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ZUM ERSTEN, ZUM ZWEITEN … ZU DIR? von SARAH M. ANDERSON Sexy, wild, gefährlich: Ein Bad Boy wie Billy Bolton ist wirklich der Letzte, der zu einer braven Lehrerin wie Jenny passt. Warum nur weckt er trotzdem ihre Lust? Als Billy bei einer Charity-Auktion als Junggeselle versteigert wird, gerät Jenny spontan in Versuchung … VERFÜHRT VON EINEM PLAYBOY von LINDSAY ARMSTRONG Als Bridget von der Straße abkommt, wird sie von einem geheimnisvollen Fremden gerettet – und verführt. Alles scheint wie ein Traum. Bis Bridget kurz darauf entdeckt: Sie ist schwanger! Doch der Fremde ist Adam Beaumont, ein berüchtigter Playboy! NUR EINE RASANTE AFFÄRE? von HEIDI RICE Liebe? Nie wieder, denkt Jessie. Bis eines Tages ein faszinierender Mann auf einem Motorrad direkt in ihr Herz braust! Doch der Lebenskünstler Monroe Latimer macht ihr schnell klar: Eine heiße Sommeraffäre ist wunderbar – aber an die große Liebe glaubt der Bad Boy nicht …
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Seitenzahl: 566
SARAH M. ANDERSON, LINDSAY ARMSTRONG, HEIDI RICE
JULIA HERZENSBRECHER BAND 50
IMPRESSUM
JULIA HERZENSBRECHER erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
Neuauflage 2024 in der Reihe JULIA HERZENSBRECHER, Band 50
© 2013 by Sarah M. Anderson Originaltitel: „Bringing Home the Bachelor“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Anja Mehrmann Deutsche Erstausgabe 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg,in der Reihe COLLECTION BACCARA, Band 346
© 2010 by Lindsay Armstrong Originaltitel: „One-Night Pregnancy“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Sonja Sajlo-Lucich Deutsche Erstausgabe 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 320
© 2007 by Heid Rice Originaltitel: „Bedded by a Bad Boy“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Juliane Sarnes Deutsche Erstausgabe 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 092009
Abbildungen: Kiuikson / Getty Images, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 11/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751525541
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Jegliche nicht autorisierte Verwendung dieser Publikation zum Training generativer Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) ist ausdrücklich verboten. Die Rechte des Autors und des Verlags bleiben davon unberührt. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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SARAH M. ANDERSON
Während des morgendlichen Streits mit ihrem vierzehnjährigen Sohn versank Jenny in einem Tagtraum. Ein einziges Mal sollte sich jemand um sie kümmern. Nur ein Mal, dachte sie seufzend, soll mir die Welt zu Füßen liegen, anstatt über mich hinwegzutrampeln.
„Warum kann ich nach der Schule nicht zu Tige gehen?“, quengelte Seth jetzt auf dem Beifahrersitz. „Er hat ein neues Motorrad. Ich hab keine Lust zu warten, bis dein blöder Termin vorbei ist.“
„Keine Motorräder“, sagte Jenny in dem Ton, in dem sie normalerweise ihre Erstklässler ermahnte. Hoffentlich schafften sie es noch bis zur Schule, bevor ihr der Geduldsfaden riss. Sie trat etwas stärker auf das Gaspedal.
„Warum nicht? Josey fährt auch überall mit dem Motorrad hin.“
„Josey ist erwachsen“, erwiderte Jenny mühsam beherrscht. Das war der Unterschied zwischen einem Teenager und einem Kind: Der jüngere Seth hatte immer gewusst, wann er aufhören musste. „Joseys Mann hat ihr das Fahren beigebracht. Sie hatte noch nie einen Unfall. Doch Tige ist ein Rowdy, der keinen Helm aufsetzt und sein Motorrad schon zweimal zerlegt hat. Also: keine Motorräder.“
„Aber Mom, das ist nicht fair!“
„So ist das Leben. Gewöhn dich dran.“
„Wenn Dad noch hier wäre, würde er mich fahren lassen.“
Bevor ihr eine passende Antwort einfiel, bog sie um die letzte Kurve vor der Pine Ridge Charter School, an der sie zwei Klassen unterrichtete. Überall standen Lastwagen und Autos herum, und grelles Scheinwerferlicht durchschnitt die sanfte Morgendämmerung.
Verdammt, dachte Jenny, als Seth sich vorbeugte, um den Trubel genauer zu betrachten. Über der Auseinandersetzung hatte sie ganz vergessen, dass heute die ersten Dreharbeiten an der Schule stattfanden.
Im Umkreis von hundert Meilen war die Pine Ridge Charter School die einzige Einrichtung für Schüler von der ersten bis zur achten Klasse. Ihre Cousine Josey und ihre Tante Sandra hatten sie finanziert. Das Gebäude war im letzten Herbst gerade rechtzeitig zum Schulanfang fertig geworden. Was vor allem den Spenden der Crazy Horse Choppers zu verdanken war, also der Firma von Ben Bolton und dessen Brüdern Billy und Bobby. Die Boltons hatten mit ihren Motorrädern der Spitzenklasse viel Geld verdient. Josey war mit Ben Bolton verheiratet und erwartete ihr erstes Baby.
Was an sich merkwürdig genug war. Aber das war noch nicht alles: Bobby Bolton hatte mehrere Videos davon gedreht, wie sein Bruder Billy in der Werkstatt der Choppers Motorräder baute. Die Filme hatte er ins Internet gestellt, wo sie sehr gut ankamen. Vermutlich, weil Billy wie ein betrunkener Matrose fluchte und gelegentlich mit Werkzeug nach Leuten warf. Jenny selbst hatte keinen Internetzugang und die Show noch nie gesehen. Für sie klang das nach Trash-TV.
Inzwischen waren die Aufnahmen jedoch an ihre Schule verlegt worden. Billy Bolton sollte hier ein Motorrad bauen und den Schülern zeigen, wie man mit Werkzeug umgeht. Dann würden die Boltons das Motorrad versteigern und der Schule den Erlös zukommen lassen. Natürlich würde Bobby die ganze Sache filmen.
Jenny wusste nicht genau, welcher Teil der Geschichte ihr am wenigsten gefiel. Ben war wirklich in Ordnung. Er war konzentriert bei der Sache und sah auf dem Motorrad fantastisch aus. Obendrein machte er Josey glücklich – und damit auch Jenny.
Bobby, der jüngste der Bolton-Brüder, sprach nur mit ihr, wenn er etwas von ihr wollte. Er war attraktiv, charmant und unglaublich reich. Jenny traute ihm nicht über den Weg.
Billy, dem Ältesten, traute sie noch weniger. Er war … Nun, vielleicht gehörte er nicht zu den Hell’s Angels, doch es hätte sie kaum überrascht, wenn er Mitglied einer kriminellen Motorradbande wäre. Er war ein muskulöser Mann, vor dem sich eigentlich jeder fürchtete. Als sie ihm auf Joseys Hochzeit vorgestellt worden war, hatte er ruhig, sexy und … gefährlich auf sie gewirkt. Die Kombination wäre erregend gewesen, wenn Jenny derartige Gefühle zugelassen hätte. Mit seinem braunen, zum Pferdeschwanz gebundenen Haar, dem säuberlich gestutzten Bart und dem Smoking, der ihm wie ein Handschuh gepasst hatte, hatte er einen unvergesslichen Anblick geboten.
Wie seine Brüder war auch Billy auf raue Art hinreißend und sehr reich – doch er stellte sein Vermögen weniger zur Schau als die beiden anderen. Ben war kein Angeber, aber alles, was er besaß, war vom Feinsten. Bobby hingegen zeigte gern, wie wohlhabend und erfolgreich er war. Und Billy? Das Familienvermögen schien ihn beinah anzuwidern. Allein sein Blick hatte Jenny so eingeschüchtert, dass sie kaum ein Wort herausbrachte, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren.
Und jetzt würde dieser Mann an ihrer Schule und mit ihren Schülern arbeiten.
Es war eine Sache, dass er sie auf einer Hochzeitsfeier nervös gemacht hatte. Dort hatte sie ein elegantes Kleid getragen, das teurer gewesen war als ihr Haus und ihr Auto zusammen. Etwas ganz anderes war es jedoch, wenn dieser Mann mit ihren Schützlingen zu tun hatte. Sie würde keinerlei unanständiges oder gar gefährliches Verhalten von einem der Boltons dulden. Ein einziger Fehltritt, und Billy Bolton würde sie kennenlernen.
Kaum hatte sie den Wagen auf ihrem Stammparkplatz abgestellt, als Seth schon ausstieg und die umherlaufenden Menschen beobachtete. Normalerweise war Jenny morgens die Erste in der Schule. Sie ging es gern langsam an, bevor die Horde von Sechs- bis Achtjährigen in den Klassenraum stürmte. Sie kochte Tee und bereitete sich in Gedanken auf den Tag vor. Und da Seth meistens im Mehrzweckraum mit seiner Gitarre übte, war die Ruhe für Jenny beinah so etwas wie Meditation.
Aber heute? Von wegen Meditation.
„Wir haben ein Problem: Auto im Bild!“, rief eine Frau gerade laut in ihr Walkie-Talkie. Sie drückte sich an Jenny vorbei, während ein Mann die Scheinwerfer justierte und sie dabei mit dem Lichtstrahl blendete.
Gleich darauf sprach jemand sie von der Seite an. „Jennifer? Hi, ich bin Bobby Bolton. Wir kennen uns von der Hochzeit. Ich freue mich, Sie wiederzusehen. Die Schule macht gute Arbeit, und wir finden es toll, ein Teil davon zu sein. Aber Sie müssen Ihr Auto da wegfahren.“
Jennifer. Ihre Nackenhaare sträubten sich. Ja, er versuchte, nett zu sein, doch sie hieß nicht Jennifer. Sie hieß Jenny Marie Wawasuck.
Langsam drehte sie sich um und hörte Seth verächtlich schnauben. Er wusste genau, dass man sie besser nicht Jennifer nannte.
„Wie bitte?“, war das Höflichste, was sie hervorbringen konnte.
Bobby trug ein Headset und sah wie immer blendend aus. „Sie wissen doch, dass wir heute hier drehen, Jennifer. Sie müssen Ihr Auto da wegfahren.“
Eigentlich war es zu früh am Tag, um die Geduld zu verlieren … „Ach, und warum?“
Bobby lächelte sie an, und sie hätte ihm am liebsten einen Hieb in den Magen versetzt. „Wir wollen drehen, wie Billy ankommt, und dazu brauchen wir Platz.“ Nun klangen seine Worte beinah wie ein Befehl. „Fahren Sie Ihr Auto da weg.“
Dieser überhebliche … Sie richtete sich zu ihrer vollen Größe von einem Meter fünfundsechzig auf, war aber immer noch zwanzig Zentimeter kleiner als Bobby. Sie hasste es, zu ihm hochschauen zu müssen. Schade eigentlich, dass sie keine Trittleiter dabeihatte.
„Nein. Ich parke immer hier.“ Im tiefsten Innern wusste sie, dass sie überreagierte. Doch er sollte nicht glauben, dass er mit ihr umspringen konnte, wie er wollte.
Bobbys Lächeln verschwand, und auf einmal sah er müde aus. „Ich weiß, dass das Ihr Parkplatz ist, aber ich denke, als erwachsene Frau sollten Sie damit klarkommen, Ihren Wagen mal für einen Tag woanders abzustellen. Vielen herzlichen Dank.“
„Vicky?“, sagte er in sein Headset. „Können wir einen Kaffee für Jennifer bekommen? Danke!“ Mit aufgesetztem Lächeln wandte er sich wieder Jenny zu. „Ich weiß, es ist noch früh, doch wenn Sie den Wagen weggefahren und einen Kaffee getrunken haben, geht es Ihnen bestimmt besser, Jennifer.“
Jenny ärgerte sich über seinen herablassenden Ton, aber noch bevor sie ihm sagen konnte, dass sie niemals Kaffee trank und auch ihr Auto nicht wegsetzen würde, schob sich hinter ihr jemand vor das Licht des Scheinwerfers.
Schauer liefen ihr über Arme und Nacken, als eine tiefe kraftvolle Stimme ertönte. „Sie heißt nicht Jennifer.“ Ein Faustschlag traf Bobby so hart am Arm, dass er taumelte. „Ihr Name ist Jenny. Und hör auf, dich wie ein Idiot zu benehmen.“
Jenny schluckte, als Billy Bolton aus dem Dunkeln auftauchte und sich neben seinen Bruder stellte. Ich habe keine Angst vor diesem Mann. Obwohl er dreißig Zentimeter größer war als sie, teure Lederchaps über der Jeans trug und eine dunkle Sonnenbrille auf der Nase hatte. Und obwohl er aussah wie der Inbegriff des wilden Bikers.
Er befand sich auf ihrem Territorium, und sie würde nicht nachgeben. Auf keinen Fall.
Dann wurde ihr plötzlich klar, was Billy gesagt hatte.
Leichte Gänsehaut breitete sich auf ihrem Rücken aus. Sie hätte nicht geglaubt, dass er sie überhaupt wiedererkennen würde. Stattdessen rempelte er Bobby an, weil der sie mit dem falschen Namen angesprochen hatte.
Meine Schule, mein Reservat, dachte sie erneut und räusperte sich. „Richtig. Viel Spaß bei Ihrem Filmchen, meine Herren.“ Langsam und würdevoll ging sie auf das Schulgebäude zu, doch Bobby und Billy holten sie ein.
„Unser Problem ist noch nicht gelöst.“
„Welches Problem?“, fragte Billy.
„Jennif… Jennys Auto steht im Weg. Wir wollen filmen, wie du auf dem Motorrad in der aufgehenden Sonne angefahren kommst. Ich habe sie gebeten, es wegzustellen. Nur für heute“, fügte er hinzu und lächelte sie wieder an. „Aber weil sie noch keinen Kaffee hatte, sieht sie die Notwendigkeit nicht ein.“
Was für ein Geschwätz. Glaubte er wirklich, er könnte sie mit diesem Lächeln überzeugen? Sie war anders als die meisten Frauen, die beim Anblick von Bobby Bolton gewissermaßen dahinschmolzen.
„Dass Josey Ihnen die Erlaubnis gegeben hat, an dieser Schule zu filmen, heißt noch lange nicht, dass Sie und Ihre Crew den Unterricht stören dürfen“, sagte sie forsch.
Dann passierte etwas Merkwürdiges. Billy blickte sie an und beugte sich vor. Er nahm einen tiefen Atemzug … und schien ihn zu genießen. „Sie trinkt keinen Kaffee“, sagte er, als eine Frau mit einer Tasse des schwarzen Gebräus auftauchte.
Billy Bolton verwirrte sie. In den vergangenen vierzehn Jahren war Jenny für das männliche Geschlecht nahezu unsichtbar gewesen. Niemand war an einer mittellosen alleinerziehenden Mutter indianischer Herkunft interessiert.
Aber Billy beachtete sie. Sie wusste nicht, ob sie sich geschmeichelt oder bedroht fühlen sollte.
„Fahren Sie Ihren Wagen jetzt weg?“, fragte er.
„Nein.“
Hinter der Sonnenbrille waren seine Augen nicht zu erkennen, doch sie hatte den Eindruck, dass er sie abschätzend musterte. Plötzlich drehte er sich um, ging zu ihrem Auto und hob es an der vorderen Stoßstange an. Mit bloßen Händen. Okay, es war ein klappriger, zwanzig Jahre alter Kleinwagen, aber trotzdem … er hob ihn hoch wie einen Wäschekorb. Wäre sie nicht so wütend gewesen, hätte der Anblick seiner Muskeln sie zum Schwärmen gebracht. All ihre Bad-Boy-Fantasien schienen in ihm verkörpert zu sein.
„Hey … hey!“, rief Jenny, als er das Auto etwa zehn Meter weiterschob und es dann auf dem Gras absetzte. „Was zum Teufel machen Sie da?“
„Ein Problem lösen.“ Billy wischte sich die Hände an den Chaps ab und blickte Jenny an.
Jetzt reichte es ihr. Als wäre das Gequengel ihres Sohnes nicht schon genug gewesen. Sie hatte versucht, nett und höflich zu sein. Und was hatte ihr das eingebracht? Nichts als Ärger.
„Passen Sie auf, Sie … Sie …“ Bevor sie wusste, was sie tat, hatte sie Billy mit der Faust auf die Brust geboxt.
Er reagierte nicht einmal. Genauso gut hätte sie versuchen können, eine Mauer umzuwerfen. Und die verflixte Gänsehaut war auch schon wieder da, doch die verdrängte sie einfach aus ihrem Bewusstsein.
„Weder Sie noch Ihr Bruder werden mich hier herumkommandieren. Es ist meine Schule. Ist das klar?“
Billy verzog den Mund zu einem Grinsen. Machte er sich etwa über sie lustig?
Sie holte aus, um noch einmal zuzuschlagen, denn sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass dieser Mann nur Gewalt verstand.
Diesmal fing Billy ihre Faust rechtzeitig ab und hielt sie fest. Augenblicklich schoss eine Hitzewelle durch ihren Körper.
Mühsam beherrscht riss sie sich los. „Jetzt passen Sie mal auf … Es ist mir egal, wie groß und stark oder reich und berühmt Sie sind. Sie befinden sich hier in meiner Schule, in meinem Reservat, Mister. Ein einziger Fehler, und ich verarbeite Sie persönlich zu Hackfleisch und verfüttere Sie an die Kojoten. Haben Sie das verstanden?“
Billy schwieg. Durch die Sonnenbrille hindurch blickte er sie an. Es sah aus, als müsse er sich ein Lachen verkneifen.
„Mom!“, war Seth hinter ihr zu hören.
„Wir müssen jetzt anfangen, Jenny“, fügte Bobby hinzu. Er stellte sich zwischen sie und Billy. An Bobby vorbei blickte sie Billy böse an. „Wir sind noch nicht fertig miteinander.“ Dann drehte sie sich um und ging.
Sie hätte schwören können, dass Billy geantwortet hatte: „Stimmt.“
Billy blickte ihr nach. Sein Tag hatte sich eindeutig zum Besseren gewendet. Hatte Joseys hübsche kleine Cousine ihm tatsächlich gedroht, ihn an die Kojoten zu verfüttern? Zum Teufel, höchstens seine Brüder wagten noch, ihm heutzutage zu drohen. Alle anderen kannten entweder seinen Ruf als Wild Bill – obwohl das Ganze schon zehn Jahre her war –, oder sie wussten, dass er genug Geld besaß, um sie bis zum jüngsten Gericht zu verklagen.
Verdammt, diese zierliche Frau hatte wahrscheinlich von beidem gehört und ihm trotzdem gedroht. Er fuhr mit den Fingern über die Stelle, wo sie ihn mit der Faust getroffen hatte – genau auf der tätowierten Rose. Noch immer konnte er die Berührung spüren. Wie lange war es eigentlich her, dass ihn eine Frau angefasst hatte?
Wenn es um das weibliche Geschlecht ging, hatte er schon immer einen zweifelhaften Geschmack gehabt und deshalb einige Wunden davongetragen. Heute interessierten sich andere Frauen für ihn als die Motorradbräute von früher … Frauen mit mehr Klasse, die aber auch mehr an seinem Geld als an ihm selbst interessiert waren. Billy würde nicht zulassen, dass ihm noch einmal eine das Herz brach. Seine unnahbare Ausstrahlung hielt ihm die meisten Frauen vom Leib.
Wenn er sich recht erinnerte, hatte Jenny Wawasuck Angst vor ihm gehabt, als sie sich auf der Hochzeit von Ben und Josey begegnet waren. Und er hatte auch nichts unternommen, um das zu ändern.
Josey hatte ihn geradezu angefleht, auf ihrer Hochzeit einen Smoking zu tragen. Und so hatte er ein Exemplar aus dem Schrank ausgegraben, das er sich hatte anfertigen lassen, als Bobby ihn unbedingt zu einer vornehmen Party in Hollywood mitschleppen musste. Der Anzug verbesserte seine Laune nicht gerade, denn die Vorfreude seines Bruders auf die Hochzeit erinnerte ihn an all das, was er sich bisher vergeblich gewünscht hatte.
Jenny war ein süßes Ding. Nicht die Sorte Frau, die er früher in Bars abgeschleppt hatte. Und auch kein geistloses Luxusweibchen. Ihre langen Haare waren gelockt, aber nicht toupiert, und auf ihren Schultern waren keine Tattoos zu sehen. Während der Hochzeit hatte er keinen vernünftigen Satz an sie richten können, worüber er sich immer noch ärgerte.
Doch sie war ohnehin nicht sein Typ und er schon gar nicht ihrer. Und dabei würde er es belassen.
Jetzt ließ er sich von Bobby zeigen, wie er mit seinem Bike über den Schotterweg zur Schule und wieder zurück fahren sollte, bis die Filmcrew ihm irgendwann sagen würde, dass es genug war.
Auf dem Motorrad konnte er am besten nachdenken. Normalerweise ging es dann um irgendwelche Probleme beim Design. Heute aber drehten sich seine Gedanken um Jenny.
Sie seien noch nicht fertig miteinander, hatte sie gesagt. Vielleicht hatte er ja als Mittdreißiger keinen Biss mehr, aber er hoffte tatsächlich, dass sie recht behalten würde.
Nachdem Billy eine Stunde hin- und hergefahren war, zeigte sich sein Bruder endlich zufrieden. Zu diesem Zeitpunkt platzte die Schule bereits aus allen Nähten. Sämtliche Schüler waren da und ein Großteil der Eltern ebenfalls.
Damals, als er sich seinen Ruf hart erarbeitet hatte, wurde er von vielen Leuten bewundert oder beneidet. Seit diese Sache mit den Internetvideos angefangen hatte, waren die Reaktionen noch unangenehmer geworden. Er hatte keine Ahnung, was von ihm erwartet wurde. Er wusste nur, dass die Leute wegen Wild Bill Bolton da waren, und er hasste es.
Als er seine Maschine neben der Werkstatt abstellte, kam Josey auf ihn zu. „Guten Morgen, Billy“, sagte sie. „Ist alles in Ordnung?“
Offensichtlich hatte Jenny ein Gespräch mit ihrer Cousine geführt. „Bobby ist und bleibt ein A…“
„Pass auf, was du sagst! Hier sind Kinder!“
Es würde ein furchtbar langer Tag werden. „Also gut … ein Depp. Bobby ist immer noch ein Depp.“
Josey seufzte. „Billy, denk bitte an die Regeln.“
„Ja, ich weiß. Nicht fluchen und keine Sachen durch die Gegend werfen.“
Josey tätschelte ihm den Arm. „Es sind doch nur drei Wochen.“
Das stimmte, doch während dieser Zeit würde er sich nach Bobby richten müssen. Er war mit der Show nur einverstanden gewesen, weil sie ihm einen Grund lieferte, neues Werkzeug anzuschaffen. Außerdem hatte er geglaubt, auf diese Weise den Familienfrieden zu wahren. Inzwischen zweifelte er an seiner Entscheidung.
Klar, es war nett, dass man ihn jetzt überall erkannte. Doch eigentlich wünschte er sich, dass „Real American Bikers“, wie Bobby die Serie von Videoclips nannte, ein Flop würde. Dann würde er endlich wieder das tun, was er am besten konnte: Motorräder bauen. Keine Kameras, keine Groupies, kein Ruhm.
Leider sah es vorerst nicht danach aus, denn die Videos verzeichneten auf YouTube eine stattliche Anzahl von Klicks. Billy selbst hatte noch nie mehr als zwei Minuten von der Show gesehen. Das Ganze war ihm peinlich.
„Oh, da ist ja Don Two Eagles“, sagte Josey und winkte einen älteren Mann heran. „Don, das ist …“
„Billy Bolton. Du siehst aus wie dein Vater“, sagte Don, und es klang nicht gerade nach einem Kompliment.
Ben hatte Billy alles über Don erzählt. „Sie sind der Typ, der Dad während der Achtziger in Sturgis den Kiefer gebrochen hat, richtig?“
„Verdammt richtig“, sagte Don. „Ich habe deinen Vater fertiggemacht, und ich habe keine Angst davor, mit dir dasselbe zu tun, also benimm dich, klar?“
„Don“, zischte Josey. „Da, die Kinder kommen heraus. Bobby möchte, dass wir dir ein paar der älteren Schüler vorstellen, Billy. Kriegen wir das hin?“, fragte Josey.
„Sicher.“
„Ich hab ein Auge auf dich“, sagte Don noch, als ihn das Produktionsteam weglotste.
„Kannst du dir vorstellen, dass Bobby deinen Vater herbringen wollte, damit er und Don aufeinander losgehen? Manchmal glaube ich, dein Bruder hat den Verstand verloren“, sagte Josey.
„Dann sind wir ja schon zwei“, gab Billy zurück. Er mochte Josey. Sie hatte verstanden, wie die Bolton-Familie funktionierte, und sie bemühte sich, den Familienfrieden aufrechtzuerhalten.
Dann hörte er sich fragen: „Kommt Jennys Klasse auch?“
Erstaunt blickte Josey ihn an. „Nein, die Erst- und Zweitklässler dürfen nicht in die Werkstatt.“
„Ich habe übrigens nicht versucht, ihr Auto kaputt zu machen“, fügte er hinzu.
„Ich weiß. Du hast nur ein Problem gelöst.“ Erneut tätschelte sie mütterlich seinen Arm.
Billy wollte gerade den Staub von den Felgen putzen, als die Produktionsassistentin auf ihn zukam.
„Wir müssen dir ein Mikro auf die Brust kleben“, sagte Vicky.
Sie gehörte definitiv zu der Sorte von Frauen, die Angst vor ihm hatten. Offensichtlich fand sie seine Tattoos nicht besonders attraktiv.
„Okay“, fuhr sie fort, nachdem sie seine Brustmuskeln begutachtet hatte, die sich unter dem T-Shirt abzeichneten. „Musst du … das Shirt ausziehen?“
Billy griff nach dem Saum seines T-Shirts, als plötzlich die Türen der Schule aufflogen und etwa fünfzig Kinder herausstürmten. Sofort legte Josey ihm die Hand auf den Arm. „Könnt ihr das woanders machen?“
Vicky schluckte. Sie wollte unter allen Umständen vermeiden, allein mit ihm zu sein.
Komisch, dachte er, denn Bobby war eine viel größere Bedrohung für das weibliche Geschlecht. Billy war nicht mehr mit einer Frau zusammen gewesen, seit …
Verdammt. Das wurde ja immer deprimierender. Tatsache war, dass er schon seit Jahren keine Frauen mehr mit nach Hause nahm, die aussahen, als wären sie einem Heavy-Metal-Video entsprungen.
Seitdem hatte er sich in die Arbeit gestürzt. Weil er gut war, brachte es ihm jede Menge Geld ein. Doch mit dem Wohlstand war eine neue Sorte von Frauen aufgetaucht. Älter, reicher und gieriger. Billy interessierte sich nicht für sie. Ein einziges Mal hatte er sich auf eine Frau eingelassen, und sie hatte ihm das Herz gebrochen. Mehrfach. Da war es gesünder, einfach noch ein Motorrad zu bauen.
Seine Maschinen hatten ihn berühmt gemacht. Verdammt, manchmal hatte er morgens beinah Angst, das Haus zu verlassen. Einmal waren ein paar Groupies in der Werkstatt aufgetaucht und hatten gekreischt, als wäre er ein Rockstar. Was Bobby natürlich gefilmt hatte. Wahrscheinlich hatte er das Ganze ohnehin eingefädelt. Nein, auf keinen Fall würde Billy ihm noch einmal in die Falle gehen. Lieber allein als mit einer Frau zusammen sein, die ihn nur benutzen wollte.
„Geht da um die Ecke. Hier vor den Schülern kann er sich auf keinen Fall ausziehen“, sagte Josey, bevor sie zu den Kindern lief und ihnen den Ablauf erklärte.
Ja, es war besser, wenn er sein Shirt nicht vor den Schülern ablegte. Er hatte Tattoos, und zwar viele. Auch solche, die kleine Kinder und alte Damen erschrecken würden. Also bog er um die Ecke des Schulgebäudes, und Vicky folgte ihm in sicherem Abstand. Er zog das T-Shirt aus. Vicky drückte ihm das Mikro in die Hand und riss einen Streifen medizinisches Klebeband ab. Dann reichte sie es ihm, und er befestigte das Mikrofon über der Rose – an der Stelle, wo Jenny ihn berührt hatte.
Auf einmal begann es in seinem Rücken zu kribbeln. Er drehte sich um und sah, dass ihn eine ganze Klasse von Knirpsen durch die Fenster anstarrte.
Hinter ihnen stand Jenny Wawasuck. Und war schockiert. Ihre Augen waren so groß wie Radkappen, und mit offenem Mund betrachtete sie seinen entblößten Oberkörper. Billy erstarrte.
Ben hätte die Situation ruhig und vernünftig entschärft, und Bobby hätte einfach für die hübsche Lehrerin posiert. Weil er aber keiner von beiden war, fiel ihm nichts Besseres ein, als zurückzustarren.
Sie sagte etwas zu den Kindern, woraufhin diese von den Fenstern verschwanden. Dann warf sie ihm den wütendsten Blick zu, den er jemals bei einer Frau gesehen hatte, und zog die Vorhänge zu.
Das Ganze dauerte weniger als eine Minute.
Verdammt. Jetzt war er fällig. Würde sie ihn aus dem Reservat werfen?
Er seufzte. So lief es immer. Er versuchte, keinen Ärger zu machen, doch der Ärger fand ihn trotzdem.
Schicksalsergeben zog Billy das T-Shirt wieder an und begab sich auf seinen Posten. Er hatte nie begriffen, warum er derjenige vor der Kamera sein musste. Schließlich war Bobby der mit dem Hollywoodstil. Er trug jeden Tag Anzug und Krawatte und redete die Leute in Grund und Boden. Der Mann konnte gut mit Menschen umgehen … außer mit Jenny Wawasuck.
Während ihm die kleineren Kinder vorgestellt wurden, ließ Billy die Tür nicht aus den Augen. Wo blieb Jenny nur? Diese Provokation würde sie doch niemals durchgehen lassen.
Er schüttelte den größeren Schülern, die ihm „helfen“ würden, das Motorrad zu bauen, die Hände. Dabei wurden ihm zwei Dinge klar. Erstens würde Jenny nicht herauskommen und nochmals Streit mit ihm anfangen, und zweitens … war er deswegen enttäuscht.
Glücklicherweise wollte Bobby die ganze Begrüßungszeremonie nicht noch einmal filmen. Don und Josey brachten die Schüler gerade für die nächste Einstellung zur Werkstatt, wo Billy ihnen erklären sollte, wie sie ihm helfen würden. Da passierte es.
Die Hintertür der Schule wurde geöffnet, und Jenny kam heraus. Billys Herzschlag beschleunigte sich. Jetzt, im Tageslicht, bemerkte er, dass sie ihr langes Haar zu einem braven Knoten hochgesteckt hatte. Sie trug eine Bluse mit weißem Kragen, eine blassblaue Strickjacke und dazu einen schlichten Khakirock. Die Uniform einer Frau, die nicht bemerkt werden will.
Billy aber nahm sie wahr, und sein Herz schlug noch schneller. Sie sollte nicht sexy auf ihn wirken, doch sie tat es. Hinter dieser biederen Erscheinung steckte eine heißblütige Frau mit flinkem Mundwerk, die keine Angst vor ihm hatte. Was für eine erregende Kombination.
Die Hände in die Hüften gestemmt stand sie auf der Treppe und starrte ihn an. Normalerweise hätte Billy sich umgedreht und so getan, als hätte er das Missfallen in ihren Augen nicht gesehen.
Stattdessen grüßte er spöttisch, und sie wurde noch wütender. Was sie wohl von seinen Tattoos hielt? Erschreckten sie sie, oder konnte sie in ihnen die Kunstwerke erkennen, die sie waren?
„Wir brauchen dich drinnen“, sagte Bobby. Über Bobbys Schulter hinweg sah er, wie Jenny abwinkte. Dann drehte sie sich um und ging wieder hinein.
Nein, es war noch nicht vorbei. Noch lange nicht.
Billy brauchte einen Drink.
Er trank nur noch selten, doch er hatte sich den ganzen Tag lang der Kinder wegen beherrschen müssen, die mit seinem Werkzeug herumspielten. Und den ganzen Tag lang hatte Bobby ihn immer wieder dasselbe in verschiedenen Einstellungen sagen lassen. Ein ermüdender Tag, an dem nicht am Motorrad gebaut wurde.
Also würde er sich jetzt einen ordentlichen Drink genehmigen.
Es war beinah vorbei. Die Kinder hatten sich eins nach dem anderen auf den Heimweg gemacht. Nur ein Junge, den er schon auf Joseys Hochzeit gesehen hatte, war noch in der Werkstatt.
Billy hatte das Mikro abnehmen dürfen, und niemand verlangte mehr von ihm, in die Kamera zu lächeln.
Wie hieß der Junge doch gleich? Billy dachte scharf nach, aber es fiel ihm nicht ein. „Du bist ja immer noch hier.“
„Ja, meine Mutter redet noch mit den schwangeren Mädchen.“
Plötzlich hatte Billy das Gefühl, dass er sich an den Namen des Jungen erinnern sollte. „Ach ja?“
„Ja.“ Der Junge schaute auf seine Füße. „Es tut mir leid, dass sie Sie heute Morgen so angemacht hat. Manchmal ist sie eben so.“
Moment mal. Deutete der Junge gerade an, dass Jenny seine Mutter war?
Nein … das konnte nicht sein. Schließlich hatte er einen Teenager vor sich.
Es sei denn, sie wäre damals noch sehr jung gewesen. Das vertraute Schuldgefühl drohte, in ihm aufzusteigen. Der Junge konnte nur ihr Sohn sein, wenn sie bei seiner Geburt selbst noch ein Teenager gewesen war. Und ihn behalten hatte.
Verdammt. Das Schicksal hatte manchmal wirklich einen merkwürdigen Sinn für Humor.
Er musste herausfinden, ob sie verheiratet war oder nicht, denn auf gar keinen Fall würde er sich Gedanken über eine gebundene Frau machen. Bolton-Männer waren treu bis in den Tod. Und sie respektierten die Familie – egal, was für Probleme es gab.
„Wo ist denn dein Vater?“ Das war vielleicht nicht die feinfühligste Art nachzufragen, aber Billy war noch nie für sein Taktgefühl bekannt gewesen.
Der Junge zuckte mit den Achseln. „Weiß nich’. Weg, noch vor meiner Geburt. Mom sagt, ohne ihn sind wir besser dran.“
Zwei Gedanken schossen Billy durch den Kopf: Erstens war Jenny nicht verheiratet. Er konnte also weiter darüber nachgrübeln, warum sie ihn mit solcher Leidenschaft … okay, leidenschaftlicher Wut … anblickte. Und zweitens dachte er, dass ein Junge einen Mann in seinem Leben brauchte.
„Ihr Jungs könnt mir nicht wirklich helfen, das Motorrad zu bauen, weißt du.“
Als wollte sie die Aussage unterstreichen, rief Vicky in diesem Augenblick: „Okay, wink in die Kamera, Billy.“
Brav winkte er in die Kamera gegenüber. Er würde nachts und an den Wochenenden arbeiten und das Motorrad alleine bauen. Diese Stunden würden für die Show in zwei- bis vierminütige Szenen geschnitten werden. Der Rest bestand aus gestellten Szenen mit den Jugendlichen.
Die Crew ging hinaus zum Aufnahmewagen, um das Material zu sichten. Bobby checkte nach jedem Dreh die Bänder. Und obwohl er es ihm gegenüber niemals zugegeben hätte, war Billy beeindruckt von der Zielstrebigkeit, mit der sein Bruder die Show gestaltete.
„Ja, ich weiß.“ Der Junge klang ziemlich deprimiert. Dann wurde er wieder munterer. „Ich kann trotzdem helfen. Mom bleibt immer länger hier. Sie hat ein außerschulisches Projekt. Darum bin ich auch oft hier.“
Billy arbeitete lieber allein. In der Werkstatt beschäftigte er sich mit seinen Entwürfen, während die Angestellten alle Teile montierten. Aber irgendetwas an diesem Jungen … und seiner Mutter … ließ ihn schweigen.
Billy wollte kein Vater sein. Das hatte sich vor siebzehn Jahren erledigt. Doch ein guter Lehrer konnte eine Menge bewirken. Cal Horton, sein Lehrer für Technisches Werken in der Highschool, hatte ihm mindestens dreimal das Leben gerettet und ihn zweimal vor dem Gefängnis bewahrt. Das war mehr, als sein eigener Vater, Bruce Bolton, je für ihn getan hatte.
Nein, er konnte diesem Jungen kein Vater sein. Doch Cal würde von ihm erwarten, dass er etwas zurückgab. „Du willst also helfen?“
Der Junge nickte eifrig.
„Gut, dann such dir einen Besen und mach sauber. Es ist dreckig, und nur eine saubere Werkstatt ist eine gute Werkstatt.“
Wahrscheinlich hatte der Junge für Drecksarbeit nichts übrig, und Billy wollte ihn nicht drängen. Er begann, das Werkzeug zu ordnen und wartete auf eine Entscheidung.
Weniger als dreißig Sekunden später schwang der Junge einen Besen.
Billy lächelte in sich hinein. „Wenn du gut arbeitest und dranbleibst, kriegen wir dich vielleicht auf ein Bike.“
„Wirklich?“ Der Junge strahlte. Dann verfinsterte sich sein Gesicht. „Meiner Mutter wird das gar nicht gefallen.“
Ja, das kannte Billy. Auch seine Mutter hatte an vielen Dingen, die er getan hatte, keinen Gefallen gefunden. „Ach, was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß.“
„Sie kennen meine Mutter nicht.“ Der Junge fegte weiter. „Einer meiner Freunde hat ein Motorrad, aber sie lässt mich nicht mal in die Nähe.“ Er schnaubte verächtlich. „Es ist natürlich nicht so eine coole Maschine wie Ihre.“
Billy hatte seine halbe Jugend auf einem Motorrad verbracht, in der Regel gegen den Wunsch seiner Mutter. Doch er hatte alles bestens überstanden.
Na ja, größtenteils jedenfalls.
„Wir machen einen Deal. Du sorgst dafür, dass du gute Noten hast und hilfst mir in der Werkstatt. Dafür darfst du aufs Bike steigen.“ Er ignorierte das breite Grinsen des Jungen. „Aber du musst tun, was ich sage. In dem Moment, in dem du Mist baust, fliegst du raus. Ist das klar?“
Ein Schnaufen, das von der Tür her zu hören war, sagte ihm, dass bereits jemand Mist gebaut hatte.
Er selbst.
Jenny war im Anschluss an ihren letzten Termin in den Mehrzweckraum gegangen, um nach Seth zu suchen. Der hielt von den schwangeren Mädchen so weit wie möglich Abstand. Eigentlich war Jenny froh, dass ihr Sohn noch kein erotisches Interesse am weiblichen Geschlecht hatte, doch ein bisschen Mitgefühl hätte er aufbringen können. Schließlich war auch sie einmal so ein Mädchen gewesen.
Seth war nicht im Mehrzweckraum. Die Gitarre lag unberührt im Koffer. Wo war der Junge bloß?
Oh nein. Die Werkstatt. Billy Bolton.
Dieser Mistkerl, dachte Jenny, als sie den Flur entlanglief. Ja, sein Motorrad stand immer noch auf ihrem Parkplatz. Die Tür zur Werkstatt war offen. Billys tiefe Stimme ließ sich nicht überhören, und sie bekam eine Gänsehaut. Und dann war da noch die hellere Stimme ihres Sohnes.
Es klang, als schimpfte Billy mit ihm. Sie hörte ihn sagen: „… schmeiße dich in dem Moment hier raus, in dem du Mist baust. Ist das klar?“
Atemlos stürmte sie in die Werkstatt. „Was haben Sie zu meinem Sohn gesagt?“
Erschrocken fuhr Seth auf, doch Billy saß ungerührt an einem Tisch. Sein intensiver Blick verursachte ein leichtes Kribbeln in ihrem Körper.
Niemand sonst war im Gebäude; sie war also gerade rechtzeitig gekommen. Billy starrte sie an – in seinen dunkelbraunen Augen lag ein Ausdruck von Geringschätzung. Seth war ein Bild des Jammers. Der Himmel allein wusste, was Billy zu ihrem armen Jungen gesagt hatte.
Doch das würde sie noch herausfinden. Sie marschierte zum Tisch und schlug mit beiden Händen heftig auf die Platte. „Mom“, sagte Seth in beschwörendem Ton hinter ihr. Aber ihr reichte es jetzt mit diesem Kerl.
„Ich habe Sie etwas gefragt. Also antworten Sie. Was fällt Ihnen ein, so mit meinem Sohn zu sprechen?“ Sie bekam keine Antwort. „Seth, pack deine Sachen“, rief sie über die Schulter.
„Aber Mom“, jammerte Seth.
Völlig unbeeindruckt stand Billy auf.
Jenny schluckte. Sie würde sich von seiner kraftvollen Erscheinung nicht einschüchtern lassen. Sicher hätte er sie problemlos über seine Schulter werfen können.
„Immer mit der Ruhe“, sagte Billy beschwichtigend.
Wie bitte? Er wollte sich herausreden? „Von wegen. Wenn es nach mir ginge, würden Sie das Reservat nicht mehr betreten. Was ist nur mit Ihnen los? Erst ziehen Sie sich vor eine Horde von Schulkindern aus, und jetzt drohen Sie auch noch Seth? Sind Sie verrückt?“
Während sie redete, ging Billy um den Tisch herum. Langsam, aber zielstrebig kam er auf sie zu. Sie trat einen Schritt zurück, dann noch einen.
„Was wird das?“, fragte sie.
Als er sah, welche Wirkung er auf sie hatte, hob er amüsiert eine Augenbraue. „Ich will reden. Mit Ihnen.“ Noch ein Schritt.
„Das nennen Sie reden? Sie versuchen, mich einzuschüchtern, aber das funktioniert nicht“, sagte sie, als er sie allmählich in die Ecke drängte. Eigentlich hätte sie Angst haben müssen, doch stattdessen wartete sie neugierig und wachsam auf das, was er als Nächstes tun würde. Sie ließ ihn nicht aus den Augen. Seine Muskeln, die sich bei jedem Schritt anspannten, sein … Lächeln? War es möglich, dass er lächelte?
Einen Meter vor ihr stoppte Billy plötzlich und blickte über die Schulter zurück. Sie stand fast in der Ecke, aber wenn sie schnell genug nach links ausbrach, konnte sie es vielleicht bis zur Tür schaffen. Doch dann müsste sie Seth mit diesem Mann allein lassen, und das wollte sie auf keinen Fall.
Als er sie wieder ansah, lag eindeutig ein Lächeln auf seinem Gesicht. „Nein. Wir reden jetzt.“
Der Anblick des grinsenden Billy Bolton ließ Jenny alles vergessen, was sie hatte sagen wollen.
Um Himmels willen. Hinter dem Bart und dem bedrohlich wirkenden Äußeren verbarg sich ein sehr attraktiver Mann mit überraschend sanften Augen.
Die verflixte Gänsehaut kam wieder zurück, diesmal gefolgt von einer Hitzewelle, die sie erröten ließ. Himmel, ihr ganzer Körper schien zu beben. Einschließlich einiger Regionen, die sie seit Jahren nicht mehr auf diese Art gespürt hatte.
„Was haben Sie vor?“, fragte sie und schämte sich, weil ihre Stimme plötzlich heiser klang.
Für den Bruchteil einer Sekunde blickte er auf ihren Mund. Ohne es zu wollen, fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen.
Es war wie ein Tanz mit komplizierten Schrittfolgen. Die Luft zwischen ihnen knisterte geradezu, und sie warf den Kopf zurück. Er reagierte mit einem tiefen Atemzug, und sie merkte, dass sie unwillkürlich dasselbe tat. Zwei Körper, die sich in einem gemeinsamen Rhythmus bewegten.
Sie musste die Kontrolle über die Situation wiedererlangen, bevor etwas Schreckliches passierte. Bevor Billy sie gegen die Wand drückte, seinen muskulösen Körper an sie presste und sie so heftig küsste, dass sie den Verstand verlor.
Ja. Das wäre das Schlimmste, was ihr passieren konnte.
Aber warum wünschte sie sich so sehr, dass er genau das tat?
„Nichts, was Sie nicht wollen.“
Und damit blieb er stehen. Kein Schritt in ihre Richtung, kein begieriger Blick. Kein Tanz mehr.
Jenny unterdrückte die Erinnerung daran, wie ihr Körper sich im Einklang mit Billys bewegt hatte, sodass sie wieder klarer denken konnte. „Ich will nicht, dass Sie meinem Sohn auf diese Weise drohen.“ Ihre Stimme klang immer noch heiser. „Und Sie sollen sich vor den Kindern nicht so unanständig aufführen.“
„Josey hat mich mit dem Mikro um die Ecke geschickt, damit die Kinder mich nicht sehen. Ich hatte keine Ahnung, dass dort Ihr Klassenraum ist.“ Beinah unmerklich beugte er sich vor. Die Luft zwischen ihnen fühlte sich so heiß an, dass sie zu verbrennen glaubte.
„Sie haben Seth gedroht.“
„Ja, und zwar damit, ihn aus der Werkstatt zu werfen, wenn er sich nicht anstrengt. Wollen Sie mich deswegen etwa an die Kojoten verfüttern?“ Er neigte den Kopf und blickte sie von der Seite an.
„Und Sie haben mein Auto weggetragen.“
„Soll ich es zurückstellen?“ Unter dem T-Shirt ließ er die Brustmuskeln spielen.
Jenny blieb die Luft weg. Anscheinend hatte sie vor ein paar Minuten den Verstand verloren, denn genau nach diesem Anblick hatte sie sich gerade gesehnt.
„Nein.“
„Wie alt sind Sie?“
Blut schoss ihr in die Wangen. „So etwas fragt man nicht!“
Billy deutete mit dem Kinn über die Schulter: „Wie alt ist er?“
Sie begann zu schwitzen. „Das geht Sie gar nichts an!“ Und ehe sie sich versah, fragte sie: „Wie alt sind Sie denn?“
„Vierunddreißig.“
Also fünf Jahre älter als sie.
„Mr. Bolton? Ich bin fertig mit Fegen.“
Seths Stimme holte Jenny wieder in die Gegenwart zurück. „Was bist du?“
„Er hat gefegt.“ Billy begutachtete den Boden der Werkstatt. „Nicht schlecht, Junge.“
„Wie bitte?“ Jenny betrachtete den jetzt sauberen Boden. „Seth hat gefegt? Weil Sie ihm gedroht haben?“
Billy sah sie über die Schulter an – nur einen kurzen Augenblick, doch Jenny bemerkte sein Missfallen. „Wirklich, nicht schlecht“, sagte er zu Seth. Das Gesicht ihres Sohnes leuchtete vor Freude.
„Was zum …“ Seth und sie stritten ständig wegen der Hausarbeit, und bei Billy Bolton war er glücklich, wenn er saubermachen durfte?
Wann war ihr die Kontrolle über das Geschehen entglitten? Ach ja … als sie heute Morgen aus dem Auto gestiegen war.
„Also habe ich es gut gemacht? Kann ich Ihnen morgen früh wieder helfen?“
Jenny schüttelte den Kopf. Sie konnte sich nicht erinnern, wann Seth das letzte Mal so aufgeregt gewesen war.
„Kommt darauf an, was deine Mutter sagt.“ Dann drehte sich Billy zu Seth um. „Du musst dich anstrengen. Wenn ich höre, dass deine Noten schlechter werden, bist du raus. Faulpelze kann ich nicht leiden.“
Seth ließ den Blick zwischen seiner Mutter und Billy hin- und herwandern. Offenbar wartete er darauf, dass sie wieder so in die Luft gehen würde wie heute Morgen. Und sie war immer noch wütend über die Ausdrucksweise, die Billy ihrem Sohn gegenüber benutzt hatte.
Das Dumme war nur, dass ihr alles gefiel, was Billy sagte.
Aber was sollte sie tun? Seth war kein kleiner Junge mehr, und sie hatte das Gefühl, dass er bei Billy sicherer war, als wenn er sich mit Tige oder dessen rebellischen Freunden herumtrieb.
„Darf ich, Mom? Bitte!“
„Sehen wir mal, wie es morgen läuft.“
„Heißt das ja?“ Seth hüpfte von einem Fuß auf den anderen.
„Hey“, rief Billy mit donnernder Stimme. „Deine Mutter hat gesagt, du sollst deine Sachen packen. Also beweg dich!“
Im Nu war Seth verschwunden. Jenny wollte gerade die Bedingungen des Probetages festlegen, doch Billy kam ihr zuvor. „Wegen des Fluchens kann ich nichts versprechen – das steckt zu sehr in mir drin. Trotzdem ist er bei mir besser aufgehoben als bei diesen Randalierern, die er Freunde nennt.“
Hatte Seth ihm von Tige erzählt? Oder hatte er das erraten?
Er beugte sich vor. Wenige Zentimeter trennten sie nun, und sie dachte, er würde sie gleich küssen. Einerseits fürchtete sie sich davor, und andererseits sehnte sie sich danach. Aber er küsste sie nicht. Stattdessen atmete er tief ein.
„Ja, es ist Tee“, sagte er leise, und wieder erbebte sie. Sie konnte nur beten, dass er es nicht merkte. „Etwas sollten Sie über mich wissen, Jenny. Ich pflege meine Versprechen zu halten.“
Sie vergaß auszuatmen. Wenn er ihr so in die Augen sah, vergaß sie einfach alles.
„Mom?“, rief Seth von der Tür her, als Billy sich aufrichtete und einige Schritte zurücktrat. „Ich erledige meine Hausaufgaben, wenn wir nach Hause kommen, okay? Und ich darf Ihnen morgen helfen, nicht wahr, Mr. Bolton?“ Er war so aufgeregt, dass es sie nicht gewundert hätte, wenn er im Kreis gerannt wäre wie ein Vierjähriger.
Seth machte freiwillig seine Hausaufgaben? Ein Mann flirtete mit ihr? War sie heute Morgen etwa in einem Paralleluniversum aufgewacht?
Billy schnaubte, als wäre er beleidigt. „Mr. Bolton ist mein Großvater. Ich heiße Billy.“
„Ja, Sir, Billy!“ Dann stürmte Seth hinaus zum Auto.
Billy drehte sich wieder zu ihr um. Sie musste sofort etwas sagen. Auf keinen Fall durfte er die Oberhand behalten. Doch ihr Verstand war wie benebelt. „Sind wir hier fertig?“, brachte sie mühsam heraus.
Er lächelte. Ein so wundervolles Lächeln hatte sie noch nie gesehen. „Nein.“ Er ging zur Werkbank. „Wir sind noch lange nicht fertig.“
Bevor der Wecker klingelte, war Seth angezogen. Er ließ ihr kaum Zeit zum Frühstücken, und sie kamen zwanzig Minuten früher als sonst an der Schule an.
Auch Billy war schon da. Licht fiel aus der Werkstatttür, die selbst an diesem kühlen Oktobermorgen offenstand. Seth sprang aus dem Auto. „Tschüss“, sagte er und verschwand.
Jenny unterdrückte den Drang, ihm zu folgen. Er war kein Baby mehr. Außerdem hatte sie keinerlei Bedürfnis, Billy Bolton schon jetzt zu sehen.
Dass er ihren Sohn gut behandelte, bedeutete nicht zwangsläufig, dass sie sich in ihn verliebte. Es war auch egal, dass er Muskeln wie ein griechischer Gott und Geld wie Heu hatte.
Also betrat sie das Schulgebäude und überprüfte ihre Unterrichtspläne. Als sie damit fertig war, blieb ihr noch eine halbe Stunde, bis die Schüler eintreffen würden.
Sie stand vor ihrem Wasserkocher und überlegte. Sollte sie in der Werkstatt nach dem Rechten sehen?
Billy hatte etwas versprochen, doch das hieß noch lange nicht, dass er wirklich ein ehrbarer Mann war.
Sie goss Tee in zwei Becher und machte sich mit flauem Gefühl im Magen auf den Weg. Warum war sie eigentlich so nervös?
In dem Moment, als sie einen Fuß in die Werkstatt setzte, beantwortete die Frage sich von selbst. Sie sah das umwerfende Lächeln in Billys Gesicht.
Es schien ihr zu gelten. Eigentlich interessierten Männer sich nicht für sie. Sie sahen ihre schäbige Kleidung, den rostigen Wagen und den frechen Teenager und gingen ihrer Wege. Falls sie überhaupt Notiz von ihr nahmen.
Jetzt aber stand Billy auf und kam auf sie zu. Seth hatte ihr heute Morgen kaum Zeit gelassen, Make-up aufzulegen, doch plötzlich war sie froh, dass es wenigstens für ein bisschen Rouge und Eyeliner gereicht hatte.
„Für mich?“, fragte Billy und blickte auf die Becher in ihren Händen.
„Ja.“
Sie hielt ihm einen Becher hin. Als er mit den Fingerspitzen ganz leicht ihre Hand berührte, erschauerte sie. Die Berührung war viel sanfter, als sie es einem Mann seiner Größe zugetraut hätte. Sofort tanzten ihr Bilder durch den Kopf, obwohl sie versuchte, dem einen Riegel vorzuschieben. Nein, sie würde sich nicht in Billy Bolton verlieben. Sie mochte ihn ja nicht einmal.
Dann hielt er den Becher in der Hand, und die Berührung war vorbei. Eine Sekunde lang blickten sie sich an. Hatte er dieselbe Erregung wie sie gespürt? Natürlich nicht, sagte sie sich. Sie war anscheinend genauso dumm wie die schwangeren Mädchen aus ihrem Kurs, die wegen eines Lächelns alles vergaßen. Sie hatte dafür zu sorgen, dass es Seth gut ging. Keine Anziehungskraft, kein Flirten. Nur die Sorge um ihren Sohn.
„Und, wie läuft’s?“
Billy hielt den Blickkontakt noch einen weiteren Herzschlag aufrecht. „Seth sortiert Befestigungselemente. Die sind beim Ausladen alle durcheinandergeraten.“ Er deutete mit dem Kinn auf ihren Sohn, der mit einem Ausdruck äußerster Konzentration auf einen Haufen Schrauben und Muttern starrte.
„Ich weiß nicht, ob das hier eine Neunzehner oder eine Siebzehner ist.“
Jenny bemerkte den Frust in seiner Stimme. „Warte, lass mich mal …“
Sie war kaum zwei Schritte gegangen, als Billy sie festhielt. „Krieg’s selber raus, Junge. Wer kein Schraubenmaß bestimmen kann, kann auch keine Motorräder bauen!“
Sie erstarrte und wartete auf Seths Wutanfall, der jetzt unweigerlich kommen würde. Doch er blieb aus. Ihr Junge runzelte nur die Stirn und kratzte sich am Kopf. Gleich darauf konnte Jenny sehen, wie ihm quasi ein Licht aufging. Er blickte sich um, griff nach einer Schieblehre und maß die Schraube ab.
„Na bitte“, sagte Billy und drückte sanft Jennys Schulter. Die Hitzewelle, die sie durchfuhr, ließ sie beinah in die Knie gehen. Er war so ein starker Mann, doch seine Berührung war sanft … und erotisch.
„Danke für den Tee“, sagte er leise, als er sich an ihr vorbeischob.
Was um Himmels willen hatte sie davon zu halten? Billy flirtete mit ihr, so viel war sicher. Und sie war dermaßen aus der Übung, dass sie keine Ahnung hatte, wie sie zurückflirten sollte … falls sie das überhaupt wollte.
Billy setzte sich wieder auf seinen Stuhl. „Sehen wir uns später?“
„Wie bitte?“
Einen Moment lang glaubte sie, dass er sie hinauswerfen wollte. Doch dann deutete er mit einem Kopfnicken auf die kleine Kamera, die alles aufnahm, was in der Werkstatt vor sich ging.
„Ich … ähm … ich komme dann nachher wieder, okay?“
„Ja, geht klar, Mom“, entgegnete Seth, offensichtlich schwer beschäftigt. „Tschüss.“
Und Billy? Der schenkte ihr ein halbes Lächeln und sagte ihr damit deutlich, dass er die gewünschte Antwort bekommen hatte.
Er wollte sie später noch sehen.
Jenny schwebte zurück in ihr Klassenzimmer.
Billy hatte keine Ahnung, wieso er wusste, dass Jenny die Werkstatt betreten hatte. Er hatte sie weder gesehen noch gehört. Er trug eine Schutzmaske und hielt ein Rohr fest, während Seth versuchte, es durchzusägen. Don Two Eagles stand ihm gegenüber. Billy beobachtete Seths Hände, Don beobachtete Billy. Das Kreischen von Metall auf Metall machte es unmöglich, etwas anderes zu hören.
Trotzdem wusste er, dass Jenny hereingekommen war. Und das gefiel ihm überhaupt nicht.
Die Werkstatt war schon immer ein frauenfreier Bereich gewesen. Josey kam nur selten her, und wenn, dann blieb sie nicht lange. Und so mochte Billy es. Niemand, der ihn von seinen Motorrädern ablenkte.
Heute lief es anders.
Seth hatte es geschafft, das Rohr zu zerschneiden und schaltete die Säge sogar aus, bevor er sie weglegte.
Billy nahm seine Schweißmaske ab. Da saß diese Frau auf seinem Stuhl, mit zwei Tassen Tee vor sich und einem Lächeln im Gesicht.
Er wollte verdammt sein, wenn er sich nicht freute, sie dort zu sehen.
„Wie läuft’s?“ Sie ließ den Blick zwischen den Männern hin- und herwandern.
„Billy hat mich ein Rohr schneiden lassen!“ Seth griff nach dem Metall und brachte es seiner Mutter.
Misstrauisch beäugte sie die scharfe Kante. „Wie … nett, mein Schatz.“
„Mom“, stöhnte Seth, und Billy unterdrückte ein Lachen.
„Das ist ein Teil des Rahmens“, erklärte er und fragte sich, für wen der Tee sein mochte – für ihn, für Don oder für den Jungen?
Doch da zog Don seine Werkstattschürze aus und guckte auf die Uhr. „Ich muss los. Kommt ihr klar?“ Die Frage war an Jenny gerichtet, aber sein warnender Blick ruhte auf Billy.
Am liebsten hätte Billy den alten Mann in den Boden gestampft. Wie konnte er unterstellen, dass Jenny und ihr Junge bei ihm nicht sicher waren? Bis jetzt hatte er sich schließlich wie ein Gentleman benommen. „Ich bin nicht mein alter Herr“, knurrte er.
Doch Don hörte nicht auf. „Die Frage ist nicht, ob der Apfel vom Baum fällt. Sondern wie weit davon entfernt.“
Die beiden Männer starrten sich an.
„Es ist alles in Ordnung“, sagte Jenny.
Don warf Billy noch einen bitterbösen Blick zu. „Bis morgen dann“, sagte er und ging.
Billy wandte sich wieder Jenny und Seth zu. Der Junge hielt sein Rohrstück über die Pläne und versuchte herauszufinden, wohin es gehörte. Jenny saß nach wie vor auf seinem Stuhl und nippte an ihrem Tee. Sie schien auf etwas zu warten. Aber worauf?
„Er mag Sie nicht“, sagte sie.
Seth schnaubte amüsiert, während er die Pläne studierte. „Don mag grundsätzlich keine Wasicu.“
Jenny knallte die Tasse auf den Tisch. Der Tee spritzte durch die Gegend. „Seth!“
„Keine was?“
Der Junge wurde rot. „Bleichgesichter“, antwortete Jenny, ohne aufzublicken.
Billy hatte in seinem Leben schon genug Schimpfworte gehört, um eine Beleidigung zu erkennen. „Das mag sein. Doch jemandem wie mir ist er noch nie begegnet. Setz die Maske auf, Seth. Wir brauchen mehr Rohre.“
Billy hielt Jenny zwei Ohrstöpsel hin. „Nicht ohne Schutzbrille in die Nähe der Säge gehen“, sagte er, als sie auf die Stöpsel starrte.
„Brauche ich die Dinger wirklich?“
Hätte Billy ihren Sohn ohne die nötigen Vorsichtsmaßnahmen in die Nähe eines Elektrowerkzeugs gelassen, wäre sie garantiert in die Luft gegangen. Aber wenn es um ihre eigene Gesundheit ging?
Er begriff, dass sie die Art von Frau war, die an sich selbst zuletzt dachte.
Also beugte er sich vor, strich ihr ein paar Haarsträhnen aus der Stirn und steckte ihr den Hörschutz in die Ohren.
Als sie die Stöpsel zurechtrückte, war ihr Gesicht tiefrot angelaufen. Da sie ihnen vermutlich bei der Arbeit mit der Säge zusehen würde, griff er außerdem nach einer Schutzbrille und setzte sie ihr auf die Nase. Zwangsläufig kam er ihr dabei ziemlich nahe. Er atmete ihren Duft ein … Babypuder, Tee und Kreide.
Endlich trat er einen Schritt zurück und sah, dass ihre Unterlippe ganz weiß war, weil sie die Zähne hineingegraben hatte. Augenblicklich wurde aus dem, was nicht mehr als eine verwirrende Anziehung gewesen war, pure Begierde. Er wollte diese zierliche Lehrerin. Und zwar auf eine Art, die alles andere als zivilisiert war. Er wollte die Farbe zurück in ihre Lippen küssen und sehen, wie fest sie wirklich zubeißen konnte.
Sie blickte zu ihm auf, und er sah die Begierde auch in ihren Augen. Sie hatte keine Angst vor ihm. Ja, sie wollte ihn ebenfalls.
Oder verzerrte die Schutzbrille auf ihrem Gesicht seine Wahrnehmung? Billy fühlte sich wie damals, als er ihr auf der Hochzeit vorgestellt wurde. Er war unsicher, was er sagen und tun sollte.
Unsicherheit war ein Gefühl, das er nicht mochte. Besonders im Zusammenhang mit einer lockenden Versuchung. Also wandte er sich von Jenny ab und tat etwas, wobei er sich immer wohlfühlte.
Er ging zurück an die Arbeit.
Jenny hatte kaum geschlafen. An der Stelle, an der Billy sie so sanft berührt hatte, schienen ihre Ohren noch immer zu glühen. Er war unglaublich behutsam gewesen. Einen Mann wie ihn hatte sie sich viel rauer und ungeschickter vorgestellt.
Die ganze Nacht hatte sie sich im Bett gewälzt und kaum Schlaf gefunden.
„Ich darf Billy helfen, den Rahmen zu schweißen“, sagte Seth gerade zum vierten Mal an diesem Morgen.
Sie gähnte, fuhr um die letzte Kurve und hielt Ausschau nach Billys Motorrad. Es stand nicht auf dem Parkplatz, wie sie enttäuscht bemerkte.
„Da steht sein Truck!“, rief Seth auf einmal.
Sie parkte neben dem Wagen und warf einen Blick hinein. Oder versuchte es zumindest, denn er war etwa fünfzig Zentimeter höher als ihr Wagen. Und natürlich schwarz. Etwas anderes hätte sie von Billy Bolton auch nicht erwartet.
„Guten Morgen“, sagte Billy, als er um den Truck herum kam und ihr die Wagentür aufhielt.
Die freundliche Geste verschlug ihr die Sprache.
„Hey, wo ist Ihr Motorrad?“ Auch Seth war ausgestiegen.
„Ich musste noch Rohre besorgen“, erwiderte Billy, als er die Autotür hinter Jenny schloss und die Fahrertür seines Trucks öffnete. „Und Tee hab ich uns auch geholt.“
„Wirklich?“ Mühsam gewann sie die Fassung wieder. „Ähm … danke schön!“
„Keine Ursache“, antwortete er und gab ihr einen Becher aus einem der angesagten Coffeeshops, die sie sich nicht leisten konnte.
Diesmal war es Jenny, die vorsichtig seine Finger berührte. Sie waren kräftig, aber lang. Perfekt.
Genau wie er.
Sie musste etwas sagen … irgendetwas … um sich aus der Situation zu befreien. „Was schulde ich Ihnen?“
„Sie schulden mir gar nichts, Jenny.“
„Schweißen wir die Rohre heute zusammen?“, fragte Seth.
Sie zog ihre Hand mitsamt Teebecher von Billy zurück und verließ den engen Raum zwischen den beiden Fahrzeugen.
Einerseits war Jenny ihrem Sohn für die Unterbrechung dankbar. Immerhin hielt er sie davon ab, irgendwelche Dummheiten zu begehen. Zum Beispiel davon, Billy Bolton anzufassen.
Andererseits hätte sie den Jungen am liebsten geschüttelt. Die Sache mit Billy bot so viele interessante Möglichkeiten … Möglichkeiten, die ständig von einem Teenager oder einem Motorrad unterbrochen wurden.
„Langsam. Vielleicht schweißen wir heute Nachmittag nach der Schule. Wenn deine Mutter damit einverstanden ist.“
Billy öffnete die Heckklappe und wartete auf Jennys Zustimmung.
„Gern, solange er Schutzkleidung trägt“, antwortete sie und nahm einen Schluck Tee. Schwarzer, leicht gesüßter Tee. Perfekt, dachte sie wieder und seufzte zufrieden.
„Die anderen Jungs dürfen Rohre schneiden. Bobby sagt, das macht sich gut vor der Kamera. Und du“, fügte Billy hinzu und deutete auf Seth, „du wirst das alles jetzt in die Werkstatt tragen. Fang an!“
„Ich? Wieso ich?“
„Weil es Anfängerarbeit ist, mein Junge. Und du bist ein Anfänger.“
Missmutig griff Seth sich ein paar Rohre, um sie in die Werkstatt zu tragen. Eins fiel zu Boden, dann noch eins. Er balancierte die restlichen Rohre aus und trat nach denen am Boden, stieß sich dabei aber nur den Zeh.
„Lassen Sie ihn allein damit fertigwerden“, flüsterte Billy ihr ins Ohr, fasste sie an der Schulter und zog sie sanft hinter den Truck.
Jenny konnte ein Keuchen kaum unterdrücken. Lag es an der Sorge um Seth oder an Billys Berührung?
Sie versuchte, sich ihm zu entziehen. Das hier fühlte sich nicht so an wie das letzte Mal, als er sie festgehalten hatte. Diesmal war sie mit Billy allein.
Ihr ganzer Körper stand plötzlich unter Spannung. Würde er sie an den Truck drücken, ihr einen Kuss stehlen … oder mehr? Und würde sie es zulassen?
Brave Mädchen ließen sich nicht von bösen Jungs küssen. Und sie hatte die vergangenen vierzehn Jahre damit verbracht, ein braves Mädchen zu sein. Harte Arbeit und Einsatzbereitschaft hatten sie zu einer angesehenen Frau gemacht.
Doch warum wünschte sie sich dann so sehr, dass er sie küsste?
Er tat es nicht. Stattdessen streifte er ihr mit der Hand über den Rücken. Sie erbebte innerlich, als er knapp über ihrem Po die Kurve ihrer Hüfte nachzeichnete.
Himmel, sie musste etwas sagen. Irgendetwas.
„Ich …“ Sie blickte zu ihm auf.
Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt, und der Ausdruck in seinen Augen schaltete den Teil ihres Kopfes aus, der gerade über den Anfang eines höflichen Gesprächs nachdachte.
Billy grinste. Er wirkte wie ein Junge, der endlich die Keksdose gefunden hatte.
„Jetzt müssten Sie mir eigentlich wieder drohen, mich an die Kojoten zu verfüttern“, sagte er und strich ihr das Haar aus dem Gesicht.
Ja, das war ihr Spruch. Doch sie hatte nicht die Kraft, ihn zu sagen. Tanz mit mir. Tanz mit mir, und lass es mich nicht bereuen.
Der Klang von Metall auf Metall und ein unterdrückter Fluch weckten sie aus ihrer Betäubung. Ach ja, Seth war auch noch da. Er sollte seine Mutter nicht mit diesem Mann flirten sehen.
Also riss sie sich los. Und es kostete sie mehr Überwindung, als sie gedacht hätte.
„Wie läuft’s?“, rief Billy, immer noch bester Laune.
„Das ist blöd“, sagte Seth in einem für ihn typisch nörgelnden Tonfall.
„Keiner zwingt dich, Metall zu schleppen“, antwortete Billy vollkommen ungerührt. „Und du musst mir auch nicht beim Schweißen helfen. Deine Entscheidung, Junge.“
Seth stampfte zurück zum Truck, warf Billy einen wütenden Blick zu und zog wieder ein paar Rohre heraus.
„Als ich so alt war wie du, habe ich dasselbe gemacht“, rief Billy ihm nach. „Es stärkt den Charakter.“
„Von mir aus.“
Diesmal musste Jenny kichern. Es war erleichternd zu wissen, dass Seth sich nicht nur ihr gegenüber so benahm. Und offenbar war auch Billys Fähigkeit, den Jungen zu begeistern, begrenzt.
Sie allerdings schien er grenzenlos bezaubern zu können. „Sie machen das besser, als ich gedacht hätte.“
In Wahrheit konnte er eine ganze Menge Dinge besser, als sie je gedacht hätte. Mit den Schülern arbeiten. Mit Seth fertigwerden. Don bei Laune halten.
Und ihr das Gefühl geben, etwas Besonderes zu sein. Das war die größte Überraschung.
Er schwieg einige Sekunden und zuckte schließlich mit den Schultern. „Werken ist gut für Jugendliche.“
„Ach ja?“
„Ja. Auch wenn Sie es nicht glauben: In seinem Alter war ich ebenfalls kein vorbildlicher Schüler.“
„Nicht möglich“, sagte sie mit gespielter Überraschung.
Er lachte leise.
„Ich auch nicht“, gab sie zu. Immerhin hatte sie in Seths Alter bereits ihre Unschuld verloren. Wie das nun mal ist, wenn ein Mädchen mit fünfzehn schwanger wird.
Aufmerksam blickte er sie an. Ihr fiel ein, dass er nach ihrem Alter gefragt hatte und nach dem von Seth.
„Das ist aber schon lange her“, fügte sie verschämt hinzu.
„Interessant“, murmelte er, als Seth sich mit schweren Schritten näherte und weitere Rohre fortschleppte. Und als der Junge außer Sichtweite war, strich Billy ihr noch einmal das Haar aus dem Gesicht.
Sie konnte ihm nicht ausweichen. Er berührte ihr Ohrläppchen und ließ seine Fingerspitzen dann sanft bis zu ihrem Kinn gleiten.
„Was ist?“
„Wenn ich Ihren Sohn nur schief angucke, werfen Sie mich den Geiern zum Fraß vor. Aber wenn ich Sie anblicke …“ Er beugte sich zu ihr … so nah, dass sie seinen Atem spüren konnte, als er ihr Kinn anhob. „Ich sehe Sie an, ich berühre Sie … und sofort ziehen Sie sich in Ihr Schneckenhaus zurück.“
Kein Mann hatte das Recht, so sexy zu klingen. Nicht, wenn er nur Zentimeter von ihr entfernt war und sie mit seinen Fingerspitzen buchstäblich unter Kontrolle brachte.
Er würde sie küssen. Und Seth würde kommen und sehen, was er tat. Das durfte sie nicht zulassen. Sie war eine gute Mutter. Wegen eines Mannes verlor sie nicht den Kopf. Also sagte sie das Erste, was ihr zu ihrer Verteidigung in den Sinn kam. „Vielleicht habe ich ja einfach Angst vor Ihnen.“
Schlagartig ließ er sie los. Die Sonne schien bereits so hell, dass sie sehen konnte, wie sich sein Gesichtsausdruck veränderte. Sein Blick wurde hart, beinah wild, und er verschränkte die Arme. Seine ganze Haltung drückte Zorn aus.
Plötzlich tauchte Seth wieder auf. „Die letzten drei“, sagte er. „Und jetzt?“
Billy musterte sie einen schmerzlichen Augenblick lang. Dann straffte er die Schultern, nahm Seth die Rohre ab und steuerte eilig auf die Werkstatt zu. „Jetzt arbeiten wir.“
Jenny sah ihnen nach. Sie war zu benommen, um etwas zu sagen.
Was zum Teufel war gerade passiert?
Billy hatte sich geirrt. Er hatte Jenny missverstanden. Die aufgerissenen Augen … wie sie sich auf die Lippen biss … Kein Verlangen, sondern Angst.
Er hatte gedacht, sie wäre anders. Und verdammt, er hatte geglaubt, etwas gelernt zu haben … nämlich Frauen richtig einzuschätzen und alles richtig zu machen.
Aber nein. Es war nicht das erste Mal, dass er sich in einer Frau getäuscht hatte. Als er noch jung und dumm gewesen war, hatte er geglaubt, dass Ashley seine Liebe erwiderte. Er wollte sie heiraten, obwohl er erst siebzehn war. Und obwohl es sich anfühlte, als wäre sein Leben zu Ende, wenn sie jetzt heiraten und ein Kind bekommen würden. Und dann hatte Ashley abgetrieben. Es war wie ein Schlag in den Magen, als sie ihm ins Gesicht schrie: „Ich will es nicht, weil ich dich nicht will!“ Und dann war sie für immer aus seinem Leben verschwunden.
Ja, er hatte sich schon vorher in Frauen getäuscht. Und deshalb war er jetzt vierunddreißig und immer noch so verdammt einsam.