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CINDERELLA UND DER SCHEICH von LIZ FIELDING Diana ist nur die Chauffeurin von Scheich Zahir! Aber überraschend lädt der Wüstenprinz sie auf seine Luxusjacht ein. Als er Diana zärtlich in die Arme schließt, kann sie ihr Glück kaum fassen – und träumt von mehr. Obwohl sie weiß: Bald muss Zahir standesgemäß heiraten! WILLKOMMEN IM LAND DER LIEBE von JANE PORTER Scheich Kalen bietet Keira ein Leben voller Luxus. Dabei wünscht Keira sich nur das Eine … seine Liebe. Vergeblich: Der Herrscher scheint sie nur als Gespielin zu sehen. Umso erstaunter ist Keira, als er sich plötzlich als ihr Ehemann ausgibt. TAUSENDUNDEINE NACHT IN DEINEN ARMEN von MIRANDA LEE Tausendundeine Nacht mit Scheich Bandar sind Samantha nicht genug. Ganz verzückt gibt sie sich immer wieder der Leidenschaft in seinen Armen hin. Bis Bandar überstürzt abreisen muss und sie erfährt, welch tragisches Geheimnis er ihr verschwiegen hat …
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Seitenzahl: 564
Liz Fielding, Jane Porter, Miranda Lee
JULIA WEEKEND BAND 123
IMPRESSUM
JULIA WEEKEND erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
Neuauflage 2024 in der Reihe JULIA WEEKEND, Band 123
© 2007 by Liz Fielding Originaltitel: „The Sheikh’s Unsuitable Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Andrea Zapf Deutsche Erstausgabe 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe ROMANA, Band 1749
© 2005 by Jane Porter-Gaskins Originaltitel: „The Sheikh’s Virgin“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Veramaria Schwallbach Deutsche Erstausgabe 2007 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 1762
© 2006 by Miranda Lee Originaltitel: „Love-Slave to the Sheikh“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Alexa Christ Deutsche Erstausgabe 2008 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA EXTRA, Band 280
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 09/2024 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751527743
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Jegliche nicht autorisierte Verwendung dieser Publikation zum Training generativer Technologien der künstlichen Intelligenz (KI) ist ausdrücklich verboten. Die Rechte des Autors und des Verlags bleiben davon unberührt. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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„Das soll genügen, Di.“
Diana Metcalfe stieg aus dem Minibus aus, den sie gerade geputzt hatte, steckte, während sie die Hecktür zuschlug, noch eine Handvoll zerknülltes Schokoladenpapier in ihre Overalltasche und wandte sich ihrer Chefin zu, die einen ziemlich angespannten Eindruck machte.
„Was ist los, Sadie?“
„Jack Lumley hat sich gerade krankgemeldet. Er ist heute schon der Dritte.“
„Mal wieder die Fleischpastete aus dem Bistro?“
„Sieht so aus, aber das ist Sache des Gesundheitsamts. Mein Problem besteht darin, dass mit Jack jetzt drei Fahrer ausfallen und in einer Stunde ein VIP mit dichtem Terminplan auf dem Londoner City Airport ankommt.“ Selbst angesichts dieses Dilemmas brachte sie ein kleines Lächeln zustande. „Bitte sag jetzt nicht, dass du heute Abend eine heiße Verabredung hast.“
„Nicht mal eine lauwarme.“ Woher sollte sie die Zeit nehmen, jemanden kennenzulernen? „Soll ich eine Schicht zusätzlich übernehmen?“
„Wenn es irgend möglich ist.“
„Ich denke schon. Ich muss nur Dad anrufen, damit er das Abendessen für Freddie macht.“
„Wie geht’s dem Strolch?“
„Wächst wie Unkraut.“
„Daisy will sich schon lange mal wieder mit ihm zum Spielen treffen.“ Nach einer kurzen Pause: „Ich mach’ was für die beiden aus, wenn ich deinen Dad anrufe. Du hast keine Zeit mehr dazu, wenn du rechtzeitig am Flughafen sein willst.“
Diana blinzelte. Am Flughafen …? „Moment mal, soll das heißen, dass ich den Promi fahre?“
„Du fährst den Promi.“
„Aber das geht nicht. Du kannst nicht …“
Sadie runzelte die Stirn. „Du hast dich doch mit dem Wagen vertraut gemacht, oder nicht?“
„Äh, ja schon …“ Grundsätzlich waren alle Fahrer in jeden Wagentyp von Capitol Cars eingewiesen worden. Theoretisch. Aber bei diesem Auto handelte es sich um die neueste, luxuriöseste und teuerste Limousine der Flotte. Sie war der ganze Stolz von Jack Lumley, dem VIP-Fahrer des Chauffeurdienstes. Diana hatte damit gerechnet, am Abend für ein paar kleinere Fahrten einspringen zu müssen. Nie wäre es ihr in den Sinn gekommen, dass sie hinter dem ledernen Steuer dieses Wagens sitzen sollte.
Oder, dass man ihr einen der bedeutendsten Kunden anvertraute.
„Glück gehabt!“ Sadie war die Erleichterung anzumerken.
„Heilige Schei…“ Diana schlug sich mit der Hand auf den Mund, aber nicht schnell genug. Das verwünschte Wort war ihr schon herausgerutscht.
Sadie seufzte. „Sag bitte nicht, dass du im Schulbus solche Wörter benutzt, Diana.“
„Ich? Was glaubst du denn, wo ich das Wort aufgeschnappt habe?“
„Sind die Kinder wirklich so schlimm? Mein Vater hat das mit den Schulbussen eingeführt, um unser Stadtviertel zu unterstützen, aber wenn es so …“
„Die Kinder sind in Ordnung“, unterbrach Diana sie schnell. „Wirklich. Sie sind einfach in einem Alter, in dem sie Erwachsene provozieren wollen. Am besten, man reagiert nicht darauf.“
„Diana, am besten, man übernimmt nicht ihre Ausdrücke!“
„Aber ich …“ Angesichts ihres sprachlichen Patzers ruderte sie zurück. „Du hast recht.“
Sadie blickte gedankenverloren vor sich hin. „Vielleicht sollte ich Jack mal ein bis zwei Wochen den Schulbus fahren lassen. Er würde ihnen schon Manieren beibringen.“
Der Flottenchef von Capitol Cars sollte einen Minibus voller vorlauter Schulkinder fahren?
Diana grinste. „Das würde ich gerne sehen.“
Sie wechselten einen Blick. Zwei alleinerziehende Mütter. Die eine auf der untersten, die andere auf der obersten Sprosse in einer von Männern dominierten Branche. Beide hatten sie jeden abgedroschenen Witz über Frauen am Steuer zu hören bekommen. Bedauernd schüttelte Sadie den Kopf. „Er würde kündigen.“
„Absolut unter seiner Würde“, stimmte Diana ihr zu. „Dass ich heute seinen geliebten Wagen fahre, ist schon schlimm genug für ihn.“
Sadie unterdrückte ein Grinsen und war wieder ganz die Chefin. „Also denk dran, bei prominenten Kunden hat der Chauffeur äußerst höflich und zurückhaltend zu sein.“
„Verstanden.“
„Gut, dann informiere ich dich jetzt über den Terminplan von Scheich Zahir. Du kannst dich inzwischen umziehen, für diesen Job brauchst du die komplette Uniform. Und du brauchst gar nicht erst zu fragen: Ja, der Hut gehört auch dazu.“
„Sch… Scheich?“
Sie glaubte, ihren Ausrutscher gut kaschiert zu haben, aber Sadies Blick verriet, dass sie die Chefin nicht hinters Licht führen konnte.
„Scheich Zahir al-Khatib ist der Neffe des Emirs von Ramal Hamrah und der Cousin des Botschafters seines Landes. Außerdem ist er ein milliardenschwerer Geschäftsmann, der aus seinem Land ein hochexklusives, exotisches Touristenziel machen will.“
Diana wurde ernst. „Dann ist er wirklich erste Liga.“
„Absolut. Der Mercedes steht ihm während seines Aufenthalts rund um die Uhr zur Verfügung. Die Arbeitszeiten sind also flexibel. Aber wenn du mir heute über die Runden hilfst, sehe ich zu, dass ich für morgen einen Ersatzfahrer finde.“
„Das ist nicht nötig.“ Diana sagte es mit fester Stimme, in der Hoffnung, ihren Ausrutscher wiedergutzumachen. Auch wenn sie nicht Jack Lumley war, sollten ihre Kunden keinen Grund zur Klage haben. „Ich übernehme das. Zumindest bis Jack wieder gesund ist.“
Darauf hatte sie gewartet. Endlich eine Gelegenheit, bei der sie beweisen konnte, dass sie nicht nur den Schulbus und die Fahrten zum Flughafen meisterte, sondern auch einen Tycoon mit der Limousine chauffieren konnte. Auf keinen Fall würde sie den Mercedes freiwillig dem nächsten Mann übergeben, der nur darauf wartete, die Limousine zu fahren.
„Gib mir eine Chance, Sadie. Du wirst es nicht bereuen.“
Sadie strich ihr leicht über die Schulter, als Zeichen, dass sie verstand. „Lass uns sehen, wie es heute läuft, was meinst du?“
Okay. Sie hatte verstanden. Jetzt konnte sie zeigen, was in ihr steckte.
Entschlossen streifte sie die Plastikhandschuhe ab, die sie zum Putzen übergezogen hatte. Sie legte den Firmenoverall ab und zog eine gebügelte Hose an, dazu eine weiße Bluse statt ihres gewohnten Sweatshirts von Capitol Cars und darüber ihre weinrote Uniformjacke, die nur selten zum Einsatz kam.
Sadie las die Termine von einem Clipboard ab. „Scheich Zahir kommt mit einem Privatjet und landet voraussichtlich um siebzehn Uhr fünfzehn auf dem City Airport. Du wartest auf dem Kurzzeitparkplatz. Die VIP-Hostess hat die Nummer deines Autotelefons und ruft dich an, wenn das Flugzeug landet. Dann kannst du vorfahren.“
„Verstanden.“
„Als Erstes besucht er die Botschaft seines Landes in Belgravia. Dort bleibt er eine Stunde. Dann fährst du ihn in sein Hotel in der Park Lane. Um neunzehn Uhr fünfundvierzig bringst du ihn zu einem Empfang in die Riverside Gallery an der South Bank. Danach Dinner in Mayfair. Die Adressen stehen alle hier auf dem Blatt mit den Dienstanweisungen.“
„Belgravia, Mayfair …“ Lächelnd knöpfte Diana ihre Jacke zu. „Meine kühnsten Träume werden wahr. Soll ich mich in den Arm kneifen?“
„Bleib auf dem Teppich, Di. Und ruf mich an, okay? Wenn es Probleme gibt, will ich es von dir erfahren und nicht vom Kunden.“
Scheich Zahir bin Ali al-Khatib war noch in seine Arbeitsunterlagen vertieft, als der Jet landete und zum Terminal rollte.
„Wir sind angekommen, Zahir“. James Pierce nahm ihm den Laptop ab und übergab den Computer einem Sekretär. Dann legte er ein in Geschenkpapier eingewickeltes Päckchen vor den Scheich.
Zahir runzelte die Stirn und versuchte sich zu erinnern. Dann blickte er auf. „Hast du genau das bekommen, was sie sich wünscht?“, fragte er.
„Einer meiner Mitarbeiter hat es im Internet gefunden. Antik, venezianisch, sehr hübsch. Ich bin sicher, es wird der Prinzessin gefallen.“ Dann fuhr er fort: „Ihr gewohnter Fahrer wartet auf Sie. Wir haben heute Abend einen sehr engen Terminplan. Wenn Sie pünktlich zum Empfang kommen wollen, dürfen Sie die Botschaft nicht später als achtzehn Uhr fünfundvierzig verlassen.“
Diana fuhr am Eingang des Terminals vor, drückte den albernen kleinen Hut fest auf ihrem Haar zurecht, zog ihre Uniformjacke straff herunter und strich die weichen Lederhandschuhe glatt. Dann stieg sie aus und stellte sich wartend neben den hinteren Wagenschlag der Limousine. In ihrem Kopf schwirrten nur so die Filmbilder aus Lawrence von Arabien, aber sie rief sich zur Ordnung und stand aufrecht und gespannt, bereit, beim Erscheinen ihres Kunden in Aktion zu treten.
Doch sie wartete vergeblich auf fließende Gewänder und romantische Kopfbedeckungen, die im Wind flatterten.
Scheich Zahir al-Khatib schien sich an den Ratgeber für bequemes Reisen gehalten zu haben. Gleichwohl hätte sie ihn auch in legerer Kleidung und ohne seine VIP-Eskorte erkannt.
Die edlen grauen Jeans und die Bootsschuhe, die er ohne Socken trug, waren sportlich, aber teuer. Er selbst war groß und athletisch, mit dunklen Haaren, die sich im Nacken lockten. Auf den ersten Blick wirkte er eher wie ein Sportstar als wie ein milliardenschwerer Wirtschaftstycoon. Seine Kleidung und sein verwirrend gutes Aussehen unterstrichen noch seine lässige Arroganz und das aristokratische Selbstbewusstsein, das er ausstrahlte. Man spürte, dass ihm von Geburt an jeder Wunsch von den Augen abgelesen worden war.
Das leuchtend pinkfarbene, mit zahlreichen Bändern versehene Päckchen, das er in der Hand hielt, stand in starkem Kontrast zu seiner männlichen Ausstrahlung. Allein die mädchenhafte Verpackung genügte, um Diana aufzubringen.
Der Scheich selbst sah allerdings fantastisch aus, das musste sie zugeben.
Er blieb kurz am Ausgang stehen, um sich bei seinen Begleitern zu bedanken. Genug Zeit für Diana, ihr höfliches Lächeln aufzusetzen und sich in Erinnerung zu rufen, dass ihr übliches „Hatten Sie eine gute Reise?“ hier nicht angebracht war.
Es war ihr nicht gestattet zu plaudern. Ein gediegenes „Guten Tag, Sir“ war das Äußerste.
Das war nicht leicht für sie; denn es gab zwei Dinge, in denen sie gut war – Autofahren und Reden. In beiden Disziplinen war sie ein Naturtalent. Mit Ersterem verdiente sie ihren Lebensunterhalt, Letzteres gab’s umsonst.
Da sie meistens Kinder fuhr und bei Betriebsausflügen eingesetzt wurde, war das nie ein Problem gewesen, im Gegenteil. Doch ihr war klar, warum Sadie ihr diesen Kunden nur aus einer absoluten Notlage heraus anvertraute.
Nun konnte sie es allen beweisen – Sadie, ihren Eltern, den älteren Nachbarn, die sie immer so verächtlich ansahen. Sie würden schon sehen.
Dianas Lächeln entsprach genau den Vorschriften, als sie rasch die Wagentür öffnete.
„Guten Tag …“
Bis zum „Sir“ kam sie nicht mehr.
Ein kleiner Junge, der hinter anderen Passagieren aus dem Flughafengebäude gesaust kam, sprang mit affenartiger Geschwindigkeit auf die immer enger werdende Lücke zwischen Scheich Zahir und der Wagentür zu, um zu einer Frau zu gelangen, die gerade eingeparkt hatte. Dabei stolperte er über Dianas auf Hochglanz polierte Schuhe und stieß im gleichen Moment mit Scheich Zahir zusammen. Das pinkfarbene Päckchen flog in hohem Bogen durch die Luft.
Der Scheich reagierte blitzschnell. Er bekam den Jungen an seiner Jacke zu fassen und verhinderte einen Sturz.
Diana, auch nicht gerade langsam, machte einen Satz nach dem Geschenk. Sie bekam es an einem der Bänder zu fassen.
„Ja!“, rief sie triumphierend.
Zu früh.
„Neiiiin!“
Sie hielt das Band an einem Ende zwischen den Fingern, die Schleife öffnete sich, und das Geschenk landete mit einem Geräusch, das sehr nach zerbrechendem Glas klang, auf dem Asphalt.
Und da entfuhr ihr das Wort, das ihr – so hatte sie es Sadie hoch und heilig versprochen – nie, nie vor einem Kunden herausrutschen würde.
Vielleicht war Scheich Zahirs Englisch nicht gut genug, um es zu verstehen.
„Heh, wo brennt’s denn?“, fragte er den Jungen, stellte ihn wieder auf die Beine und zerstörte all ihre Hoffnungen bezüglich seiner sprachlichen Möglichkeiten.
Nur ein winziger Akzent verriet, dass Englisch nicht die Muttersprache des Scheichs war.
„Es tut mir ja so unendlich leid …“ Die Großmutter des Jungen kam herbeigeeilt und konnte es nicht fassen. „Bitte lassen Sie mich für den Schaden aufkommen.“
„Das ist nicht nötig“, antwortete Scheich Zahir und zerstreute ihre Besorgnis mit einem angedeuteten Kopfnicken. Ein Wüstenprinz durch und durch, auch ohne die äußeren Merkmale.
Während Diana die Überreste des zerbrochenen Geschenks aufhob, musste sie sich eingestehen, dass er eindeutig Klasse hatte.
Als sie wieder aufrecht stand und er sich zu ihr umdrehte, glaubte sie plötzlich, auf Treibsand zu stehen. Aus der Nähe war es unmöglich, sich seiner Anziehungskraft zu entziehen. Olivenfarbene Haut, dunkle Augen – wenn er lächelte, würde jede Frau schwach werden.
Aber er lächelte nicht. Scheich Zahir sah sie mit einem unergründlichen Blick an.
Erst als sie etwas sagen wollte, merkte sie, dass sie den Atem angehalten hatte.
„Es tut mir leid“, brachte sie schließlich hervor.
„Leid?“
Dass sie ihre Zunge nicht im Zaum gehalten hatte, dass sie das Päckchen nicht hatte retten können.
Letzteres schien ihr die unverfänglichere Entschuldigung.
„Es ist leider kaputtgegangen.“ Als er es ihr aus der Hand nahm, fügte sie hinzu: „Und etwas läuft aus.“
Er blickte nach unten, hielt das Geschenk mit ausgestrecktem Arm von sich weg und sah sich nach einem Abfalleimer um. Das gab Diana einen kurzen Augenblick, um ihre Fassung zurückzugewinnen.
Das war also der Scheich. Seine Gesichtszüge hatten etwas Kantiges, Gefährliches, und er sah einfach umwerfend aus.
Aber er würde keinen Blick an sie verschwenden, selbst wenn sie es wollte. Und natürlich wollte sie es nicht.
Ein gefährlich aussehender Mann im Leben war mehr als genug.
Es befand sich kein Abfalleimer in der Nähe, und der Scheich gab ihr kurzerhand das Häuflein klebrigen Papiers zurück. Auch in dieser Situation ganz Mann – um den Schlamassel sollten sich andere kümmern …
„Sie sind nicht mein üblicher Fahrer“, sagte er.
„Nein, Sir.“ Auch den Sehtest hat er bestanden, dachte sie, als sie eine wasserdichte Spucktüte aus dem Handschuhfach zog und das Päckchen darin verstaute. „Was mag mich nur verraten haben?“, murmelte sie vor sich hin.
„Vielleicht der Bart?“, meinte er, als sie sich zu ihm umdrehte.
Auch sein Gehör war erstklassig.
Oh, zweimal Sch… Scheich!
„Daran kann es nicht liegen, Sir“, sagte sie und hoffte, dass die Anweisung ihres Gehirns, ein höfliches Lächeln aufzusetzen, bei ihren Mundwinkeln angekommen war. Die andere Anweisung, nämlich den Mund zu halten, war irgendwo unterwegs verloren gegangen. Von einem inneren Dämonen angestachelt, fügte ihr Sprachzentrum hinzu: „Ich könnte einen falschen tragen.“
Hatte man sich mit seinem losen Mundwerk einmal in Schwierigkeiten gebracht, lag die Rettung manchmal darin, einfach weiterzureden. Das wusste sie noch aus der Schulzeit. Wenn es ihr gelang, ihn zum Lachen zu bringen, kam sie vielleicht gerade noch einmal davon.
Lächle, bitte, bitte lächle!
„Das kommt ja häufiger vor, als man denkt“, fügte sie beinahe flüsternd hinzu, denn er lächelte nicht.
„Wie heißen Sie?“
„Sie brauchen sich meinen Namen nicht zu merken“, antwortete sie, scheinbar unbekümmert, „im Büro weiß man, wer Sie gefahren hat.“
Denn dort würde er anrufen, um sich zu beschweren.
Nicht einmal den ersten Tag hatte sie überstanden. Sadie würde sie umbringen, und das zu Recht.
„Im Büro weiß man es vielleicht, aber ich weiß es nicht.“
Dieser Mann überlässt nichts dem Zufall.
„Metcalfe, Sir.“
„Metcalfe.“ Er sah aus, als wolle er noch etwas hinzufügen, unterließ es aber. „Also, Metcalfe, fahren wir los. Ich habe nicht viel Zeit, und wir werden einen Umweg machen müssen, wenn wir das Geburtstagskind nicht enttäuschen wollen.“
„Geburtstagskind?“
„Prinzessin Ameerah ist die Tochter meines Cousins. Sie wird heute zehn. Ihr Herzenswunsch ist eine Schneekugel, und ich habe ihr versprochen, eine mitzubringen.“
„Oh.“ Ein kleines Mädchen also. Diana vergaß, dass sie nur reden sollte, wenn sie angesprochen wurde. „Ja, Schneekugeln sind wunderschön. Ich habe noch eine, die ich geschenkt bekam, als …“
Sie unterbrach sich. Wie konnte sie nur glauben, dass ihn das interessierte?
„Als …?“
„Äh, als ich sechs wurde.“
„Sechs.“ Anscheinend versuchte er sich vorzustellen, wie sie mit sechs ausgesehen haben mochte. „Die zerbrochene Kugel war antik, aus venezianischem Glas.“
„Für eine Zehnjährige?“ Die Worte waren heraus, bevor sie nachdenken konnte.
Er war im Begriff, in den Wagen zu steigen, hielt aber stirnrunzelnd inne.
„Glas, ob das so klug war?“ Sie hatte den Eindruck, dass seine Entscheidungen bisher nie kritisiert worden waren. Vielleicht konnte sie ihm auf die Sprünge helfen. „Meine ist aus Kunststoff.“ Sie stammte von einem Marktstand. „Nicht wertvoll …, aber sie wäre, äh, nicht zerbrochen.“
Halt schon endlich den Mund!
Sie zog kurz die Schultern hoch, als könne sie sich damit von ihren Worten distanzieren.
„Für ein Kind wäre vielleicht etwas weniger Zerbrechliches passender. Ich bin sicher, die Kugel, die Sie gekauft haben, war sehr schön“, fügte sie schnell hinzu, damit er nicht glaubte, sie kritisiere ihn. Sie hatte sich schon genug Schwierigkeiten eingehandelt. „Aber wahrscheinlich haben Sie keine eigenen Kinder.“
„Sie meinen, sonst wüsste ich es besser?“
„Hmm“, sagte sie. „Eine antike Glaskugel ist eher eine Kostbarkeit als ein Spielzeug.“ Sie bemühte sich zu lächeln, um das Gesagte ein wenig abzumildern.
„Das ist richtig.“ Er runzelte noch immer die Stirn, nicht ärgerlich, eher so, als dämmere ihm etwas.
Angestrengt lächelnd redete sie weiter. „Aber Prinzessinnen sind sicher nicht so ungeschickt wie gewöhnliche kleine Mädchen.“
„Meiner Erfahrung nach sind sie das schon.“
Diana blieb fast das Herz stehen, als er sie nun anlächelte und feine Fältchen um seine dunkelgrauen Augen sichtbar wurden. „Sie sind nicht auf den Kopf gefallen, Metcalfe.“
„Äh …“
„Wie viel würde es kosten, damit Sie sich von Ihrem robusten Spielzeug trennen?“
Sie schluckte. „Tut mir leid, aber ich besitze es nicht mehr.“
Er schaute sie fragend an.
„Es ist nicht kaputtgegangen“, beruhigte sie ihn. „Ich habe es …“
Sag’s ihm.
Sag ihm, dass du einen fünfjährigen Sohn hast. Alle erzählen von ihren Kindern, wie süß sie sind und wie gescheit. Alle, nur ich nicht, die ewige Schwätzerin. Was für eine Ironie.
Ich kann über alles reden, nur nicht über Freddy; denn wenn ich es täte, käme mit Sicherheit die eine Frage, die ich nie einer Menschenseele beantwortet habe.
Scheich Zahir wartete.
„Ich habe die Kugel einem kleinen Jungen geschenkt, der sie unbedingt haben wollte.“
„Machen Sie doch nicht so ein tragisches Gesicht, Metcalfe, ich habe nur gescherzt.“ Sein Lächeln vertiefte sich. „Dann gehen wir jetzt einkaufen.“
„J… ja, Sir.“ Dann, mit einem Blick auf das Flughafengebäude. „Möchten Sie nicht auf Ihr Gepäck warten?“
Sie hatte damit gerechnet, dass jeden Augenblick ein Bediensteter mit so einem beladenen Trolley erscheinen würde. Doch Scheich Zahir stieg in den Wagen und sagte nur: „Das wird erledigt.“
Sadie hat recht, dachte sie. Das war wirklich eine andere Welt. Sie schloss die Tür, räumte die Überreste des Geschenks weg und atmete tief durch, bevor sie sich hinter das Steuer setzte und den Motor anließ.
Sie ging zum Shopping. Mit einem Scheich.
Unglaublich.
Unglaublich.
Durch eine kurze Ablenkung war die minutiöse Planung von James zunichtegemacht.
Aber was für eine Ablenkung …
Zahir hatte die Ankunftshalle durchquert und erwartet, von Jack Lumley abgeholt zu werden, seinem effizienten Fahrer, der nur das Nötigste redete. Stattdessen saß er nun hier mit „Metcalfe“. Eine Frau mit Kurven, die durch den engen Schnitt ihrer Jacke noch betont wurden. Eine Frau, in deren zartem Nacken sich weiche Strähnen kastanienbraunen Haars ringelten.
Mit einem Mund, der sie in Schwierigkeiten bringen konnte.
Er hatte keine Zeit für Eskapaden.
Trotzdem. Er liebte die Erregung des Neuen, er liebte die Herausforderung und das Gefühl, Dinge ins Rollen zu bringen. Ihn reute keine einzige der vielen Stunden, die er in einen kleinen Anbieter von Wüstentouren, der in finanziellen Schwierigkeiten steckte, investiert hatte. Er hatte daraus ein Milliardenunternehmen gemacht.
Er allein hatte den Tourismus in Ramal Hamrah aufgebaut, wo die meisten Urlauber früher nur einen Zwischenstopp eingelegt hatten, um in den Suks einzukaufen. Inzwischen war sein Land fester Bestandteil der Reiseliteratur und wurde in den Wochenendbeilagen der Zeitungen besprochen. Nicht nur die Wüste, auch die Berge und die Geschichte des Landes.
Er hatte ein Urlaubsdomizil geschaffen mit Luxusunterkünften und einem Jachthafen, der so gut wie fertiggestellt war. Nun war die eigene Fluggesellschaft an der Reihe. Sie sollte den Namen seines Landes tragen.
Er hatte hart dafür gearbeitet.
Bis in die jüngste Gegenwart hinein war der Tourismus eine kleine, fast zu vernachlässigende Einnahmequelle neben dem Öl gewesen. Nur wenige Visionäre hatten gesehen, wie man das Land entwickeln konnte. Die Nachbarländer waren in dieser Hinsicht Lichtjahre voraus gewesen.
Vielleicht sogar ein Vorteil aus heutiger Sicht. Er war gezwungen gewesen, neue Wege zu beschreiten, und hatte sich gegen riesige Ferien- und Hotelanlagen entschieden und stattdessen im traditionellen Stil und mit einheimischen Materialien luxuriöse Resorts gebaut. Ein Kontrast für jeden übersättigten Urlauber.
Die Wüste konnte als landschaftliches Wunder zu Pferd oder auf dem Kamel erlebt werden. Lange Zeit unbeachtete archäologische Stätten wurden wieder zugänglich gemacht, um die Besucher anzuziehen, die sich für die reiche Kultur des Landes interessierten.
Und ein sich allmählich änderndes Bewusstsein in der Tourismusbranche hatte ihm in die Hände gespielt. Plötzlich war er der Visionär und an der Spitze.
An der Spitze und allein.
„… wahrscheinlich haben Sie keine eigenen Kinder …“
Wenn man dabei war, ein Imperium aufzubauen, musste anderes zurückstehen. Aber seine Mutter tat ihr Bestes, um diese Situation zu ändern. Während er hier in der Limousine saß und Metcalfes glänzendes kastanienbraunes Haar betrachtete, war seine Mutter wahrscheinlich damit beschäftigt, eine passende Frau für ihn auszuwählen. Und mit der Familie der Glücklichen alle Einzelheiten auszuhandeln.
Er würde seinen Vater zufriedenstellen und ihm einen Enkel schenken, der seinen Namen trug.
So geschah es seit Tausenden von Jahren. Die Vorstellung von der romantischen Liebe gab es in seinem Land nicht. Die Ehe war ein Vertrag. Sie wurde zum Besten der beiden Familien arrangiert. Er würde seine Frau respektieren. Sie war zuständig für sein Zuhause, brachte seine Kinder zur Welt – Söhne, die ihm zur Ehre gereichten, Töchter, die ihm Freude bereiteten.
Sein Blick wanderte zu der jungen Frau zurück, die vor ihm saß. Er konnte ihre leicht geröteten Wangen und die Andeutung eines Grübchens im Rückspiegel sehen.
Ihr Gesicht sieht aus, als wäre sie immer kurz davor zu lächeln, dachte er und musste selbst lächeln, als er sich ihr Mienenspiel vergegenwärtigte. Angefangen bei Entsetzen, als ihr ein Wort herausrutschte, das für einen Chauffeur völlig unangemessen war, über verwirrtes Erröten bis hin zu Trotz und schließlich – ihr rührendster Gesichtsausdruck – Besorgnis.
Glas. Für ein Kind. Was hatte er sich nur gedacht? Was hatte sich James gedacht?
Gar nichts. Er hatte einfach das Teuerste und Exklusivste haben wollen, um einen Kinderwunsch zu erfüllen, und James hatte seine Anweisung wie immer ausgeführt.
Eine Ehefrau hätte diesen Fehler nicht begangen.
Metcalfe hätte diesen Fehler nicht gemacht.
Auch würde sie sich nicht mit einer Beziehung zufriedengeben, die auf Respekt basierte, vermutete er. Nicht mit diesem Lächeln. Und schließlich kam sie aus einer anderen Welt. Das Leben, das sie führte, war undenkbar für all die jungen Frauen, unter denen seine Mutter eine passende Braut für ihn auswählte.
Er fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, als ob er auf diese Weise beunruhigende Gedanken abwehren könnte. Er wollte sich nicht ablenken lassen. So kurz vor seiner geplanten Hochzeit sollte er nicht einmal solche Gedanken haben.
„Bleiben Sie meine Fahrerin, Metcalfe?“, fragte er. „Oder kommt Jack Lumley morgen wieder?“
„Das weiß ich nicht, Sir“, antwortete sie und sah in den Rückspiegel, wo sie kurz seinem Blick begegnete, bevor sie sich wieder auf die Straße konzentrierte. „Er ist seit heute krank. Ich bin sicher, es lässt sich ein anderer Fahrer finden, wenn Sie darauf bestehen.“
„Jemand mit Bart?“
„Ja, Sir.“
Ihr Grübchen war verschwunden. Sie lächelte nicht. Glaubte sie, er habe Vorurteile gegenüber einem weiblichen Chauffeur?
„Und wenn ich darauf bestehe?“, bohrte er weiter. „Was machen Sie dann morgen?“
Wieder trafen sich ihre Blicke kurz im Rückspiegel. Ihre Augen waren grün, grün wie frisches Laub im April.
„Mit etwas Glück fahre ich wieder den Schulbus.“
„Und wenn Sie Pech haben?“
„Dann fahre ich auch den Schulbus.“ Nun lächelte sie, wenn auch etwas wehmütig und hielt auf dem Parkplatz eines riesigen Spielwarenladens. Noch bevor sie ihrem Fahrgast die Tür aufhalten konnte, war er ausgestiegen und blickte befremdet an dem Geschäftshaus hoch.
Es war ihm nicht in den Sinn gekommen, ihr ein bestimmtes Kaufhaus vorzuschlagen. Jack Lumley hätte Harrods oder Hamleys gewählt. Er hätte zuvor dort angerufen, um sicherzustellen, dass sie den gewünschten Artikel führen, und ihn dann als Geschenk verpackt und meinem Konto belastet für mich bereitlegen lassen, dachte Zahir.
Keine Wartezeit.
Keine Mühe.
Wie eine arrangierte Ehe.
Ein Windstoß fuhr über den großen Parkplatz, und Diana griff schnell nach ihrem Hut, damit er nicht wegwehte.
Scheich Zahir sah nicht so aus, als wolle er das Geschäft betreten. Er blickte starr an der Fassade hoch, und mit einem flauen Gefühl im Magen wurde ihr klar, dass sie die falsche Entscheidung getroffen hatte.
Sadie hatte recht. Sie war der Sache nicht gewachsen.
„Es tut mir leid“, sagte sie. „Sie haben sicher etwas anderes erwartet.“
Er sah sie an. „Ich habe Ihnen die Entscheidung überlassen.“
Das stimmte. Und sie hatte sie nach bestem Wissen getroffen.
„Ich dachte, so ginge es am schnellsten“, erklärte sie. „Man kann hier direkt parken. Und ehrlich gesagt, in Knightsbridge gibt es Kleidungsvorschriften.“
„Kleidungsvorschriften? Zum Einkaufen?“
„Nicht barfuß in Sportschuhen. Keine Jeans. Kein Rucksack.“ Sie unterbrach sich, als ihr klar wurde, wie albern das klang. Als ob jemand diesen Mann wegen seiner Kleidung abweisen würde. „Nun, einen Rucksack tragen Sie natürlich nicht.“
„Aber der Rest trifft auf mich zu.“
„Für Mitglieder von Königshäusern gelten die Bestimmungen wahrscheinlich nicht.“
„Gehen wir lieber kein Risiko ein“, sagte Scheich Zahir freundlich. Falls er sich über sie lustig machte, so zeigte er es zumindest nicht.
„Gut, dann gehen wir jetzt rein.“
Wir?
„Sie möchten, dass ich mitkomme?“, fragte sie.
„Ihnen ist doch sicher bekannt, dass Mitglieder eines Königshauses ihre Einkäufe nie selbst tragen.“
Nun war sie sicher, dass er sich über sie lustig machte.
„Es heißt auch, dass sie nie Geld bei sich tragen, und leider kann ich Ihnen damit nicht aushelfen. Außerdem sollte ich den Wagen nicht unbewacht stehen lassen.“
„Weigern Sie sich etwa mitzukommen?“ Ein harter Unterton hatte sich in seine Stimme geschlichen und erinnerte Diana daran, dass sie seinen Anweisungen unterstand. „Reizt Sie der Schulbus so sehr?“
Vielleicht habe ich ihn voreilig als freundlich eingestuft, dachte sie, schloss den Wagen ab und folgte Scheich Zahir ohne ein weiteres Wort.
In dem Kaufhaus von der Größe einer Flugzeughalle waren die Regale in jedem Gang vom Boden bis zur Decke mit allem gefüllt, was Kinderherzen höher schlagen ließ.
Diana starrte auf die Einkaufswagen, und ihr fiel ein, dass Selbstbedienung für ihren Kunden wahrscheinlich völliges Neuland war.
Wieder eine dieser Sch… Scheich-Situationen.
„So geht es also schneller“, sagte er und sah sich um. „Wie um alles in der Welt soll man hier etwas finden?“
„Gar nicht so einfach“, gab sie zu. In einem Edelkaufhaus hätte man ihn natürlich sofort bedient. „Alles ist so angelegt, dass man an möglichst vielen Regalen vorbeigehen muss. Was glauben Sie, wie viele Leute, die an der Kasse stehen, wirklich nur den einen Artikel kaufen, den sie eigentlich haben wollten?“
Er wandte sich ihr zu. „Das klingt nach eigener Erfahrung. Vielleicht sollte ich Ameerah Aktien dieses Geschäfts schenken.“
„Aktien eines Spielwarengeschäfts?“ Sie legte sich die Hand aufs Herz. „Warum sind meine Eltern nicht darauf gekommen?“
„Wahrscheinlich, weil man damit nicht besonders gut spielen kann“, erwiderte er ernst. „Nicht gerade das, was sich ein kleines Mädchen zum Geburtstag wünscht.“
„Klar, aber wenn man bedenkt, was ich heute damit anfangen könnte.“ Er zog die Augenbrauen hoch, als warte er auf eine Erklärung. „Statt der kurzen Freude über ein Plastikauto für meine Lieblingspuppe hätte ich jetzt ein echtes Taxi und wäre mein eigener Chef.“
Und sie fügte hinzu, weil sich seine Brauen einen weiteren Millimeter hoben: „Natürlich kein langweiliges, sondern eines in leuchtendem Pink.“
Zahir beobachtete, wie Metcalfe sich umdrehte und auf den Informationsstand zusteuerte. Er hatte sich in ihr getäuscht. Sie war nicht nur eine attraktive junge Frau. Sie hatte auch Ambitionen und Träume.
So wie er selbst vor nicht allzu langer Zeit.
Die meisten Menschen glaubten, ihm sei alles in den Schoß gefallen, nur weil er der Enkel des Emirs von Ramal Hamrah war. Und er war tatsächlich verwöhnt worden, das wusste er. Er hatte alle möglichen Privilegien genossen, einschließlich einer hervorragenden Schulbildung in England mit anschließendem Studium und großen Freiheiten in Amerika. Aber das alles hatte seinen Preis.
Pflichten gegenüber seinem Land, Gehorsam gegenüber der Familie.
Zwei Jahre lang hatte er auf ein Privatleben verzichtet und in der Wüste seinem trauernden Cousin Hanif zur Seite gestanden. Er war dafür belohnt worden, als dieser erkannte, dass er niemals aus ganzem Herzen in die Politik gehen würde, sondern dass es ihn in die Wirtschaft drängte. Hanif hat lange dafür gebraucht, meinen Vater dazu zu bewegen, mich diesen Schritt gehen zu lassen, erinnerte sich Zahir.
Er hatte Zahirs Vater klargemacht, dass die Pläne seines Sohnes ebenso wichtig für das Land waren wie eine Karriere in der Diplomatie. Vor allem, wenn es eine halbherzige Karriere war.
Danach hatte Zahir Geldgeber überzeugen müssen, ihn beim Aufbau seines Imperiums zu unterstützen. Sein Name war dabei keine Erfolgsgarantie gewesen, doch er hatte ihm sicherlich Türen geöffnet. Man war ihm mit Höflichkeit begegnet, hatte ihm zugehört. Anders als seiner Fahrerin, die, wie er feststellte, von der Verkäuferin am Informationsstand kaum beachtet wurde.
„Führen sie das, was wir suchen?“, fragte er und stellte sich neben sie.
„Ich weiß es noch nicht.“
„Wenn es welche gibt, dann bei den Neulieferungen.“ Mit einem Anflug von Ironie ahmte Diana die Verkäuferin nach, die ohne von ihrer Zeitschrift aufzusehen, einfach eine wedelnde Handbewegung gemacht hatte. „Da drüben anscheinend.“
Vielleicht verstand Scheich Zahir keine Ironie. Jedenfalls wandte er sich an die Verkäuferin. „Wir haben nicht viel Zeit …“, er hielt kurz inne, um ihren Namen zu lesen, „… Liza. Wären Sie vielleicht so freundlich, uns zu zeigen, wo genau wir den Artikel finden?“
Liza blätterte um und erwiderte: „Tut mir leid, ich kann hier nicht weg.“
Das war ein Fehler, dachte Diana, erfreut über das „wir“.
„Ich kann nicht“, so viel hatte sie selbst schon erfahren, machte keinen Eindruck auf den Scheich.
„Auf dem Schild hier auf der Theke steht ‚Kundenservice‘“, bemerkte er. Als Liza schließlich seufzend aufsah, lächelte er sie an.
Hin und her gerissen zwischen Entrüstung und Belustigung sah Diana, wie die Verkäuferin aufsprang und hinter ihrem Stand hervoreilte.
„Hier entlang“, sagte sie mit nicht zu überbietendem Lächeln.
„Wir haben das System geschlagen, Metcalfe.“ Mit einladender Geste ließ er Diana vorausgehen.
„Gute Arbeit“, meinte sie. „Aber irgendwie glaube ich nicht, dass diese Taktik bei mir funktioniert hätte.“
Er schenkte ihr ein Lächeln. Weniger strahlend als gegenüber der Verkäuferin, aber intensiver, fand sie.
„Jeder nach seinen Möglichkeiten.“
Bevor sie antworten konnte, waren sie zum Glück beim richtigen Regal angelangt, in dem sich eine bunte Auswahl an Schneekugeln befand.
„Aschenputtel, Schneewittchen, der Froschkönig.“ Die Verkäuferin, nun voll und ganz für Scheich Zahir da, präsentierte sie ihnen. Ihre Motivation hätte nicht größer sein können, wenn sie jede einzelne Kugel selbst hergestellt hätte – von Hand.
„Danke.“ Er nahm die Kugel mit der Prinzessin und dem Frosch.
„Wenn ich noch etwas für Sie tun kann?“ Sein Lächeln hatte aus Liza eine aussichtsreiche Kandidatin für die Wahl zur Verkäuferin des Jahres gemacht, und sie schien nicht die Absicht zu haben, sich zurückzuziehen.
„Dann weiß ich, wo ich Sie finde.“
Höflich, aber bestimmt. Diana verspürte fast so etwas wie Mitleid mit der Verkäuferin, die sich enttäuscht entfernte. Allerdings nur fast.
„Nehmen wir die Prinzessin mit dem Frosch, Metcalfe?“ Er hielt die Schneekugel hoch und betrachtete sie.
Er hatte schöne Hände, nicht verweichlicht. Eine alte Narbe verlief über die Knöchel, und obwohl seine Finger schlank und sehnig waren, wirkten sie sehr kräftig.
„Ich kenne das Märchen nicht“, fügte er hinzu.
„Ich bin erstaunt, dass Sie die anderen kennen.“ Diana zwang sich, nicht seine Hände, sondern die Schneekugel anzusehen. Ein kleines Mädchen mit Krone und ein Frosch saßen auf dem Rand eines Brunnens.
„Disney hat auch vor Ramal Hamrah nicht haltgemacht.“
„Ja, natürlich. Dann hat man anscheinend nur den Froschkönig zu Hause gelassen.“ Sie überlegte kurz. „Und wahrscheinlich war das auch gut so. Ich würde eine der anderen Kugeln nehmen“, riet sie.
„Aber das hier ist eine Prinzessin. Die würde Ameerah gefallen.“
Ebenso wie die Verkäuferin, die mit einem neidischen Blick auf sie gegangen war, spürte auch Diana, dass Widerspruch zwecklos war. Er brauchte einen Befehl nicht einmal auszusprechen. Ein Blick seiner dunklen Augen genügte.
„Ich würde sie nicht nehmen“, riet sie ihm trotzdem ab. „Zugegeben, Aschenputtel ist ein bisschen langweilig, aber sie ist zumindest freundlich. Schneewittchen ist zwar nicht gerade emanzipiert, aber …“
„Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit“, warnte er sie.
„Nein, Sir.“ Sie nahm die Schneekugel und schüttelte sie, sodass es schneite. „Also gut, das Märchen geht so: Verwöhnte Prinzessin lässt goldene Kugel in den Brunnen fallen. Frosch macht ihr ein Angebot. Wenn sie ihn mit nach Hause nimmt, von ihrem Teller essen und auf ihrem Kissen schlafen lässt und ihm einen Gutenachtkuss gibt …“ Vom sinnlichen Schwung seiner Oberlippe aus dem Konzept gebracht, verlor sie den Faden.
„Der Frosch kann sprechen?“
„Es ist ein Märchen. Wenn Sie es realistisch wollen, sind Sie hier falsch.“
Mit einem angedeuteten Nicken stimmte er ihr zu. „Wenn sie ihm einen Gutenachtkuss gibt …“, half er ihr auf die Sprünge.
„Hmm. Wenn sie das alles verspricht, dann will er ihr die goldene Kugel vom Grund des Brunnens holen.“
„Ein Gentleman würde das ohne Gegenleistungen tun.“
„Ein Mädchen mit ein bisschen Mumm würde sie sich selbst holen.“
„Wären Sie in den Brunnen geklettert, Metcalfe?“
„Jedenfalls hätte ich nicht den verdammten Frosch geküsst!“
„Sie missbilligen sein Verhalten?“
„Goldene Kugeln gibt es nicht umsonst.“
„Da haben Sie recht.“ Irgendetwas in seinen Augen bewirkte, dass es Diana in ihrer Uniform plötzlich sehr warm wurde.
Sie fasste sich an den Kragen und zog ihn etwas von ihrem Hals weg, um kühlere Luft an ihre Haut zu lassen.
„Also, äh, die Prinzessin ist einverstanden. Sie würde ihm alles versprechen, so sehr hängt sie an der Kugel. Also springt der Frosch in den Brunnen, holt sie hoch und gibt sie der Prinzessin. Die wiederum zeigt ihre Dankbarkeit, indem sie sich aus dem Staub macht.“
„Sich aus dem Staub macht?“
„Abhaut, verduftet, ohne ihn zurück zum Schloss rennt.“
Er legte eine seiner attraktiven Hände aufs Herz. „Ich bin schockiert.“
Also hatte er Sinn für Ironie. Auch wenn er nicht laut lachte, so glitzerten doch seine Augen vor Vergnügen.
„Ich bin sicher, der Frosch nimmt das nicht einfach so hin.“
„Wie Sie schon sagten, der Frosch ist kein Gentleman. Er hüpft zum Schloss und verpetzt die Prinzessin beim König. Der ermahnt seine Tochter, dass eine Prinzessin unter allen Umständen ihr Wort halten muss.“
„Daran sollte man eine Prinzessin nicht ausdrücklich erinnern müssen.“
„Und gewöhnliche Menschen auch nicht. Die Prinzessin ist jedenfalls nicht glücklich darüber, aber sie hat keine Wahl. Also lässt sie den Frosch von ihrem Teller essen, geht aber ohne ihn ins Bett.“
„Unbelehrbar, diese Prinzessin. Gibt der Frosch auf?“
„Was glauben Sie?“
„Ich denke, dass sie das Kissen mit ihm teilen muss.“
„Richtig. Es dauert Stunden, bis er alle Stufen hochgesprungen ist und ihr Zimmer gefunden hat. Als er ankommt, mahnt er sie an ihr Versprechen. Die Prinzessin gibt sich geschlagen, er darf aufs Kissen, und sie gibt ihm sogar einen Gutenachtkuss.“
„Der Frosch ist am Ziel, aber kann das Märchen ein gutes Ende haben?“
„Hängt vom Standpunkt ab. Als die Prinzessin am nächsten Morgen aufwacht, hat sich der Frosch in einen gut aussehenden Prinzen verwandelt.“
Er zog leicht die Augenbrauen hoch.
„Wie das?“
Diana, in deren Erinnerung die Szene stets wie in dem Bilderbuch ihrer Kindheit ablief, wo der Prinz in prächtiger Kleidung neben dem Bett der erwachenden Prinzessin stand, errötete plötzlich, als ihr völlig andere Möglichkeiten in den Sinn kamen.
„Der Prinz war natürlich verzaubert“, sagte sie schnell. „Die Prinzessin musste zu ihrem Glück gezwungen werden, aber als sie ihn küsste, war der böse Zauber aufgehoben. Da da-da-da“, sie summte den Hochzeitsmarsch. „Und sie lebten glücklich bis an ihr Ende.“
„Soll das heißen, jetzt, da er kein hässlicher Frosch mehr ist, heiratet sie ihn?“
„Ich hatte Sie gewarnt. Diese Frau hat keinen Charakter. Warum der Prinz sie heiratet, ist mir ein Rätsel.“
„Vielleicht hat der König den beiden die Geschichte mit dem bösen Zauber nicht abgenommen und ihnen die Pistole auf die Brust gesetzt?“, schlug er vor.
„Keine schlechte Theorie. Aber im Märchen kriegt die Frau immer den Prinzen. Es ist jedes Mal Liebe auf den ersten Blick, und es gibt ein Happy End.“
Zahir hörte die Skepsis in ihrer Stimme und betrachtete sie gedankenverloren. „Das scheint Sie nicht zu überzeugen.“
„Nicht?“
Ihre Augen weiteten sich, als sie kurz nachdachte. Sie sind nicht einfach nur grün, sie haben goldene Sprenkel, stellte Zahir fest.
„Sie haben recht. Man lernt schnell, dass es für ein Happy End mehr als einen Prinzen braucht …“
Er konnte genau sehen, in welchem Moment ihr klar wurde, was sie gerade gesagt hatte. Erneut erschien eine leichte Röte, wie sie ihr schon wenige Augenblicke zuvor ins Gesicht gestiegen war.
Er empfand es als eine angenehme Abwechslung, dass jemand einmal völlig vergaß, wer er war, und einfach sagte, was ihm in den Sinn kam.
„Von mir werden Sie keinen Widerspruch hören“, sagte er, nahm ihr die Kugel ab und blickte kurz auf ihre unberingte Hand. Für sie hatte es bislang also keinen attraktiven Prinzen und kein Happy End gegeben. Und eine innere Stimme sagte ihm, dass es eine schmerzhafte Lektion gewesen war.
„In meinem Land halten wir nichts von der romantischen westlichen Vorstellung von der Ehe. Eine Ehe wird von der Familie arrangiert.“
„Damit vermeidet man bestimmt viele Unsicherheiten“, sagte sie ernst. Dann erschien ihr Grübchen wieder. „Schlechtes Terrain für verzauberte Frösche.“
„Allerdings.“ Schnell drehte er sich zum Regal um, bevor ihm das Gespräch völlig entglitt. „Welche dieser Heldinnen ist Ihrer Meinung nach also das beste Vorbild für eine moderne Prinzessin? Die Langweilige, die zu Hause wartet, bis ihr die Fee mit dem Zauberstab zu Hilfe kommt? Das Hausmütterchen, das hinter den Männern herputzt? Oder die Prinzessin, die einen Blick auf den Frosch wirft und türmt?“
„Vergessen Sie die Prinzessin. Der Frosch ist interessant. Er lässt sein Ziel nicht aus den Augen und gibt nicht auf. Er ist ein gutes Vorbild für alle Kinder …“
Er wartete, denn er war sich sicher, dass sie noch etwas hinzufügen würde.
„Und für alle Erwachsenen“, sagte sie schnell.
„Also nehmen wir den Frosch. Machen wir uns auf die Suche nach der hilfsbereiten Verkäuferin? Ich könnte mir vorstellen, dass sie das Geschenk nur zu gerne einpacken und mit rosa Schleifen verzieren wird.“
Diana widerstand der Versuchung, auf einen Sprung nach Hause zu fahren, während Scheich Zahir der Prinzessin das Geburtstagsgeschenk übergab.
Wahrscheinlich hätte die Zeit gerade so gereicht, und nach der Märchenstunde hatte sie das starke Bedürfnis, Freddy zu umarmen, bevor seine Großmutter ihn ins Bett brachte.
Doch wenn sie ehrlich war, hatte ihr die Einkaufstour mit dem Scheich ziemlich zugesetzt, und sie wollte sich nicht darauf verlassen, dass der Londoner Verkehr mitspielte. Also nahm sie dankbar die Einladung des Botschaftsangestellten an, den Wagen auf dem Parkplatz hinter dem Gebäude abzustellen und in einem bequemen Aufenthaltsraum auf den Scheich zu warten.
Mit viel Glück hatte sie ihn noch pünktlich zur Botschaft gebracht. Der Verkehr war nicht sehr dicht gewesen, und da ausreichend Zeit für Staus eingeplant war, hatten sie trotz des Einkaufsbummels nur zehn Minuten verloren.
War er beim Märchenerzählen noch ganz aufmerksam gewesen, schien er, nachdem er seine Wahl getroffen hatte und zur Kasse geeilt war, ganz vergessen zu haben, dass sie existierte. Er war charmant zu der Verkäuferin, die sich mit den Schleifen abmühte und dabei durchblicken ließ, dass sie sich am liebsten selbst als Geschenk für ihn eingepackt hätte.
Zweifellos erlebte er solche offenen Avancen ständig, ohne dass er dabei in Versuchung zu geraten schien. Es war Diana eine Warnung, seinen gefährlichen Charme nicht ernst zu nehmen.
Nach dem Einkauf hatte er ihr nur kurz gesagt, dass er die Botschaft um Viertel vor sieben verlassen würde. Ganz wie sie es erwartet hatte.
Es wäre dumm, seine Aufmerksamkeit persönlich zu nehmen.
Das hier war ein Job, nicht mehr. Nachdem man ihr eine Kanne Tee, ein Sandwich und einige süße Törtchen gebracht hatte, konzentrierte sie sich wieder auf ihren eigenen Alltag und rief zu Hause an.
„Mummy!“ Freddy klang ganz aufgeregt. „Ich habe heute einen Sticker für gutes Lesen gekriegt!“
„Wow, da bin ich aber stolz auf dich!“
„Ich will ihn dir zeigen. Kommst du bald heim?“
Diana schluckte. Es tat ihr leid, dass sie nicht zu Hause sein konnte, wenn er aus der Schule kam und seine Erlebnisse zuerst ihren Eltern erzählte. Aber so ging es allen arbeitenden Müttern, nicht nur den alleinerziehenden. Sadie hatte zwar ein Kindermädchen, trotzdem war sie in derselben Situation, auch ihr Tag hatte nicht genug Stunden für alle Erwartungen und Wünsche.
Dabei hatte ich noch Glück, dachte Diana. Ihre Eltern hätten verärgert oder abweisend reagieren können, als sie schwanger wurde. Aber sie hatten sie unterstützt, und sie liebten Freddy.
„Mummy?“
„Ich muss heute Abend arbeiten“, sagte sie.
„Ooh … Kommst du heim, bevor ich ins Bett gehe?“
„Ich bin da, wenn du aufwachst“, versprach sie. „Sei schön lieb zu Grandma und Grandpa, ja?“
„Okay.“
„Ich drück dich ganz fest.“
„Oh, Mummy!“
Dumme Mummy, dachte sie, während sie in ihr Sandwich biss und ihr all die idiotischen Sachen durch den Kopf gingen, die sie von sich gegeben hatte, seit sie Scheich Zahir vom Flughafen abgeholt hatte.
Höflich und zurückhaltend sollte sie sein. Was hatte sie sich nur gedacht?
Sie hatte gar nicht gedacht. Seit dem Augenblick, als er aus dem Flughafengebäude getreten war, hatte nur noch ihr Mundwerk funktioniert.
Gut, er war darauf eingegangen, hatte sie sogar ermuntert, aber das hieß nicht, dass sie sich völlig zum Idioten machen musste.
Würde sie nie lernen, erst zu denken und dann – wenig – zu reden?
In diesem Leben wahrscheinlich nicht mehr.
Das leise Läuten ihre Handys wäre eine willkommene Ablenkung von ihren düsteren Gedanken gewesen, hätte sie nicht auf dem Display die Nummer ihrer Chefin erkannt.
Wahrscheinlich hatte der Scheich sich schon über sie beschwert und einen anderen Fahrer verlangt. Einen mit einer richtigen Chauffeursmütze und einem männlichen Chromosomensatz. Jemand Unterwürfiges, der wusste, wie ein VIP einzukaufen wünscht, und vor allem jemand, der nicht redete, als bekäme er es bezahlt.
„Di?“
„Hmm … Ja. Entschuldigung. Ich esse gerade ein Sandwich …“ Prompt verschluckte sie sich. Sie hatte versagt und ihre Chefin blamiert. Dabei hatte sie versprochen, ihre Sache gut zu machen, selbst anzurufen, wenn es Probleme gab. Wie kam sie dazu, eine Prinzessin zu kritisieren, die einen Frosch sitzen ließ?
„Hör zu. Anscheinend gibt es am Grosvenor Place einen Wasserrohrbruch“, sagte Sadie, ohne abzuwarten, bis Dianas Husten aufhörte. „Du musst über den Sloane Square ausweichen.“
Sadie rief an, um sie über den Verkehr auf dem Laufenden zu halten?
„Gut“, antwortete Diana, als Ei und Kresse endlich unten waren. „Danke, dass du mir Bescheid sagst.“
„Ich hatte erwartet, dass du mich anrufst. Du solltest dich doch melden.“
„Bei jedem Stopp?“, fragte sie überrascht. „Ruft Jack jedes Mal an, wenn er parkt?“
„Du bist nicht Jack.“
Das stimmte allerdings. „Ja, es hat alles seine Vor- und Nachteile.“
„Was sind die Nachteile?“, fragte Sadie sofort alarmiert.
„Keine“, antwortete Diana schnell. „Absolut keine.“ Und sie lächelte strahlend. Der Scheich hatte sich nicht über sie beschwert … „Wir sind ein bisschen spät dran, das ist alles. Scheich Zahir musste noch shoppen.“
„Wirklich?“ Kaum war das S-Wort gefallen, reagierte die Chefin sehr weiblich. „Wo wart ihr? Bei Aspreys oder Garrard?“
„In einem Spielwarengeschäft.“
Nach einer längeren Pause hörte sie ein lang gezogenes „Okaaay, selbst ein Scheich hat wahrscheinlich ein paar Bälger, für die er Mitbringsel braucht.“
„Keine eigenen“, erwiderte sie rasch. Obwohl er genau genommen auf diese Frage nicht eingegangen war. „Er wollte etwas für die Tochter des Botschafters besorgen. Sie hat heute Geburtstag.“
„Hauptsache, es ist alles gut gegangen.“
„Das musst du ihn fragen.“
„Wenn er unzufrieden ist, erfahre ich es schnell genug. Übrigens habe ich deinen Vater angerufen. Er hat alles im Griff.“
Sie wollte Sadie gerade sagen, dass sie selbst schon zu Hause angerufen hatte, aber dann fiel ihr ein, dass die Chefin vielleicht nicht ganz mit ihren Prioritäten einverstanden sein würde, und sie beließ es dabei.
„Danke dir.“
„Du bist nicht bei der Sache, Zahir.“ Hanif hatte ihn beiseitegenommen, weg von dem Trubel um Ameerah, die gerade ihrem fünfjährigen Bruder und ihrer kleinen Schwester das neue Spielzeug zeigte.
Metcalfe hatte recht gehabt. Glas wäre völlig untauglich gewesen.
„Hast du Probleme mit dem Projekt am Nadira Creek? Oder mit der Fluggesellschaft, die du gründen willst?“
Zahir lächelte. „Die Geschäfte sind nie ein Problem, Hanif. Lucy wird immer genug für ihre wohltätigen Zwecke haben.“
„Dann müssen es familiäre Probleme sein. Wie geht es deinem Vater?“
„Er verlangt seinem Schrittmacher alles ab. Diese Woche ist er zu Friedensgesprächen im Sudan.“ Er hob die Hände in einer hilflosen Geste. „Ich habe immer wieder ein schlechtes Gewissen deswegen. Im Grunde sollte ich dort sein.“
„Nein, Zahir. Dein Talent liegt auf einem anderen Gebiet.“
„Vielleicht.“
„Da ist doch noch etwas?“
Zahir blickte zu dem fünfjährigen Jamal und zu Ameerah hinüber, die von der Schneekugel völlig gefesselt waren. Dann wandte er sich Hanif zu. „Vater erwartet mit Ungeduld einen Enkel, der seinen Namen trägt. Er ist sehr verärgert, weil ich ihm diese Freude bisher versagt habe. Ich bin tatsächlich in jeder Hinsicht eine Enttäuschung für ihn.“ Er brachte ein Lächeln zustande. „Aber nicht mehr lange. Meine Mutter hat sich der Sache angenommen und sucht eine Braut für mich.“
Er hatte mit einer belustigten Reaktion gerechnet, aber Hanif lächelte nicht. „Die Ehe währt ein Leben, Zahir. Du solltest dich nicht unüberlegt binden, auch nicht deinem Vater zuliebe. Und der Zeitpunkt könnte für eine Eheschließung wirklich günstiger sein.“
„Das habe ich deutlich klargemacht. Aber meine Mutter meinte nur, wenn ich warten wolle, bis ich Zeit habe, würde ich nie heiraten.“ Er hob die Schultern. „Und dann sagte sie noch einiges über meine Sturheit und meinen Egoismus …“
„Sie wünscht sich sehr, dass du eine Familie gründest, Zahir. Stur bist du vielleicht, aber nicht egoistisch, und das weiß sie. Du hast mir mehr als zwei Jahre deiner Zeit geopfert und mir beigestanden. Das hast du für die Familie getan.“
„Ich habe es für dich getan, Hanif. Für dich würde ich mein Leben geben.“
Jetzt endlich lächelte sein Cousin. „Sein Leben zu geben ist einfach, Zahir. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Es zu leben, macht sehr viel mehr Mühe.“
„Mühe habe ich nie gescheut, aber es ist Zeit, dass ich auf Vaters Wünsche eingehe und sie respektiere.“
„Wenn es sein soll, dann wird es geschehen. Ob es nun der Wunsch deiner Mutter oder dein eigener ist, und ich wünsche dir alles Glück mit deiner Braut.“
„Du glaubst an das Schicksal?“
Hanif klang so überzeugt. Aber ihm hatte das Schicksal auch die reizende Lucy Forrester zugeführt. Wer hätte das voraussehen können?
Und wer hätte ahnen können, dass die entzückend unkonventionelle Metcalfe mit ihren appetitlichen Kurven heute seinen Wagen steuern würde.
„Kann ich Ameerah kurz mitnehmen? Meine Fahrerin hat die Schneekugel für sie ausgesucht, weil mein ursprüngliches Geschenk zerbrochen ist. Wir könnten uns bedanken.“
„Fahrerin?“ Kaum merklich hob Hanif die Brauen.
Diana sah auf die Uhr. Es war Zeit, den Wagen vorzufahren. Doch als sie aufstand, wurde die Tür des Aufenthaltsraums aufgerissen, und ein schlaksiges Mädchen mit dunklem Teint und schwarzen Haaren stürmte herein.
„Danke!“, rief sie laut. „Vielen Dank, dass Sie die Schneekugel für mich ausgesucht haben. Sie ist wunderschön!“
Verblüfft über den überschwänglichen Auftritt blickte Diana zur Tür, um zu schauen, wer das Mädchen begleitete, und sah Scheich Zahir am Rahmen lehnen.
„Ich bin froh, dass sie dir gefällt, Prinzessin. Du feierst heute Geburtstag?“
„Oh nein, wir feiern heute nicht. Ich hatte Schule, und Mummy geht heute Abend aus. Aber am Samstag machen wir mit meiner ganzen Klasse eine Bootsfahrt auf dem Kanal bis zum Zoo, und dort picknicken wir. Ich möchte, dass Zahir mitkommt, aber er sagt, das müssen Sie entscheiden.“
„Ich?“
„Sie sind seine Fahrerin!“
„Oh, verstehe.“
Diana blickte den Mann an, der lässig am Türrahmen lehnte. Seinem Gesichtsausdruck war nichts zu entnehmen, und doch hatte sie die starke Empfindung, dass er ihr etwas sagen wollte. Vielleicht musste sie doch nicht gleich morgen wieder den Schulbus fahren?
Sie wandte sich dem Mädchen zu. „Egal wer Scheich Zahir fährt, er wird auf jeden Fall zu deiner Feier kommen, das verspreche ich dir.“
„Siehst du!“ Wie der Blitz war die Prinzessin zu ihm gelaufen. „Ich habe doch gesagt, dass es klappt.“
„Das hast du.“ Er fuhr ihr über die Locken. „Dann sehen wir uns am Samstag, du Schlingel.“
Sie rannte davon, während Zahir stehen blieb. „Egal wer fährt?“, wiederholte er.
„Jack Lumley wird Samstag längst wieder arbeiten.“
„Aber was soll ich mit ihm? Sie sind viel unterhaltsamer.“
Unterhaltsam!
„Bitte“, flehte sie ihn an, „sagen Sie das auf keinen Fall zu Sadie Redford. Das ist meine große Chance, ihr zu beweisen, dass ich eine VIP-Fahrerin sein kann. Wie Sie sicher bemerkt haben, bin ich kein Naturtalent, aber wenn Sie ihr sagen, ich sei unterhaltsam, dann ist das mein Ende.“
„Ich werde nichts verlauten lassen, Metcalfe. Aber Sie haben unrecht, Sie sind ein Naturtalent.“
Es gelang ihr nicht ganz, ein Stöhnen zu unterdrücken.
„Wenn Sie einen Fahrer für die neueste Limousine von Capitol Cars brauchen, bin ich gewiss nicht die erste Wahl.“
„Sie machen Ihre Sache gut. Versprechen Sie mir, dass Sie mich nicht dem langweiligen Jack Lumley ausliefern, und ich werde kein Wort darüber verlieren, was für ein Naturtalent Sie sind.“
Sie schluckte.
„Gehen wir?“
„Ich hole sofort den Wagen.“ Schnell sah sie auf ihre Uhr. Bloß nicht in diese amüsierten Augen blicken, die sie provozierten, etwas „Unterhaltsames“ zu sagen.
„In fünf Minuten?“
„Am besten, ich gehe gleich mit durch den Hinterausgang, dann müssen Sie nicht um den ganzen Block fahren.“
Beide schwiegen, bis Diana vor seinem Hotel vorfuhr, wo ein Portier ihrem Fahrgast den Wagenschlag aufhielt.
„Neunzehn Uhr fünfundvierzig, Metcalfe“, sagte Scheich Zahir, als er ausstieg.
„Jawohl, Sir.“
Der Portier winkte sie in eine Parkbucht, die für besondere Gäste reserviert war. „Sie können hier warten.“
Sie nickte höflich, als wenn sie nichts anderes erwartet hätte, und parkte den Wagen. Die Ehre wird nicht mir erwiesen, sagte sie sich, sondern meinem Kunden. Natürlich auch der Uniform und dem Wagen. Mit ihr persönlich hatte das nichts zu tun.
Sie rief Sadie an, um ihr mitzuteilen, dass alles nach Plan verlief. Dann stieg sie aus, ging mit dem Poliertuch in der Hand um den Wagen und überprüfte, ob sich ein Schmutzfleck auf dem dunkelroten Lack oder dem glänzenden Chrom befand.
Zwei andere Chauffeure, die ebenfalls warteten, nickten ihr zu, bewunderten den Wagen und stellten ihr ein paar technische Fragen. Anscheinend gehörte sie, obwohl sie eine Frau war, dazu.
Vielleicht war sie es selbst, die sich nie akzeptierte, die sich immer wieder Vorhaltungen machte, dass sie alleinerziehend war, bei ihren Eltern wohnte, Unterstützung brauchte. Warum setzte sie sich nicht stärker für ihre Ziele ein?
So oft hatte sie zu hören bekommen, was sie alles nicht konnte, wie eingeschränkt ihre Möglichkeiten waren, dass sie schon selbst daran glaubte.
Sogar ihr Traum vom eigenen Taxi war inzwischen in ihrer Familie zu einem überbeanspruchten Witz geworden. „Nächstes Jahr fährst du dein eigenes Taxi, Di. Ha, ha, ha.“
Der Portier hatte ihr ein Zeichen gegeben, und Diana wartete bereits vor dem Eingang des Hotels, als Scheich Zahir herauskam. Diesmal war er nicht allein. Ein junger Mann mit scharfen Gesichtszügen begleitete ihn.
Da dieser den Laptop in der Hand hielt, gehörte er vermutlich ebenso wie sie zur Klasse der Kofferträger. Dem Schnitt seines Anzugs nach zu urteilen, war er allerdings in der Hierarchie der Dienstleister beträchtlich über ihr angesiedelt.
Diesmal geschah beim Einsteigen kein Missgeschick, der Portier übernahm die Sache mit der Autotür, und niemand – nicht einmal ein kleiner Junge – würde dieser beeindruckenden Persönlichkeit in die Quere kommen.
Sobald ihre Fahrgäste im Wagen saßen, fädelte sie sich zügig in den Verkehr ein und fuhr Richtung South Bank. Und es gelang ihr sogar, höflich und zurückhaltend zu sein.
Kaum hatte sie sich insgeheim zu dieser Leistung gratuliert, als Scheich Zahir sagte: „Metcalfe, das ist James Pierce. Er ist der Mann, der die Dinge für mich ins Rollen bringt. Es kann sein, dass Sie ihn gelegentlich zu einem Termin fahren werden.“
„Sir“, erwiderte sie in seinem formellen Ton. Alles ging gut, bis sie an einer roten Ampel den Fehler machte, in den Rückspiegel zu schauen, und direkt in seine Augen sah. Sein Blick entsprach überhaupt nicht seiner Stimme, und sie erkannte, dass er sich nicht einen Augenblick von ihrer Förmlichkeit täuschen ließ. Ihre verräterischen Mundwinkel verweigerten den Gehorsam, und sie lächelte ihn an.
Ein Fehler.
James Pierce war erst durch ihre kurze Antwort darauf aufmerksam geworden, dass nicht Jack Lumley am Steuer saß. Er sagte: „Das ist ungeheuerlich!“, und sah sie zum ersten Mal an.
Ihre Stimme konnte er nicht meinen. Es mussten die Grübchen sein, die ihr, ebenso wie eine leichte Rundlichkeit der Wangen, ein jugendliches Aussehen verliehen. Unangenehm, wenn man ernst genommen werden wollte.
„Als ich bei Capitol Cars anrief, verlangte ich ausdrücklich …“
„Jack Lumley ist krank“, unterbrach ihn Scheich Zahir.
„Ich werde Sadie anrufen. Sie muss einen Ersatz für ihn zur Verfügung stellen.“
Diana konnte James Pierce nicht im Rückspiegel sehen, aber von dem Moment an, als er zu reden begann, war er ihr unsympathisch. Und was er sagte, machte es nicht besser.
Sein vornehmer Anzug passte zu seinem Auftritt. Sie war so dumm gewesen zu glauben, sie seien auf derselben Seite – er sah das offensichtlich anders. Aber vielleicht war das nur natürlich für einen Mann, der für einen milliardenschweren Scheich die Dinge ins Rollen brachte.
„Warum brauchen wir jemand anderen?“, griff Scheich Zahir ein. „Metcalfe ist …“
Bitte, bitte kein Naturtalent, betete sie innerlich, als die Ampel grün wurde und sie in den Rückspiegel blicken musste. Er sah sie immer noch an. Sein Gesicht war ernst, nur seine Augen lächelten. Das Lächeln, so stellte sie fest, war nur für sie.
„… eine äußerst kompetente Fahrerin.“
Er weiß es, dachte sie. Er wusste genau, was in ihr vorging, und er nahm sie auf den Arm, machte sie zu seiner Komplizin in einer Allianz gegen den Stockfisch an seiner Seite.
Ohne Warnung breitete sich Wärme in ihrem ganzen Körper aus und ließ ihr die Röte in die Wangen steigen.
Zum Glück hatte Scheich Zahir sich bereits abgewandt.
„Sie sind doch sicher keiner dieser Dinosaurier, die etwas gegen Frauen am Steuer haben, oder, James?“, fragte er neckend.
„Nein …“ Er klang nicht überzeugt. „Nein, natürlich nicht.“
„Da bin ich aber froh. Als Anwalt sollten Sie Metcalfe nicht die Gelegenheit geben, uns wegen sexueller Diskriminierung zu verklagen.“
„Ich dachte nur …“
„Ich weiß, James, aber wie gesagt, es ist kein Problem.“
Zahir wartete nicht auf eine Antwort, sondern ging zum Geschäftlichen über und begann ein Gespräch über komplexe rechtliche Fragen im Zusammenhang mit einem Pachtvertrag.
Auch ich sollte mich besser auf Dienstliches konzentrieren, dachte Diana. Im Rückspiegel mit einem Kunden zu flirten, gehörte sich definitiv nicht für eine äußerst kompetente Fahrerin. Ganz im Gegenteil.
Vor dem Eingang der Riverside Gallery stieg sie aus und öffnete ihren Fahrgästen die Tür, ihren Blick hielt sie dabei starr geradeaus gerichtet.
James Pierce ging davon, ohne sie auch nur einmal anzuschauen. Er sah verärgert aus.
Scheich Zahir blieb stehen, und da erst bemerkte sie, dass sie hinter Pierce hergrinste. Sie beeilte sich, ein ernstes Gesicht zu machen.
„Was werden Sie tun, bis Sie uns wieder abholen, Metcalfe?“
„Ich habe ein Buch dabei“, antwortete sie schnell. Chauffeure waren es gewohnt zu warten.
Vielleicht sollte sie sich mal wieder das „Blaue Buch“, die Bibel für Taxifahrer, vornehmen, in der die kürzesten Strecken von einem Ort in London zum anderen verzeichnet waren. Dieses Wissen wurde für die Taxifahrerlizenz abgefragt.
Er zögerte noch immer. „Warum kommen Sie nicht mit in die Galerie? Es gibt etwas zu essen, und Sie können sich die Bilder anschauen, wenn Ihnen die Präsentation zu langweilig wird.“
Vor Schreck vergaß sie ihren Entschluss, ihm nicht mehr in die Augen zu sehen. Sein Lächeln wurde strahlender. Als Antwort pochte ihr Herz schneller.
Ein schnell hingehauchtes „D… danke“ sollte überspielen, dass ihr der Atem stockte. Fest entschlossen, sich nicht ein zweites Mal zu seiner Komplizin machen zu lassen – dafür hatte er schließlich den Stockfisch –, antwortete sie: „Ich sollte wirklich …“
„Beim Wagen bleiben“, beendete er den Satz für sie, bevor sie es sich anders überlegen konnte.
„Es ist ratsam.“ Sie lächelte entschuldigend, räusperte sich und fügte mit einer Kopfbewegung Richtung Galerie hinzu: „Mr Pierce wartet auf Sie, Sir.“
„Zahir.“
„Sir?“
„Alle, die für mich arbeiten, nennen mich Zahir. Das scheint heute so üblich zu sein. Es klingt ja fast wie Sir. Vielleicht kriegen Sie es auch hin?“
„Ja, Sir.“
Das Lächeln erstarb, er nickte. „Viel Spaß mit dem Buch, Metcalfe.“
Sie sah ihm nach. Noch immer kein flatterndes Gewand, stattdessen die gewöhnliche männliche Uniform – dunkler Anzug, Seidenkrawatte –, die allerdings an Scheich Zahir alles andere als gewöhnlich aussah.
Zahir.
Seit Sadie sie aus dem Minibus herausgeholt hatte, spukte Diana der Name im Kopf herum.
„Zahir …“
Exotisch.
Gefährlich …
Sie fröstelte ein wenig, als eine leichte Brise vom Fluss herauf über den Platz zog.
Fetzen von Jazzmusik drangen von einem die Themse hinabfahrenden Boot zu ihr herüber. Trotz des kalten Winds zog sie die Handschuhe aus, nahm den Hut ab und warf beides auf den Fahrersitz. Dann verschloss sie den Wagen und ging zu einem Geländer am Fluss, legte die Ellbogen darauf und blickte auf die altbekannte Skyline mit der Kuppel der St. Paul’s Cathedral im Hintergrund.
Reiß dich zusammen, Diana! Keine Träumereien. Das ist nicht der richtige Zeitpunkt für gefährliche Spielchen mit einem attraktiven Prinzen, der dir den Vornamen anbietet. Märchen sind etwas für Kinder. Du hast jetzt die Chance, weiterzukommen, genug zu verdienen, um deinen Traum zu verwirklichen. Mach es dir nicht kaputt, nur weil der Prinz mit seinen dunklen Augen dich ansieht, als ob … Vergiss es!
Sie hatte es doch alles schon einmal erlebt – dunkel und gefährlich. Sie würde nicht zweimal denselben Fehler machen.
Freddy, ihr kleiner Sohn, war ihr Ein und Alles. Für seine Zukunft war sie verantwortlich. An ihn musste sie zuallererst denken.
Und wenn das nicht genügte, um sie vor Dummheiten zu bewahren, dann brauchte sie sich nur daran zu erinnern, wie der Banker sie angesehen hatte, als sie einen der verführerischen Werbespots der Bank für bare Münze genommen und einen Kredit für ein eigenes Taxi beantragen wollte. Er hatte sie kurz angeschaut, dann kam die typische Vierpunkte-Reaktion:
1. Alleinerziehende Mutter
2. Null Immobilien als Sicherheit, nicht mal hoch
verschuldete Immobilien
3. Null Vermögenswerte
4. Null Chance
Damals war sie so wütend über sein herablassendes Verhalten gewesen. Hatte sich geschworen wiederzukommen …