Jede Minute mit dir - Marie Force - E-Book
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Marie Force

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Beschreibung

›Jede Minute mit dir‹ von Marie Force ist der siebte Band der SPIEGEL-Bestseller-Reihe ›Lost in Love – Die Green-Mountain-Serie‹ und zugleich ein in sich abgeschlossener, romantischer und knisternder Liebesroman. Eigentlich sucht Grayson Coleman, der Cousin der Abbotts, in Butler Ruhe und Abgeschiedenheit. Der junge, attraktive Anwalt hat das Großstadtleben und seine bedeutungslosen Affären satt. Doch mit der Ruhe ist es vorbei, als er Emma Mulvaney kennenlernt. Sie berührt sein Innerstes wie noch keine Frau vor ihr und Grayson merkt, dass er am liebsten jede Minute mit ihr verbringen würde. Emma erwidert seine Gefühle, und die beiden können nach einem gemeinsamen Abend kaum die Finger voneinander lassen. Doch Emmas Leben ist in New York, und dann ist da auch noch ihre kleine Tochter Simone. Ist Grayson bereit dazu, so viel Verantwortung zu übernehmen? Lass dich entführen ... ... in die unberührte Natur Vermonts, ... in eine idyllische Kleinstadt, ... in eine Großfamilie, die glücklich macht, ... und finde die ganz große Liebe! Die ›Lost in Love – Die Green-Mountain-Serie‹ Band 1: Alles, was du suchst Band 2: Kein Tag ohne dich Band 3: Mein Herz gehört dir Band 4: Schenk mir deine Träume Band 5: Sehnsucht nach dir Band 6: Öffne mir dein Herz Band 7: Jede Minute mit dir Die Kurzgeschichten zu: Die ›Lost in Love – Die Green-Mountain-Serie‹ Kurzgeschichte 1: Endlich zu dir Kurzgeschichte 2: Ein Picknick zu zweit Kurzgeschichte 3: Ein Ausflug ins Glück Kurzgeschichte 4: Der Takt unserer Herzen Kurzgeschichte 5: Ein Fest für alle

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Seitenzahl: 414

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MarieForce

Jede Minute mit dir

Lost in Love – Die Green-Mountain-Serie 7

 

Aus dem Amerikanischen von Lena Kraus

 

Über dieses Buch

 

 

Eigentlich sucht Grayson Coleman, der Cousin der Abbots, in Butler Ruhe und Abgeschiedenheit. Der junge, attraktive Anwalt hat das Großstadtleben und seine bedeutungslosen Affären satt. Doch mit der Ruhe ist es vorbei, als er Emma Mulvaney kennenlernt. Sie berührt sein Innerstes wie noch keine Frau vor ihr, und Grayson merkt, dass er am liebsten jede Minute mit ihr verbringen würde. Emma erwidert seine Gefühle, und die beiden können nach einem gemeinsamen Abend kaum die Finger voneinander lassen. Doch Emmas Leben ist in New York, und dann ist da auch noch ihre kleine Tochter Simone. Ist Grayson bereit dazu, so viel Verantwortung zu übernehmen?

 

Die ›Lost in Love - Die Green-Mountain-Serie‹:

Band 1: Alles, was du suchst

Band 2: Kein Tag ohne dich

Band 3: Mein Herz gehört dir

Band 4: Schenk mir deine Träume

Band 5: Sehnsucht nach dir

Band 6: Öffne mir dein Herz

Band 7: Jede Minute mit dir

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Biografie

 

 

Als Marie Force Urlaub in Vermont, USA, machte, spürte sie sofort, dass diese wunderschöne, unberührte Landschaft die perfekte Kulisse für unwiderstehlichen Lesestoff bietet. Auf der Suche nach Souvenirs entdeckte sie in einer idyllischen Kleinstadt den Green Mountain Country Store und lernte dessen Besitzer kennen: eine moderne und sympathische Familie, die mit großer Freude heimische Produkte verkauft. Und schon sah Marie Force das Setting für die Romane vor sich. Fehlt nur noch die Liebe … aber die findet sich in Butler, dem fiktiven Städtchen in dieser Serie, zum Glück an jeder Ecke.

Die SPIEGEL-Bestsellerautorin lebt mit ihrer Familie in Rhode Island, USA.

Inhalt

Prolog

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

Epilog

Danksagung

Prolog

Grayson goss sich drei Finger des besten Scotchs seines Onkels ein und setzte sich fernab des Trubels um Hunter und Megans Hochzeit in eine ruhige Ecke. Der erste Schluck brannte wie flüssiges Feuer in seiner Kehle, wärmte ihn aber auch von innen. Er musste sich ablenken. Es machte ihn so wütend, was Max’ Exfreundin Chloe über ihr Baby entschieden hatte.

Es war jetzt zwanzig lange Jahre her, dass Graysons Vater Frau und Kinder einfach so verlassen hatte. Grayson hatte seiner Mutter helfen müssen, die Scherben aufzulesen. Bis dahin hatte er es gemocht, das älteste Kind zu sein; er hatte die Privilegien genossen, die damit einhergingen. Doch dann war er von heute auf morgen auf einmal der Mann im Haus gewesen, verantwortlich für seine verzweifelte Mutter und sieben jüngere Geschwister, die von ihm erwarteten, dass er ihnen erklärte, was er bis heute selbst nicht verstand.

Hier war er nun, ein sechsunddreißigjähriger Mann und erfolgreicher Anwalt – und dennoch hatte ihn die Szene mit Chloe und Max in Tante Mollys Küche gerade wieder an den Abend zurückversetzt, an dem seine Kindheit ein frühzeitiges Ende gefunden hatte. Er konnte sich noch viel zu gut an die Panik erinnern, die er empfunden hatte, die Verzweiflung und die Angst … all das hatte sich zu einem heißen Ball aus Zorn zusammengefügt, den er bis heute in sich trug.

Wie jemand sein eigenes Kind verlassen konnte – oder gar acht davon – überstieg seine Vorstellungskraft. Er hasste Chloe, eine Frau, die er kaum kannte, für das, was sie heute Abend ihrem Sohn angetan hatte. Denn eines Tages, in nicht allzu ferner Zukunft, würde Caden rausfinden, dass seine Mutter ihn abgewiesen hatte, und er würde nie wieder derselbe sein.

Grayson war nie wieder derselbe gewesen. Er nahm noch einen tiefen Schluck Scotch und genoss die beruhigende Wirkung des Alkohols.

»Was ist das für ein Zeug?«, fragte eine helle Stimme neben ihm.

Er fuhr herum und erblickte das kleine rothaarige Mädchen, das sich unbemerkt zu ihm in seine nicht mehr ganz so ruhige Ecke gesetzt hatte. »Das ist Scotch. Hast du das schon mal probiert?«

Sie rümpfte das Näschen. »Natürlich nicht. Ich bin doch ein Kind. Kinder trinken keinen Scotch. Aber mein Opa mag Scotch, deswegen weiß ich, was das ist.«

»Was trinkst du denn gern?«

»Ich mag Apfelsaft, aber Mommy sagt, der hat zu viel Zucker, deshalb darf ich nur manchmal welchen haben.«

»Deine Mommy ist sehr klug.«

»Sie ist auch sehr hübsch.« Das Mädchen streckte den kleinen Arm aus. »Da drüben ist sie.«

Sein Blick folgte ihrem Finger zu der jungen Frau, die er am Abend zuvor kennengelernt hatte. Er musste der Kleinen recht geben, Lucys Schwester Emma war tatsächlich sehr hübsch. Ihre Tochter kam nach ihrer Tante Lucy, die ebenfalls rote Haare und blasse Haut hatte. Emma dagegen war eine gertenschlanke Blondine mit großen blauen Augen.

»Hast du eine Freundin?«

»Wer will das denn wissen?«, fragte er zurück, amüsiert über die offensichtlichen Kuppel-Bemühungen des Mädchens.

»Ich!«

»Und wie heißt du?«

»Simone.«

»Das ist aber ein schöner Name. Hast du einen Freund?«

»Nein! Ich bin erst neun. Neunjährige haben noch keinen Freund. Du bist wie Colton«, sagte sie über seinen Cousin, der mit Lucy verlobt war. »Er weiß gar nichts über Kinder.«

Grayson wusste mehr über Kinder als jeder andere kinderlose Mann seines Alters, doch er behielt diese Information für sich. »Was sollte ich denn über Kinder wissen?«

»Na ja, du solltest wissen, dass neunjährige Mädchen keinen Scotch trinken und keinen Freund haben.«

»Ich schätze, du rauchst auch nicht, oder?«

Sie kicherte ausgelassen, und er verlor ein kleines Stückchen seines Herzens an sie. Sie war wirklich süß. »Nein! Ich rauche nicht. Rauchen ist eklig und bringt einen um.«

»Das ist absolut richtig. Halt dich bloß fern davon.«

»Was wünschst du dir dieses Jahr zu Weihnachten?«, fragte Simone.

Gott, was für eine niedliche Frage. Was wünschte er sich überhaupt? Wie wäre es mit etwas Frieden und einem ganz neuen Leben? Das wäre schon mal ein Anfang. »Ich wünsche mir ein Paar Socken. Und du?«

»Socken? Wer wünscht sich denn Socken zu Weihnachten?«

»Ich, und es ist meine Weihnachtswunschliste, also mach dich nicht darüber lustig.«

»Das stimmt. Entschuldige.«

Er stupste sie sanft mit dem Ellenbogen an. »Ich mache doch nur Spaß. Du kannst dich ruhig über mich lustig machen. Socken sind ein blöder Weihnachtswunsch. Was steht auf deiner Liste?«

»Ich wünsche mir eine neue American-Girl-Puppe, aber die ist ziemlich teuer. Nicht sicher, ob das klappt. Aber ist auch okay, wenn nicht. Ich bekomme immer viele coole Geschenke.«

»Ich bin mir sicher, du bist total verwöhnt.«

»Nicht wirklich. Es gibt nur Mommy und mich, deshalb müssen wir unser Kleingeld zusammenhalten. Das sagt sie immer.«

Grayson wollte ihr am liebsten die Puppe kaufen und alles andere, was sie sich wünschte, nur um es irgendwie gutzumachen, dass ihr Vater nicht Teil ihres Lebens war. Er wurde aus seinen Gedanken gerissen, als Emma zu ihnen trat.

»Belästigst du Grayson?«, fragte Emma ihre Tochter.

»Du heißt Grayson?«, fragte Simone kichernd. »Was ist das denn für ein Name?«

»Simone!«

»Das ist ein kluger, vornehmer Name, nur damit du es weißt.«

Simone hielt sich den Mund zu, als könnte das ihr Lachen zurückhalten, und er war bezaubert von dem Strahlen in ihrem schelmischen Blick.

»Tut mir leid«, sagte Emma. »Die Benimm-Schule wollte sie nicht aufnehmen, also tue ich, was ich kann.«

»Ich würde sagen, du machst das toll«, erwiderte Gray und schaute zu ihr hoch. Sie hatte endlos lange Beine und wahnsinnig blaue Augen.

»Du solltest mit meiner Mom tanzen«, meinte Simone. »Sie tanzt so gerne, aber wegen mir kommt sie nicht oft dazu.«

»Simone, jetzt reicht es aber.«

Emma war das ganze sichtlich unangenehm, aber für Gray war der Gedanke, mit Simones unglaublich attraktiver Mutter zu tanzen, tausendmal besser, als allein in der Ecke zu sitzen, Scotch zu trinken und sich von alten Erinnerungen quälen zu lassen. »Das ist die beste Idee, die ich heute gehört habe«, sagte er.

Simones ausdrucksstarke Augen weiteten sich erfreut. »Wirklich?«

Gray stand auf und streckte Emma die Hand hin. Sie errötete. »Wirklich.«

»Oh, ähm, das musst du nicht«, sagte Emma unsicher.

»Es wäre mir ein Vergnügen. Wollen wir?«

Als sie ihn ansah und seine Hand nahm, hatte Grayson das Gefühl, von einem Blitz getroffen zu werden oder einen Schlag in die Magengrube zu bekommen oder etwas ähnlich Unangenehmes, nur dass es alles andere als unangenehm war.

Genau genommen war es das beste Gefühl, das er seit sehr, sehr langer Zeit gehabt hatte.

 

Stunden nachdem alle anderen am Weihnachtsabend, fünf Tage nach der Hochzeit, zu Bett gegangen waren, saß Grayson immer noch auf der Couch im Wohnzimmer seiner Tante Molly, weil der Zeitpunkt, an dem er und die wunderschöne, schüchterne, witzige Emma Mulvaney sich nichts mehr zu sagen hatten, einfach nicht kommen wollte. Sie saßen so nah wie möglich am Feuer, das er stundenlang am Leben erhalten hatte, während sie über ihre Leben in Boston und New York sprachen, über Emmas unglaublich liebenswerte Tochter, die Liebesgeschichte zwischen ihrer Schwester und seinem Cousin und über ihre Jobs.

Er hatte erfahren, dass sie als Praxismanagerin bei einem Zahnarzt arbeitete, und dass der Rest ihres Lebens ganz allein Simone gehörte. Bis vor kurzem hatte sein Leben einzig und allein der Arbeit gehört, weswegen sie sich jetzt über die richtige Balance unterhielten, und darüber, wie man sie finden könnte.

»Warum hast du dich jetzt entschieden, dich neu zu orientieren?«, fragte sie.

Sie war eine exzellente Zuhörerin, weswegen er ihr Dinge erzählen wollte, die er sonst niemandem anvertraute. Er hatte bisher die Erfahrung gemacht, dass die meisten Menschen heutzutage sehr gut im Reden waren, es aber nur wenige gab, die auch gut zuhören konnten. Emma war eine echte Ausnahme.

»Mir wurde so ein Fall übertragen … Wir haben diese A-Liste für spezielle Mandanten, weißt du? Die wir immer verteidigen, egal was sie getan haben. Der Senior-Chef nennt sie die ›Crème de la Crème‹. Ich hatte also diesen Kerl, ein hohes Tier in der ortsansässigen Wirtschaft. Er hat seine Frau windelweich geprügelt, und ich sollte ihn raushauen, obwohl wir alle wussten, dass er es gewesen ist. Sie ist im Krankenhaus gelandet, gebrochene Rippen, Kieferbruch … Und das nicht zum ersten Mal.«

Emma schnappte nach Luft und schlug die Hand vor den Mund. »O Gott.«

»Ich konnte es einfach nicht. Ich konnte ihn nicht verteidigen, obwohl ich wusste, dass er schuldig ist. Nicht für alles Geld der Welt. Ich habe meine Kündigung eingereicht, meine Partner haben mich ausgezahlt, und hier bin ich also.«

»Du hast das Richtige getan.«

»Dieses Mal, ja. Früher habe ich die Arschlöcher erfolgreich verteidigt, und ich bin wirklich nicht stolz darauf. Nach einer Weile wird man den Dreck immer schwerer los. Er bleibt sozusagen kleben. Ich habe in dem Job viel Geld verdient. So viel, wie ich es mir nie hätte träumen lassen, als wir jeden Pfennig einzeln umdrehen mussten, nachdem mein Dad uns verlassen hatte. Aber als ich die Polizeifotos von der verletzten Frau gesehen habe, hat mir eine innere Stimme gesagt, dass es genug ist mit dieser verrückten Scheiße. Ich konnte einfach nicht mehr.«

Ihre Hand auf seinem Arm sollte ihn wahrscheinlich trösten, rief aber etwas ganz anderes hervor, etwas, das er seit Jahren nicht mehr gespürt hatte: pures Verlangen.

»Du kannst hier bestimmt ein gutes Leben haben, ohne dass du dafür deine Seele an den Teufel verkaufen musst.«

»Das hoffe ich auch. Ich werde nie das gleiche Geld verdienen wie in Boston, aber ich habe so viel gearbeitet, dass ich gar keine Zeit hatte, das Geld auszugeben. Ich werde schon klarkommen. Alles ist besser als das, was ich dort gemacht habe.«

»Was haben deine Partner dazu gesagt?«

»Sie haben versucht, es mir auszureden. Einige meinten, ich würde einen Riesenfehler machen und meine Karriere aufs Spiel setzen, wenn ich nach Hause in die Pampa ziehe.« Er zuckte mit den Schultern. »Doch nichts, was sie gesagt haben, konnte meine Meinung ändern.«

»Dein Bauchgefühl hat dir gesagt, dass der richtige Zeitpunkt gekommen ist. Ich vertraue immer auf mein Bauchgefühl.«

»Was hat dein Bauchgefühl dir denn so gesagt?«

Sie dachte einen Moment lang darüber nach, was ihm Zeit gab, ihr süßes Gesicht und ihre von der Wärme des Feuers und einigen Gläsern Chardonnay rosigen Wangen zu mustern. »Es hat mir geraten, Simones Vater nicht zu heiraten, und ihm auch keinen Anteil an ihrem Leben zu geben.«

Grayson erkannte daran, wie sie zögerte, sofort, dass sie nicht oft darüber sprach. »Warum nicht?«

»Er war nicht immer nett zu mir.«

»Hat er … dir weh getan?«

»Einmal.«

»Was ist passiert?«

Wie war es nur möglich, wo er sie doch gerade erst kennengelernt hatte, dass er diesen Kerl finden und zur Strecke bringen wollte, weil er ihr einmal weh getan hatte?

»Als ich ihm gesagt habe, dass es zwischen uns vorbei ist … hat er nicht gerade gut reagiert.«

»Was ist passiert?«

»Das ist lange her. Ein ganzes Leben lang.«

»Aber du hast es nie vergessen.«

Sie starrte ins Feuer, das Funkeln in ihren Augen von Erinnerungen getrübt. »Nein, habe ich nicht.«

Grayson dachte nicht nach, bevor er die Arme nach ihr ausstreckte. Er wünschte, er könnte ihren Schmerz lindern, obwohl er sie fast gar nicht kannte. Das war etwas Neues. Emma zuckte bei seiner Berührung zusammen, nur ganz leicht, aber er bemerkte es dennoch und wusste, dass die Wunde, die ein Mann, den sie einmal geliebt hatte, hinterlassen hatte, tief war.

»Möchtest du darüber reden?«

»Ich rede nie darüber«, sagte sie und lachte zittrig. »Bist du sicher, dass du Anwalt bist und nicht Psychologe?«

»Ziemlich sicher«, sagte er und schmunzelte, »obwohl ich manchmal das Gefühl habe, die beiden Berufe haben viel gemeinsam.«

Emma nahm einen Schluck Wein und blickte weiter ins Feuer. »Als ich ihm gesagt habe, dass es vorbei ist, ist er völlig ausgerastet. Er … er hat mich zu Boden geworfen und mich gezwungen, mit ihm zu …« Sie atmete schwer aus. »Als es vorbei war, habe ich ihm gesagt, dass ich die Polizei rufe, wenn er nicht sofort verschwindet. Sonst würde ich Anzeige erstatten.«

»Verdammt, Emma. Das hast du noch nie jemandem erzählt? Nicht einmal Lucy?«

Sie schüttelte den Kopf. »Niemand weiß, wie Simone entstanden ist. Außer dir jetzt.«

»Emma«, sagte Grayson und atmete tief aus. Obwohl er kein Recht dazu hatte, zog er sie an sich, musste sie festhalten.

»Mein Dad war so wütend, als er herausfand, dass ich schwanger war. Er hat ewig nicht mit mir geredet. Es war furchtbar für mich, dass er so enttäuscht war.«

»Warum hast du es ihm denn nicht gesagt?«

»Ich wollte nicht, dass es Simones Leben überschattet. Das konnte ich ihr nicht antun. Ich habe sie geliebt, sobald ich wusste, dass ich schwanger bin. Es war mir egal, wie sie entstanden ist. Irgendwie habe ich es geschafft, diese beiden Dinge zu trennen. Es gibt ihn und was er getan hat, und es gibt sie – so perfekt auf jede nur vorstellbare Weise. Sie ist dem Mann, der sie gezeugt hat, nicht im Geringsten ähnlich. Sie sieht genauso aus wie meine Schwester. Das liebe ich so sehr.« Emma wischte eine Träne weg, die ihr die Wange herunterlief. »Ich liebe es, dass sie Lucys Ebenbild ist. Ich danke Gott jeden Tag dafür, dass sie nicht aussieht wie er.« Wieder dieses zittrige Lachen. »Was ist eigentlich mit mir los, dass ich einem Fremden mein Herz ausschütte?«

»Ich bin kein Fremder. Nicht mehr. Ich bin ein Freund, und ich bin sehr froh, dass du dich endlich jemandem anvertraut hast. Was er dir angetan hat, Emma … Das war ein Verbrechen. Das weißt du doch, oder?«

Sie nickte. »Ich war in Therapie, und ich habe mich damit abgefunden, was in jener Nacht passiert ist. Insofern man sich mit so etwas eben abfinden kann.«

»Und er weiß nichts über sie?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe ihn nie mehr gesehen, Gott sei Dank. Ich hatte immer solche Angst, dass er zurückkommt, zwei und zwei zusammenzählt … Aber Simone sieht ihm wirklich kein bisschen ähnlich, und sie wird immer jünger geschätzt, als sie ist. Er hätte keinen Grund zu denken, dass sie seine Tochter ist.«

In seiner Rolle als Anwalt hätte Grayson dazu einiges zu sagen gehabt. In diesem Moment war er allerdings kein Anwalt. Er war ein Mann, den zum ersten Mal in über sechsunddreißig Jahren eine Frau tief bewegt hatte. »Du bist wundervoll.«

»Sag das doch nicht. Ich habe nur getan, was jede Mutter getan hätte, um ihr Kind zu beschützen.«

»Du hast dafür so viel geopfert.«

»Ich habe dafür das tollste kleine Mädchen bekommen, das man sich nur wünschen könnte. Ich werde niemals etwas bereuen, weil ich sie habe.«

»Sie hat großes Glück, dich zu haben.«

»Wir haben beide Glück. Wir haben uns ein gutes Leben aufgebaut, und ich denke nicht mehr an dieses ganze Zeug.«

Grayson wusste nicht, ob er ihr das glaubte, aber er wollte sie nicht mehr weiter fragen. »Du musst die Männer bestimmt reihenweise abwehren.«

»Klar«, sagte sie und lachte. »Wenn ich nicht gerade arbeite oder Hausaufgaben beaufsichtige oder zum Tanzunterricht fahre oder zum Fußballtraining, oder eine Geburtstagsparty organisiere, bin ich die totale Dating-Maschine.«

»Es gibt also keinen besonderen Menschen in deinem Leben?«

»Nur Simone, meinen Dad, Lucy, Colton und ein paar sehr gute Freunde, unter anderem Cameron.«

»Wünschst du dir manchmal mehr?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe gelernt, mit dem, was ich habe, zufrieden zu sein. Dankbar.«

»Ich möchte dich wiedersehen, Emma. Ich möchte mehr Zeit mit dir verbringen.« Die Worte waren aus seinem Mund, bevor er sich dazu entschieden hatte, etwas zu sagen, weil der Gedanke daran, dass sie verschwinden könnte, dass er sie und Simone nur noch auf Familienfeiern sehen würde, einfach unerträglich war. Da hatte er doch gerade alles unternommen, um sein Leben so einfach wie möglich zu gestalten, und nach einem Abend mit ihr machte er alles wieder kompliziert. Und das war in Ordnung.

»Oh, ähm, wirklich?«

»Wirklich. Ich habe ewig nicht so mit einer Frau geredet wie heute Abend mit dir. Eigentlich noch nie. Ich möchte nicht aufhören, mit dir zu reden, obwohl ich dich wahrscheinlich schlafen lassen sollte, damit du morgen nicht allzu müde bist. Irgendetwas sagt mir, dass Miss Simone so etwas schamlos ausnutzen würde.«

»Da hast du recht. Sie würde rausholen, was sie nur kann. Aber ich will noch nicht schlafen gehen.«

»Nicht?«

Sie schüttelte den Kopf und schaute ihm tief in die Augen. Ein weiteres Mal handelte Grayson, ohne darüber nachzudenken. Er beugte sich vor und küsste sie. Er passte auf, dass er nicht zu schnell war oder zu fordernd, aber er konnte diesen Abend einfach nicht zu Ende gehen lassen, ohne sie zu schmecken. Doch sofort nach dieser ersten Kostprobe wusste er, dass das noch lange nicht genug war.

Der leise, stöhnende Laut, der sich ihrer Kehle entrang, machte ihn sofort hart. Er zog sich zurück, um sie anzusehen, leicht geschockt von der Reaktion seines Körpers. Ihre Augen waren geschlossen, ihre Lippen offen und feucht. Er fuhr mit der Fingerspitze über ihre Unterlippe.

»Du bist wunderschön, Emma.«

Sie öffnete langsam die Augen und hielt lange seinen Blick, als wolle sie feststellen, wie ernst er das meinte. Er hatte nie etwas ernster gemeint.

»Wie lange bleibst du hier?«, fragte er.

Sie räusperte sich. »Molly hat uns eingeladen, die ganze Woche bei ihnen zu bleiben, weil Simone Ferien hat.«

»Könnte Lucy vielleicht morgen Abend auf Simone aufpassen, damit ich dich zum Dinner einladen kann?«

»Ich … ich denke, das würden sie beide toll finden.«

»Und du? Fändest du es auch toll, wenn Simone zu Lucy geht, damit du mit mir ausgehen kannst?«

»Ja, Grayson, ich glaube, ich fände das auch toll.«

1

Ich liebe dich so viel mehr, weil ich weiß, dass du mich um meiner selbst willen magst, und dass nichts anderes eine Rolle spielt.

John Keats

Wie war es überhaupt möglich, dass man einfach vergaß zu atmen? Emma würde gleich ohnmächtig werden, wenn sie nicht endlich daran dachte, Luft zu holen. Den ganzen Tag lang hatte sie den vorherigen Abend in Gedanken Revue passieren lassen, jene magischen Stunden, die sie im Wohnzimmer der Abbotts verbracht hatte, auf dem Sofa mit dem unglaublich gutaussehenden, attraktiven und erfolgreichen Grayson Coleman.

Emma hatte ihm Dinge anvertraut, die sie vorher noch nie jemandem erzählt hatte, nicht einmal ihrer Schwester Lucy, die sonst ihre engste Vertraute war. Während sie sich wünschte, dass die Zeiger der Uhr sich schneller vorwärtsbewegen würden, wartete sie auch darauf zu bereuen, dass sie das größte Geheimnis ihres Lebens ausgeplaudert hatte, dieses Geheimnis, das jetzt schon fast zehn Jahre alt war, genau wie der allerwertvollste Mensch der Welt – ihre Tochter Simone.

Etwas in der Art, wie aufmerksam Grayson ihr gegenüber gewesen war, wie er jedes ihrer Worte aufgesogen hatte, als ob es das Wichtigste wäre, das er je gehört hatte, hatte sie dazu gebracht, ihm Dinge zu erzählen, die sie sonst nie jemandem erzählte – an die sie in der Regel nicht einmal mehr dachte. Es war so lange her, und Emma war überzeugt, dass es besser war, nach vorne zu schauen als zurück. Es war niemals gut, zurückzuschauen.

Die Abbotts hatten sie großzügig zu sich eingeladen, damit sie bei Hunter und Megans Hochzeit dabei sein und anschließend mit Lucy und ihrem Verlobten Colton in Vermont Weihnachten feiern konnten. Bis jetzt war der Besuch einfach unglaublich gewesen, sie waren Schlitten gefahren und hatten einen Schneemann gebaut, Simone hatte sogar in Lucas Abbotts Schneemobil mitfahren dürfen.

Ihre Tochter würde noch monatelang von dieser Woche reden.

Simone verbrachte heute und morgen mit Colton und Lucy in ihrer Hütte auf dem Berg. Sie war so aufgeregt, weil sie alleine bei Tante Lu und Onkel Colton und ihren Hunden Sarah und Elmer bleiben durfte. Als sie vor ein paar Stunden mit Lucy weggefahren war, hatte Emma gehört, wie sie fragte, ob sie vielleicht Fred, den Elch, sehen würden. Lucy hatte geantwortet, dass man nie wissen konnte, wann er zu Besuch kam.

Emma hatte sich irgendwie ziellos gefühlt, während sie darauf wartete, dass der ungewöhnlich ruhige Nachmittag in der wunderschönen, restaurierten Scheune der Abbotts verstrich. Ihr Vater war am Morgen zurück nach New York gefahren, Lincoln Abbott war zu einem Lunch-Meeting in der Stadt und seine Frau, Molly, war bei ihrer Tochter Hannah.

Schließlich ließ sich Emma auf dem Sofa nieder, auf dem sie abends zuvor mit Grayson gesessen hatte, und versuchte, sich in ein Buch zu vertiefen, das sie eigentlich gerade mit Genuss las. Aber ihre Gedanken schweiften immer wieder zu den komischsten Kleinigkeiten ab: wie das Feuer seinem dunkelblonden Haar einen goldenen Glanz verliehen hatte, das Funkeln in seinen Augen, wenn er etwas lustig fand, wie er die Stirn runzelte, wenn er sich auf etwas konzentrierte oder ihr zuhörte, und wie er genau das richtige Maß an Mitleid und Entrüstung gezeigt hatte, als sie ihm erzählt hatte, was Simones Vater ihr am Ende der Beziehung angetan hatte.

Grayson war nun der einzige Mensch auf der Welt, der wusste, dass Simone aus einem gewalttätigen Angriff hervorgegangen war. Sie hatte nicht einmal der Therapeutin, die ihr danach geholfen hatte, von dem Baby erzählt. Vielleicht hätte sie es bereuen sollen, dass sie etwas so Persönliches mit jemandem geteilt hatte, den sie gerade erst kennengelernt hatte, aber sie und Grayson waren einfach in ihrer eigenen Welt gewesen, in der sie sich diese Dinge hatten anvertrauen können, und sie bereute es kein bisschen.

Er hatte ihr erzählt, wie er für seine sieben jüngeren Geschwister hatte sorgen müssen, nachdem ihr Vater eines Tages einfach verschwunden war. In seiner Stimme lag dennoch nur Liebe und Zuneigung, wenn er von ihnen sprach. Die Last, die diese große Verantwortung für ihn mit nur sechzehn Jahren gewesen sein musste, fand keinerlei Ausdruck in der Art, wie er von ihnen erzählte.

Sie war noch nie von einem Mann so fasziniert gewesen wie von ihm, daher auch ihre Atemnot. Seitdem er sie für heute Abend zum Dinner eingeladen hatte, war sie atemlos und angespannt – und nervös. Sehr, sehr nervös. Sie war auf keinem richtigen Date gewesen seit … na ja, seit Jahren. Wenn man von ihrem guten Freund Troy Kennedy absah, der in der Stadt immer ihre Begleitung war, genauso wie sie seine. Aber Troy zählte nicht. Zwischen ihnen hatte es nie etwas anderes als Freundschaft gegeben, obwohl Lucy und ihre Freundin Cameron unzählige Male versucht hatten, sie zusammenzubringen.

Mit Troy würde so etwas nie im Leben passieren, aber irgendetwas war definitiv gestern mit Grayson passiert.

Emma berührte ihre Lippen mit den Fingern und dachte an den weichen, liebevollen Kuss, den er ihr gegeben hatte, bevor er ging. Hätte sie die Entscheidung getroffen, wäre er immer noch hier, und sie würden immer noch reden – und sich vielleicht auch küssen.

Sie war so darin versunken gewesen, sich um Simone zu kümmern, ihre Arbeit und all die Verantwortlichkeiten als Elternteil und im Haushalt unter einen Hut zu bekommen, dass sie niemanden ernsthaft kennengelernt hatte, seit ihre Beziehung mit Simones Vater auf eine so spektakuläre und gewalttätige Weise in die Brüche gegangen war.

»Denk nicht darüber nach«, flüsterte sie. »Nicht heute, wo dich ein gutaussehender Kerl zum Abendessen einlädt.« Ihre Gedanken streiften wieder den flüchtigen Kuss und wie sie plötzlich so viel mehr gewollt hatte. Es gab noch ein anderes tiefes, dunkles Geheimnis, diesmal eines, das sie Grayson nicht verraten hatte: Seit sie mit Simone schwanger geworden war, hatte sie keinen Sex gehabt.

»Uuuah.« Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen, ärgerte sich über sich selbst, dafür, dass sie den Deckmantel ihrer Rolle als Mutter als Ausrede verwendet hatte, sich von Männern fernzuhalten. Während ihre Tochter, die im Februar zehn werden würde, aufwuchs, waren aus einem Jahr zwei, aus zwei Jahren drei, dann vier geworden, und schließlich waren es zehn.

Sie hatte nicht vorgehabt, ihr eigenes Leben hintanzustellen, als Simone zur Welt kam. Es war einfach so gekommen. Als Mutter eines kleinen Kindes ging sie einfach nicht in Bars und Clubs oder überhaupt irgendwohin, wo Frauen ihres Alters Männer kennenlernten.

Nachdem ihre Schwester endlich akzeptiert hatte, dass Emma in Troy nie etwas anderes als einen Freund sehen würde, hatte Lucy ihr vorgeschlagen, es mit Online-Dating zu versuchen. Aber die Anonymität des Internets hatte etwas so Beängstigendes, vor allem, wenn man wie sie in New York City lebte. Sie hatte eine Tochter, an die sie denken musste, und auch wenn sie gerne einen Mann kennengelernt hätte, interessierte Online-Dating sie herzlich wenig.

Grayson Coleman hingegen interessierte sie.

George und Ringo sprangen aus ihren Körbchen und sprinteten Richtung Küche. Emma hörte, wie Molly mit den Hunden redete, die fröhlich bellten, weil einer ihrer Lieblingsmenschen zurückgekommen war. Ein paar Minuten später kam Molly ins Wohnzimmer.

»Hi, Emma.«

»Hey. Wie geht’s Hannah?«

»Sie fühlt sich nicht besonders gut, aber so ist das nun mal im letzten Drittel der Schwangerschaft.«

»Ich erinnere mich noch gut. Ich hätte diesen Heißluftballons in der Thanksgiving-Prozession Konkurrenz machen können.«

Molly lachte und legte Holz nach, bevor sie sich auf einen Sessel fallen ließ und die Füße hochlegte. Diese Frau war eine Maschine. Sie hatte zehn Kinder geboren, aber ihrem schlanken Körper und ihrem faltenfreien Gesicht sah man das absolut nicht an. Das einzige Zeichen ihres Alters war die Mähne wundervollen grauen Haares, die sie meistens zu einem Zopf flocht, aber nicht einmal das änderte etwas an ihrem jugendlichen Aussehen.

»Ich liebe den Tag nach Weihnachten. Als die Kinder noch klein waren, bin ich meistens den ganzen Tag im Bett geblieben. Es war eines von Lincs Geschenken, sich um die Kinder zu kümmern, während ich faul herumlag.«

»Was für eine tolle Idee.«

»Das fand ich auch, und das Beste daran: Nach einem Tag mit den Minions hat Linc sich vor mir verbeugt, jedes Jahr.«

Emma lachte über das Bild von zehn wilden, im ganzen Haus herumspringenden Kindern, die ihren guten alten Dad an der Nase herumführten, das Molly heraufbeschwor.

»Weihnachten war schon immer ein ganz schöner Akt für die Mütter«, sagte Molly. »Ist es immer noch, und mittlerweile sind meine Kinder alle erwachsen. Aber ich liebe es einfach, die ganze Familie hier zu haben. Der Krach, die Geschenke, wie sich alle necken, das ganze Chaos. Und dann liebe ich diesen Tag, wenn sie alle gehen und mich in Frieden lassen.«

»Tut mir leid, dass dieses Jahr zwei Eindringlinge hier sind.«

»Ach, komm schon! Du bist unglaublich pflegeleicht, und Linc und ich lieben Simone! Wir möchten, dass ihr jedes Jahr wiederkommt.«

»Das wäre toll. Weihnachten in Vermont ist meine neue Lieblingsbeschäftigung.«

»Das freut mich. Schau dir diese riesige, leere Scheune doch nur an. Linc und ich haben mehr als genug Platz, und wir hätten euch nächstes Jahr gerne wieder hier.«

»Simone würde nie wieder ein Wort mit mir wechseln, wenn ich nicht sagen würde: unglaublich gerne!«

»Dann wäre das ja geklärt. Ich möchte, dass du unser Zuhause auch als dein Zuhause ansiehst. Du und Simone und dein Dad, ihr gehört jetzt zur Familie, wo Colton und Lucy verlobt sind. Es wird nie vorkommen, dass ihr hier nicht willkommen seid.«

»Das ist wahnsinnig lieb von dir, danke!«

»Linc und ich gehen heute Abend zu unserem Lieblingsitaliener in St. Johnsbury, falls du Lust hast, mitzukommen.«

»Oh, ähm …« Sie und Grayson hatten nicht darüber gesprochen, ob und was sie anderen über ihre Pläne sagen würden. Vielleicht würde er nicht wollen, dass sie seiner Tante erzählte, dass sie miteinander ausgingen? Sie entschied im Bruchteil einer Sekunde. »Vielen Dank für die Einladung, aber ich glaube, ich werde meinen freien Abend ausnutzen und hierbleiben.«

»Das verstehe ich sehr gut. Linc und ich haben eine große Badewanne, die du gerne benutzen kannst, wenn du möchtest.«

»Das hört sich toll an.«

»Dann los, verwöhn dich ein bisschen. Ich bleibe genau hier sitzen und mache ein Nickerchen. Viel Spaß.«

»Dir auch.«

»Werd ich haben.«

Als sie die Treppe hinaufstieg, beschloss Emma, dass sie Molly Abbott werden wollte, wenn sie groß war. Was für eine tolle Frau … und Mutter. Alle ihre Kinder waren wundervolle Menschen, sogar die unartigen eineiigen Zwillinge, Lucas und Landon, die sowohl an Wills als auch an Hunters Hochzeit schamlos mit ihr geflirtet hatten, bevor Colton ihnen geraten hatte, schleunigst damit aufzuhören, falls sie es nicht mit ihm zu tun bekommen wollten. Und seiner Axt. Die beiden waren unglaublich süß und wahnsinnig witzig, aber einfach viel zu jung für sie. Ihre Aufmerksamkeit war ihr trotzdem willkommen gewesen. Sie hatten sie daran erinnert, dass sie, auch wenn sie sich manchmal anders fühlte, immer noch erst neunundzwanzig war und nicht sechzig.

Molly hatte eine Hochzeit in ihrem Wohnzimmer fünf Tage vor Weihnachten und einen regelrechten Massenaufstand an den Feiertagen mit purer Eleganz und guter Laune gemeistert. Emma war fast schockiert davon, wie geschickt sie war. Sie hatte sich geradezu in diese Frau verliebt, und dass sie für das nächste Jahr wieder eingeladen hatte, war das zweitbeste, was ihr diese Woche passiert war.

Als Grayson zum Haus seiner Tante fuhr, um Emma abzuholen, hatte er bereits einen ziemlich vollen Tag hinter sich. Seine Cousine Ella hatte ihm ihr kleines, gemütliches Apartment gezeigt, und er hatte sofort zugesagt, es als neuer Mieter zu übernehmen, komplett mit dem Bett und dem Sofa, das sie ihm geschenkt hatte. Sie würde demnächst mit ihrem Verlobten Gavin zusammenziehen und brauchte beides nicht mehr. Grayson war froh, drei Punkte seiner To-do-Liste auf einmal abhaken zu können. Ella hatte sogar vorgeschlagen, ihre Festnetznummer auf ihn zu übertragen. In Boston hatte er jahrelang ohne Festnetz gelebt, aber in Butler, Vermont, dem Ort ohne Handynetz, war ein Telefon unverzichtbar.

Obwohl die Apartmentbesichtigung, anschließendes Schneeschippen und ein paar Reparaturen am Haus seiner Mutter ihn gehörig auf Trapp gehalten hatten, hatte Grayson die Uhr genauestens im Auge behalten. Heute schien sie rückwärts zu laufen.

Emma.

Sein erster Gedanke an diesem Morgen hatte ihr gegolten, den Geheimnissen, die sie einander anvertraut hatten, den Geschichten, die sie sich erzählt hatten und dem Funken, der zwischen ihnen so hell geleuchtet hatte. Dieser Funke sorgte dafür, dass sie ihn mehr interessierte, als das jemals eine Frau getan hatte. Er hatte davon gehört, und er hatte gesehen, wie es seinen Cousins und Cousinen passiert war, aber ihm selbst war es noch nie passiert. Bis er Emma getroffen hatte.

Und Simone … Denn es war einfach nicht möglich, sich Emma ohne Simone vorzustellen. Er kannte Emma schon jetzt gut genug, um zu wissen, dass es so etwas wie eine Beziehung, die nur sie selbst einschloss, nicht geben würde. Als Kerl, der bisher nie den Drang gehabt hatte, eine Familie zu gründen, weil er sich schon um seine jüngeren Geschwister hatte kümmern müssen, überraschte es ihn, als er feststellte, dass er sehr froh war, dass die liebenswerte, kluge, witzige, süße und guterzogene Simone ein Teil des Ganzen war.

Als er neben der großen roten Scheune anhielt, die seine Tante und sein Onkel ihr Zuhause nannten, machte Grayson den Motor seines Geländewagens aus und ließ die Scheinwerfer an, damit er zur Tür gehen konnte, ohne auf dem vereisten Hof auszurutschen. Der Range Rover seines Onkels war weg, sie waren also wie jeden Freitag zu ihrem Lieblingsitaliener gefahren. Er war eigentlich ganz froh, dass er seinen geliebten Verwandten nicht über den Weg lief, während er Emma abholte.

Grayson war schon nervös genug, ohne von der Familie ausgefragt zu werden, und er wusste, dass es ein regelrechtes Kreuzverhör werden würde, sobald sein Onkel Lincoln sich einmischte. Als Ersatzvater der Colemans interessierte Linc sich immer für alles, was er und seine Geschwister machten. Normalerweise war Grayson das Interesse seines Onkels sehr willkommen. Heute kam ihm ein wenig Privatsphäre aber sehr gelegen. Vorsichtig bahnte er sich einen Weg über das Eis, immer auf das Licht am Eingang zu. Er öffnete die Haustür und begrüßte George und Ringo, die ihn ordentlich beschnupperten, bevor sie ihn in den Vorraum ließen, als würden sie sagen: »Einer von uns.« Diese Scheune war sein zweites Zuhause gewesen, als er klein war, und er fühlte sich hier genauso wohl wie im Haus seiner Mutter.

»Hallo?«

»Hi«, rief Emma von oben. »Ich bin gleich da.«

»Lass dir Zeit.« Als Grayson sich an die Arbeitsfläche in der ordentlichen Küche seiner Tante lehnte, erinnerte er sich an sein letztes erstes Date. Die Erinnerung an seine Exfreundin Heather versetzte seiner guten Stimmung einen Dämpfer. Er war so überwältigt von ihrer Schönheit und ihrem Charme gewesen, dass er nicht bemerkt hatte, dass sie eine eiskalte, berechnende Person war, bis er sich schon komplett in ihrem Netz verstrickt hatte. Sich zu befreien war schwierig und schmerzhaft gewesen, und er war seitdem mit niemandem mehr zusammen gewesen.

Emmas Schritte auf der Treppe rissen ihn aus seinen trüben Gedanken. Er versuchte, sich wieder in die richtige Stimmung zu versetzen, damit er den Abend mit ihr genießen konnte. Es wurde höchste Zeit, dass er nach dem Debakel mit Heather ins Reich der Lebenden zurückkehrte.

Emma betrat die Küche, und Grayson konnte nicht anders, als sie anzustarren, weil sie in dem schlichten schwarzen Rollkragenpullover, den sie mit einer sexy Jeans und Stiefeln kombiniert hatte, einfach toll aussah. Ihr Haar umspielte ihre Schultern, und sie hatte mit Make-up irgendetwas mit ihren großen blauen Augen gemacht, das diese noch mehr betonte. »Du hast doch gesagt casual, oder?«

»Habe ich. Und du siehst toll aus.«

»Du auch«, sagte sie mit einem schüchternen Lächeln.

Es gefiel ihm, dass sie schüchtern war, dass sie seit Jahren nicht ausgegangen war, dass nichts an ihr falsch oder aufgesetzt wirkte. Es gefiel ihm noch mehr, als der Funke der Anziehung, der am vorherigen Abend schon so hell zwischen ihnen geleuchtet hatte, aufs Neue aufflammte, genauso hell und lebendig, jetzt, wo sie einen Tag Zeit gehabt hatten, über die Sache nachzudenken. Er hatte seine Meinung jedenfalls nicht geändert, und der Art und Weise zufolge, wie sie ihn ansah, hatte sie das ebenfalls nicht getan.

»Ich sollte Molly wahrscheinlich einen Zettel hinlegen, damit sie sich keine Sorgen macht«, sagte Emma. »Ich wusste nicht, was ich über heute Abend sagen sollte, also habe ich gar nichts gesagt.«

»Du hättest ihr ruhig sagen können, wo du hingehst.«

»Ich wusste nicht, ob du das willst.«

»Eines wirst du über diese Familie schnell lernen – und über diese Stadt: Es gibt hier sehr, sehr wenige Geheimnisse.«

Emma lächelte und kritzelte eine schnelle Notiz für Molly, die sie auf die Arbeitsfläche legte, wo ihre Tante sie sicher sehen würde.

Als er einen Blick darauf warf, sah er, dass sie »Bin mit Grayson zum Abendessen. Bis morgen, Emma« geschrieben hatte.

»Du planst gleich die ganze Nacht?«, fragte er.

»Was?« Es gefiel ihm gar nicht, dass sein Kommentar sie verstört aussehen und klingen ließ. »Natürlich nicht. Ich dachte nur, dass sie wahrscheinlich schon schlafen, wenn wir nach Hause kommen.«

»Ich hab nur Spaß gemacht, Emma, tut mir leid.«

Sie lachte. »Wow, ich bin so was von aus der Übung, der ist komplett an mir vorbeigegangen.«

Er lachte leise über ihre liebenswerte Verwirrtheit. Es gefiel ihm, dass sie aus der Übung war, wenn es um Männer und Dates ging. Wie erfrischend sie war. In der Waschküche half er ihr in ihren Mantel und wartete, bis sie den Reißverschluss geschlossen und Handschuhe angezogen hatte. »Fertig?«, fragte er und streckte die Hand nach ihr aus.

Sie nahm seine Hand. »Fertig.«

Er führte sie hinaus in die Nacht. Er freute sich darauf, Zeit mit ihr zu verbringen, einfach mit ihr zusammen sein zu können.

2

Lass uns einander immer lächelnd begegnen,

denn das Lächeln ist der Anfang der Liebe.

Mutter Teresa

Als sie aus Lincolns und Mollys Einfahrt auf die Straße fuhren, begann es zu schneien. In der Zeit, die es dauerte, bis das Auto warm wurde, verwandelte sich der feine Puder in stetig fallende, schwere Schneeflocken.

»Ich hatte gehofft, dass der Schnee, den sie vorhergesagt hatten, ausfällt«, sagte Grayson.

»Es ist so schön hier«, sagte Emma. »In New York City ist bei Schnee alles nur Chaos, aber hier hat es wirklich etwas Magisches.«

»Es hat vielleicht etwas Magisches, aber es ist wirklich ein ungünstiger Zeitpunkt. Wenn es so weitergeht, sollten wir wohl nicht besonders weit fahren. Wie stehst du zu Pizza?«

»Ich liebe Pizza.«

»Ich hatte etwas Besseres geplant, aber ich schätze, deine Sicherheit ist dir wichtiger als eine Fünf-Sterne-Küche.«

»Da schätzt du richtig.« Emma schaute aus dem Fenster und drehte den Kopf, damit sie Butler Mountain sehen konnte. »Glaubst du, Simone geht es da oben auf dem Berg gut, in diesem Schneesturm?«

»Ihr geht es bestimmt bestens. Colton lebt seit Jahren da oben. Ein bisschen Schnee ist wirklich nichts Neues für ihn.«

»Du hast wahrscheinlich recht.«

»Sie hat bestimmt Spaß!«

»Bestimmt. Sie findet es so toll hier. Es gefällt ihr viel besser als die Stadt.«

»Was kann man auch schon an Butler nicht mögen? Es gibt alles, was man sich nur wünschen könnte, sogar Steinofenpizza.«

Zehn Minuten, nachdem sie losgefahren waren, fuhr Grayson auf den Parkplatz von Kingdom Pizza und schaltete den Motor aus. »Warte auf mich. Es ist glatt. Ich möchte nicht, dass du ausrutschst.« Es stieg aus und ging um sein Auto herum, öffnete ihre Tür und streckte die Hand aus.

»Danke«, sagte sie mit einem Lächeln, das sein Herz regelrecht zum Flattern brachte.

Wunderschön und süß und unglaublich stark … Er hatte den ganzen Tag über alles nachgedacht, was sie ihm am Abend zuvor gesagt hatte. Ihr Lebensmut machte ihn demütig und brachte ihn dazu, dass er das Beste sein wollte, was ihr und ihrer Tochter je passiert war. Damit würde er allerdings beim ersten Date eindeutig den Karren vor die Pferde spannen. Langsam, redete er sich ein, als er die Tür der Pizzeria aufhielt und sie vor ihm hineingehen ließ.

Zu seiner Enttäuschung entdeckte er sofort seine Cousine Hannah und seinen Cousin Will, die mit ihren jeweiligen Partnern, Nolan und Cameron, an einem Tisch saßen. Sie winkten sie zu sich herüber.

»Hey«, sagte Will. »Wollt ihr euch zu uns setzen?«

Nein, das wollte er ganz und gar nicht, aber genauso wenig wollte er unhöflich sein. Grayson warf Emma einen Blick zu. Sie zuckte mit den Schultern. »Klar«, sagte sie.

»Moment«, sagte Hannah. »Habt ihr ein Date?«

»So was in der Art«, sagte Grayson und fragte sich, ob er den Zeitreisezug zurück in die Highschool genommen hatte.

»Dann ziehen wir unser Angebot zurück«, sagte Hannah. »Ihr dürft euch natürlich nicht zu uns setzen. Los, sucht euch euren eigenen Tisch! Lasst uns in Frieden.«

Emma musste über Hannah lachen. Es war typisch für seine Cousine, alle herumzukommandieren.

Mit einem resignierten Lächeln für Hannah und Will nahm Grayson Emmas Arm. »Schön, euch zu sehen«, sagte er. Er führte sie zu einem Tisch am anderen Ende des Raumes, rückte ihr den Stuhl zurecht und erinnerte sich dann daran, wie sehr Heather es gehasst hatte, wenn er solche Dinge für sie tat. »Ich kann mich sehr gut alleine setzen!«, hatte sie immer gesagt.

Als er Emma gegenübersaß, fragte er sich, wie sie es wohl fand, wenn ein Mann ihr den Stuhl zurechtrückte. »Tut mir leid wegen Hannah.«

»Ich finde sie lustig.«

»Sie hat immer schon gerne alle herumkommandiert, die Schwangerschaft hat das noch verstärkt.«

»Wann ist der Termin?«

»Februar oder März, glaube ich.«

Eine Kellnerin kam mit der Karte an ihren Tisch und fragte, was sie trinken wollten. Grayson bestellte ein Bier, Emma ein Glas Weißwein. Es dauerte nicht lange, bis die Getränke auf dem Tisch standen.

»Lucy hat mir von Hannah erzählt, wie sie ihren ersten Mann im Irak verloren hat.«

»Eine der schlimmsten Situationen, mit denen unsere Familie je fertigwerden musste. Wir sind alle zusammen groß geworden. Caleb Guthrie war einer von uns.«

»Es tut mir leid, dass ihr ihn verloren habt.«

»Danke. Ich war so froh, als sie angefangen hat, mit Nolan auszugehen. Sie passen gut zusammen.« Er beugte sich vor und sprach leiser: »Sei ehrlich: Schaut sie her?«

Emma schaute unauffällig nach rechts und dann zurück zu ihm. »Sie schauen alle her.«

»Verdammt. Diese Stadt … Ich hatte ganz vergessen, wie lächerlich das alles sein kann. In Boston ist das überhaupt kein Problem. Man mischt sich einfach unter die Leute.«

»Willkommen zu Hause«, sagte sie und hob ihr Weinglas, um mit ihm anzustoßen. Er lächelte sie an und berührte ihr Glas mit seiner Bierflasche. »Es ist nicht alles schlecht.«

»Nicht?«

»Auf keinen Fall.« Er liebte es, wie ihre Wangen leicht rosa anliefen und sie den Blick senkte, wenn ihr etwas peinlich war. »Ich habe heute den ganzen Tag an dich gedacht.«

Sie schaute zu ihm auf. »Ich auch an dich. Gestern Abend war etwas Besonderes für mich.«

»Ich habe seit Jahren nicht so mit jemandem reden können.«

»Geht mir genauso. Ich habe dir Sachen erzählt …« Sie senkte wieder den Blick.

Er griff über den Tisch hinweg nach ihrer Hand. Ihm war völlig egal, wer ihm dabei zusah. »Ich werde nie irgendjemandem verraten, was du mir erzählt hast. Ich schwöre. Egal was passiert.«

»Danke«, sagte sie und atmete tief aus. »Ich habe nicht geglaubt, dass du das tun würdest, aber …«

»Es weiß jetzt noch jemand, und du fühlst dich dadurch verletzlich.«

»Ja, genau.«

»Ich verdiene mein Geld damit, Geheimnisse für mich zu behalten, Emma. Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Und ich würde nie etwas tun, was dir oder deiner wundervollen Tochter weh tut.«

»Das bedeutet mir viel. Danke.«

Die Kellnerin kam zurück, um die Bestellung aufzunehmen.

Widerwillig ließ Grayson Emmas Hand los und sagte, dass sie noch ein paar Minuten brauchen würden, damit sie Zeit hatte, die Speisekarte zu lesen. Er war in Butler aufgewachsen und kannte sie auswendig.

»Gleich wieder da«, sagte die Kellnerin.

»Was kannst du empfehlen?«

»Die Pizza mit dem dünnen Boden ist die beste, die ich je gegessen habe.«

»Das klingt doch gut. Willst du vielleicht eine Pizza und einen Salat teilen?«

»Perfekt.«

Sie einigten sich auf Peperoni und grüne Paprika und bestellten, als die Kellnerin wiederkam.

»Was hast du heute gemacht?«, fragte er.

»Ich hatte einen richtig faulen Tag. Simone hat zufrieden mit ihrer neuen Puppe gespielt, und ich konnte einfach lesen und mich entspannen, bis Lucy und Colton sie abgeholt haben.«

»Sie hat die Puppe bekommen, die sie wollte?«

»Sie hat eine Puppe bekommen, mit der sie zufrieden ist, auch wenn es nicht die schweineteure Marke war, die sie sich gewünscht hat. Und du? Was hast du gemacht?«

»Ich hatte Glück mit einer Wohnung, dank meiner Cousine Ella. Sie zieht mit Gavin zusammen. Ich bin froh, dass ich mir darüber keine Sorgen mehr machen muss. Ich kann nicht für immer bei meiner Mutter wohnen.«

»Sie ist sicher froh, dass du da bist.«

»Ein bisschen zu froh. Meine To-do-Liste würde ein Pferd erschlagen.«

Emma musste über die Grimasse, die er zog, lachen. »Ooh, das ist doch süß!«

»Wirklich süß wäre, wenn mein Bruder Noah, der mit der Baufirma, der nur ein paar Straßen weiter wohnt, ihr Feuerholz holen und ein neues Bücherregal bauen würde, aber nein, er ist ja so beschäftigt. Der gute, alte Grayson wird sich schon darum kümmern, wie immer.« Er schwieg und schaute sie an. Er bereute seinen Ausbruch sofort. »Entschuldige. Ich möchte nicht verbittert klingen. Ich helfe meiner Mutter natürlich gerne, wenn sie etwas braucht.«

»Du würdest dir nur wünschen, dass die anderen sich beteiligen.«

»So ungefähr.«

Emmas Handy klingelte, und sie entschuldigte sich, um abzunehmen. »Komisch. Ich dachte, man hat hier keinen Empfang.«

»Auf dieser Seite der Stadt sind wir genau richtig, um das Signal vom Funkturm in St. Johnsbury zu empfangen.«

»Es ist eine New Yorker Nummer, aber ich habe keine Ahnung, wer. Hallo?«

Grayson sah, wie ihr Gesicht vor Freude aufleuchtete, was sie nur noch schöner machte. »Hallo, Schatz. Warte, sag das noch mal.« Emma lachte. Der warme, volle Klang überwältigte ihn. »Tante Lu ist richtig frech.« Diesen Satz sagte sie mit einem Lächeln, das ihre blauen Augen zum Funkeln brachte. »Ja, du kannst es behalten, aber es wird Regeln geben. Sie hat gesagt, dass ich das sagen würde, oder?« Emma lachte wieder. »Amüsiert ihr euch gut?«

Grayson konnte Simones aufgeregtes Plappern hören, verstand aber nicht, was sie sagte.

»Mir geht’s gut«, sagte Emma. »Ja, ich vermisse dich ganz schrecklich. Bis morgen. Schlaf gut, und benimm dich bei Colton und Lucy. Ich hab dich auch lieb.«

»Neuigkeiten vom Berg?«, fragte Grayson, nachdem sie aufgelegt hatte.

»Ganz große Neuigkeiten. Lucy und Colton haben ihr ein Handy geschenkt, damit sie und Tante Lucy zukünftig jeden Abend über FaceTime reden können.«

»Das ist ja toll.«

»Simone ist ganz außer sich. Sie hat schon die ganze Zeit um ein Handy gebettelt. Und jetzt hat Tante Lu sie gerettet.«

Die Kellnerin brachte die Pizza und den Salat und neue Getränke.

Grayson tat ihnen beiden Pizzastücke auf und probierte eins von seinen. So lecker. Keine Pizza, die er je irgendwo gegessen hatte, konnte da mithalten. »Wusstest du von dem Handy?«

Emma nickte. »Lucy hat vorher mit mir darüber gesprochen. Ich finde eigentlich, dass Simone noch zu jung ist, aber die meisten ihrer Freunde haben auch schon Handys. Wie ich Simone schon gesagt habe: Es wird feste Regeln geben.«

»Schalte das Internet noch für ein paar Jahre aus. Das ist das Wichtigste.«

»Oh, keine Sorge, das hat Lucy schon getan.«

»Noch etwas, über das ich meine Kollegen mit Kindern in Boston habe sprechen hören, ist, ihr zu sagen, dass sie eine begrenzte Anzahl an SMS zur Verfügung hat, fünfundzwanzig pro Monat oder irgendetwas anderes Vernünftiges.«

»Obwohl ihr Vertrag unbegrenzt ist?«

»Ja, weil sie dann lernt, sich zu beherrschen und mit dem auszukommen, was sie hat.«

»Gute Idee.«

»Ich hatte einen Kollegen, dessen Tochter hunderttausend SMS in einem Monat verschickt hat, bevor sie gemerkt haben, dass unbegrenzte SMS keine gute Idee waren. Es hat ungefähr zweitausend Dollar gekostet. Schöne Überraschung.«

»O Mann, kannst du dir überhaupt vorstellen, hunderttausend SMS in einem Monat zu verschicken?«

»Der Vater meinte, sie hat wohl den ganzen Tag lang ununterbrochen SMS geschrieben, sogar unter der Dusche. Anders hätte sie diese Zahl nie erreicht.«

»Das ist ziemlich witzig … Aber irgendwie auch gar nicht witzig. Die Pizza ist übrigens super!«

»Freut mich, dass es dir schmeckt. Ist meine Lieblingspizza.«

»Kann ich verstehen.«

Grayson schaute aus dem Fenster. Alles war komplett weiß. »Mist, schau dir den Schnee an!«

»Wow, es kommt wirklich alles runter da draußen.«

»Sollen wir den Rest einpacken lassen und zurückfahren?«

»Wahrscheinlich schon«, sagte sie, sichtlich widerwillig.

Grayson war froh, dass sie es ebenfalls nicht eilig hatte, das Date zu beenden.

Hannah, Nolan, Will und Cameron kamen an ihrem Tisch vorbei, um sich zu verabschieden, bevor sie sich auf den Nachhauseweg machten.

»Fahrt vorsichtig!«, sagte Grayson.

»Kannst du überhaupt noch in diesem Wetter fahren, du Stadtjunge?«, fragte Will grinsend.

Grayson wischte seinen Kommentar beiseite.

Die vier gingen lachend zur Tür hinaus.

»Hör nicht auf ihn«, sagte Grayson. »Ich bringe dich sicher zurück.«

»Ich habe keine Sekunde lang an dir gezweifelt.«

Erfreut über ihr Vertrauen bezahlte er die Rechnung und hielt ihr den Mantel hin. Er beobachtete, wie sie ihr blondes Haar aus dem Kragen zog und es in seidigen Wellen über ihren Rücken fiel. Er musste sich beherrschen, um nicht mit den Fingern hindurchzufahren – zumindest vorerst. Sie zog eine Mütze aus der Tasche und setzte sie sich auf den Kopf. Als sie sich umdrehte und ihn anlächelte, fühlte er sich, als hätte ihm jemand einen unerwarteten Schlag in die Magengrube versetzt. Emma war wunderschön, süß, witzig, so was von sexy – und sie lebte sechs Stunden von ihm entfernt.

Der letzte Punkt ließ ihn förmlich in sich zusammensacken. Die Situation schien unlösbar.

Sie zog zu ihrer Mütze passende Handschuhe an. »Alles okay?«

Grayson schloss den Reißverschluss seines Mantels und nahm den Pizzakarton. »Alles gut. Fertig?«

»Packen wir’s an.«

Die Fahrt zu Lincoln und Molly, die laut Grayson normalerweise nur zehn Minuten dauerte, nahm in diesem Schneetreiben fast eine halbe Stunde in Anspruch. Emma klammerte sich an den Sitz. »Woher weißt du überhaupt, wo du hinfährst?«

Die Hinterräder rutschten durch den Schnee, und Emma schnappte nach Luft.

Grayson griff nach ihrer Hand.