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Julia kann ihre neue Mitschülerin nicht ausstehen. Alina ist hübsch, blond und weiß alles besser. Zu allem Überfluss begeistert sie sich für Pferde und die beiden begegnen sich auch noch in Julias Reitstall. Dort sind die Jungs von der Neuen ganz angetan – allen voran ausgerechnet Julias Freund Olaf... "Eifersucht im Reitstall" ist der 17. Band der beliebten Kinder- und Jugendbuchreihe von Christiane Gohl.-
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Seitenzahl: 157
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Christiane Gohl
Saga
Julia – Eifersucht im Reitstall
Copyright © <as per original material>
Published by Arrangement with Christiane Gohl.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 2001, 2021 Christiane Gohl und SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788728013090
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
www.sagaegmont.com
Saga ist Teil der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt.
»Ich habe ja so was von keine Lust«, jammerte Julia und hängte Rainbows Sattel auf den dafür bestimmten Halter. Sie hatte gerade den letzten Ausritt der Sommerferien hinter sich. »Ab morgen müssen wir wieder Hausaufgaben machen, für Arbeiten büffeln, blöde alte Bücher lesen...«
»Und die sind womöglich noch auf Englisch oder Französisch«, fügte Julias Freund Olaf ähnlich trübsinnig hinzu und griff nach dem Finnenstriegel. Mit geübten Strichen begann er das Fell seines braunen Isländers Godi zu glätten. Die Freunde waren zwar lange geritten, aber Godi hatte kaum geschwitzt. Nach den Ferien waren alle Pferde gut trainiert.
»Nun hört aber mal auf, schließlich hattet ihr gerade erst sechs Wochen Ferien«, bemerkte Nickie. »Was soll ich denn sagen? Ich muss immer arbeiten.«
»Aber du kannst reiten, wann du willst«, meinte Julias Freundin Lisa. Als freiberufliche Fotografin und Grafikerin konnte Nickie sich ihre Zeit selber einteilen. »Uns dagegen bleiben nur die Nachmittage. Und wenn ich dann mit Dancer in die Reithalle komme, werden da noch mindestens fünf andere Pferde bewegt. Da kann man sich gar nicht richtig konzentrieren.«
»Ach komm, du reitest doch nur in der Halle, wenn du Unterricht hast, und da bist du meistens an der Tete. Eure Meckerei ist ja heute nicht auszuhalten. Dabei macht Schule doch auch Spaß. Man trifft seine Freunde, ärgert die Lehrer, lernt was fürs Leben...« Nickie machte ihr »Predigergesicht« mit ernstem Blick und einer tiefen Falte zwischen den Augen. Julia, Lisa und Olaf kicherten los.
»Warum bist du eigentlich nicht Lehrerin geworden, wenn du das alles so toll findest?«, fragte Julia. »Also ich würde gern mit dir tauschen. Schon weil du morgens länger schlafen kannst. Wenn ich nur an diesen Schulbus denke...«
»Ja, wenn wir wenigstens zur Schule reiten könnten«, führte Olaf weiter aus. »Dann wäre das Ganze schon nur noch halb so schlimm. Und auf unserem Schulhof ist auch genug Platz, um Godi anzubinden.«
»Bei uns auch«, meinte Julia. Sie ging in eine andere Schule als Olaf und Lisa. »Mensch, das wäre echt witzig, Coffee neben den Fahrradständern.«
Coffee, Julias dreijähriger Connemara-Wallach, war zwar noch nicht angeritten, aber Julia stellte sich trotzdem schon mal vor, wie ihr hübsches, kaffeebraunes Pony artig neben den Fahrrädern der anderen Schüler auf sie wartete.
»Das wäre wie im Film«, überlegte sie sehnsüchtig.
»Warum macht ihr es nicht einfach mal?«, lachte Nickie. »Morgen zum Beispiel, da habt ihr doch sowieso höchstens eine Stunde Unterricht. Ihr kommt damit sicher in die Zeitung.«
»Erlaubt mir Frau Hannemann bestimmt nicht«, meinte Lisa. Sie hatte kein eigenes Pferd, aber ein sehr schönes und veranlagtes Pflegepferd. Frau Hannemann, Dancers Besitzerin, ließ sie damit fast alles machen, sie durfte sogar an Turnieren teilnehmen. Aber ein Ritt in die Stadt auf dem jungen, lebhaften Warmblüter war natürlich recht riskant.
»Na ja, Dancer ist auch noch zu jung, um am Fahrradständer allein gelassen zu werden. Aber Godi und Piazza würden das doch ohne weiteres wegstecken«, überlegte Nickie. Piazza war ihr Welsh-Pony. Die Rotschimmelstute war ein erfahrenes Reitpferd, das mit Sicherheit nicht vor dem Stadtverkehr scheuen würde. Auch das Anbinden wäre kein Problem. Piazza nutzte längere Wartezeiten einfach für ein Schläfchen.
»Wenn du’s machst, mach ich’s auch«, erklärte Olaf mit Blick auf Julia.
»Und ich mach’s, wenn Nickie mir Piazza gibt«, meinte Julia. Sie war bereits Feuer und Flamme für die Idee.
»Aber klar. Ich komme sogar zum Fotografieren. Wenn die Zeitung das Bild kauft, gehen wir am nächsten Tag Eis essen«, versprach Nickie großzügig.
Julia und Olaf vergaßen augenblicklich ihren Frust über das Ferienende. Eifrig planten sie, welche Satteltaschen sich für die Schulbücher am besten eigneten und welche Route sie in die Stadt nehmen würden. Natürlich würden sie mehr als eine Stunde eher aufstehen müssen, als wenn sie den Schulbus genommen hätten, aber darüber dachten sie schon gar nicht mehr nach.
Am nächsten Morgen um sechs schien bereits die Sonne. Der Ritt in die Schule würde also bei Traumwetter stattfinden. Julia, an deren Haus die Pferdeweiden grenzten, hatte Piazza und Godi schon hereingeholt, als Olaf eintraf. Trotzdem flitzte der Junge noch rasch auf die Wiese, um sein zweites Pferd, den zweijährigen Quarterwallach Hillbilly, zu besuchen. Auch Coffee und Nickies Megan, das dritte Jungpferd in der Haltergemeinschaft, trabten ihm zur Begrüßung entgegen. Megan schlug dabei nach Svaboda, einem Pensionspferd, das Julias Freundin Stephanie gehörte. Svaboda, eine bildhübsche Kreuzung zwischen Araber und Achal-Tekkiner, war ebenfalls erst drei Jahre alt. Sie verbrachte den Sommer auf Julias großer Weide, um mit den anderen jungen Pferden spielen zu können. Jetzt zog sie sich schüchtern zurück. Svaboda war als Fohlen schlecht behandelt worden und immer noch etwas vorsichtig im Umgang mit Menschen. Außerdem hatte sie Respekt vor der lebhaften Megan.
»Megan war schon wieder auf hundertachtzig«, berichtete Olaf, als er zu Julia zurückkam. »Am liebsten wäre sie gleich mitgekommen.«
»Ich habe Piazza vorhin auch kaum von der Weide führen können, weil sie sich ständig dazwischengedrängt hat«, meinte Julia. »Dieses Pferd ist unglaublich arbeitswütig. Wenn Megan so weitermacht, wird Nickie sie sicher doch bald anreiten. Eigentlich will sie ja warten, bis Megan vier ist. Aber Megan ist eine solche Landplage, wenn sie nichts zu tun hat. Und an der Doppellonge kann sie eigentlich auch schon alles, was ein junges Pferd zu lernen hat. Außerdem dürfte sie inzwischen kräftig genug für Nickie sein.«
Das war fast eine Untertreibung. Megan war eine gut entwickelte und hervorragend bemuskelte Welsh-Cob-Stute. Nickies Gewicht würde sie wahrscheinlich kaum merken. Die junge Frau war zierlich und sehr schlank.
Julia und Olaf sattelten ihre Pferde und schnallten die Satteltaschen sorgsam fest, damit nichts drückte. Das Gepäck musste auch im Trab gut liegen, denn die erste halbe Stunde führte die ausgewählte Reitstrecke über Wald- und Feldwege. Das war zwar ein Umweg, ersparte aber stundenlanges Asphalttreten. Julia und Olaf nutzten jede Möglichkeit, zu traben und zu galoppieren, denn sie waren spät dran. Satteln und Putzen hatten doch mehr Zeit in Anspruch genommen als der kurze Weg zum Schulbus. Und auch der Reitweg verschlang viel Zeit. Insgesamt würden sie fast eineinhalb Stunden unterwegs sein.
Auf den letzten drei bis vier Kilometern gab es dann keine Alternative mehr zur Straße. Außerdem mussten die beiden sich hier bald trennen. Ihre Schulen lagen an verschiedenen Ecken der Innenstadt.
»Ich hole dich nachher ab«, versprach Julia, als Olaf in eine Seitenstraße abbog. Piazza schickte ihrem Freund Godi ein klägliches Wiehern hinterher, folgte Julias Hilfen aber brav in Richtung Luisenschule.
Natürlich gab es einen Auflauf an Schülern und Lehrern, als Julia auf dem Hof abstieg. Die jüngeren Schüler drängten sich um Piazza und wollten sie streicheln und am liebsten noch herumführen oder gar reiten. Die älteren fanden es vor allem geil, dass Julia das Pony einfach bei den Fahrrädern parkte. Und die Lehrer wollten in erster Linie wissen, ob sie nun immer hoch zu Ross zu kommen gedenke.
»Nöö, nicht jeden Tag«, antwortete Julia und beruhigte damit auch den Hausmeister, der gerade zu einer Schimpftirade ansetzen wollte. Schließlich hatte Piazza den Schulhof gleich in den ersten drei Minuten mit ein paar schönen runden Pferdeäpfeln verziert.
»Die können Sie doch wunderbar für Ihren Garten brauchen, Herr Wittig«, beruhigte ihn auch Frau Freisig, Julias Klassenlehrerin. »Aber jetzt kommt mal rein, Kinder, das Pony ist nach der Stunde auch noch da. Ich meine, ich hätte eben die Klingel gehört.«
Die Schüler wanderten lustlos in ihre Unterrichtsräume. Julia traf dabei auf ihre Klassenkameradin Laura. Laura war bis Anfang der Ferien ebenfalls geritten, hatte den Sport jetzt aber aufgegeben. Sie hatte sich nie viel aus Pferden gemacht, doch ihre turnierbegeisterte Mutter hatte darauf bestanden, eigene Jugendträume mit ihr zu verwirklichen. Erst durch ihre Freundschaft mit Marco und vor allem ihre Mitgliedschaft in einem Schwimmverein hatte Laura endlich den Mut gefunden, Nein zu sagen.
»Du traust dich was«, sagte Laura lachend, als sie jetzt neben Julia in die Klasse ging. Da keins der beiden Mädchen enge Freunde in der Klasse hatte, suchten sie sich einen Platz nebeneinander. »Mit dem Pferd durch die Stadt zu reiten und es am Fahrradständer anzubinden. Das ist echt mal was anderes. War das eine Wette oder so was?«
»Eigentlich war es Nickies Idee«, erzählte Julia. »Sie kommt nachher auch zum Fotografieren. Oh, guck mal, der Platz ist günstig. Ich kann Piazza von hier aus sehen.« Vom fünften Stock aus war die Stute zwar nur ein weißliches Pünktchen auf dem Schulhof, aber Julia konnte sich immerhin vergewissern, dass sie noch da war. Hausmeister Wittig ließ sie ohnehin nicht aus den Augen. Anscheinend hatte er Geschmack an dem unerwarteten Düngersegen gefunden und wartete auf weitere Mistproduktion.
Inzwischen war auch Frau Freisig eingetreten und schob ein Mädchen vor sich her.
»Bevor wir zum Austeilen des Stundenplans kommen, will ich euch eine neue Mitschülerin vorstellen. Dies ist Alina Lennart. Sie ist gerade erst hierher gezogen, ich glaube in die Nähe von Julia und Laura. Aber vorher – stellt euch vor! – hat Alina in Tokio gewohnt. Magst du uns selbst etwas von dir und von Japan erzählen, Alina, oder redest du nicht so gern vor der ganzen Klasse?«
Alina warf der Lehrerin einen Blick zu, als wäre die nicht recht bei Trost. »Das macht mir nichts«, sagte sie dann mit lauter, melodischer Stimme. »In meiner früheren Schule mussten wir ständig Vorträge halten. Und ich war auch Unterstufensprecherin. An Reden bin ich gewöhnt.«
Während sie sich vor der Klasse aufbaute, hatten Julia und Laura Gelegenheit, die Neue ausführlich zu betrachten. Alina war mittelgroß und schlank, wobei sich unter ihrem braven, geblümten Sommerkleid erste leichte Rundungen abzeichneten. Der Blick auf ihr halblanges Haar machte Julia sofort neidisch: Alina hatte rotbraune, seidig schimmernde Locken, die sie mit vielen bunten Kämmchen aus dem Gesicht hielt. Pickel schien die Neue nur vom Hörensagen zu kennen. Ihr Teint war perfekt und leicht gebräunt, das schmale Gesicht beherrscht von sehr ausdrucksvollen, dunkelgrünen Augen.
Julia wurde sich wieder mal schmerzlich ihrer eigenen, langweilig glatten Haare bewusst. Und der Pickel an ihrem Kinn schien plötzlich auch Riesenausmaße anzunehmen. Selbst Laura, ein sehr hübsches Mädchen, pfiff leise durch die Zähne. »Klarer Fall von künftigem Supermodel«, raunte sie Julia zu.
Alina hatte inzwischen zu erzählen begonnen. Ohne einen Anflug von Schüchternheit berichtete sie, dass ihr Vater an der Universität Tokio Germanistik unterrichtet hatte. Deshalb hatte ihre Familie drei Jahre dort gewohnt und Alina war auf eine internationale Schule gegangen. Nein, Japanisch könnte sie nicht, nur ein paar Wörter. Aber natürlich Englisch. Das war dort Unterrichtssprache.
Julia und Laura hätten diese Informationen eigentlich gelangt. Julia spähte nervös zu Piazza hinunter und auch Laura sah auf die Uhr. Wahrscheinlich war sie gleich nach der Stunde mit Marco verabredet.
Alina dachte allerdings gar nicht daran, ihren Vortrag schon zu beenden. Während die Klasse langsam unruhig wurde, referierte sie in aller Seelenruhe über die Einwohnerzahl von Tokio, japanische Schulbusse und das Viertel, in dem sie gewohnt hatte. Nach zehn Minuten hegte Julia Mordpläne. Auch bei Frau Freisig schien die Begeisterung über die mitteilungsfreudige neue Schülerin langsam abzuflauen.
»Das war sehr schön, Alina, vielen Dank«, unterbrach sie schließlich, als Alina zwischendurch Luft holte. »Such dir jetzt einen Platz, wir müssen die Stundenpläne durchsprechen. Wie wär’s hier, neben Jana?«
Julia dankte dem Himmel für den Platz neben Laura. Vorhin hatte sie nämlich selbst mit dem hübschen Eckplatz in der ersten Reihe geliebäugelt, von dem aus man nicht nur wunderbar auf den Schulhof sehen konnte, sondern auch völlig im toten Winkel des Lehrerblicks saß.
»Aber ich wollte den Platz für Mirjam freihalten«, wand Jana ein. Ihre Freundin hatte sich in den Ferien das Bein gebrochen und würde erst in drei Wochen wieder am Unterricht teilnehmen.
»Ihr könnt ja tauschen, wenn Mirjam wiederkommt«, entschied Frau Freisig. Widerwillig machte Jana, ein rundliches Mädchen und alles andere als eine Streberin, den Platz für Alina frei.
Der Rest der Stunde verlief zum Glück zügig. Frau Freisig informierte die Schüler kurz über Stundenpläne und Raumverteilung und entließ sie pünktlich beim ersten Klingeln. Die meisten anderen Klassen waren sogar schon früher fertig geworden. Als Julia endlich bei Piazza ankam, war das Pony bereits von Kindern umringt.
Piazza ließ sich geduldig tätscheln und streicheln. Doch als die Kinder auf ihr reiten wollten, verbot Julia dies mit dem Hinweis, dass das Pony nicht ihr gehörte. Sie könnte es deshalb leider nicht erlauben.
Nickie, Piazzas Besitzerin, war zwar inzwischen auch aufgelaufen und schoss Fotos. Sie hatte Julias Taktik allerdings schnell durchschaut und gab sich wohlweislich nicht zu erkennen. Im Übrigen sorgte Nickies Erscheinen für fast genauso viel Furore wie Piazza. Hausmeister und Lehrer scharwenzelten eifrig um die bildhübsche schwarzhaarige Fotografin herum. Nickie, mit weißer Jeans, engem Top und großen goldenen Ohrringen wie immer ansprechend aufgemacht, tat, als bemerke sie das nicht. Nur dem Rektor gönnte sie ein Lächeln und ein Kurzinterview. Nein, natürlich habe er nichts gegen ein Pferd auf dem Schulhof. Wäre doch schön, wenn die Schüler Ideen entwickelten, um den Schulalltag aufzulockern. Wahrscheinlich hätte Nickie ihn binnen kürzester Zeit dazu bringen können, den Bau von Ställen zur Aufbewahrung der vierbeinigen Transportmittel zu genehmigen. Aber dann hatte Julia Piazza endlich losgebunden, aufgezäumt und das Stallhalfter in ihrer Satteltasche verstaut. Nickie wandte sich ihr wieder zu, um letzte Aufnahmen zu machen. Da tauchte plötzlich Alina neben den beiden auf.
»Ist das dein Pony?«, fragte sie. »Echt witzig, damit in die Schule zu reiten. Ich hatte früher eine Schottin in der Klasse. Die hat das auch immer gemacht.«
»Wirklich? Jeden Tag? Geil! Von uns aus wäre das zu weit, wir sind heute Morgen fast eineinhalb Stunden hierher geritten«, antwortete Julia. »Aber Piazza gehört mir auch gar nicht. Mein eigenes Pferd ist noch nicht zugeritten.«
»Sie wäre ja auch etwas klein für dich, nicht? Habt ihr hier irgendwo einen Reitstall mit richtigen Pferden? Ich habe gehört, es gibt einen in Elbentrup. Wir sind allerdings erst vorgestern angekommen, deshalb konnte ich mich noch nicht umsehen.«
Julia versuchte, nicht wütend zu werden. Als Freizeitreiter fand sie es eine Frechheit, Pferde nach Rasse und Größe in »richtig« und »falsch« einzuteilen. Piazza war ein stabiles kleines Pferd, das normalgewichtige Erwachsene gut tragen konnte. Aber okay, Alina kam aus dem Ausland. Vielleicht wusste sie es einfach nicht besser. Julia setzte also ihrerseits zu einem Vortrag an. Er gipfelte irgendwo in den Waliser Bergen, wo Ponys wie Piazza seit Jahrhunderten wochentags Feldarbeit leisteten und sonntags ihren Herrn zur Reitjagd trugen. »Im Übrigen waren die Samurai-Pferde in Japan auch nicht viel größer«, setzte Julia zum Schluss noch eins drauf. Der letztjährige Schulausflug hatte in ein Völkerkundemuseum geführt, und natürlich hatte Julia sämtliche Schaukästen mit Reitausrüstung ausführlich studiert.
»Ja schon«, meinte Alina unbeeindruckt. »Aber inzwischen haben sie auch in Japan richtige Pferde. Westfalen, Hannoveraner und so. Das Reiten ist da nur sehr teuer.«
»Wo hast du denn die aufgegabelt?«, lachte Nickie, als Julia sich von ihrer neuen Mitschülerin befreit hatte. Entnervt erzählte sie der Freundin Alinas Geschichte.
»Jedenfalls ein schöner Beweis dafür, dass Reisen nicht zwangsläufig bildet«, sagte Nickie salbungsvoll. »Da lebt das Kind in Tokio und sieht nichts anderes als Westfalen. Nicht zu fassen. Außerdem sollen die armen Viecher dort schauerlich untergebracht sein. Hast du gewusst, dass es in Tokio Reitställe auf Hochhausdächern gibt?«
Julia hatte das nicht gewusst, aber im Moment war ihr Japan auch herzlich egal.
»Warst du schon bei Olaf?«, fragte sie Nickie. Die schüttelte den Kopf. »Nein, die haben doch gleich erst Schluss. Wenn du dich beeilst, kannst du ihn sogar noch abpassen. Ich fahre jetzt hin und sage ihm, dass er auf dich warten soll.«
In Olafs und Lisas Schule begann der Unterricht eine halbe Stunde später, worum Julia die beiden jeden Morgen beneidete. Mittags taten sie ihr dafür Leid, weil sie länger bleiben mussten.
Auf dem Schulhof des Humboldt-Gymnasiums bot sich Julia ein ähnliches Bild wie kurz zuvor in ihrer eigene Schule. Die Schüler ballten sich um Godi, die Lehrer um Nickie. Nur eine junge Lehrerin machte eine Ausnahme. Die blonde Frau redete eifrig auf Olaf und Lisa ein.
»Und dann habe ich sie eben gekauft. Trotz der Lungenproblematik. Und die Beinstellung ist auch nicht korrekt, hat mir der Tierarzt später gesagt. Kyla lahmt öfters mal. Aber sonst ist sie wirklich ein tolles Pferd. Bildschön. Jeder mag sie.«
»Wer war das denn?«, fragte Julia, als sie endlich neben Olaf vom Hof ritt. Sie hatte gerade noch gehört, wie der Junge die Frau einlud, doch mal vorbeizukommen.
»Frau Schäfer, unsere neue Lehramtsanwärterin«, brummte der Junge. »Englisch und Mathe. Die Frau muss gänzlich daneben sein. Oder würdest du so was freiwillig studieren?«
Julia schüttelte den Kopf. Sie würde ohnehin lieber Grubenponys trainieren als Lehrer werden, versicherte sie ihrem Freund. »Aber was hattest du denn so Dringendes mit ihr zu bereden?«
»Ich gar nichts«, meinte Olaf. »Sie hat mich voll gequatscht. Hat anscheinend ein Pferd. Ein Englisches Vollblut, wenn ich sie richtig verstanden habe. Es scheint so ziemlich alle Krankheiten der Welt auf sich zu vereinigen. Jedenfalls sucht sie einen Platz, um es unterzustellen.«
»Bei uns?«, fragte Julia skeptisch. »Also ehrlich gesagt kann ich mir was Besseres vorstellen, als eine Lehrerin auf dem Hof.«
Olaf schnaubte. »Was soll ich denn sagen? Du würdest sie ja nur auf dem Hof sehen. Ich hingegen habe bei ihr Englisch. Und Lisa Mathe. Wenn sie mir dann nachmittags auch noch dauernd auf der Pelle hockt, ist das echt strafverschärfend.«
»Wir müssen sie ja nicht nehmen«, meinte Julia vergnügt. »Wenn wir drei schon mal dagegen sind, werden Gloria und Nickie auch nicht drauf bestehen.« In der Haltergemeinschaft wurde stets korrekt über die Aufnahme neuer Mitglieder abgestimmt.
»Ach ja?«, fragte Olaf. »Du scheinst vergessen zu haben, dass ich letztes Jahr wegen Englisch fast hängen geblieben bin. Und Lisa hatte in Mathe eine Vier minus. Glaubst du im Ernst, da schicken wir die liebe Frau Schäfer in die Wüste? Im Gegenteil, wir werden sie hegen und pflegen und ihrem Pferdchen jeden Tag eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen. Ich hoffe, das Tier mag »Animal Farm«. Das soll ich nämlich bis nächste Woche lesen. Lisa meinte allerdings, es wäre auch verfilmt worden. Wollen wir mal hoffen, dass die Videothek den Streifen hat.«