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Die unfreiwillige Reise des gelehrten Helden Ransom geht zunächst nach Malakranda (Mars) und Perelandra (Venus), wo aufstrebende, rücksichtslose Forscher Anregungen für die Fortentwicklung der Menschheit zu finden hoffen. Zuletzt wird die Erde selbst zum Zentrum des apokalyptischen Endkampfs zwischen Gut und Böse im Universum. Mit der „Perelandra-Trilogie“ hat C.S. Lewis einen Gegenentwurf zu H.G. Wells „Krieg der Welten“ entworfen. Die Guten, das sind die anderen, die ganz Fremden, die dem Leser in ihrer detaillierten Charakterisierung und Tiefenschärfe wie lebendig vor Augen treten. Entstanden ist die Trilogie in den Jahren zwischen 1938 und 1945, aber nach wie vor aktuell in Fragen der Ethik und wissenschaftlichen Machbarkeit. C.S. Lewis, der Wegbereiter der modernen Fantasy, verwebt in seinem Epos großartige Bilder und Ideen mit Themen des Alten Testaments oder der Artus –Sage, erfindet neue Mythen und Deutungsmuster und unterhält spannend bis zur letzten Seite.
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Seitenzahl: 304
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Die Perelandra-Trilogie
Erster Band
Jenseits des schweigenden Sterns
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
eISBN 9783865064288
© 2005 für diese Ausgabe by Joh. Brendow & Sohn Verlag GmbH, Moers
1. digitale Auflage 2013 Zeilenwert GmbH
Vollständige, ungekürzte Ausgabe. Übersetzung von Walter Brumm
Neubearbeitung von Nicola Volland
© der deutschen Übersetzung: Thienemann Verlag, 1990
OUT OF THE SILENT PLANET previously published in paperback
by Voyager 2000. First published in Great Britain by John Lane
(The Bodley Head) Ltd 1938
Copyright © C. S. Lewis Pte Ltd 1938
Einbandgestaltung: BrendowCreativ, Moers
Titelmotiv: GettyImages, München
Cover
Titelseite
Impressum
Inhalt
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Nachschrift
Ganoven, Gott und Grüne Männchen
Schmuggelgut im Raumschiff
Schachmatt im Autobus
Der Kompass des Weltraum-Missionars
»Mars alarmiert Amerika«
Die neue Saga von den anderen Welten
Weitere Bücher aus dem Brendow Verlag
Das Geschenk der Freundschaft
Die Chroniken von Narnia
Die Chroniken komplett.
Die Hörbücher
Der Mann, der Narnia schuf
Die Romane
Dienstanweisung für einen Unterteufel
Kaum waren die letzten Tropfen des Gewitterschauers gefallen, steckte der Wanderer seine Landkarte in die Tasche, rückte den Rucksack auf den müden Schultern zurecht und trat aus dem Schutz eines mächtigen Kastanienbaums auf die Landstraße hinaus. Im Westen ergoss sich ein schwefelgelber Sonnenuntergang durch einen Wolkenriss, aber vorn über den Hügeln hatte der Himmel die Farbe dunklen Schiefers. Wasser troff von jedem Baum und jedem Grashalm, und die Landstraße glänzte wie ein Fluss. Der Wanderer hielt sich nicht mit der Betrachtung der Landschaft auf, sondern schritt sofort entschlossen aus, wie jemand, der zu spät gemerkt hat, dass er noch einen längeren Weg als geplant vor sich hat. Und so war es auch. Hätte er zurückgeblickt, so hätte er den Kirchturm von Much Nadderby gesehen, und dieser Anblick hätte ihn womöglich dazu verleitet, das ungastliche kleine Hotel zu verwünschen, das ihm, obwohl offensichtlich leer, ein Bett verweigert hatte. Das Haus hatte seit seiner letzten Wanderung durch diese Gegend den Besitzer gewechselt. Der freundliche alte Gastwirt, mit dem er gerechnet hatte, war jemandem gewichen, den die Bedienung »die Herrin« nannte, und diese Herrin war anscheinend eine britische Wirtin jener orthodoxen Schule, die Gäste als lästig erachtet. Seine Hoffnung war jetzt auf Sterk gerichtet, das gut sechs Meilen entfernt hinter der Hügelkette lag. Der Landkarte zufolge gab es in Sterk einen Gasthof. Der Wanderer war erfahren genug, nicht allzu große Hoffnungen auf diese Möglichkeit zu setzen, doch er hatte keine andere Wahl.
Er ging ziemlich schnell und gleichmäßig, ohne viel umherzublicken, als wolle er sich den Weg mit interessanten Überlegungen verkürzen. Er war groß und etwa fünfunddreißig bis vierzig Jahre alt. Seine Schultern waren leicht gekrümmt und er war mit einer gewissen Schäbigkeit gekleidet, wie dies oft bei Intellektuellen in den Ferien der Fall ist. Auf den ersten Blick hätte man ihn leicht für einen Arzt oder Lehrer halten können, obwohl er weder das weltmännische Auftreten des einen noch die schwer zu beschreibende Forschheit des anderen hatte. Er war Philologe und Dozent an der Universität Cambridge. Sein Name war Ransom.
Als er Nadderby verließ, hatte er gehofft, noch vor Sterk bei irgendwelchen freundlichen Bauern Unterkunft zu finden. Doch das Land diesseits der Hügel schien nahezu unbewohnt. Es war ein ödes, eintöniges Land, auf dem hauptsächlich Kohl und Rüben angebaut wurden, mit kümmerlichen Hecken und vereinzelten Bäumen. Es lockte keine Besucher an wie die abwechslungsreiche Landschaft südlich von Nadderby, und von dem Industriegebiet hinter Sterk war es durch die Hügelkette getrennt. Als die Abenddämmerung hereinbrach und der Gesang der Vögel verstummte, wurde es stiller, als es in einer englischen Landschaft gewöhnlich ist. Das Geräusch seiner Schritte auf der Schotterstraße begann, ihn zu stören.
Er war ungefähr zwei Meilen gewandert, als er in der Ferne ein Licht entdeckte. Er hatte nun den Fuß der Hügel erreicht und es war beinahe dunkel. Er hoffte immer noch darauf, ein Bauernhaus zu finden, bis er recht nah an der Lichtquelle war und sah, dass es ein sehr kleines, hässliches Ziegelhaus aus dem neunzehnten Jahrhundert war. Als er an der offenen Tür vorbeiging, stürzte eine Frau heraus und prallte fast mit ihm zusammen.
»Bitte entschuldigen Sie, Herr«, sagte sie. »Ich dachte, es wäre mein Harry.«
Ransom fragte sie, ob er irgendwo zwischen hier und Sterk ein Quartier für die Nacht bekommen könnte.
»Nein, Herr«, erwiderte die Frau. »Erst in Sterk. Aber ich glaube, in Nadderby kommen Sie eher unter.«
Ihre Stimme klang unterwürfig und zugleich besorgt, als wäre ihre Aufmerksamkeit von etwas anderem in Anspruch genommen. Ransom erklärte, dass er es in Nadderby bereits versucht habe.
»Dann weiß ich auch nicht, Herr«, antwortete sie. »Bis Sterk gibt es eigentlich nichts, jedenfalls nicht das, was Sie brauchen. Da ist nur ›Haus Aufstieg‹, wo mein Harry arbeitet, und ich habe gedacht, Sie kommen von dort, Herr, und deshalb bin ich herausgekommen, als ich Sie hörte, weil ich gedacht habe, er könnte es sein. Er müsste längst zu Hause sein.«
»Haus Aufstieg«, sagte Ransom. »Was ist das? Ein Hof? Könnte ich dort übernachten?«
»O nein, Herr. Wissen Sie, dort wohnen nur der Professor und der Herr aus London, seit Miss Alice gestorben ist. Die nehmen niemanden auf, Herr. Die haben nicht einmal Dienstboten, nur meinen Harry, der sich um die Feuerung kümmert; aber er schläft nicht im Haus.«
»Wie heißt dieser Professor?«, fragte Ransom mit schwacher Hoffnung.
»Ich weiß nicht, Herr, leider«, sagte die Frau. »Der zweite Herr heißt Devine, und Harry sagt, der andere ist ein Professor. Er versteht nicht viel davon, Herr, er ist ein bisschen einfältig, und darum möchte ich nicht, dass er so spät heimkommt, und die Herren haben gesagt, sie würden ihn immer um sechs nach Haus schicken. Und er arbeitet wirklich genug.«
Die eintönige Stimme der Frau und ihr karger Wortschatz verrieten nicht viel über ihre Gefühle, aber Ransom stand nahe genug, um zu sehen, dass sie zitterte und dem Weinen nahe war. Ihm kam der Gedanke, zu dem geheimnisvollen Professor zu gehen und ihn zu bitten, den Jungen nach Hause zu schicken; und nur den Bruchteil einer Sekunde später fiel ihm ein, dass er, sobald er im Haus und unter Männern seines Berufs wäre, vielleicht aufgefordert würde, die Nacht bei ihnen zu verbringen. Von welcher Art seine Überlegung auch immer gewesen sein mochte, die Vorstellung, in »Haus Aufstieg« vorzusprechen, hatte die Gestalt eines festen Entschlusses angenommen. Er sagte der Frau, was er vorhatte.
»Vielen, vielen Dank, Herr«, sagte sie. »Und wenn Sie so freundlich sein und ihn bis ans Tor und auf die Landstraße bringen würden, bevor Sie weitergehen; Sie verstehen schon, was ich meine, Herr. Er hat solche Angst vor dem Professor, und sobald Sie den Rücken kehren, würde er doch dableiben, wenn die Herren ihn nicht ausdrücklich fortschicken.«
Ransom beruhigte die Frau, so gut er konnte, und verabschiedete sich von ihr, nachdem er sich vergewissert hatte, dass er das Haus nach ungefähr fünf Minuten auf der linken Seite sehen würde. Seine Beine waren während des Stehens steif geworden und nur mit Mühe ging er langsam weiter.
Links von der Landstraße war keinerlei Lichtschein zu sehen, nichts als flaches Feld und eine dunkle Masse, die er für ein Waldstück hielt. Es kam ihm länger als fünf Minuten vor, bis er dorthin gelangte und merkte, dass er sich geirrt hatte. Die Straße war von einer dichten Hecke gesäumt und in die Hecke war ein weißes Tor eingelassen. Die Bäume, die sich über ihm erhoben, als er das Tor untersuchte, waren nicht der Rand eines Wäldchens, sondern nur eine Zeile, durch die der Himmel schimmerte. Er war jetzt überzeugt, dass dies das Tor zu »Haus Aufstieg« war und dass diese Bäume ein Haus und einen Garten umgaben. Er versuchte, das Tor zu öffnen, doch es war verschlossen. Eine Weile stand er unschlüssig, entmutigt von der Stille und der zunehmenden Dunkelheit. Sein erster Gedanke war, trotz seiner Müdigkeit nach Sterk weiterzuwandern; aber er hatte der alten Frau zuliebe eine lästige Pflicht auf sich genommen. Er wusste, dass er sich einen Weg durch die Hecke bahnen konnte, wenn er wirklich wollte. Aber er wollte nicht. Wollte nicht gewaltsam bei einem eigenbrötlerischen Sonderling eindringen – jemandem, der sogar auf dem Land sein Gartentor abschloss. Wie lächerlich würde er dastehen mit seiner albernen Geschichte von einer hysterischen Mutter, die in Tränen aufgelöst war, weil ihr schwachsinniger Junge eine halbe Stunde länger bei der Arbeit festgehalten wurde! Doch es war völlig klar, dass er hineingehen musste, und weil man mit einem Rucksack auf dem Rücken nicht durch eine Hecke kriechen kann, nahm er ihn ab und warf ihn über das Tor. Im selben Augenblick wurde ihm klar, dass er bis jetzt noch nicht wirklich entschlossen gewesen war – jetzt, wo er in den Garten einsteigen musste, zumindest, um seinen Rucksack wiederzuholen. Er ärgerte sich über die Frau und über sich selbst, aber schließlich ging er in die Hocke und zwängte sich durch die Hecke.
Das war schwieriger als erwartet, und mehrere Minuten vergingen, bevor er sich in der nassen Dunkelheit auf der anderen Seite der Hecke aufrichten konnte, zerschunden von Dornen und Brennnesseln. Er tastete sich zum Tor, nahm seinen Rucksack auf und wandte sich dann um, um seine Umgebung genauer in Augenschein zu nehmen. Auf der Zufahrt war es heller als unter den Bäumen und es fiel ihm nicht schwer, ein großes Steinhaus zu erkennen, von dem er durch eine breite, ungepflegte Rasenfläche getrennt war. Nicht weit von ihm entfernt verzweigte sich die Zufahrt – der rechte Weg führte in einer sanften Kurve zum Haupteingang, der linke verlief geradeaus, offenbar zur Rückseite des Hauses. Ihm fiel auf, dass dieser Weg von tiefen Fahrspuren durchzogen war, in denen jetzt das Wasser stand – so als führen dort regelmäßig schwere Lastwagen. Der andere Weg, den er nun einschlug, war mit Moos überwachsen. Das Haus war völlig dunkel; an einigen Fenstern waren die Läden geschlossen, andere gähnten leer, ohne Läden oder Vorhänge; alle wirkten leblos und ungastlich. Das einzige Zeichen, das auf Bewohner deutete, war eine Rauchsäule, die hinter dem Haus emporstieg und so dicht war, dass man eher an einen Fabrikschornstein oder zumindest an eine Wäscherei dachte als an den Rauchabzug einer Küche. ›Haus Aufstieg‹ war offensichtlich nicht der Ort, wo man Fremde zum Übernachten einladen würde, und Ransom, der bereits einige Zeit mit seiner Betrachtung vertan hatte, hätte sich zweifellos abgewandt und seine unterbrochene Wanderung fortgesetzt, wäre er nicht durch sein unseliges Versprechen gebunden gewesen.
Er stieg die drei Stufen zu der überdachten Veranda hoch, fand die Türglocke, läutete und wartete. Nach einer Weile läutete er wieder und setzte sich auf eine Holzbank, die am Geländer der Veranda entlanglief. Er saß so lange, dass der Schweiß auf seinem Gesicht zu trocknen begann und ihm ein leichtes Frösteln über den Rücken lief, obwohl die Nacht warm und sternenklar war. Er war mittlerweile sehr müde, und vielleicht war das der Grund, weshalb er nicht aufstand und ein drittes Mal läutete. Hinzu kamen die wohltuende Stille des Gartens, die Schönheit des Sommerhimmels und irgendwoher aus der Nachbarschaft der Ruf einer Eule, der die friedvolle Stille ringsum noch zu verstärken schien. Er schien kurz eingenickt zu sein, als er plötzlich aufschreckte und gespannt einem sonderbaren Geräusch lauschte – einem Scharren und Schnaufen, das sich wie ein Handgemenge anhörte. Er stand auf. Das Geräusch war jetzt unverkennbar: Leute in Stiefeln kämpften oder rangen miteinander. Nun wurden auch Stimmen laut. Er konnte nichts verstehen, aber er hörte die abgerissenen, bellenden Rufe von zornigen und atemlosen Männern. Ein Abenteuer war das Letzte, was Ransom jetzt wollte, doch die Überzeugung, dass er der Sache auf den Grund gehen sollte, festigte sich bereits in ihm, als er einen gellenden und deutlichen Schrei vernahm: »Lasst mich los! Lasst mich los!«, und gleich darauf: »Ich will da nicht rein! Lasst mich nach Haus!«
Ransom warf den Rucksack ab, sprang die Stufen hinunter und rannte zur Rückseite des Hauses, so schnell seine steifen und schmerzenden Beine ihn trugen. Die Wagenspuren und Pfützen des schlammigen Wegs führten ihn in eine Art Hof, der von ungewöhnlich vielen Nebengebäuden umgeben war. Sein Blick fiel kurz auf einen hohen Schornstein, eine niedrige Türöffnung, in der ein roter Feuerschein flackerte, sowie eine gewaltige Rundung, die sich schwarz vom Sternhimmel abhob und die er für die Kuppel einer kleinen Sternwarte hielt. Dann wurde seine Aufmerksamkeit von drei Männergestalten in Anspruch genommen, die so nahe vor ihm miteinander rangen, dass er fast mit ihnen zusammengestoßen wäre. Ransom war sofort klar, dass die mittlere Gestalt, die trotz heftigen Widerstandes von den beiden anderen festgehalten wurde, der Sohn der alten Frau war. Am liebsten hätte er die beiden anderen angedonnert: »Was machen Sie mit diesem Jungen?« Doch alles, was er mit ziemlich matter Stimme hervorbrachte, war: »Aber! Ich muss schon sagen …«
Die drei Kämpfer fuhren auseinander, der Junge schluchzte. »Darf ich fragen«, sagte der dickere und größere der beiden Männer, »wer zum Teufel Sie sind und was Sie hier zu suchen haben?« Seine Stimme wies all die Eigenschaften auf, die Ransom so gerne in seine eigene gelegt hätte.
»Ich bin auf einer Wanderung«, sagte Ransom, »und ich habe einer armen Frau versprochen …«
»Zum Teufel mit Ihrer armen Frau«, rief der andere. »Wie sind Sie hier reingekommen?«
»Durch die Hecke«, sagte Ransom, dem jetzt eine gewisse Gereiztheit zu Hilfe kam. »Ich weiß nicht, was Sie mit diesem Jungen machen wollen, aber …«
»Wir sollten hier einen Hund haben«, sagte der Dicke zu seinem Gefährten, ohne Ransom zu beachten.
»Du meinst, wir hätten einen Hund, wenn du nicht darauf bestanden hättest, Tartar für einen Versuch zu benutzen«, sagte der Mann, der bisher geschwiegen hatte. Er war annähernd so groß wie der andere und seine Stimme kam Ransom irgendwie bekannt vor.
»Hören Sie«, fing Ransom wieder an, »ich weiß nicht, was Sie mit diesem Jungen vorhaben, aber seine Arbeitszeit ist längst um und es ist höchste Zeit, dass Sie ihn nach Hause schicken. Ich habe nicht die geringste Lust, mich in Ihre persönlichen Angelegenheiten zu mischen, aber …«
»Wer sind Sie überhaupt?«, fuhr der dicke Mann ihn an.
»Mein Name ist Ransom, wenn Sie das meinen, und …«
»Großer Gott«, rief der Schlanke. »Etwa der Ransom, der in Wedenshaw war?«
»Ich bin in Wedenshaw zur Schule gegangen«, sagte Ransom.
»Ich habe mir gleich gedacht, dass ich dich kenne, als du den Mund aufgemacht hast. Ich bin Devine. Erinnerst du dich an mich?«
»Natürlich erinnere ich mich. Allerdings!«, erwiderte Ransom, als sie einander mit der für solche Zusammentreffen typischen, etwas bemühten Herzlichkeit die Hände schüttelten. Dabei hatte Ransom, soweit er sich erinnerte, von allen Schulgefährten Devine am wenigsten gemocht.
»Rührend, nicht wahr?«, sagte Devine. »So sieht man sich wieder, sogar in der Wildnis von Sterk und Nadderby. Da sitzt einem plötzlich ein Kloß im Hals und man denkt zurück
an die Abendgottesdienste in der guten alten Schulkapelle. Kennst du zufällig Weston?« Devine zeigte auf seinen massigen und lautstarken Gefährten. »Den Weston«, setzte er hinzu. »Du weißt schon, der große Physiker. Schmiert sich zum Frühstück Einstein aufs Brot und trinkt dazu einen halben Liter von Schrödingers Blut. Weston, darf ich dir meinen alten Schulkameraden Ransom vorstellen. Doktor Elwin Ransom. Der Ransom, du weißt schon, der große Philologe. Schmiert sich Jespersen aufs Brot und trinkt dazu einen halben Liter …«
»Kenne ich nicht«, unterbrach Weston, der den unglücklichen Harry noch immer am Kragen hielt. »Und wenn du meinst, ich würde mich freuen, diese Person kennen zu lernen, die da ungefragt in meinen Garten eingedrungen ist, dann muss ich dich enttäuschen. Es ist mir völlig gleichgültig, in welche Schule er gegangen ist oder für welchen unwissenschaftlichen Unfug er Gelder vergeudet, die besser in die Forschung gehen sollten. Ich will wissen, was er hier zu suchen hat; und dann soll er sich fortscheren.«
»Sei kein Esel, Weston«, sagte Devine in ernsthafterem Ton. »Er kommt doch gar nicht ungelegen. Mach dir nichts aus Westons Gepolter, Ransom. Hat ein weiches Herz unter seiner rauen Schale, weißt du. Willst du nicht hereinkommen und etwas mit uns trinken und eine Kleinigkeit essen?«
»Das ist sehr nett von dir«, sagte Ransom. »Aber was den Jungen angeht …«
Devine zog Ransom beiseite. »Schwachsinnig«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Ist fleißig und zuverlässig, kriegt aber immer wieder diese Anfälle. Wir haben nur versucht, ihn für eine Stunde oder so ins Waschhaus zu sperren, damit er sich beruhigt und wieder normal wird. In diesem Zustand konnten wir ihn nicht heimgehen lassen. Alles reine Freundlichkeit. Wenn du willst, kannst du ihn jetzt nach Hause bringen – und dann wiederkommen und hier übernachten.«
Ransom war ziemlich verwirrt. Die ganze Situation bereitete ihm ein solches Unbehagen und kam ihm so verdächtig vor, dass er das Gefühl hatte, auf verbrecherische Machenschaften gestoßen zu sein. Andererseits jedoch hing er der tiefen, irrationalen Überzeugung vieler Leute seines Alters und seiner Klasse an, dass solche Dinge außer in Romanen niemals einem gewöhnlichen Menschen widerfahren und schon gar nicht mit Professoren und alten Schulkameraden in Zusammenhang zu bringen waren. Selbst wenn sie den Jungen misshandelt hatten, sah er kaum eine Möglichkeit, ihn gewaltsam aus ihren Händen zu befreien.
Während Ransom diese Gedanken durch den Kopf gingen, hatte Devine leise auf Weston eingeredet, wie jemand, der in der Gegenwart eines Gastes Fragen der Unterbringung bespricht. Schließlich stimmte Weston grunzend zu. Ransom, zu dessen übrigen Schwierigkeiten nun noch eine gesellschaftliche Verlegenheit kam, wollte eine Bemerkung machen. Doch Weston wandte sich gerade an den Jungen.
»Für heute haben wir genug Ärger mit dir gehabt, Harry«, sagte er. »Und in einem vernünftig regierten Land wüsste ich schon, was ich mit dir machen würde. Halt den Mund und hör auf zu heulen. Du brauchst nicht ins Waschhaus, wenn du nicht willst …«
»Es war nicht das Waschhaus, das wissen Sie genau«, schluchzte der einfältige Junge. »Ich will nicht wieder in dieses Ding da hinein.«
»Er meint das Labor«, unterbrach ihn Devine. »Er ist mal hineingeraten und durch einen unglücklichen Zufall ein paar Stunden darin eingesperrt gewesen. Das hat ihm aus irgendeinem Grund einen Schrecken eingejagt.« Er wandte sich dem Jungen zu. »Hör zu, Harry«, sagte er. »Sobald dieser freundliche Herr sich ein wenig ausgeruht hat, wird er dich nach Hause bringen. Wenn du reinkommst und ruhig in der Halle sitzen bleibst, gebe ich dir etwas, das du magst.« Er machte das Geräusch nach, das beim Entkorken einer Flasche entsteht – Ransom erinnerte sich, dass dies schon in der Schule einer von Devines Tricks gewesen war –, und Harry brach in ein kindliches, wissendes Lachen aus.
»Bring ihn rein«, sagte Weston, wandte sich ab und verschwand im Haus. Ransom zögerte, ihm zu folgen, aber Devine versicherte ihm, dass Weston über seinen Besuch sehr erfreut sei. Das war offensichtlich gelogen, aber Ransoms
Verlangen nach Ruhe und etwas zu trinken war stärker als
seine gesellschaftlichen Skrupel. Er folgte Devine und Harry ins Haus und einige Augenblicke später saß er in einem Sessel und wartete auf Devine, der Erfrischungen holen wollte.
Das Zimmer, in das man ihn geführt hatte, wies eine seltsame Mischung aus Luxus und Verwahrlosung auf. Die Fenster hatten keine Vorhänge und waren von außen mit Läden verschlossen; der nackte Boden war mit Kisten, Holzwolle, Zeitungen und Büchern übersät; auf der Tapete hatten die Bilder und Möbel der früheren Bewohner helle Stellen hinterlassen. Die einzigen beiden Sessel dagegen waren höchst wertvoll und in dem Durcheinander auf dem Tisch fanden sich Zigarren, Austernschalen und leere Champagnerflaschen neben Kondensmilchdosen, geöffneten Ölsardinenbüchsen, billigem Geschirr, Brotresten, halb leeren Teetassen und Zigarettenstummeln.
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