Julia Herzensbrecher Band 5 - Susan Mallery - E-Book
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Julia Herzensbrecher Band 5 E-Book

Susan Mallery

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Beschreibung

STÜRMISCH WIE DER WÜSTENWIND von SUSAN MALLERY
Das ist also die Frau, die er heiraten soll! Prinz Kardal rettet Sabrina aus einem Sandsturm, und auch wenn sie sich kratzbürstig und widerspenstig gibt: Das Temperament der Rothaarigen reizt ihn. Wie wird sie reagieren, wenn sie herausfindet, dass er der Mann ist, dem sie einst versprochen wurde?

DU BIST MEIN STAR! von SHARON KENDRICK
Schon bei ihrer ersten Verabredung spürt Lara: Dem glutäugigen Darian wird sie nicht widerstehen können! Dabei verfolgt sie nur ein einziges Ziel, seit sie dem Treffen mit dem geheimnisvollen Milliardär zustimmte: Herausfinden, ob er tatsächlich ein Königssohn ist …

LIEBE MICH 1001 NACHT von HELEN BIANCHIN
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Seitenzahl: 579

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Susan Mallery, Sharon Kendrick, Helen Bianchin

JULIA HERZENSBRECHER BAND 5

IMPRESSUM

JULIA HERZENSBRECHER erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Ralf MarkmeierRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

Neuauflage by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg, in der Reihe: JULIA HERZENSBRECHER, Band 5 – 2019

© by Susan Macias-Redmond Originaltitel: „The Sheik and the Runaway Princess“ erschienen bei: Silhouette Books, New York Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: M.R. Heinze Deutsche Erstausgabe 2003 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe BIANCA, Band 1370

© by Sharon Kendrick Originaltitel: „The Desert Prince’s Mistress“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sabine Buchheim Deutsche Erstausgabe 2004 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 1634

© by Helen Bianchin Originaltitel: „Desert Mistress“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Franziska Schröder Deutsche Erstausgabe 1997 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe ROMANA, Band 1120

Abbildungen: Period Images, GettyImages_LucVi, alle Rechte vorbehalten

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733713065

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

Stürmisch wie der Wüstenwind

1. KAPITEL

Sabrina Johnson hatte Sand im Mund und auch an diversen anderen Körperstellen, wo er eigentlich nichts zu suchen hatte, spürte sie den feinen gelben Staub.

Was bin ich bloß dumm, hielt sie sich vor, während sie unter ihrem Umhang kauerte und dem Heulen des Sturms lauschte. Man musste wirklich ziemlich verrückt sein, wenn man ganz allein Hunderte von Kilometern in die Wüste fuhr, die letzten Spuren der Zivilisation hinter sich ließ und sich mit einem Pferd und einem Lastenkamel auf die Suche nach einer geheimnisumwitterten Stadt begab. Nach einer Stadt, die noch dazu vielleicht gar nicht existierte!

Ein besonders heftiger Windstoß warf Sabrina fast um. Sie zog die Beine fester an ihren Körper, presste den Kopf auf die Knie und schwor sich, nie wieder impulsiv zu handeln. Vorausgesetzt, sie überlebte. Niemals wieder!

Sie hatte sich verirrt, war in einen Sandsturm geraten, und darüber hinaus wusste niemand, dass sie hier war. Also suchte auch niemand nach ihr. Ohne ein Wort zu ihrem Vater oder ihren Brüdern hatte sie sich weggeschlichen. Wenn sie zum Abendessen nicht erschien, vermuteten bestimmt alle, sie würde in ihrem Zimmer schmollen oder sie sei nach Paris zum Einkaufen geflogen.

Auf die Idee, sie könnte sich in der Wüste verirrt haben, kam sicher keiner. Ihre Brüder hatten sie mehr als einmal gewarnt, ihre verrückten Ideen würden sie noch das Leben kosten. Und genau danach sah es im Moment aus.

Es war so heiß und trocken, dass sie hustete. Doch das Kratzen im Hals wurde sie dennoch nicht los. Wie lange würde der Sturm noch dauern? Und wie sollte sie danach den richtigen Weg finden? Hoffentlich wurde sie nicht in die Luft gewirbelt und weggeweht. Solche Geschichten hatte sie schon gehört, wenn auch von ihren Brüdern, und die hielten sich nicht immer an die Wahrheit.

Scheinbar nach Ewigkeiten ließ das Heulen nach, die einzelnen Böen waren nicht mehr so stark, und Sabrina konnte leichter atmen. Vorsichtig spähte sie unter dem Umhang hervor, um die Lage einzuschätzen.

Rasch stellte sie etwas Gutes und etwas Schlechtes fest. Das Gute war die Tatsache, dass sie lebte. Noch. Das Schlechte war, dass Pferd und Lastenkamel verschwunden waren und mit ihnen Proviant, Wasser und Landkarten.

Das Schlimmste aber war, dass durch den Sturm die Piste, der sie gefolgt war, nicht mehr zu erkennen war. Ebenso waren sämtliche markanten Punkte verschwunden, die sie sich von dem Ort, an dem Geländewagen und Pferdeanhänger zurückgeblieben waren, bis hierher gemerkt hatte. Es konnte Wochen oder gar Monate dauern, bis der Wagen entdeckt wurde. Wie sollte sie so lange überleben?

Sabrina stand auf und drehte sich langsam im Kreis. Nichts kam ihr bekannt vor. In der Ferne tobte noch der Sturm. Sand stieg in Wolken zum Himmel hoch und verdüsterte die Sonne, die bereits tief am Horizont stand.

Der knurrende Magen erinnerte sie daran, dass sie seit dem Frühstück nichts gegessen hatte. Und sie hatte die Hauptstadt sogar vor Sonnenaufgang verlassen, besessen von dem Wunsch, die sagenumwobene Stadt der Diebe zu finden, um ihrem Vater zu beweisen, dass es sie wirklich gab. Er hatte sie stets wegen ihrer Faszination für diese Stadt geneckt, und nun war sie hier gestrandet.

Was sollte sie machen? Weiter nach der verborgenen Stadt suchen? Nach Bahanien zurückkehren und ihr Leben lang von ihrem Vater und ihren Brüdern ignoriert werden? Oder hier verdursten? Die dritte Möglichkeit gefiel ihr zwar am wenigsten, erschien ihr jedoch angesichts der Umstände am wahrscheinlichsten.

„Ich gebe nicht kampflos auf“, sagte Sabrina entschlossen, band das Kopftuch fester, schüttelte den Umhang aus, faltete ihn zusammen und hängte ihn sich über die Schulter.

Sie orientierte sich an der untergehenden Sonne. Wenn sie ein Stück nach Süden marschierte und sich dann nach Westen wandte, fand sie bestimmt den Wagen wieder. Darin lagerten noch Proviant und Wasser, weil sie nicht alles auf dem Kamel untergebracht hatte. Wenn sie erst gegessen und getrunken hatte, konnte sie bestimmt klarer überlegen, wie es weitergehen sollte.

Schleichende Angst folgte ihr wie ein Wüstenschakal, während sie gleichmäßig ausschritt. Doch sie vertrieb die Bestie. Sie war Sabrina Johnson und hatte schon Schlimmeres überstanden. Das stimmte zwar nicht, weil sie noch nie in einer solchen Gefahr geschwebt hatte, aber es war niemand da, der ihr den Schwindel hätte vorhalten können.

Eine halbe Stunde später hätte sie liebend gern ein Taxi gerufen. Eine Dreiviertelstunde später hätte sie ihre Seele für ein Glas Wasser verkauft. Eine Stunde später siegte die Angst. Sabrina war sicher, in der Wüste sterben zu müssen. Die Augen kratzten, so trocken waren sie, die Haut spannte, und die Kehle brannte wie Feuer.

Ob der Tod in der Wüste dem Erfrieren ähnelte? Wurde sie irgendwann müde und schlief ein?

„Bei meinem Glück bestimmt nicht“, murmelte sie. „Ich sterbe garantiert langsam und qualvoll.“

Dennoch setzte sie einen Fuß vor den anderen und achtete nicht auf die verlockende Fata Morgana, die im Schein der untergehenden Sonne vor ihr auftauchte, eine Oase und ein Wasserfall – und zuletzt etliche Reiter auf Pferden, die auf sie zukamen.

Pferde? Sie blieb stehen. Waren das wirklich Pferde? Tatsächlich, sie spürte das Trommeln der Hufe unter den Füßen. Das bedeutete, dass Rettung nahte. Rettung oder etwas weniger Wünschenswertes.

Sabrina hatte die Sommer in Bahanien bei ihrem Vater verbracht, um die Lebensweise seines Volkes kennenzulernen. Natürlich hatte er keine Zeit gehabt, um ihr etwas beizubringen, aber einige Leute aus seiner Dienerschaft hatten sich um sie gekümmert. Von denen hatte sie unter anderem erfahren, dass in der Wüste das Gesetz der Gastfreundschaft herrschte.

Andererseits war sie in Los Angeles zur Schule gegangen, und die Haushälterin ihrer Mutter hatte ihr eingeschärft, nie mit Fremden zu sprechen. Sollte sie abwarten oder sich verstecken? Sabrina sah sich um. Weit und breit gab es kein Versteck.

Die näher kommenden Männer waren traditionell in Burnus und Djellaba gekleidet. Die langen Umhänge flatterten hinter ihnen her, und sie ritten auf starken und doch eleganten Pferden, bahanischen Tieren, die speziell für die Wüste gezüchtet wurden.

„Hallo!“, rief sie, als die Männer sie erreichten, und bemühte sich um einen unbekümmerten Tonfall. Aufgrund der trockenen Kehle und der wachsenden Angst gelang ihr das jedoch nicht sonderlich gut. „Ich habe mich im Sandsturm verirrt. Sie haben nicht zufällig in der Gegend ein Pferd und ein Kamel gesehen?“

Anstatt zu antworten, umkreisten die Männer sie und unterhielten sich dabei in einer Sprache, die sie kannte, aber nicht verstand. Sie waren eindeutig Nomaden. Es blieb abzuwarten, ob das für sie gut oder schlecht war.

Einer der Männer deutete auf sie. Sabrina wich nicht von der Stelle, obwohl die anderen sich ihr immer weiter näherten. Sollte sie sagen, wer sie war? Nomaden würden auf den Namen ihres Vaters freundlich reagieren, aber Verbrecher würden sie gefangen nehmen, um Lösegeld zu erpressen. Immerhin hätte sie die Männer damit beeindrucken können, dass sie Sabrina Johnson war, auch bekannt als Prinzessin Sabra von Bahanien, obwohl sie im Moment nicht danach aussah. Doch vielleicht wäre sie dann umgebracht worden.

„Ich möchte eine Sklavin haben, aber du wärst wahrscheinlich nicht gut.“

Sie wirbelte zu dem Mann herum, der gesprochen hatte und von dem sie wegen seiner Kleidung kaum etwas sehen konnte. Er war groß, hatte gebräunte Haut, dunkle Augen und lächelte.

„Sie sprechen ja meine Sprache“, stellte sie verblüfft fest.

„Du sprichst nicht die Sprache der Wüste“, erwiderte er. „Und du findest dich hier nicht zurecht. Was machst du hier draußen?“

„Das ist unwichtig“, wehrte Sabrina ab. „Aber vielleicht könnten Sie mir ein Pferd leihen, damit ich zu meinem Wagen reiten kann.“

Auf einen Wink des Mannes stieg einer der anderen ab. Schon glaubte Sabrina, man würde ihren Wunsch erfüllen. Der Mann hatte tatsächlich auf sie gehört, was in Bahanien sehr ungewöhnlich war. Normalerweise ignorierten Männer völlig, was Frauen …

Der Nomade griff nach ihrem Kopftuch und zog daran. Sabrina schrie auf, und die Männer verstummten, als sie das lange rote Haar sahen, ein Erbe von ihrer Mutter, das in üppigen Locken auf ihren Rücken fiel. Die meisten Leute waren von der ungewöhnlichen Kombination von braunen Augen, rotem Haar und honigfarbener Haut fasziniert, vor allem in dieser Gegend.

Die Männer redeten miteinander, aber Sabrina verstand sie trotz aller Anstrengung nicht.

„Sie meinen, ich sollte dich verkaufen.“

Der Sprecher schien der Anführer zu sein. Sabrina bemühte sich, keine Angst zu zeigen, und straffte sich. „Brauchen Sie so dringend Geld?“, fragte sie möglichst verächtlich.

„Es erleichtert das Leben, selbst hier draußen.“

„Was ist aus der Gastfreundschaft der Wüste geworden? Die Gesetze Ihres Landes lassen nicht zu, dass Sie mich schlecht behandeln?“

„Es gibt Ausnahmen, wenn sich jemand so albern anstellt wie du.“

Er gab dem Mann neben ihr ein Zeichen, doch bevor der Kerl sie packte, rannte Sabrina los. Hinter sich hörte sie Hufschläge und sie lief noch schneller, doch es reichte nicht. Nach höchstens zwanzig Metern wurde sie auf ein Pferd gezogen und gegen eine muskulöse Brust gedrückt.

„Wohin wolltest du denn laufen?“, fragte der Reiter und gab sie nicht frei, obwohl sie sich wehrte. Sie verhedderte sich lediglich in seinem Umhang. „Wenn du nicht stillhältst, fessele ich dich und ziehe dich hinter dem Pferd her.“

Er war stark, und sein Körper strömte Wärme aus. Der Mann erinnerte sie an die Wüste – hart und gnadenlos. Was habe ich doch wieder mal für ein Glück, dachte sie grimmig und gab den Widerstand auf.

„Was wollen Sie von mir?“, fragte sie und sah ihn zornig an.

„Erstens, dass du das Knie aus meiner Magengegend nimmst.“

Sie blickte nach unten. Das von ihren Jeans bedeckte Knie drückte tatsächlich gegen seine Körpermitte. Wortlos zog sie das Bein zurück.

Die Sonne war bereits untergegangen. Jetzt war nicht mehr an Flucht zu denken. Sabrina hatte sich verirrt, war durstig und hungrig und wurde gefangen gehalten.

„Ach“, bemerkte er leise, „man kann also vernünftig mit dir sprechen. Sehr angenehm bei einer Frau … und sehr selten.“

„Soll das heißen, dass Sie alle Ihre Frauen auch nicht mit Schlägen zur Ordnung zwingen können? Was für eine Überraschung.“

Seine harten Züge erinnerten Sabrina an einen Felsen, der von den Winden der Wüste geformt worden war. Die Kopfbedeckung verdeckte sein Haar, doch bestimmt war es dunkel und reichte ihm bis zum Kragen. Er hatte breite Schultern und machte den Eindruck eines Mannes, der sich nicht so leicht unterkriegen ließ.

„Für eine Frau, die mir völlig ausgeliefert ist, bist du entweder unglaublich mutig oder unglaublich dumm.“

„Sie haben mir bereits vorgeworfen, dumm zu sein“, erinnerte sie ihn. „Völlig zu Unrecht, wenn Sie mich fragen.“

„Ich frage dich aber nicht. Und wie würdest du jemanden nennen, der sich ohne Führer und Ausrüstung in die Wüste wagt?“

„Ich hatte ein Pferd und …“

„Und der unfähig ist, seine Hilfsmittel zu schützen“, fiel er ihr ins Wort.

Anstatt zu antworten, blickte sie zurück. Die Männer hatten begonnen, ein Lager aufzuschlagen. Ein Kessel hing über einem kleinen Feuer. „Ihr habt Wasser?“, fragte Sabrina und fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen.

„Ja, und Lebensmittel. Im Gegensatz zu dir haben wir unsere Vorräte geschützt.“

Sie konnte den Blick nicht von dem Wassertopf wenden. „Bitte“, flüsterte sie.

„Nicht so schnell, mein Wüstenvogel. Bevor wir dir von unserem bescheidenen Proviant etwas abgeben, möchte ich sicherstellen, dass du nicht wieder wegfliegst.“

„Sie haben selbst darauf hingewiesen, dass ich nirgendwo hingehen könnte.“

„Das hat dich beim ersten Mal auch nicht zurückgehalten.“ Er stieg ab, und bevor sie ihm folgen konnte, holte er ein Seil unter seinem Umhang hervor und packte ihre Handgelenke.

„Hey!“, protestierte sie. „Das ist unnötig! Ich laufe nicht weg.“

„Genau dafür werde ich sorgen.“

Sie wollte sich ihm entziehen, doch er war zu schnell und fesselte sie. Dabei rutschte sie zu weit nach hinten und fiel beinahe vom Pferd. Der Mann hielt sie am T-Shirt fest und zog sie zu sich heran. Er wankte nicht mal, als sie das Gleichgewicht verlor und gegen ihn prallte. Stattdessen schlang er ihr einen Arm um die Taille und ließ sie zu Boden gleiten. Bevor sie wieder zu Atem gekommen war, hatte er ihr auch die Beine zusammengebunden.

„Warte hier“, verlangte er und führte sein Pferd zum Lager.

Sabrina wand sich im Sand. „Sie können mich doch nicht so einfach liegen lassen!“

Amüsiert sah er sie mit seinen dunklen Augen an. „Ich würde schon sagen, dass ich das kann.“

Ungläubig sah sie ihm nach. Er sagte etwas zu den anderen, die darüber lachten. Zorn vertrieb die Angst. Dem würde sie es zeigen! Heftig zerrte sie an den Fesseln. Wenn sie erst frei war, würde sie nach Bahanien zurückkehren und ihn erschießen oder aufhängen lassen.

Als sie nicht loskam, wandte sie dem Lager den Rücken zu. Es reichte, dass sie das Essen roch. Sie musste nicht auch noch beim Kochen zusehen. War dieser Fremde wirklich ein solches Ungeheuer, dass er ihr nichts zu essen gab? Typisch Wüstenbewohner. Männer wie er betrachteten Frauen lediglich als Besitz.

„Da wäre ich ja beim König der Kobolde besser aufgehoben gewesen“, murmelte sie und hielt die Tränen zurück. Bloß keine Schwäche zeigen! Sie musste überleben, um sich zu rächen. Also schloss sie die Augen und stellte sich vor, woanders zu sein.

Es duftete dermaßen verlockend nach Essen, dass sie sich wünschte, noch im Palast zu sein. Gut, ihr Vater beachtete sie wenig, und ihre Brüder ignorierten oder neckten sie, aber war das so schlimm?

Dabei war sie am Tag zuvor auf ihren Vater, den König von Bahanien, noch grenzenlos zornig gewesen, als er verkündete, er hätte sie verlobt.

„Das ist nicht dein Ernst!“, hatte sie erwiderte.

„Mein völliger Ernst. Du bist zweiundzwanzig, also weit über das heiratsfähige Alter hinaus.“

„Ich bin im letzten Monat dreiundzwanzig geworden“, entgegnete sie, „und wir leben in einer modernen Welt, nicht im Mittelalter.“

„Das ist mir durchaus bewusst, aber du bist meine Tochter. Du wirst den Mann heiraten, den ich für dich auswähle, weil du eine Prinzessin von Bahanien bist und wir Verbündete brauchen.“

Ihr Vater kannte nicht mal ihr genaues Alter. Wie sollte sie ihm da zutrauen, den geeigneten Mann für sie auszusuchen? Vermutlich betrachtete König Hassan einen schrecklichen alten Kerl mit drei Ehefrauen und Mundgeruch als geeignet.

Stets hatte sie die Sommermonate im Palast verbracht, doch ihr Vater hatte kaum mit ihr gesprochen. Seine Söhne nahm er auf Reisen mit, sie nie. Und als sie mit ihrer Mutter zur Ausbildung nach Kalifornien ging, hatte er nie angerufen oder geschrieben. Wieso erwartete er, dass sie sich nun plötzlich nach seinem Willen richten würde?

Anstatt im Palast zu bleiben und darauf zu warten, ihren König der Kobolde kennenzulernen, war sie geflohen, um die Stadt der Diebe zu suchen. Jetzt war sie Gefangene der Nomaden. Vielleicht wäre der König der Kobolde doch gar nicht so schlecht gewesen.

„Was denkst du?“

„Dass ich zwar Urlaub brauche, ihn mir aber anders vorgestellt habe.“ Sie öffnete die Augen und betrachtete den Unbekannten. Er hatte das Kopftuch und den Umhang abgelegt und trug jetzt nur eine Hose unter einer Tunika. Sie hätte es vorgezogen, wenn er nicht so atemberaubend gut ausgesehen hätte.

Stolz stand er vor ihr, eine kraftvolle Gestalt vor dem herrlichen pechschwarzen Nachthimmel. Sabrina hatte sich in Bahanien nie ganz wohl gefühlt, aber die Sterne hatten sie stets fasziniert. Heute wurde sie jedoch von etwas anderem gefesselt.

Der Mann war hochgewachsen, das dichte dunkle Haar war kurz. Die Gesichtszüge erkannte sie nicht klar, aber die Zähne schimmerten weiß, als er lächelte.

„Du besitzt den Mut eines Kamels“, stellte er fest.

„Herzlichen Dank. Kamele sind nicht mutig.“

„Aha, wenigstens so viel weißt du über die Wüste. Gut. Wie wäre es dann mit dem Mut eines Wüstenfuchses?“

„Laufen die nicht immer weg?“

Er zuckte mit den Schultern. „Du hast mich verstanden. Auch gut.“

Liebend gern hätte sie ihm die Zunge gezeigt, doch sie holte nur tief Atem. Irgendetwas duftete himmlisch. Ihr Magen knurrte laut, als sie den Teller in der einen und den Becher in der anderen Hand des Mannes entdeckte.

„Abendessen?“, fragte sie vorsichtig.

„Ja.“ Er ging in die Hocke und stellte Teller und Becher in den Sand, bevor er ihr beim Aufsetzen half. „Aber kann ich dich denn auch losbinden?“

Sabrina musste sich beherrschen, um sich nicht nach vorne kippen zu lassen und direkt vom Teller zu essen. „Ich schwöre, dass ich nicht weglaufen werde.“

„Wieso sollte ich dir vertrauen?“, fragte er und setzte sich neben sie. „Ich weiß von dir nur, dass du den Verstand eines Flohs besitzt.“

„Mir gefallen diese Tiervergleiche gar nicht“, wehrte sie ab. „Wenn Sie darauf anspielen, dass ich Pferd und Kamel verloren habe, so war das nicht meine Schuld. Ich habe sie vor dem Sandsturm festgebunden, mich mit einem dicken Umhang geschützt und auf die Erde gedrückt. Dass ich überlebt habe, ist doch ein Beweis für meinen Verstand.“

„Wie steht es damit, dass du allein in der Wüste bist?“, fragte er, offenbar nicht beeindruckt, und griff nach dem Becher. „Oder sollen wir darüber reden, dass Pferd und Kamel fort sind?“

„Lieber nicht.“ Sie beugte sich vor und trank aus dem Becher.

Das Wasser war kühl und sauber. Nie zuvor hatte Sabrina etwas so gut geschmeckt. Sobald der Becher leer war, stellte der Fremde ihn weg und hob den Teller hoch.

Sabrina betrachtete die Fleischstücke sowie das Gemüse und dann seine Hände. „Sie wollen mich doch nicht etwa füttern, oder? Wenn Sie mich schon nicht losbinden, lassen Sie mich wenigstens allein essen.“ Die Vorstellung, dass er ihr Essen berührte, war ihr unangenehm, obwohl er sauber wirkte.

„Gestehe mir das Privileg zu“, sagte er spöttisch und griff nach einem Stück Fleisch.

Eigentlich hätte sie tapfer bleiben und ihn abweisen sollen, aber sie beugte sich vor und achtete nur darauf, seine Finger nicht mit den Lippen zu berühren.

„Ich bin Kardal“, stellte er sich vor, während sie kaute. „Wie heißt du?“

„Sabrina“, erwiderte sie vorsichtig und hoffte, dass er den Namen nicht mit der Prinzessin Sabra von Bahanien verband. „Sie sprechen nicht wie ein Nomade“, fügte sie hinzu, um ihn abzulenken.

„Ich bin einer“, versicherte er und reichte ihr das nächste Fleischstück.

„Dann sind Sie woanders zur Schule gegangen. England? Amerika?“

„Wie kommst du darauf?“

„Wegen Ihrer Wortwahl und Ihrer Ausdrucksweise.“

„Was weißt du schon von Ausdrucksweise?“

Sie kaute und schluckte. „Auch wenn Sie das von mir denken, bin ich nicht dumm. Ich habe studiert und weiß so einiges.“

Der Blick seiner dunklen Augen schien tief in ihre Seele vorzudringen. „Was denn, mein Wüstenvogel?“

„Ich … also …“

Die Antwort blieb ihr erspart, weil er ihr etwas Gemüse reichte, doch dieses Mal passte sie nicht auf, und sein Zeigefinger berührte ihre Unterlippe. Im selben Moment stockte ihr das Herz, und ihr Magen zog sich zusammen. Eine Vergiftung, schoss es ihr durch den Kopf. Bestimmt hatte er ein fürchterliches Gift unter das Essen gemischt.

Sie war aber so hungrig, dass sie weiteraß, bis der Teller leer war. Und sie trank auch einen zweiten Becher Wasser, den Kardal ihr reichte. Hinterher kehrte er nicht zu den Männern ans Feuer zurück, sondern blieb sitzen und betrachtete sie.

„Wer bist du?“, fragte er leise und sah ihr in die Augen. „Warum bist du allein in der Wüste?“

Mit vollem Magen fühlte sie sich weniger verwundbar und hatte auch keine Angst mehr. Vielleicht sollte sie lügen, aber das hatte sie noch nie gut gekonnt. Am einfachsten war, wenigstens teilweise die Wahrheit zu gestehen.

„Ich suche die verborgene Stadt der Diebe.“

Sabrina rechnete damit, dass er Interesse oder Erstaunen zeigte, aber nicht damit, dass er so laut lachte, dass Männer und Pferde zu ihnen herübersahen.

„Sie können meinetwegen so viel lachen, wie Sie wollen!“, fauchte sie Kardal an. „Ich weiß genau, wo die Stadt liegt, und ich finde sie!“

„Diese Stadt ist eine Legende. Abenteurer suchen sie seit Jahrhunderten vergeblich. Wieso glaubst du, ein Mädchen könnte mehr Erfolg haben?“

„Einige hatten Erfolg“, behauptete sie. „Ich besitze Landkarten und Tagebücher.“

Kardal ließ den Blick über ihren Körper wandern. Zu den Jeans trug sie ein T-Shirt und Wanderstiefel. Hinter ihr lag der Umhang, den sie bald brauchen würde. Schon jetzt wurde es kühl.

„Und wo genau befinden sich derzeit diese Landkarten und Tagebücher?“, erkundigte er sich äußerst höflich.

Sabrina biss die Zähne zusammen. „In meinen Satteltaschen.“

„Ach so, auf dem Pferd, das weggelaufen ist?“

„Ja.“

„Dir ist doch wohl klar, dass es ohne Landkarten wesentlich schwieriger ist, diese angeblich existierende Stadt zu finden.“

„Darauf bin ich auch schon gekommen“, erwiderte sie und ballte die Hände zu Fäusten.

„Trotzdem willst du weiter nach der Stadt suchen?“

„So leicht gebe ich nicht auf. Ich komme wieder und werde sie finden.“

Kardal stand auf und blickte auf sie hinunter. „Das klingt sehr entschlossen, aber deine Pläne beruhen auf einer sehr interessanten Annahme.“

In der Dunkelheit konnte sie ihn kaum noch sehen. „Auf welcher?“

„Dass ich dich freilasse.“

Kardal hielt die Augen geschlossen, obwohl sich die Frau neben ihm drehte und wand. Der Boden war hart, aber nicht unbequem, doch Sabrina war bestimmt nicht zufrieden. Er hatte ihr die Fußfesseln abgenommen, ihre Hände aber zusammengebunden gelassen und das Seil an seinem Gürtel befestigt. Vermutlich wäre sie sonst geflohen.

„Das ist doch lächerlich“, zischte sie, während seine Männer schnarchten. „Wohin sollte ich denn mitten in der Nacht und in der Wüste laufen? Binden Sie mich sofort los!“

„Wenn du nicht still bist, bekommst du einen Knebel“, erwiderte er. „Und der wird nach einiger Zeit höchst unangenehm.“

Sie holte scharf Atem, sagte aber nichts mehr, sondern wickelte sich enger in den dicken Umhang. Es war inzwischen sehr kühl. Kardal war sicher, dass sie bald für die Wärme seines Körpers dankbar sein würde, auch wenn sie das bestimmt nicht sagte. Frauen verhielten sich selten vernünftig.

Wie hatte sie bloß so leichtsinnig sein können, sich allein in die Wüste zu wagen? Er und seine Männer hatten dem einsamen Wanderer helfen wollen. Dann hatte er erkannte, dass es sich um eine Frau handelte, und er hatte sofort gewusst, wer sie war.

Sabrina Johnson, auch bekannt als Prinzessin Sabra, einzige Tochter von König Hassan von Bahanien – eigenwillig, schwierig, verwöhnt und nicht mal mit der Intelligenz einer Dattelpalme gesegnet.

Wahrscheinlich wäre es am besten gewesen, sie ihrem Vater zurückzubringen. Allerdings würde der König kaum dafür sorgen, dass sich bei ihr etwas änderte. Kardal hatte gehört, dass König Hassan seine einzige Tochter ignorierte und ihr gestattete, dass sie den Großteil des Jahres bei ihrer Mutter in Kalifornien verbrachte und so ungezügelt wie die einstige Frau des Königs lebte.

Kardal öffnete die Augen und blickte zu den funkelnden Sternen hinauf. Er war ein Mann dieses neuen Jahrhunderts, gefangen zwischen Tradition und Fortschritt, und er versuchte, sich stets möglichst klug zu verhalten. Wenn er sich aber vorstellte, wie Sabrina ihre Zeit in Beverly Hills mit Affären und einem ausschweifenden Lebenswandel verschwendete …

Sie war unbeschreiblich schön, aber sie besaß das Herz und die Seele eines verwöhnten und eigensinnigen Kindes. Sie war keine traditionelle Frau der Wüste, aber auch kein Juwel der westlichen Kultur. Sie passte nirgendwo hinein, und er konnte sie nicht brauchen.

Sabrina drehte sich auf den Rücken und zog an dem Seil, das sie beide miteinander verband. Kardal bewegt sich nicht. Sie seufzte, atmete aber bald darauf gleichmäßig.

Morgen musste er entscheiden, was er mit ihr machen sollte. Aber vielleicht wusste er das schon und wollte es sich nur nicht eingestehen.

Sabrina hatte ihn nicht erkannt. Es war auch möglich, dass man ihr seinen Namen nicht gesagt hatte. Bei der Vorstellung lächelte er. Wenn sie nichts wusste, wollte er auch nichts verraten.

Noch nicht.

2. KAPITEL

Sabrina wurde nur langsam wach. Das harte Bett gab keine Spur nach, doch es war sehr warm, vor allem auf der einen Seite.

Als sie die Augen öffnete, sah sie über sich den bereits hell werdenden Himmel. Sie lag nicht in ihrem Bett im Palast, auch nicht in ihrem Zimmer im Haus ihrer Mutter. Stattdessen befand sie sich in der Wüste und war an einen Mann gefesselt, den sie nicht kannte.

Er schlief noch. Das nutzte sie aus, um ihn zu betrachten. Auch im sanften Morgenlicht wirkte er hart und stark, eben ein Mann der Wüste. Er hielt ihr Schicksal in den Händen, doch sie glaubte nicht mehr, dass ihr Leben in Gefahr war. Sie sorgte sich auch nicht um ihre Tugend, obwohl sie dazu eigentlich Grund gehabt hätte.

Dichte Wimpern berührten die Wangen. Der Mund sah im Schlaf ausgesprochen entspannt aus. Die Haut war gebräunt, wodurch die ausgeprägten Wangenknochen und das kräftige Kinn noch betont wurden. Wer war dieser Kardal? Wieso hielt er sie gefangen, anstatt sie zur nächsten Stadt zu bringen?

Unvermittelt öffnete er die Augen. Aus nächster Nähe sahen sie einander an, aber Sabrina konnte in seinem Gesicht nichts lesen. Sein Blick wirkte sonderbarerweise enttäuscht.

Wortlos stand er auf. Das Seil hatte er offenbar schon in der Nacht gelöst. Es lag auf den Decken. „Du bekommst eine Schale Wasser für die morgendliche Reinigung“, erklärte er, bückte sich und band ihr die Hände los. „Versuch nicht zu fliehen, sonst überlasse ich dich meinen Männern“, fügte er hinzu und wandte ihr den Rücken zu.

„Nicht gerade ein Morgenmensch, stimmt’s?“, rief sie ihm nach, aber er ging unbeirrt weiter.

Seufzend holte sie sich die Schale, ging an den Rand des Lagers, schützte sich mit ihrem Umhang und reinigte sich, so weit das möglich war. Was hätte sie jetzt für eine Dusche gegeben!

Zehn Minuten später näherte sie sich vorsichtig dem Feuer. Zwei Männer machten Frühstück. Sie achtete nicht auf das Essen, sondern blickte sehnsüchtig auf die Kaffeekanne neben den Flammen. Als Kardal zu ihr sah, deutete sie darauf. Er nickte wortlos.

Sabrina holte einen unbenützten Becher aus einer Satteltasche, füllte ihn und kostete. Der Kaffee war heiß und stark genug, dass ein Löffel darin gestanden hätte.

„Perfekt“, hauchte sie.

Der lange Umhang, den er über Hose und Hemd trug, wehte hinter Kardal her, als er zu ihr kam. „Erstaunlich, dass er dir schmeckt“, stellte er fest. „Den meisten Leuten aus dem Westen und vor allem Frauen ist er zu stark.“

„Zu stark gibt es gar nicht“, erwiderte sie und nahm noch einen Schluck. „Ich mag Kaffee, der einen richtig weckt.“

„Keinen Milchkaffee und keinen Cappuccino?“

Was war das denn! Humor aus dem Mund des großen und mysteriösen Kardal? „Nie im Leben“, erwiderte sie lächelnd.

Er führte sie an den Rand des Lagers, blieb stehen, stützte die Hände in die Hüften und betrachtete sie wie ein hässliches Insekt. Vorbei war es mit der Vertraulichkeit beim Frühstückskaffee.

„Etwas muss mit dir geschehen“, stellte er fest.

„Wie bitte? Wollen Sie nicht für den Rest Ihres Lebens mit mir durch die Wüste ziehen, ich gefesselt und nachts neben Ihnen auf dem harten Sandboden?“

„Du bist mutiger als gestern Abend.“

„Das ist nicht verwunderlich“, entgegnete sie. „Ich bin ausgeruht und hatte Kaffee. Trotz gegenteiliger Gerüchte stelle ich bescheidene Ansprüche.“

Sein geringschätziges Lächeln zeigte, dass er ihr nicht glaubte. „Es gibt drei Möglichkeiten“, fuhr er fort. „Wir bringen dich um und lassen deine Leiche in der Wüste zurück. Wir können dich als Sklavin verkaufen. Oder wir können von deiner Familie Lösegeld verlangen.“

Beinahe hätte Sabrina sich am Kaffee verschluckt. Das meinte er doch nicht ernst! „Dürfte ich sehen, was sich hinter Vorhang Nummer vier verbirgt?“, fragte sie, sobald sie wieder in der Lage war zu sprechen. Und sie hatte gedacht, der gute Kardal wäre gar nicht so übel. „Wenn wir vorab den Tod von der Liste streichen, so wäre ich wohl keine besonders gute Sklavin.“

„Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Eine ordentliche Tracht Prügel würde das allerdings ändern.“

„Und was würde eine unordentliche Tracht Prügel bewirken?“, fragte sie gedämpft.

„Welche wäre dir denn lieber?“

„Sie meinen, eine ordentliche oder eine unordentliche Tracht? Keine von beiden, vielen Dank.“ Unglaublich. Da stand sie mitten in der Wüste von Bahanien und diskutierte darüber, in welcher Weise sie misshandelt werden sollte!

„Ich meinte“, setzte er ihr geduldig auseinander, als wäre sie begriffsstutzig, „welche der drei Möglichkeiten dir lieber wäre.“

„Ich darf wählen? Wie demokratisch!“

„Ich versuche nur, fair zu sein.“

Offenbar hatte er den Sarkasmus in ihrer Bemerkung nicht verstanden. „Es wäre fair, mir ein Pferd sowie Vorräte zur Verfügung zu stellen und mir die Richtung zu zeigen.“

„Du hast schon dein Pferd und dein Kamel verloren. Wieso sollte ich dir da eines meiner Tiere anvertrauen?“

Da ihr die Frage nicht gefiel, ging sie einfach darüber hinweg. „Ich möchte nicht umgebracht werden“, entgegnete sie. „Ich habe ebenfalls nicht die Absicht, die Sklavin eines Mannes zu sein.“ Sie wollte auch nicht in den Palast zurückkehren und den König der Kobolde heiraten, aber leider blieb ihr kaum etwas anderes übrig.

Ob ihr Vater Lösegeld für sie bezahlen würde? Vermutlich schon, damit er nicht schlecht dastand. Wäre eine seiner kostbaren Katzen entführt worden, würde sich bis zu deren Rückkehr das gesamte Königreich in Aufruhr befinden.

Traurig, dass sie in der Zuneigung ihres Vaters weit unter ihren Brüdern und den Katzen rangierte. Kardal wusste das allerdings nicht. Sie musste ihm eröffnen, wer sie war, und hoffen, dass er Ehre besaß und zu seinem König stand. Traf das zu, würde er sie zu ihrem Vater zurückbringen. Danach konnte sie sich mit der Verlobung mit dem König der Kobolde auseinandersetzen.

Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe von einem Meter sechzig auf und versuchte, würdig zu wirken. „Ich bin Prinzessin Sabra von Bahanien. Sie haben kein Recht, mich festzuhalten oder über mich zu bestimmen. Ich verlange, dass Sie mich sofort in den Palast bringen. Sollten Sie das nicht tun, muss ich meinem Vater berichten, wie Sie sich verhalten haben. Dann wird er Sie und Ihre Männer wie Hunde jagen, die ihr auch seid!“

Kardal betrachtete sie sichtlich gelangweilt.

„Glauben Sie mir etwa nicht?“, fragte Sabrina mit schriller Stimme. „Ich versichere Ihnen, dass jedes Wort stimmt.“

„Auf mich wirkst du nicht sonderlich königlich. Wenn du tatsächlich die Prinzessin bist, was machst du dann allein in der Wüste?“

„Das habe ich Ihnen bereits gestern erklärt. Ich suche die Stadt der Diebe und möchte meinen Vater mit den Schätzen überraschen, die ich dort finde.“

„Selbst wenn du die Prinzessin wärst, was ich nicht glaube, verstehe ich nicht, wieso du allein warst. Das ist verboten.“ Kardal zog die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. „Es heißt allerdings, die Prinzessin wäre eigenwillig und schwierig. Vielleicht bist du es ja doch.“

Entweder gab sie ihm recht, dass sie einen schlechten Charakter hatte, oder er glaubte ihr nicht. Wieso nahmen die Leute eigentlich von ihr immer das Schlechteste an?

„Ich werde in Betracht ziehen, was du mir gesagt hast“, entschied Kardal schließlich.

„Was heißt das? Glauben Sie mir, dass ich die Prinzessin bin? Bringen Sie mich in den Palast?“

„Nein“, erwiderte Kardal. „Ich behalte dich vorerst bei mir. Bestimmt ist es sehr unterhaltsam, eine Prinzessin als Sklavin zu haben.“

Sabrina verschlug es die Sprache. Das meinte er nicht ernst. Hoffentlich nicht. „Das können Sie nicht machen!“, stieß sie hervor.

„Doch, ich kann.“ Kardal lachte leise vor sich hin und ließ sie schäumend zurück.

„Das werden Sie bereuen!“, schrie sie ihm nach. Wäre sie nicht so wild auf Kaffee gewesen, hätte sie ihm die heiße Flüssigkeit in den Nacken gekippt. „Das wird Ihnen noch leidtun!“

Kardal drehte sich um. „Ja, Sabrina, höchstwahrscheinlich tagtäglich, solange ich lebe.“

Auspeitschen wäre viel zu harmlos für Kardal. Zu dem Schluss kam Sabrina vierzig Minuten später. Jetzt wollte sie wieder, dass er gehängt und erschossen, vielleicht auch noch geköpft wurde. Es reicht nicht, dass er sie bedroht und beleidigt hatte. Jetzt hatte er sie nicht nur gefesselt, sondern ihr auch noch die Augen verbunden.

„Ich begreife nicht, was Ihnen einfällt!“, behauptete sie und bebte vor Wut. Auf einem Pferd zu sitzen und nichts zu sehen war grausam. Bei jedem Schritt rechnete sie damit, unter den Hufen des Tieres zu landen.

„Erstens“, raunte Kardal dicht an ihrem Ohr, „du brauchst nicht zu schreien. Ich bin direkt hinter dir.“

„Als ob ich das nicht wüsste.“ Sie saß vor ihm im Sattel und wollte ihn nicht berühren, aber von der starren Haltung tat ihr schon alles weh. Sosehr sie jeden Kontakt vermied, stieß sie doch immer wieder gegen ihn. „Und zweitens?“

„Dein Wunsch geht in Erfüllung. Unser Ziel ist die Stadt der Diebe.“

Hoffnung und Erregung packten Sabrina. „Dann gibt es sie also doch?“

Kardal lachte leise. „Sicher. Ich habe mein ganzes Leben dort verbracht.“

„Aber Sie können nicht … das ist nicht …“ Jetzt verstand sie gar nichts mehr. „Wenn es diese Stadt gibt, wieso taucht sie dann nur in alten Büchern auf?“

„Weil wir das so wollen. Wir wünschen keinen Kontakt zur Außenwelt, sondern leben nach der Tradition.“

Das bedeutete mit Sicherheit, dass für Frauen das Leben alles andere als angenehm war. „Ich glaube Ihnen nicht. Sie sagen das nur, um mir Hoffnung zu machen.“

„Warum hätte ich dir die Augen verbinden sollen? Ich will verhindern, dass du unsere Stadt später wiederfindest.“

Sabrina biss sich auf die Unterlippe. Sagte Kardal vielleicht doch die Wahrheit? Dann lohnte es sich fast, dass man sie gefangen genommen hatte. Und wenn sie die Stadt später nicht wieder finden sollte, bedeutete es, dass er sie irgendwann laufen ließ.

„Gibt es dort Schätze?“, fragte sie.

„Du suchst materielle Reichtümer?“, fragte er geringschätzig.

„Sprechen Sie nicht mit mir, als wäre ich nur hinter Geld her“, entgegnete sie gereizt. „Ich habe einen Universitätsabschluss in Archäologie und einen in der Geschichte von Bahanien. Ich interessiere mich für die Stadt aus wissenschaftlichen Gründen. Aber warum mache ich mir die Mühe“, fügte sie verdrossen hinzu. „Sie hören mir ohnehin nicht richtig zu. Glauben Sie, was Sie wollen. Es ist mir egal.“

Es ist ihr nicht egal, dachte Kardal, als sie schließlich schwieg. Er hatte gehört, dass sie in Amerika zur Schule gegangen war, aber er hatte nicht angenommen, sie hätte das Studium abgeschlossen. Er war nicht überzeugt, dass sie die Reichtümer seiner Heimat nicht doch für sich haben wollte, aber er war bereit, sie den Beweis antreten zu lassen.

„Entspann dich“, riet er ihr freundlich, als sie sich krampfhaft vorbeugte, und zog sie an sich. „Wir haben einen langen Ritt vor uns. Wenn du dich anspannst, tut dir hinterher alles weh. Ich verspreche dir, nicht auf meinem Pferd über dich herzufallen.“

„Dann erinnern Sie mich bitte daran, dass ich nie mehr absteige“, antwortete sie und ließ sich gegen ihn sinken.

Sabrina machte Probleme. Leider fand Kardal ihren Körper äußerst reizvoll. In der Nacht hatte er sie ignoriert, aber jetzt waren sie sich viel zu nahe. Er hatte sie zu sich in den Sattel gehoben, damit sie nicht fliehen konnte. Und er hatte ihr die Hände gefesselt, um sie in ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken und sie für ihre Widerspenstigkeit zu bestrafen. Doch jetzt traf ihn die Strafe selbst.

Bei jedem Schritt seines Pferdes rieb sich ihr Körper an seinem und erregte ihn. Dabei war sie keine traditionelle Frau der Wüste. Sie war weder bescheiden noch entgegenkommend. Ihr scharfer Verstand erlaubte ihr, Worte als Waffe einzusetzen. Wahrscheinlich hatte das Leben im Westen sie verdorben. Sie zeigte keinen Respekt, dazu war sie starrsinnig und verwöhnt.

Obwohl er sie recht anziehend fand, hätte er sie nicht für sich ausgesucht. Doch er hatte gar keine Wahl getroffen. Schon bei seiner Geburt hatte alles festgestanden.

Wieso wusste sie nicht, wer er war? Hatte ihr Vater es ihr nicht erklärt, oder hatte sie nicht zugehört? Wahrscheinlich traf die zweite Erklärung zu. Kardal lächelte. Wenn Sabrina etwas nicht hören wollte, machte sie einfach dicht. Das musste er ihr noch austreiben.

Aber was hätte diese übellaunige Schönheit wohl gesagt, hätte sie gewusst, dass er der Mann war, dem sie versprochen war?

Nach und nach entspannte Sabrina sich immer mehr und ließ sich gegen Kardals harte muskulöse Brust sinken. Er hielt jetzt die Zügel vor und nicht mehr hinter ihr, und sie stützte sich auf seine Unterarme.

Es wirkte höchst intim, wie sie ihn berührte, aber vielleicht lag es auch nur an der Dunkelheit durch die Augenbinde. Das alles war neu für sie. Schließlich war sie noch nie entführt worden.

„Machen Sie das öfter?“, fragte sie. „Unschuldige Frauen entführen, meine ich.“

„Du magst vieles sein, Prinzessin“, erwiderte er leise lachend, „aber du bist nicht unschuldig.“

Darin irrte er, doch das war im Moment bestimmt kein Thema. Sie konnte …

Das Pferd stolperte unvermittelt. Sabrina glaubte zu fallen und versuchte, sich festzuhalten, griff jedoch ins Leere.

„Schon gut.“ Kardal legte ihr den Arm fest um die Taille. „Ich lasse nicht zu, dass dir etwas passiert.“

„Sie sorgen sich nicht um mich“, hielt sie ihm verärgert vor. „Sie wollen nur nicht, dass Ihrer Geisel etwas zustößt.“

„Genau, mein Wüstenvogel“, bestätigte er lachend. „Ich lasse dich nicht wegfliegen, und ich achte darauf, dass du nicht verletzt wirst, bis ich die mir zustehende Belohnung erhalte.“

Das alles gefiel ihr nicht. Vermutlich glaubte er, was über sie in der Zeitung stand. „Sie irren sich in mir.“

„Ich irre mich selten“, raunte er ihr ins Ohr. „Du bist keine pflichtbewusste Tochter, sondern führst im Westen ein wildes Leben. Das ist allerdings kein Wunder. Du bist die Tochter deiner Mutter, keine Frau aus Bahanien.“

Sie hasste es, dass sie stets nach Berichten in Zeitungen und Zeitschriften beurteilt wurde. Nur wenige Menschen machten sich die Mühe, die Wahrheit herauszufinden. „Ist Ihnen noch nie der Gedanke gekommen, dass die Medien etwas falsch darstellen könnten?“

„Manchmal trifft das zu, aber nicht in deinem Fall. Du hast die meiste Zeit in Los Angeles gelebt und den dortigen Lebensstil übernommen. Hätte dein Vater dich hierbehalten, hättest du unsere Lebensart gelernt.“

„Sie stellen es so dar, als wäre es meine Schuld, dass mein Vater mich gehen ließ“, hielt sie ihm vor. „Damals war ich vier Jahre alt und hatte nichts zu sagen. Falls Sie es vergessen haben sollten: Die Gesetze von Bahanien verbieten, dass Nachkommen des Königs im Ausland erzogen werden. Und trotzdem hat mein Vater zugelassen, dass meine Mutter mich mitnimmt. Er hat nicht mal versucht, sie aufzuhalten.“

Wäre sie ein Sohn gewesen, hätte er sie bei sich behalten, aber sie war eben nur die Tochter. Sabrina war verbittert, doch vielleicht lernte sie irgendwann, sich nicht um die Meinung anderer zu kümmern.

„Sie können sagen, was Sie wollen“, erklärte sie Kardal. „Und sie können Theorien entwickeln und ihre Meinung verkünden. Die Wahrheit kenne nur ich.“

„Das stimmt“, räumte er ein. „Und jetzt entspann dich, und ruh dich aus. Wir werden fast den ganzen Tag unterwegs sein, und du hast letzte Nacht kaum geschlafen.“

Sabrina atmete tief durch, und nach einer Weile fragte sie schläfrig: „Leben Sie wirklich in der Stadt der Diebe?“

„Ja, Sabrina.“

Es gefiel ihr, wie er ihren Namen aussprach. „Schon immer?“

„Ja, schon immer. Ich war einige Jahre fort, um zur Schule zu gehen, aber ich bin wieder in die Wüste zurückgekehrt, weil ich hierher gehöre.“

„Ich habe nie irgendwohin gehört“, gestand sie. „Wenn ich in Kalifornien bin, stellt meine Mutter sich an, als wäre ich ihr ständig im Weg. Jetzt bessert sich das, aber früher hat sie sich beklagt, dass sie durch mich nicht tun konnte, was sie wollte. Das stimmt nicht, weil sie mich einfach bei der Haushälterin zurückgelassen hat. Und in Bahanien …“ Sabrina seufzte. „Mein Vater mag mich nicht besonders. Er glaubt, ich wäre wie meine Mutter, was nicht wahr ist. Die Menschen schätzen ihre Wurzeln nicht. Ich wäre froh, welche zu haben.“

„Vielleicht für zehn Minuten“, erwiderte Kardal. „Dann würden sie dich schon behindern. Du bist verwöhnt, mein Wüstenvogel. Gib es zu.“

Sabrina setzte sich kerzengerade auf. „Das stimmt nicht. Sie kennen mich nicht. Es ist einfach, Berichte zu lesen und auf Gerüchte zu hören.“

„Du würdest wahrscheinlich sogar wegen der Farbe des Himmels mit mir streiten.“

„Nicht, wenn ich ihn sehen könnte.“

„Gib dir keine Mühe“, entgegnete er. „Ich nehme dir die Augenbinde nicht ab.“

„Ihr Benehmen lässt zu wünschen übrig.“

„Mag sein“, räumte er lachend ein, „aber du wirst es nicht ändern. Als meine Sklavin wirst du dich mit anderen Dingen beschäftigen.“

Sabrina schauderte. „Das ist doch nur ein Scherz, oder? Sie wollen mir lediglich eine Lektion erteilen, die Ihrer Meinung nach nötig ist.“

„Warte es ab. Sei aber nicht allzu überrascht, wenn du herausfindest, dass ich dich nicht gehen lasse.“

Das war verrückt. Im heutigen Bahanien hielten Männer keine Sklavinnen. Oder vielleicht im hintersten Winkel der Wüste doch? Sie schluckte heftig. „Was … also … was genau soll ich denn machen?“

Er schwieg einige Sekunden. „Das ist eine Überraschung“, flüsterte er dann, und sein Atem strich über ihr Ohr.

„Vermutlich keine angenehme“, stellte sie nüchtern fest.

3. KAPITEL

Sabrina schreckte durch Geräusche aus dem Schlaf hoch und geriet einen Moment in Panik, weil sie nichts sehen konnte. Dann fiel ihr ein, dass sie gefesselt war und eine Augenbinde trug.

„Wo sind wir?“, fragte sie ängstlich, weil so viel zu hören war – Gesprächsfetzen, Rufe, Grunzen und Blöken. Blöken? Das waren Ziegen. Schellen klingelten, Münzen klimperten. Es roch nach gekochtem Fleisch, Tieren und Duftölen. „Auf einem Marktplatz? Wollen Sie mich verkaufen?“

„Du musst dich nicht vor das nächste Fahrzeug werfen“, erwiderte Kardal gelassen. „Die Vorstellung besitzt zwar einen gewissen Reiz, aber ich werde dich nicht verkaufen. Wir sind am Ziel. Willkommen in der Stadt der Diebe.“

Sie spürte seine Finger am Hinterkopf. Dann nahm er ihr die Augenbinde ab, doch es dauerte einige Sekunden, bis sie sich an die Helligkeit gewöhnte. Sobald sie sehen konnte, stieß sie einen gedämpften Schrei aus.

Wohin sie auch blickte, sah sie Menschen in der traditionellen Kleidung der Wüste. Frauen trugen Körbe, Männer führten Esel, Kinder liefen überall herum. An einer gepflasterten Straße reihten sich Stände aneinander, und die Verkäufer riefen ihre Waren aus.

Ein Dorf, sogar eine Stadt! Gab es die Stadt der Diebe tatsächlich? Sie drehte sich im Sattel zu Kardal um. „Ist das alles echt?“

„Natürlich. Ah, man hat uns bemerkt.“

Die Leute starrten Sabrina an und zeigten auf sie. Prompt fühlte sie sich schmutzig und ungepflegt. Der Umhang lag auf ihrem Schoß und verbarg die Handfesseln. Ein dünnes Tuch verdeckte ihr rotes Haar. Allerdings saß sie als Frau bei einem Mann im Sattel. Darüber hinaus hatte sie westliche Gesichtszüge, ihre Haut war nicht so dunkel wie die der Einheimischen, und die Form ihrer Augen fiel sofort auf. Auch ihr Mund passte irgendwie nicht, ohne dass sie jemals dahintergekommen wäre, woran das genau lag. Sie wusste nur, dass man sie selten für eine echte Einwohnerin von Bahanien hielt.

„Wo ist der Schatz?“, fragte sie. „Kann ich ihn sehen? Gibt es davon ein Verzeichnis?“

Bevor Kardal antworten konnte, hörte sie ein Geräusch, mit dem sie hier keinesfalls gerechnet hätte. Sie wandte den Kopf und hielt den Atem an. Am Rand des Marktplatzes zog sich eine niedrige Steinmauer hin, und dahinter entdeckte sie einen Fluss.

„Wasser?“, hauchte sie ungläubig.

„Wir werden von einer unterirdischen Quelle versorgt“, erklärte Kardal und drängte das Pferd vorwärts. „Östlich der Stadt verschwindet der Fluss wieder unter der Erde, aber hier können wir unsere Felder versorgen.“

In der Wüste war Wasser mehr wert als Gold oder Öl. Mit Wasser konnte sich Leben halten, ohne Wasser ging es zugrunde.

„In einigen Tagebüchern war von einer Quelle die Rede“, murmelte sie, „aber nicht von einem Fluss.“

„Vielleicht durften die Verfasser ihn nicht sehen oder wollten nicht über ihn schreiben.“

„Möglich.“

Sabrina richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Marktplatz. „Das können doch nicht alles Nomaden sein, sonst würden sie zumindest einige Monate im Jahr in der Wüste verbringen.“

„Stimmt. Ein Teil dieser Leute lebt ständig innerhalb der Stadtmauern. Andere bleiben nur eine Weile und ziehen dann weiter.“

Mauern? Sabrina sah sich auf dem Marktplatz um und stellte erst jetzt fest, dass sie über einen riesigen Hof ritten. Als sie sich im Sattel umdrehte, bemerkte sie ungefähr fünfhundert Meter hinter ihnen eine Steinmauer.

„Das ist doch nicht möglich“, flüsterte sie beeindruckt.

„Ja, die Stadt gibt es wirklich.“

Als sie sich einer inneren Mauer näherten, betrachtete Sabrina die großen Steine und den hölzernen Torbogen mit dem größten zweiflügeligen Tor, das sie jemals gesehen hatte. Es war mindestens fünfzehn Meter hoch.

„Wie alt ist dieses Tor?“, fragte sie aufgeregt. „Wann wurde es errichtet? Woher stammt das Holz? Wo sind die Handwerker? Arbeiten sie noch?“

„So viele Fragen auf einmal“, scherzte Kardal. „Dabei hast du das Schönste noch gar nicht gesehen.“

Sie ritten durch das Tor. Dahinter befand sich ein zweiter Innenhof, die Stadtmauer setzte sich fort, und als Sabrina den Kopf hob, wäre sie beinahe vom Pferd gefallen. Kardal hielt das Tier an, damit sie ausgiebig die Burg aus dem zwölften Jahrhundert bewundern konnte, die jetzt vor ihnen lag.

Sabrina brachte kein Wort hervor. Das Bauwerk ragte wie eine antike Kathedrale mit Türmen, Erkern, Schießscharten und einer Zugbrücke zum Himmel auf.

Eine Burg! Mitten in der Wüste! Sie konnte es kaum glauben. Einzelne Abschnitte waren umgebaut, angefügt oder modernisiert worden. Es waren westliche und östliche Einflüsse festzustellen, Fenster aus dem vierzehnten und Türme aus dem achtzehnten Jahrhundert. Hinter den Fenstern bewegten sich Menschen.

„Wie ist das möglich?“, fragte sie. „Wieso blieb dieser Ort jahrhundertelang verborgen?“

„Vielleicht die Farbe der Häuser, vielleicht die Lage“, meinte Kardal.

Alles war aus sandfarbenen Steinen erbaut und ringsum von niedrigen Bergen umgeben.

„Regierungen anderer Staaten müssen Bescheid wissen“, sagte sie mehr zu sich selbst als zu Kardal, während er weiterritt. „Infrarotaufnahmen. Satellitenfotos.“

„Natürlich“, bestätigte er. „Es liegt aber im Interesse aller, unsere Stadt geheim zu halten.“

Sie hielten vor dem Eingang der Burg an. „Ich steige zuerst ab“, erklärte Kardal und ließ sich vom Pferd gleiten.

Erst jetzt merkte sie, dass sie eine Menschenmenge angelockt hatten. Zum Glück achteten die Leute weniger auf sie als auf Kardal. Einige Männer verbeugten sich leicht, als er um das Pferd herumging.

„Warum sehen die Leute Sie so an?“, fragte Sabrina. „Haben Sie etwas falsch gemacht?“

„Was bist du doch misstrauisch“, meinte er lächelnd, fasste sie an der Taille und hob sie vom Pferd. „Die Leute begrüßen mich bloß und heißen mich zu Hause willkommen.“

„Nein, dann hätten sie gewunken. Hier geht es um mehr.“

Er führte sie die Stufen zum Eingang der Burg hinauf. Die Menge teilte sich, und alle verbeugten sich.

Sabrina blieb stehen. „Wer sind Sie?“, fragte sie und ahnte schon jetzt, dass ihr die Antwort nicht gefallen würde.

„Das sagte ich bereits. Ich bin Kardal.“

„Ja, sicher. Kardal.“ Sie rührte sich nicht von der Stelle. „Und weiter?“

Er bemühte sich um eine unschuldige Miene, was ihm aber nicht gelang. Sabrina hätte in diesem Moment die Hände in die Hüften gestemmt, wäre sie nicht gefesselt gewesen.

„Sie können mich meinetwegen verwöhnt nennen, aber ich bin nicht dumm. Wer sind Sie?“

Ein alter Mann mit hängenden Schultern trat lächelnd auf sie zu. Er reichte ihr kaum bis zum Kinn. „Wissen Sie das nicht?“, fragte er mit brüchiger Stimme. „Er ist Kardal, der Prinz der Diebe. Er herrscht über diese Stadt.“

Sabrina öffnete den Mund und schloss ihn wieder. „Sie?“, fragte sie nach einer Weile ungläubig.

Kardal zuckte mit den Schultern. „Früher oder später hättest du es ohnehin herausgefunden. Ja, ich bin der Prinz.“ Er deutete auf die Burg und die umliegende Wüste. „Ich bin der Herrscher über alles, was man von hier aus sieht. Die Wüste ist mein Königreich, und mein Wort ist Gesetz.“

Er zog ihr den Umhang von den gefesselten Händen, führte sie die Stufen zum Eingang der Burg hinauf und wandte sich an die Menge.

„Das ist Sabrina!“, verkündete er. „Ich habe sie in der Wüste gefunden und für mich in Besitz genommen. Wer sie anfasst, hat seinen letzten Atemzug getan.“

Sabrina stöhnte und wurde rot. Alle starrten sie an und redeten über sie. „Na toll“, meinte sie leise. „Todesdrohungen für jeden, der mir bei der Flucht helfen könnte. Herzlichen Dank.“

„Das habe ich gesagt, um dich zu beschützen.“

„Wieso fällt es mir dann so schwer, das zu glauben? Außerdem behandeln Sie mich wie Ihren Besitz.“

„Hast du vergessen, dass du meine Sklavin bist?“

„Das hätte ich gern getan, hätten Sie mir die Gelegenheit geboten“, erwiderte sie zornig. „Als Nächstes binden Sie mir vermutlich ein Halsband um, wie mein Vater das mit seinen Katzen macht.“

„Wenn du brav bist, behandle ich dich so gut wie dein Vater seine Katzen.“

„Darauf muss ich wahrscheinlich lange warten.“

Lachend führte Kardal sie in die Burg. Unzählige Fragen stürmten auf sie ein, während sie ihm folgte.

„Wenn Sie wirklich der Prinz der Diebe sind“, sagte sie schließlich, „haben Sie dann Ihr ganzes Leben andere bestohlen?“

„Ich stehle nicht. Das gibt es bei uns schon lange nicht mehr. Wir sorgen auf andere Weise für unser Auskommen.“

Sabrina wollte sich genauer erkundigen, aber die glatten Steinmauern, die kunstvollen Wandteppiche und die Mosaike im Fußboden lenkten sie ab. Außerdem bestaunte sie goldene Kerzenhalter, mit Edelsteinen verzierte Rahmen, Gemälde sowie antike Möbel.

Der Saal der Burg hatte etwa die Ausmaße eines Fußballfeldes und reichte über mindestens zwei Etagen. Licht fiel durch bunt bemalte Fenster und Dachluken herein.

„Kein Strom?“, fragte sie und deutete auf die Kerzen und Gaslichter, während Kardal ihre Handfesseln durchtrennte.

„Wir erzeugen welchen, aber nicht für den Wohnbereich.“

Erneut führte er sie an der Hand weiter. Vergeblich versuchte sie, alles in sich aufzunehmen. Wohin sie auch blickte, entdeckte sie schöne alte und höchstwahrscheinlich gestohlene Gegenstände. Es gab sogar Gemälde von alten Meistern und Impressionisten. Einige hatte sie in Büchern gesehen. Sie galten als verschollen und höchstwahrscheinlich vernichtet.

Kardal führte sie durch ein Gewirr von Gängen und treppauf, treppab. Sie wechselten so oft die Richtung, dass Sabrina völlig die Orientierung verlor. Wer ihnen entgegenkam, blieb lächelnd stehen und verbeugte sich leicht. Hätte sie nicht schon gewusst, wer Kardal war, hätte sie es spätestens begriffen, als sie vor einer Doppeltür stehen blieben.

Der Prinz der Diebe! Es hätte schlimmer sein können. Er hätte sich als König der Kobolde entpuppen können.

Kardal öffnete die Tür. Sabrina trat ein und hielt den Atem an. Als Kardal sie dann losließ, drehte sie sich langsam im Kreis und betrachtete den weitläufigen Raum.

In dem Himmelbett hätten leicht sechs Personen Platz gefunden. Die Couch war in dem gleichen Burgunderrot gehalten wie die Bettdecke und der herrliche Orientteppich auf dem Steinboden. Eine der Wände wurde von dem Mosaik eines radschlagenden Pfaus geschmückt. Der Kamin war riesig, und es gab Hunderte, vielleicht sogar Tausende alter in Leder gebundener Bücher.

„Sind sie katalogisiert?“, fragte Sabrina, strich mit den Fingern über die Rücken, öffnete eine alte Ausgabe von Shakespeares „Hamlet“ und traute ihren Augen nicht, als sie die Jahreszahl 1793 las. Auf einem kleinen Tisch lag eine von Hand illustrierte Ausgabe der Bibel. Solche Schätze hatte Sabrina noch nie gesehen. Mit dem Buch in der Hand drehte sie sich um. „Kardal, wissen Sie, was Sie hier haben? Das ist unschätzbar.“

Er winkte ab. „Jemand wird sich um dich kümmern, damit du baden und dich angemessen kleiden kannst.“

„Angemessen?“

Aus seinen dunklen Augen traf sie ein eindringlicher Blick. „Als meine Sklavin hast du gewisse … Aufgaben. Damit du sie erfüllen kannst, musst du dich angemessen kleiden, um mir zu gefallen.“

Betroffen stellte sie das Buch zurück und betrachtete das Bett sowie die Liege. „Das ist nicht Ihr Ernst. Kardal, das ist nur ein Spiel, nicht wahr?“ Sie wich zurück, bis sie gegen die Wand stieß. „Ich meine, ich bin Prinzessin Sabra. Vergessen Sie das nicht!“

Zielstrebig ging er auf sie zu, blieb direkt vor ihr stehen und legte ihr die Hand unters Kinn. „Ich weiß, wer du bist. Also brauchst du bei mir nicht die Unschuldige zu spielen.“

Seine Worte trafen sie wie ein Schlag. „Ist Ihnen noch nicht in den Sinn gekommen, dass ich vielleicht gar nicht spiele?“

„Dein Lebensstil in Kalifornien ist allgemein bekannt“, erwiderte er. „Es mag mir nicht gefallen, was du getan hast, aber ich werde es zu meinem Vorteil nutzen. Und dich auch.“

Seine Fingerspitzen berührten kaum ihre Wange, aber sie spürte es trotzdem in jeder Faser ihres Körpers. Außerdem war er ihr so nahe, dass sie kaum atmen konnte. Angst und Unglauben mischten sich miteinander. Er meinte doch nicht …

„Wir können keinen Sex haben!“, stieß sie hervor.

„Ich bin kein selbstsüchtiger Liebhaber“, versicherte er. „Du wirst befriedigt werden.“

Sie wollte nicht befriedigt werden. Sie wollte, dass er ihr glaubte, doch es war sinnlos. Kardal würde nie zuhören, ganz gleich, was sie auch einwandte. Er hielt sie für ein Partygirl, das mit jedem Mann schlief. Über die Behauptung, dass sie noch Jungfrau war, hätte er nur gelacht.

„Befriedigung wird mich kaum für das entschädigen, was Sie planen“, stellte sie bitter fest.

„Du urteilst, bevor du mich kennengelernt hast.“

„Ich will nichts weiter, als in den Palast meines Vaters zurückkehren.“

„Vielleicht irgendwann“, erwiderte er und zog die Hand zurück. „Wenn ich dich leid bin. Bis dahin genieße den Aufenthalt in meinem Zuhause. Schließlich ist dein Herzenswunsch in Erfüllung gegangen. Du bist in der Stadt der Diebe.“

Damit drehte er sich um und verließ den Raum.

„Unglaublich“, murmelte Sabrina und betrachtete sich in einem bodenlangen Spiegel mit vergoldetem Rahmen. „Ich sehe aus wie eine Komparsin in einem schlechten Film über den Orient.“

„Der Prinz hat darauf bestanden“, entgegnete Adiva, die Dienerin, die Sabrina half, sich für Kardal herzurichten.

„Kann ich mir denken“, bemerkte Sabrina seufzend. Es hatte keinen Sinn, ihren Zorn an der freundlichen Dienerin auszulassen.

Adiva, höchstens achtzehn, hielt den Blick abgewandt. Sie trug eine Tunika über einer weiten Hose und hatte das dichte dunkle Haar zu einem Zopf geflochten. Offenbar besaß sie jene Bescheidenheit, die Kardal bei Frauen schätzte.

Sabrina betrachtete wieder ihr Spiegelbild, das kaum schlimmer sein konnte. Die hauchdünne Hose schmiegte sich um ihre Hüften und war an den Knöcheln eng geschnitten. Abgesehen von dem tief am Bauch hängenden Hosenbund war Sabrina praktisch von der Taille abwärts nackt, weil der Stoff nichts verbarg.

Das Oberteil aus dem gleichen hellen Material war nicht viel besser. Es fiel über ihre Arme, während ihre Brüste nur von einem BH-artigen goldenen Band bedeckt wurden. Das lange rote Haar hatte Adiva ihr zu einem hoch am Kopf angesetzten Pferdeschwanz zusammengebunden. Auch das Haarband war goldfarben.

„Ich lasse Sie jetzt allein, und Sie werden auf unseren Herrn warten“, erklärte Adiva leise, wich zurück und verneigte sich leicht.

„Mir wäre lieber, du würdest bleiben“, erwiderte Sabrina. Sie war nervös und nicht im Geringsten in der Stimmung, sich einem Mann hinzugeben. Allerdings würde der Prinz der Diebe natürlich keine Rücksicht auf ihre Wünsche nehmen.

Adiva verbeugte sich erneut und zog sich zurück. Kaum war sie allein, als Sabrina in dem lang gestreckten Raum auf und ab ging und abwechselnd Kardal und sich selbst verwünschte.

Dem guten Mann stand eine Überraschung bevor. Er erwartete eine erfahrene Geliebte und würde die Jungfrau Sabrina vorfinden. Wenigstens blieb ihr die kleine Genugtuung, dass es ihn den Kopf kosten würde, wenn er sie deflorierte. Das war allerdings nur ein kleiner Trost.

Unruhig trat sie ans Fenster, konnte jedoch den Ausblick auf den Innenhof und den fernen Marktplatz nicht genießen. Die Leute gingen bereits nach Hause, genau das, was sie jetzt auch gern getan hätte. Nervös nahm sie die Wanderung durch den Raum wieder auf.

„Bleib stehen, damit ich dich betrachten kann.“

Sabrina erstarrte. Kardal stand bei der Tür. Er war lautlos wie ein Geist eingetreten, und er trug auch jetzt eine weite Hose und ein Leinenhemd, aber beides war sauber und frisch gebügelt. Sein Haar schimmerte feucht im Schein der Laternen, und er hatte sich rasiert.

Da sie gar nicht wissen wollte, was er jetzt dachte, vermied sie es, ihm in die Augen zu sehen, doch die schön geformte Nase und das kräftige Kinn entgingen ihr nicht. Wäre er kein Entführer gewesen, der über Frauen herfiel, hätte sie ihn sehr attraktiv gefunden.

Während sie ihn verstohlen betrachtete, zeigte er nicht so viel Zurückhaltung, sondern musterte sie wie eine Stute, die er kaufen wollte. Er ging sogar um sie herum, bis sie schauderte und die Hände zu Fäusten ballte.

„Das können Sie nicht machen.“ Vergeblich versuchte sie, ihrer Stimme einen kräftigen Klang zu verleihen. „Ich bin eine Prinzessin. Wenn Sie mir das antun, steht darauf der Tod. Außerdem schulden Sie als Prinz der Diebe dem König von Bahanien Gefolgschaft. Wenn Sie seiner Tochter etwas antun, beleidigen Sie ihn.“

Kardal verschränkte die Arme. „Du vergisst, dass sich der König von Bahanien nichts aus seiner Tochter macht.“

„So gern ich das vergessen würde, kann ich es leider nicht.“

„Glaubst du wirklich, er wäre empört?“, fragte er, kam näher, griff nach ihrer Hand und ließ sie nicht los, auch als Sabrina sich wehrte. „Vielleicht wäre er verärgert“, räumte Kardal ein und strich ihr mit einem Finger über die Handfläche, sodass ein Prickeln durch ihren Arm lief. „Vielleicht würde er sich aufregen, aber er würde mich wohl kaum töten.“

„Es spielt keine Rolle, wie er über mich denkt“, sagte sie widerstrebend. „Ich bin ein Mitglied seines Haushalts, und darum wird er Sie bestrafen.“

„Vielleicht hast du recht“, meinte Kardal gleichgültig. „Wir werden es herausfinden. Gemeinsam.“

Er handelte blitzartig. Eben hatte er noch leicht ihre Hand gestreichelt, und im nächsten Moment wurde etwas Schweres um ihre Handgelenke gelegt.

Sabrina wollte vor Wut schreien, bekam jedoch kaum Luft. Sklavenarmbänder! Der Mann hatte ihr Sklavenarmbänder angelegt!

„Sie … Sie …“ Verzweifelt suchte sie nach einem passenden Schimpfwort, doch ihr fiel keines ein. „Wie können Sie es wagen!“

Anstatt sich vor ihr zu fürchten, was vermutlich zu viel verlangt gewesen wäre, lächelte er. „Du magst doch alles Alte und Wertvolle. Eigentlich solltest du dich geehrt fühlen.“

Geehrt? Sie starrte auf die zehn Zentimeter breiten goldenen Armbänder. Sie waren alt und sehr schön gefertigt, das eingravierte Muster war äußerst fein und kunstvoll. Irgendwo musste man drücken, damit sich der Verschluss öffnete, doch es konnte Wochen dauern, die Stelle zu finden.

„Wie können Sie es wagen?“, wiederholte sie. „Sie haben mich gezeichnet!“

„Du bist mein Besitz“, erwiderte er lässig. „Was hast du erwartet?“

Das war eine unglaubliche Beleidigung. „Ich bin kein Tier, dem man ein Halsband umlegt.“

„Nein, sondern eine Frau, der man Sklavenarmbänder umlegt.“

Sabrina streckte ihm die Arme hin. „Ich verlange, dass Sie das sofort wieder abnehmen!“ Obwohl es sinnlos war, zerrte sie an dem rechten Armband. „Ich hasse dieses Ding! Ich hasse es, hier zu sein! Ich will nicht Ihre Sklavin sein! Ich lasse mich nicht so geringschätzig behandeln wie ein Kamel!“

Kardal blieb ruhig. „Ich empfinde großen Respekt für Kamele“, entgegnete er. „Sie dienen einem ein ganzes Leben lang und verlangen nur wenig als Gegenleistung. Das kann man von dir bestimmt nicht behaupten.“

Das war zu viel. Sabrina schrie auf, griff nach einer Obstschale, packte eine Orange und warf sie nach ihm.

„Raus!“, schrie sie. „Verschwinden Sie, und kommen Sie nie wieder!“

Lachend ging er zur Tür. Lachend! Am liebsten hätte sie ihn umgebracht, langsam und genüsslich!