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Julius Caesar (frühneuenglisch The Tragedy of Iulius Cæsar) ist eine Tragödie von William Shakespeare. Das Werk handelt von den Umständen der Ermordung Caesars und dem Schicksal von Brutus, dem Anführer der Verschwörer. Es spielt in der Stadt Rom und in Philippi. Shakespeare hat die erzählte Zeit der Handlung, die sich eigentlich zwischen 44 und 42 v. Chr. abspielte, auf wenige Tage konzentriert.
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Seitenzahl: 99
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William Shakespeare
Julius Cäsar
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Julius Cäsar
Erster Aufzug
Zweiter Aufzug
Dritter Aufzug
Vierter Aufzug
Fünfter Aufzug
Impressum neobooks
Rom. Eine Straße.
Flavius, Marullus und ein Haufe von Bürgern.
FLAVIUS.
Packt euch nach Haus, ihr Tagediebe! Fort!
Ist dies ein Feiertag? Was? Wißt ihr nicht,
Daß ihr als Handwerksleut' an Werkeltagen
Nicht ohn' ein Zeichen der Hantierung dürft
Umhergehn? – Welch Gewerbe treibst du? Sprich!
ERSTER BÜRGER.
Nun, Herr, ich bin ein Zimmermann.
MARULLUS.
Wo ist dein ledern Schurzfell und dein Maß?
Was machst du hier in deinen Sonntagskleidern? –
Ihr, Freund, was treibt Ihr?
ZWEITER BÜRGER. Die Wahrheit zu gestehn, Herr, gegen einen feinen Arbeiter gehalten, mache ich nur, so zu sagen, Flickwerk.
MARULLUS. Doch welch Gewerb'? Antworte grade zu!
ZWEITER BÜRGER. Ein Gewerbe, Herr, das ich mit gutem Gewissen treiben kann, wie ich hoffe. Es besteht darin, einen schlechten Wandel zu verbessern.
MARULLUS. Welch ein Gewerb', du Schuft? welch ein Gewerb'?
ZWEITER BÜRGER. Nein, ich bitte Euch, Herr, laßt Euch die Geduld nicht reißen! Wenn aber ja was reißt, so gebt Euch nur in meine Hand!
MARULLUS. Was meinst du damit? Mich in deine Hand geben, du naseweiser Bursch?
ZWEITER BÜRGER. Nun ja, Herr, damit ich Euch flicken kann.
FLAVIUS. Du bist ein Schuhflicker, nicht wahr?
ZWEITER BÜRGER. Im Ernst, Herr, ich bin ein Wundarzt für alte Schuhe: wenn's gefährlich mit ihnen steht, so mache ich sie wieder heil. So hübsche Leute, als jemals auf Rindsleder getreten, sind auf meiner Hände Werk einhergegangen.
FLAVIUS.
Doch warum bist du in der Werkstatt nicht?
Was führst du diese Leute durch die Gassen?
ZWEITER BÜRGER. Meiner Treu, Herr, um ihre Schuhe abzunutzen, damit ich wieder Arbeit kriege. Doch im Ernst, Herr, wir machen Feiertag, um den Cäsar zu sehen und uns über seinen Triumph zu freuen.
MARULLUS.
Warum euch freun? Was hat er wohl erobert?
Was für Besiegte führt er heim nach Rom
Und fesselt sie zur Zier an seinen Wagen?
Ihr Blöck'! ihr Steine! schlimmer als gefühllos!
O harte Herzen! arge Männer Roms!
Habt ihr Pompejus nicht gekannt? Wie oft
Stiegt ihr hinan auf Mauern und auf Zinnen,
Auf Türme, Fenster, ja auf Feueressen,
Die Kinder auf dem Arm, und saßet da
Den lieben langen Tag, geduldig wartend,
Bis durch die Straßen Roms Pompejus zöge?
Und saht ihr seinen Wagen nur von fern,
Erhobt ihr nicht ein allgemeines Jauchzen,
So daß die Tiber bebt' in ihrem Bett,
Wenn sie des Lärmes Widerhall vernahm
An ihren hohlen Ufern?
Und legt ihr nun die Feierkleider an?
Und spart ihr nun euch einen Festtag aus?
Und streut ihr nun ihm Blumen auf den Weg,
Der siegprangt über des Pompejus Blut?
Hinweg!
In eure Häuser lauft, fallt auf die Knie,
Und fleht die Götter an, die Not zu wenden,
Die über diesen Undank kommen muß!
FLAVIUS.
Geht, geht, ihr guten Bürger! und versammelt
Für dies Vergehen eure armen Brüder;
Führt sie zur Tiber, weinet eure Tränen
Ins Flußbett, bis ihr Strom, wo er am flachsten,
Die höchsten ihrer Uferhöhen küßt.
Die Bürger ab.
Sieh, wie die Schlacken ihres Innern schmelzen!
Sie schwinden weg, verstummt in ihrer Schuld.
Geht Ihr den Weg, hinab zum Kapitol;
Hierhin will ich. Entkleidet dort die Bilder,
Seht Ihr mit Ehrenzeichen sie geschmückt!
MARULLUS.
Ist das erlaubt?
Ihr wißt, es ist das Luperkalienfest.
FLAVIUS.
Es tut nichts: laßt mit den Trophäen Cäsars
Kein Bild behängt sein! Ich will nun umher,
Und will den Pöbel von den Gassen treiben.
Das tut auch Ihr, wo Ihr gedrängt sie seht!
Dies wachsende Gefieder, ausgerupft
Der Schwinge Cäsars, wird den Flug ihm hemmen,
Der, über Menschenblicke hoch hinaus,
Uns alle sonst in knecht'scher Furcht erhielte.
Beide ab.
Ein öffentlicher Platz.
In einem feierlichen Aufzuge mit Musik kommen Cäsar; Antonius, zum Wettlauf gerüstet; Calpurnia, Portia, Decius, Cicero, Brutus, Cassius und Casca; hinter ihnen ein großes Gedränge, darunter ein Wahrsager.
CÄSAR.
Calpurnia!
CASCA.
Still da! Cäsar spricht.
Die Musik hält inne.
CÄSAR.
Calpurnia!
CALPURNIA.
Hier, mein Gemahl!
CÄSAR.
Stellt dem Antonius grad' Euch in den Weg,
Wenn er zur Wette läuft! – Antonius!
ANTONIUS.
Erlauchter Cäsar?
CÄSAR.
Vergeßt, Antonius, nicht in Eurer Eil',
Calpurnia zu berühren; denn es ist
Ein alter Glaube, unfruchtbare Weiber,
Berührt bei diesem heil'gen Wettlauf,
Entladen sich des Fluchs.
ANTONIUS.
Ich werd' es merken.
Wenn Cäsar sagt: »Tu' das«, so ist's vollbracht.
CÄSAR.
Beginnt; laßt nichts von den Gebräuchen aus!
Musik.
WAHRSAGER.
Cäsar!
CÄSAR.
He, wer ruft?
CASCA.
Es schweige jeder Lärm: noch einmal still!
Die Musik hält inne.
CÄSAR.
Wer ist es im Gedräng', der mich begehrt?
Durch die Musik dringt gellend eine Stimme,
Die: »Cäsar!« ruft. Sprich! Cäsar neigt sein Ohr.
WAHRSAGER.
Nimm vor des Märzen Idus dich in acht!
CÄSAR.
Wer ist der Mann?
BRUTUS.
Ein Wahrsager; er warnt Euch vor des Märzen Idus.
CÄSAR.
Führt ihn mir vor, laßt sein Gesicht mich sehn!
CASCA.
Komm aus dem Haufen, Mensch: tritt vor den Cäsar!
CÄSAR.
Was sagst du nun zu mir? Sprich noch einmal!
WAHRSAGER.
Nimm vor des Märzen Idus dich in acht!
CÄSAR.
Er ist ein Träumer: laßt ihn gehn, und kommt!
Ein Marsch. Alle bis auf Brutus und Cassius gehn ab.
CASSIUS.
Wollt Ihr den Hergang bei dem Wettlauf sehn?
BRUTUS.
Ich nicht.
CASSIUS.
Ich bitt' Euch, tut's!
BRUTUS.
Ich hab' am Spiel nicht Lust, mir fehlt ein Teil
Vom muntern Geiste des Antonius:
Doch muß ich Euch in Eurem Wunsch nicht hindern.
Ich lass' Euch, Cassius.
CASSIUS.
Brutus, seit kurzem geb' ich acht auf Euch:
Ich find' in Eurem Blick die Freundlichkeit,
Die Liebe nicht, an die Ihr mich gewöhnt.
Zu störrisch und zu fremd begegnet Ihr
Dem Freunde, der Euch liebt.
BRUTUS.
Mein Cassius,
Betrügt Euch nicht: Hab' ich den Blick verschleiert,
So kehrt die Unruh' meiner Mienen sich
Nur gegen mich allein. Seit kurzem quälen
Mich Regungen von streitender Natur,
Gedanken, einzig für mich selbst geschickt,
Die Schatten wohl auf mein Betragen werfen.
Doch laßt dies meine Freunde nicht betrüben
(Wovon Ihr einer sein müßt, Cassius),
Noch mein achtloses Wesen anders deuten,
Als daß, mit sich im Krieg, der arme Brutus
Den andern Liebe kund zu tun vergißt.
CASSIUS.
Dann, Brutus, mißverstand ich Euren Unmut.
Deshalb begrub hier diese Brust Entwürfe
Von großem Werte, würdige Gedanken.
Sagt, Brutus, könnt Ihr Euer Antlitz sehn?
BRUTUS.
Nein, Cassius, denn das Auge sieht sich nicht,
Als nur im Widerschein, durch andre Dinge.
CASSIUS.
So ist's:
Und man beklagt sich sehr darüber, Brutus,
Daß Ihr nicht solche Spiegel habt, die Euren
Verborgnen Wert Euch in die Augen rückten,
Auf daß Ihr Euren Schatten säht. Ich hörte,
Wie viele von den ersten Männern Roms
(Nur Cäsarn nehm' ich aus), vom Brutus redend,
Und seufzend unter dieser Zeiten Joch,
Dem edlen Brutus ihre Augen wünschten.
BRUTUS.
Auf welche Wege, Cassius, lockt Ihr mich,
Daß Ihr mich heißt in meinem Innern suchen,
Was doch nicht in mir ist?
CASSIUS.
Drum, lieber Brutus, schickt Euch an zu hören.
Und weil Ihr wißt, Ihr könnt Euch selbst so gut
Nicht sehn als durch den Widerschein, so will
Ich, Euer Spiegel, Euch bescheidentlich
Von Euch entdecken, was Ihr noch nicht wißt.
Und denkt von mir kein Arges, werter Brutus:
Wär' ich ein Lacher aus der Menge; pflegt' ich
Mein Herz durch Alltagsschwüre jedem neuen
Beteurer auszubieten; wenn Ihr wißt,
Daß ich die Menschen streichle, fest sie herze,
Und dann sie lästre; oder wenn Ihr wißt,
Daß ich beim Schmaus mich mit der ganzen Schar
Verbrüdern mag, – dann hütet Euch vor mir!
Trompeten und Freudengeschrei.
BRUTUS.
Was heißt dies Jauchzen? Wie ich fürchte, wählt
Das Volk zum König Cäsarn.
CASSIUS.
Fürchtet Ihr's?
Das hieße ja, Ihr möchtet es nicht gern.
BRUTUS.
Nein, Cassius, nicht gern; doch lieb' ich ihn.
Doch warum haltet Ihr mich hier so lange?
Was ist es, das Ihr mir vertrauen möchtet?
Ist's etwas, dienlich zum gemeinen Wohl,
Stellt Ehre vor ein Auge, Tod vor's andre,
Und beide seh' ich gleiches Mutes an.
Die Götter sei'n mir günstig, wie ich mehr
Die Ehre lieb', als vor dem Tod mich scheue!
CASSIUS.
Ich weiß, daß diese Tugend in Euch wohnt,
So gut ich Euer äußres Ansehn kenne.
Wohl! Ehre ist der Inhalt meiner Rede.
Ich weiß es nicht, wie Ihr und andre Menschen
Von diesem Leben denkt; mir, für mich selbst,
Wär' es so lieb, nicht da sein, als zu leben
In Furcht vor einem Wesen wie ich selbst.
Ich kam wie Cäsar frei zur Welt, so Ihr;
Wir nährten uns so gut, wir können beide
So gut wie er des Winters Frost ertragen.
Denn einst, an einem rauhen stürm'schen Tage,
Als wild die Tiber an ihr Ufer tobte,
Sprach Cäsar zu mir: »Wagst du, Cassius, nun,
Mit mir zu springen in die zorn'ge Flut
Und bis dorthin zu schwimmen?« – Auf dies Wort,
Bekleidet, wie ich war, stürzt' ich hinein,
Und hieß ihn folgen; wirklich tat er's auch.
Der Strom brüllt' auf uns ein; wir schlugen ihn
Mit wackern Sehnen, warfen ihn beiseit',
Und hemmten ihn mit einer Brust des Trotzes.
Doch eh' wir das gewählte Ziel erreicht,
Rief Cäsar: »Hilf mir, Cassius! Ich sinke!«
Ich, wie Äneas, unser großer Ahn,
Aus Trojas Flammen einst auf seinen Schultern
Den alten Vater trug, so aus den Wellen
Zog ich den müden Cäsar. – Und der Mann
Ist nun zum Gott erhöht, und Cassius ist
Ein arm Geschöpf, und muß den Rücken beugen,
Nickt Cäsar nur nachlässig gegen ihn.
Als er in Spanien war, hatt' er ein Fieber,
Und wenn der Schau'r ihn ankam, merkt' ich wohl
Sein Beben: ja, er bebte, dieser Gott!
Das feige Blut der Lippen nahm die Flucht,
Sein Auge, dessen Blick die Welt bedräut,
Verlor den Glanz, und ächzen hört' ich ihn.
Ja, dieser Mund, der horchen hieß die Römer
Und in ihr Buch einzeichnen seine Reden,
Ach, rief: »Titinius! Gib mir zu trinken!«,
Wie 'n krankes Mädchen. Götter! ich erstaune,
Wie nur ein Mann so schwächlicher Natur
Der stolzen Welt den Vorsprung abgewann
Und nahm die Palm' allein.
Jubelgeschrei. Trompeten.
BRUTUS.
Ein neues Jauchzen!
Ich glaube, dieser Beifall gilt die Ehren,
Die man auf Cäsars Haupt von neuem häuft.
CASSIUS.
Ja, er beschreitet, Freund, die enge Welt
Wie ein Colossus, und wir kleinen Leute,
Wir wandeln unter seinen Riesenbeinen
Und schaun umher nach einem schnöden Grab.
Der Mensch ist manchmal seines Schicksals Meister:
Nicht durch die Schuld der Sterne, lieber Brutus,
Durch eigne Schuld nur sind wir Schwächlinge.
Brutus und Cäsar – was steckt doch in dem Cäsar,
Daß man den Namen mehr als Euren spräche?
Schreibt sie zusammen: ganz so schön ist Eurer;
Sprecht sie: er steht den Lippen ganz so wohl;
Wägt sie: er ist so schwer; beschwört mit ihnen:
Brutus ruft Geister auf so schnell wie Cäsar.
Jubelgeschrei.
(Nun denn, im Namen der gesamten Götter,
Mit was für Speise nährt der Cäsar sich,
Daß er so groß ward? Zeit, du bist entehrt!
Rom, du verlorst die Kraft des Heldenstamms!
Welch Alter schwand wohl seit der großen Flut,
Das nicht geglänzt durch mehr als einen Mann?
Wer sagte jemals wenn er sprach von Rom
Es fass' ihr weiter Kreis nur einen Mann?)
Nun ist in Rom fürwahr des Raums genug:
Find't man darin nur einen einz'gen Mann.
Oh, beide hörten wir von unsern Vätern,
Einst gab es einen Brutus, der so gern
Des alten Teufels Hof als einen König
Geduldet hätt' in Rom.
BRUTUS.
Daß Ihr mich liebt, bezweifl' ich keineswegs;
Worauf Ihr bei mir dringt, das ahnd' ich wohl;
Was ich davon gedacht und von den Zeiten,
Erklär' ich Euch in Zukunft. Doch für jetzt
Möcht' ich, wenn ich Euch freundlich bitten darf,
Nicht mehr getrieben sein. Was Ihr gesagt,
Will ich erwägen; was Ihr habt zu sagen,
Mit Ruhe hören, und gelegne Zeit,
So hohe Dinge zu besprechen, finden.
Bis dahin, edler Freund, beherzigt dies:
Brutus wär' lieber eines Dorfs Bewohner,
Als sich zu zählen zu den Söhnen Roms