, deren Pre-Frühstück vor dem eigentlichen Frühstück bereits aus sechs Vodka-Shots besteht. Das eigentliche Frühstück ist eine kleine Vodka-Flasche, welche solidarisch mit Ehefrau, Großeltern, Kindern und Enkelkindern geteilt wird. Hier leben die russischen Freunde von damals tatsächlich diätbewusst.

Jetzt meine Frage. Könnte dies Inländer-Diskriminierung darstellen? Ein weiterer Fall, welcher mich in diesem Zusammenhang beschäftigt, sind die sogenannten Femizide, eine grausam erfrischende Erfrischung in der Hermeneutik der österreichischen Begriffe von „Mord“, „Totschlag“ oder „Vergewaltigung mit Todesfolge“. Wenn man bedingt, welchen hermeneutischen Ursprung Wörter mit der Endung „-zide“ haben, dann landen wir wieder bei meinen Großeltern. Genozide waren in deren Zeit Mode. Aber zu sagen, dass ihre Generation