Kaliber 7,62 x 51 mm - Michael Bartsch - E-Book

Kaliber 7,62 x 51 mm E-Book

Michael Bartsch

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Beschreibung

Nach einigen Nackenschlägen versucht der Protagonist mit Freunden eine neue Existenz in Deutschland aufzubauen. Nach einigen Ärger mit einem Libanesen-Clan und einem alten Todfeind eskaliert die Angelegenheit Nach einem Mordanschlag wird eine vergeltende Rache geübt.

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Der Autor Michael Bartsch wurde 1951 in dem schönen Örtchen Garmisch-Partenkirchen geboren. Er wuchs dort als jüngstes von vier Geschwistern auf. In frühester Jugend führte ihn die Mutter ans Bücherlesen heran, seitdem blieb er davon infiziert.

Als zünftige Leseratte verschlang er sämtliche Karl-May-Geschichten, sogenannte Groschenheftchen, mit einer Vorliebe für Western. Dieser Periode folgten Perry-Rhodan-, Science-Fiction-, Abenteuer-, Krimi- und Thriller-Lektüren. Letztendlich brach sich die Leidenschaft für alles Sagenhafte die Bahn und leitete ihn unweigerlich zur Sparte Fantasy.

Der Umzug 1961 nach Köln brachte ihn als g'standenen Bayern, in der Schule und im Berufsleben, mit der rheinischen Lebensart zusammen. Zum I-Tüpfelchen der ‚Eingliederung ins Rheinland‘ erwies sich die Heirat mit einem echten ‚Kölschen Mädchen'. Zwei Söhne und später die Enkelinnen bereicherten die glückliche Gemeinschaft. Der gelernte Schriftsetzer – mit historischem Gautschbrief – wurde täglich mit seiner Lese-Leidenschaft konfrontiert. In dieser Zeit reifte in ihm der Gedanke, einen Roman zu schreiben. Es entstand der Fantasy-Zyklus ‚Die Artefakte der Götter‘.

Nach seiner Fantasy-Periode wagte sich der Autor nun an einen Thriller-Roman. Triller-Lektüren gehören nach wie vor auch zu seinen Leseleidenschaften, die von Freundschaft, Rache und Vergeltung erzählen. Heute wohnt und arbeitet der Autor im Kölner Umland.

Für immer geliebt! Niemals vergessen! Auf Ewig vermisst!

In Gedenken an Patricia, Ehefrau, Mutter, Schiegertochter, Schwester.

*12.01.1973 †24.03.2021

Michael Bartsch

Kaliber 7,62 × 51 mm

Thriller

Mors certa, hora incerta!

„Der Tod ist sicher, die Stunde ungewiss!“

Krieger

© 2021 Autor: Michael Bartsch

Umschlag, Illustration: Michael Bartsch

Lektorat, Korrektorat:

Karl-Heinz Hemmersbach

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland

ISBN

Softcover

978-3-347-70459-6

Hardcover

978-3-347-70460-2

E-Book

978-3-347-70461-9

Großschrift

978-3-347-70462-6

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Danksagung

Prolog

Akt 1 - „Abschied und Neuanfang“

Akt 2 – „Die neue Heimat“

Akt 3 - „Wiedersehen und Vorbereitung“

Akt 4 - „Es wird Ärger geben!“

Akt 5 - „Eskalation“

Akt 6 - „Untertauchen“

Akt 7 – „Vorbereitung - Teil 1“

Akt 8 – „Vorbereitung - Teil 2“

Akt 9 – „Bringen wir es zu Ende!“

Akt 10 – „Akte zu!“

Epilog

Danksagung

„Familia est ad cor meum“

„Die Familie ist das Herzstück!“

Ich möchte hier meinem Lektor Karl-Heinz und seiner Gattin Renate Dank sagen. Sie waren meine wichtigsten Leser und Feedback-Geber in den Jahren beim Bearbeiten aller meiner Romane. Auch herzlichen Dank für den Rückhalt in meiner Familie.

Wolken ziehen auf, von Zeit zu Zeit – sie bringen die Chance, ein wenig auszuruhen von der Betrachtung des Mondes.

Matsuo Munefusa (1643 – 1694)

Prolog

Sinnierend saß er auf dem alten Sofa in der Montagehalle und sah Rawiri und Paora zu, die an einer Harley ‚Fat Boy‘ herumwerkelten. In der Ecke lagen die Überreste der Harley, mit der gestern ein Biker auf der Highcliff Road einen tödlichen Unfall hatte.

Bei diesem Anblick dachte er daran, wie oft ihn sein Schutzengel vor Unheil bewahrt hatte. Schon mehrmals war er dem Sensenmann entkommen, hatte viele Tiefschläge überwunden und einige Freunde verloren, aber auch glückliche Momente erlebt. Er hoffte, dass die Glücksspur, auf der er sich zurzeit befand, noch lange, lange Zeit anhielt. Bevor er sich dann doch irgendwann vor einer höheren Instanz würde verantworten müssen.

Er schmunzelte, als er im Wohnzimmer die Zwillinge toben hörte und die folgende unvermeidliche Mahnung ihrer Mutter. Er stand auf, schlenderte an den beiden Maori vorbei, die nur kurz von ihrer Arbeit aufsahen. Er nickte ihnen zu und spazierte nach draußen, wo gerade zwei Biker vorfuhren. Er begrüßte sie herzlich und schickte sie dann weiter zu den Brüdern in die Werkstatt.

Bevor sie verreisten, wollte er noch eine Kerze in der St. Patrick`s Basilika anzünden. Deshalb setzte er sich auf seine Harley Low Raider S, startete die Maschine und brauste los. Auf dem Parkplatz bei der Basilika stellte er das Bike ab und ging in den Kirchenraum. Drinnen zündete er eine Kerze an und betete, dass die ganze Familie gesund blieb. Mit einem Obolus ins kirchliche Spendenkästchen bekräftigte er seine Bitte um den ‚Erlass‘ seiner Sünden. Dieses Ritual führte er alle sechs Monate durch.

Als er wieder zuhause ankam schob er die Maschine in die Werkstatthalle. Schon von weitem hörte er Caron und Connor rufen: „Papi, Papi, wo bleibst du? Wir müssen los!“

Akt 1 - „Abschied und Neuanfang“

„Wohin du auch gehst,

geh‘ mit deinem ganzen Herzen.“

Konfuzius

Vereinzelte Regentropfen perlten über die Scheiben der Stretch-Limousine. Max Faber schaute versonnen durch die verdunkelte Seitenscheibe auf die vorbeiziehenden Villen und Häuser. Heute war sein vorerst letzter Tag im heimischen Los Angeles. Als sei die Heimat über seine Abreise betrübt, hatte es am Morgen zu regnen begonnen. Die Stadt sah trist und traurig aus. Seit er geboren wurde, verbrachte er - mit Unterbrechungen - fast 39 Jahre in ihren Mauern. Hier drückte er die Schulbank und erlebte, zusammen mit Eltern und Freunden, viele schöne Momente.

Heute war sein vorläufiger Abschied aus den USA - er saß in Holts Wagen und war auf dem Weg zum Airport. Vor kurzem hatte er die Yacht seiner Eltern, die Princess of Katarina, verkauft und vorgestern - quasi als letzte ‚Amtshandlung‘ - den Verkauf der Villa am Bundy Drive notariell abgewickelt. Es tat ihm in der Seele weh, denn das Anwesen war bis zuletzt sein elterliches Zuhause. Die Hälfte der erzielten 15 Millionen Dollar, floss auf sein neues Konto bei der Deutschen Bank. Der Rest vergrößerte sein Portfolio bei der Bank of America Plaza, das die Eltern ihm hinterließen.

Er wurde ihr Alleinerbe, als sie unerwartet vor zwei Jahren, bei einem Autounfall ums Leben kamen. Damals war der Mercedes seiner Eltern zur Inspektion in der Werkstatt; deshalb nahmen sie seinen BMW, der geparkt vor der Villa stand. Sie fuhren damit los, um sich in Sacramento mit den Fishers, ihre Freunde aus Seattle, zu treffen. Dann waren sie zur falschen Zeit am falschen Ort. Laut Polizeibericht, rammte ein Lastwagen sie von der Straße. Ihr Wagen überschlug sich und krachte gegen einen Baum; anschließend blieb er auf dem Dach liegen. Die Feuerwehr musste die Insassen aus dem verbogenen und zerquetschten Blechhaufen herausschneiden; doch im Krankenhaus erlagen beide ihren schweren Verletzungen. Das Schicksal wollte es so. Der Verursacher beging Fahrerflucht - und der Polizei gelang es leider nie, ihn zu ermitteln.

Zum Abschied aus L.A. pilgerte Max nochmals zur Ruhestätte seiner Eltern in Forest Lawn und erzählte ihnen von seinen Plänen in Deutschland. Dabei legte er Mutters Lieblingsblumen, einen Strauß Lilien, aufs Grab. Für die nächsten 20 Jahre übernahm eine Gärtnerei die Pflege der Gedenkstätte. Vor Wochen, als er Robert bei einem Freundschaftsbesuch in dessen Villa am westlichen Ende des Mulholland Drive, von seinem Vorhaben erzählte, bot der Freund ihm spontan an, er werde ihn dann zum Airport kutschieren.

Während Max sinnierend im Fond der Stretch-Limo saß, bog Bob der Chauffeur, über den Bundy Drive an der University High School auf den Wilshire Boulevard ab. Geräuschlos glitten die Häuser und Hotels vorbei, als er nachdenklich durch die mit Regentropfen gesprenkelte Scheibe nach draußen schaute. Vorbei am Stadtteil Ocean Park, schwenkte der Wagen kaum hörbar in den Lincoln Boulevard ein und fuhr weiter zum Airport. Es schien, als habe Robert seinem Chauffeur den Auftrag erteilt, ihm per ‚Sightseeing-Tour‘ ein letztes Mal die alte Heimat vorzuführen.

Sofort fielen Max die Radtouren ein, bei denen er oftmals Freunden und Bekannten ‚seine‘ Stadt präsentierte. Der schönste Rundweg führte auf knapp 92 Kilometer durch die Strand-Gemeinden von LA. Auf der Tour sah man Orte wie das Arts District in Downtown, den South Park, das Memorial Coliseum, Culver City, Santa Monica, Hollywood und Chinatown. Man entdeckte dabei Gebäude mit wunderschöner Architektur im Art Deco und Neospanisch, genauso wie das farbenfrohe Viertel von Downtown. Sehenswürdigkeiten wie das Staples Center und die Disney Concert Hall gehörten dabei quasi zur Pflicht. Die Tour endete meist in der historischen Olvera Street.

Bei diesen Gedanken übermannte Max eine leise Wehmut. Dann sah er rechter Hand die Marina Beach, der Hafen in dem die elterliche Yacht jahrelang vor Anker lag. Gerne erinnerte er sich an die häufigen Ausfahrten und von dort aus an die vielen Spazierwege am Strand entlang, bis zum Santa Monica Pier.

Oder an das Egyptian Theatre am Hollywood Boulevard, in das die Eltern ihn mitschleppten. Obwohl die Dinosaurierhalle im Naturkundemuseum am Exposition Boulevard, ihn damals als Jungen viel mehr interessierte. Und dann die zahlreichen Spaziergänge durch die Parks … Er vermisste seine Eltern schmerzlich.

Seufzend löste Max sich von seinen Erinnerungen und lächelte seine beiden Begleiter an. Holdt saß ihm gegenüber und grinste zurück, während dessen Tochter Chris mit betrübter Miene schweigsam in ihrem Sitz kauerte und ihn kaum anschaute. Max beugte sich nach vorne, nahm ihre Hand und sagte: „Sei nicht traurig, du weißt ja, dass ich immer für dich da bin. Du kannst mich jederzeit anrufen, wenn du Probleme hast, auch wenn dein Vater dich wieder mal mit seiner Fürsorge nervt.“

Er schmunzelte dabei und merkte, wie ihre gedrückte Stimmung dahinschmolz. „Wenn ich mich drüben eingerichtet habe, besuchst du mich selbstverständlich!“

Sekunden später ging es los; ihr Mundwerk blieb nicht mehr still. So kannte er sie und hatte sie ins Herz geschlossen. Die Fragen ratterten nur so aus ihr heraus: über seine Pläne, wie es in Köln aussehe, ob er dort eine Freundin habe und und und …! Max liebte das leicht pummelige 16-jährige Mädchen mit den blaugrünen Augen, die unter ihrem Pagenschnitt meist keck in die Umwelt hervorlugten. Laut Vater, hatte sie diese Neugier vor allem von ihrer Mutter geerbt.

Chris hatte es nicht leicht, kurz vor ihrem 13. Geburtstag starb nach kurzer Krankheit ihre Mama „Maybell“ und ihr Papa war häufig geschäftlich unterwegs. Seit dem Tode von Max‘ Eltern wurde sie für ihn zu einer Art ‚Leidensgenossin‘. Sie lebte in einem goldenen Käfig, umgeben von Nannys und Personenschützern, die sie auf Tritt und Schritt umschwirrten. Freundinnen und Freunde waren aus diesen Gründen äußerst rar.

Dazu kam noch ihre schlimme Erfahrung an die gescheiterte Entführung. Damals kam ihr Bodyguard ums Leben und nur Max hatte sie durch den Einsatz seines Lebens beschützt und das Kidnapping verhindert. Dabei hatte er sich einen Streifschuss am Kopf und eine Kugel in die Schulter eingefangen.

Drei Wochen lang lag er in der Klinik. In der Zeit besuchte sie ihn nahezu täglich und saß dann stundenlang an seinem Krankenbett. So entstand zwischen ihnen eine innige Verbundenheit. Wahrscheinlich verliebte sie sich sogar in ihn, was bei Teenagern ja durchaus vorkommen kann. Das aber versuchte Max mit seiner kumpelhaften Weise wieder geradezubiegen.

Abrupt bremste der Chauffeur, als er auf die Vicksburg Avenue einbog. Ein schwarzer SUV hatte ihn beim Überholen geschnitten. Max hörte Bob leise fluchen, während er aufmerksam dem Wagen hinterher blickte. Bob gehörte ebenfalls zum Team der Bodyguards, die in einem dunklen, Ford Edge mit 320 PS, ihrer Stretch-Limo folgten. Der Fahrer atmete erleichtert aus, es war nur ein Verkehrsrowdy. Der Verkehr wurde dichter, dann tauchte linker Hand das UFO-förmige Flughafenrestaurant ‚The Theme Building‘ auf, das nachts blau und violett leuchtete. Am Park N’Fly Parkplatz vorbei rollten sie zum Tom Bradley Terminal, das sie kurz darauf erreichten. Mittlerweile hatte der Regen aufgehört und die Sonne blinzelte zwischen den Wolken hervor.

Bob stoppte und sprang aus der Limousine. Der Edge parkte hinter ihnen, zwei weitere Personenschützer stiegen aus. Nach einer knappen Überprüfung der Umgebung gaben sie ihr OK. Erst jetzt öffnete Bob die Fondtüren der Stretch-Limousine. Sie kletterten aus dem Wagen und blieben auf dem Gehweg zum Eingang stehen. Bob holte Maxs Laptoptasche und das Bordcase aus dem Kofferraum. Sie enthielten alle not-wendigen Papiere: Unter anderem sein Visum, die Aufenthaltsgenehmigung, den Reisepass und den internationalen Führerschein, den er sich vor Wochen hatte ausstellen lassen.

Für einen Augenblick dachte Max zurück an die fast vier Jahre, die er mit der Familie Holdt verbracht hatte. Sie nahmen in seinem Gedächtnis einen bedeutenden Platz ein. Nach einem Moment des Rückblicks schaute er Chris an; in ihren aufgerissenen Augen sammelten sich ein paar Tränen. Schluchzend warf sie sich Max in die Arme.

„Ist ja gut!“ Zärtlich strich er ihr über die dichten Haare. „Wir bleiben in Verbindung! Wie gesagt, wenn du Probleme hast, kannst du dich jederzeit bei mir melden! Außerdem werde ich euch beide zur Eröffnung meiner Bar einladen. Ich hoffe, ihr kommt.“ Nach einigen Augenblicken löste sie sich schniefend aus der Umarmung und schenkte ihm ihr unwiderstehliches Lächeln. Dann schaute sie ihren Vater erwartungsvoll an.

Max drehte sich zu Holdt herum, der sie grinsend beobachtete. Der 45-jährige schlanke, äußerst smarte Frauentyp, bestätigte Max´ letzte Worte mit einem Nicken. Dann antwortete er schmunzelnd: „Selbstverständlich Süße, nehmen wir die Einladung an.“ Was Chris einen Jubelschrei entlockte und ihrem Vater einen Kuss auf die Wange einbrachte. Daraufhin umarmten sich die Männer und klopften sich herzlich auf die Schultern. In den gemeinsamen erlebnisreichen Jahren war eine tiefe Freundschaft entstanden.

Robert hatte damals seine Beweggründe zur Kündigung nur schweren Herzens akzeptiert, was aber ihrem Verhältnis keinen Abbruch tat. „Max, du hast meine Nummer! Ruf an, wenn du Schwierigkeiten hast!“

Max nickte schmunzelnd. Mit einem kräftigen Händedruck verabschiedete er sich von Robert. Anschließend nahm er den Samsonite und den Laptop und gab Chris einen Kuss auf die Wange. Mit einem letzten Winken marschierte er in die Abflughalle. Holdt und seine Tochter schauten dem Freund hinterher. Als sie ihn nicht mehr sahen, stiegen sie ihre Limousine und ließen sich nach Hause bringen.

Max durchquerte die Eingangshalle des Tom Bradley international Terminals, mitten durchs Gewühl der hin und her eilenden Fluggäste. Er bummelte an etlichen Geschäften vorbei, die sämtlich gut besucht waren. Anschließend fuhr er mit dem Lift vom Atriumbereich auf Ebene 4 und schlenderte zum Check-in-Schalter der Lufthansa und der Schweiz im Bereich „C“.

Dort zeigte Max der zuvorkommend lächelnden Agentin seinen Reisepass und die Bordkarte. Im Anschluss daran begleitete ihn, auf Aufforderung der Lufthansa-Angestellten, ein weiterer Mitarbeiter durch die Sicherheitskontrolle. Dabei wurde der Reisepass abgestempelt und das Rimova Classic Cabin Boardcase nur kurz in Augenschein genommen. Der Agent geleitete Max anschließend zur Star Alliance Business Class Lounge auf die fünfte Etage.

Max hatte noch etwa zwei Stunden Zeit bis zum Aufruf seines Fluges. Im hinteren Bereich der Lounge nahm er an einem der vier Esstische Platz. Im Moment saß nur ein Fluggast in einem der bequem aussehenden Lederstühle. Nach einem knappen Nicken vertiefte sich der Mann erneut in die Zeitung. Max Magen knurrte vernehmlich, deshalb begutachtete er das gut sortierte Buffet: links die Snacks, rechts die Spirituosen.

Das Snack-Angebot sagte ihm nicht besonders zu. Nur ein Steaksalat mit Gorgonzola erweckte sein Interesse und der schmeckte ihm tatsächlich auch hervorragend. Anschließend nahm er die Los Angeles Times aus dem ebenfalls reichlich ausgestatteten Bücherbord. Zur Zeitungslektüre genoss er mangels eines Irish Whiskys, ein Glas zwölf Jahre alten Glen Grant. Ein paar Cracker und etwas Käse rundeten sein Lesevergnügen ab.

Nach und nach erschienen die vier Mitreisenden der First Class. Kurz darauf tönte aus dem Lautsprecher das Boarding für den Flug LH 457 um 17:15 Uhr Ortszeit mit dem A380 nach Frankfurt. Max packte das Bordcase rechts, den Laptop links, marschierte zum Lift und fuhr hinunter ins Erdgeschoss. Dort schlenderte er an den Boutiquen von Armani, Hugo Boss und Porsche Design vorbei zum Gate 150. Letztendlich erreichte er die Gangway. Zwei sympathische Stewardessen empfingen ihn mit einem freundlichen Willkommensgruß.

Eine der reizenden Flugbegleiterinnen checkte seine Bordkarte und führte Max zur Treppe zum Oberdeck. Oben brachte sie ihn zu seinem Sitz in Reihe A-2 am Fenster. Dort wies sie ihn kurz in die Gegebenheiten des ‚Abteils‘ ein. Der Sitz konnte zum Bett umgebaut werden, Fernseher und jegliche Bequemlichkeit waren vorhanden. Er verstaute das Bordcase und seine Nappalederjacke im Kleiderspind. Danach setzte er sich in den bequem aussehenden Ledersessel und plauschte noch kurz auf Deutsch mit ihr.

Nach der üblichen Einweisung durch die beiden Flugbegleiterinnen, fragte die aufmerksame Stewardess, die ihn zuvor zum Sitz begleitet hatte, ob er vor dem Flug Champagner oder Wasser wünsche. Max bat um beides. Den Champagner, laut Etikett ein Laurent-Perrier Grand Siècle, genoss er zusammen mit einer Schale Macadamia-Nüsse. Anschließend unterhielt er sich mit den Mitreisenden, alles Geschäftsleute.

Eine ältere Dame, zwei Sitze vor ihm, erzählte ihm in vertraulichem Ton, sie wolle in Frankfurt ihre Tochter besuchen, die – was auch sonst, schmunzelte er – eine führende Position bei der Deutschen Bank bekleidete. Schmunzelnd outete sich Max als arbeitsloser Müßiggänger. Daraufhin beendete sie das Gespräch und wendete sich leicht indigniert von ihm ab.

Nach einigen Minuten leuchtete die Aufforderung zum Anschnallen auf, der er nachkam. Lächelnd lief eine Stewardess durch die Reihen und überprüfte den Sitz der Gurte. Über Bordlautsprecher wünschte der Flugkapitän allen Fluggästen einen ‚Guten Flug‘ und dann erfolgte die Aufforderung „Cabin Crew, fasten your seat belts, please!“ Die Flugbegleiterinnen schnallten sich ebenfalls an. Daraufhin rollte die Maschine langsam zur Startbahn und blieb stehen. Die Turbinen heulten auf und der Schub setzte ein.

Max schaute aus dem Fenster. Immer schneller rasten die Betonbahn und die Umgebung an ihm vorbei. Sanft hob der Airbus A380 ab. Unter ihnen wurde die Skyline von LA stetig kleiner, nach kurzer Zeit hatten die Wolken sie ganz verschlungen. Schon als Junge faszinierte Max es, dass so ein enorm großes Flugzeug fliegen konnte wie ein Vogel. Nach einem Moment murmelte er vor sich hin: „Mein endgültiger Abschied?“, um dann hinzuzufügen: „Schau‘n mir mal.“

Schließlich leuchtete der Hinweis ‚Anschnallgurt lösen‘ auf. Max löste die Gurte und packte den Laptop aus, überprüfte seine Korrespondenz, nachfolgend die Konten, sowie die Nachrichten im Netz. Als die Stewardessen einen leckeren Snack à la carte anreichten, klappte er das Notebook wieder zu. Gesättigt spazierte er anschließend zur Bordbar und trank dort zum Absacken zwei Whiskeys.

Gut gelaunt verabschiedete er sich von der Barkeeperin, mit der er ein nettes Gespräch über Whiskys geführt hatte. Max schlenderte zu seinem Platz zurück, schob den Sitz in eine bequeme Lage, setzte die Kopfhörer auf, stellte im Radio die Oldie Sparte ein und genoss die Musik aus dem hauseigenen Musikangebot.

Nach einer Weile schloss Max die Augen, drehte den Ton leiser. Es dauerte nicht lange und Gedanken durchfluteten seinen Kopf, darunter an seine zwei besten Freunde, den kumpelhaften Connor und Choi, dessen bildhübsche rothaarige Lebensgefährtin, für die er manchmal mehr als freundschaftliche Gefühle gehegt hatte. Er seufzte innerlich. Er hatte beide leider in letzter Zeit vernachlässigt und vermisste sie. „Ich rufe sie auf alle Fälle bald an!“, nahm er sich vor.

Bald stiegen Bilder aus der Vergangenheit in ihm hoch. Seine unbeschwerte Kindheit, von den Eltern umsorgt, eine relativ schöne Schulzeit und letztendlich die Zeit bei der Army und letztendlich bei den Delta Force. Er hatte dort alle Ausbildungsgänge, auch die zum Scharfschützen, durchlaufen. Nach seiner unehrenhaften Entlassung ließ er sich zu einer Tätigkeit als Bodyguard für Holdt und Tochter Chris überreden.

Max atmete durch und ohne sein Dazutun, liefen vor seinem inneren Auge plötzlich die Erinnerungen an die vereitelte Entführung von Chris ab.

An einem Montagmorgen, die Sonne lachte am wolkenlosen Himmel, begleiteten Max und Karl das Mädchen zur Fairmont Preparatory Academy Privatschule nach Anaheim. Chris war vor einer Woche fünfzehn geworden und quatschte ihn voll, fröhlich erzählte sie von der Geburtstagsparty und ihrer neuen Freundin Peggy im Internat. Er gönnte ihr von Herzen, dass diese Freundin ihr lange erhalten bliebe. Weil die Umstände, mit denen sie zurechtkommen musste, Freundschaften sehr schwierig machten. Ständig wuselte ein Bodyguard um sie herum und dadurch waren ihre Freizeitmöglichkeiten stark eingeengt.

Karl, ebenfalls als Personenschützer in der Firma Holdt angestellt, schmunzelte hinter dem Steuer. „Und was ist mit den Burschen in deiner Klasse?“, fragte er schelmisch. „Alles Blödmänner!“, war die resolute Antwort. Die Erwachsenen quittierten lachend ihre Einschätzung.

Vom Mulholland Drive aus fuhr Karl über die Interstate 5, den Santa Ana Freeway, nach Anaheim. Vom viel befahrenen Highway bog er ein in die Lincoln Avenue. Es war eine ruhige Gegend mit schnuckeligen weißen Bungalows. Hier wohnte Frida, eine attraktive Blondine, mit der Max Eltern ihn verkuppeln wollten, was aber nicht klappt. Er schmunzelte. Ob das an ihm gelegen hatte, wusste er letztendlich selber nicht.

Von der St. Loara Street in West Anaheim wollte Karl nach links auf die West Mable Street abbiegen. Plötzlich machte der schwarze SUV vor ihnen eine Vollbremsung, stellte sich quer und blockierte die Weiterfahrt. Ein weiterer Geländewagen hinter ihrer Limousine hinderte sie an einer rückwärtigen Flucht. Sie saßen in der Falle.

Karl bremste so heftig, sodass der Wagen mitten auf der Kreuzung stehen blieb. Max schrie Chris an: „Leg dich sofort auf den Fußboden!“ und zog blitzschnell beide Glock 17 aus den SchulterHolstern. Mit kalkweißem Gesicht ließ sich Chris auf den Wagenboden fallen.

„Keine Angst, Mädchen!“, rief Karl am Lenkrad, „das Fahrzeug hat kugelsicheres Glas!“ Gleichzeitig setzte er den automatischen Notruf ab. Aus den beiden Ford Edge ST sprangen insgesamt vier bewaffnete Gangster heraus. Die Fahrer ließen die Motoren weiterlaufen. Von vorne bedrohte einer der Ganoven sie mit einer Bazooka, was die Bemerkung mit dem kugelsicheren Glas relativierte. Unvermittelt hatte sich ihre Lage drastisch verändert.

Sie tauschten einen kurzen aber intensiven Blick aus. Dann riss Karl die Fahrertür auf und sprang mit einem Satz heraus. Sofort feuerte er auf die beiden, die von vorne angriffen. Max rollte sich fast gleichzeitig aus der Beifahrertür auf die Straße. Nach nur einer Sekunde lieferte er sich mit den Verbrechern, die von hinten angriffen, einFeuergefecht. Bei der heftigen Ballerei klatschten etliche Kugeln neben ihm in die Karosse der Limousine. Max traf einen Angreifer, der daraufhin vor deren SUV zusammenbrach.

Karl stand an der Fahrertür, schoss auf den Mann mit der Panzerfaust und rief triumphierend: „Hab ihn!“ Doch in der nächsten Sekunde traf ihn dessen Kumpan, der mit einer Mossberg 590 Kaliber 12 auf ihn schoss, in die Brust. Er war schon tot, bevor er zu Boden geschleudert wurde. Max sah seinen leblosen Partner in einer merkwürdig verdrehten Stellung auf dem Asphalt liegen; inmitten einer sich schnell vergrößerten Blutlache.

Aus Richtung des Internats und vom Highway tönten Sirenen, Polizeisirenen. Ihm wurde klar, dass die Kidnapper ihn jetzt in die Zange nehmen würden, weil die Zeit für sie knapp wurde. Max atmete tief durch, das Adrenalin puschte ihn hoch. Er führte neue Magazine in die Glocks ein und sprang wie ein Kastenteufel aus der Deckung des Wagens. Für einen Moment überraschte er den Angreifer und kam ihm zuvor, indem er mit beiden Automatikpistolen feuerte. Max traf ihn in die Brust, sah ihn zu Boden sinken und wirbelte sofort herum. Nun konzentrierte er sich auf den Killer, der Karl erschossen hatte.

Aber bevor er ihn ins Visier nehmen konnte, traf ihn ein heftiger Schlag an der Schulter, schriller Schmerz überflutete ihn. Max ließ sich fallen undrobbte zurück in die Deckung der Limousine. Er lehnte an die Karosse und hörte Chris, drinnen im Auto, hysterisch seinen Namen schreien. Nur noch einer der Gangster war übrig. Wenn er den jetzt nicht erledigte, würden sie sich das Mädchen schnappen.

Das Adrenalin ließ ihn für den Moment die Schmerzen vergessen. Blitzschnell lud er nach, drehte sich auf den Bauch und spähte unter dem Wagen durch nach vorne. Da sah er neben den Vorderreifen die Beine des Gangsters. Unter der Karosse hindurch ballerte Max eine Salve und traf den Mann ins Bein. Schreiend fiel der Typ auf die Straße vor dem Wagen und rollte sich zu ihm herum. Für den Bruchteil einer Sekunde sahen sie sich in die Augen, dann schossen beide gleichzeitig. Ein heftiger Schlag traf Max am Kopf. Vor seinen Augen tanzten Sterne, Schmerzen überfluteten ihn, dann verlor er das Bewusstsein.

Als er im Krankenhaus wieder aufwachte und Chris für einen Moment das Zimmer verließ, erzählte ihm Robert, dass er dem Verbrecher mit seinem letzten Treffer den halben Kopf weggepustet hatte. Er selber hatte aber Scheißglück gehabt, weil dessen Schuss nur seine Schläfe streifte. Robert versicherte ihm mehrmals, dass er ab jetzt in Max Schuld stände, weil er schließlich seine Tochter gerettet hatte.

Nachdem Max anschließend wieder einigermaßen aufnahmefähig war, sah er im Fernsehen einen Bericht über die gescheiterte Geiselnahme. Ein Anwohner hatte mit dem Handy das Drama gefilmt. Unter anderem zeigte der Film, wie er getroffen wurde. Dass er hinfiel und sich, unter der Limousine hindurch, ein Feuergefecht mit dem letzten Angreifer lieferte. Dann sah man noch, wie Chris aus dem Auto sprang, weinend neben ihm niederkniete und ihre Schuljacke auf seine blutende Wunde presste.

In dem Moment, als die Polizei, zwei Krankenwagen und eine Security-Einheit der Academy-Privatschule am Schauplatz eintrafen, flüchteten die beiden Fahrer in den schwarzen SUVs. Danach folgte ein heilloses Durcheinander. Chris ließ sich von niemandem abhalten und stieg mit in den Rettungswagen, der Max mit Blaulicht und heulenden Sirenen ins Krankenhaus schaffte. Die vier Angreifer waren tot. Robert berichtete ihm später, dass eine Woche danach die beiden flüchtigen Fahrer erschossen aufgefunden wurden. Das FBI konnte bis heute den eigentlichen Drahtzieher nicht ermitteln. Man ging aber von einem Anschlag eines Mitkonkurrenten von Holdts Waffengeschäften aus.

Allmählich fand Max wieder in das ,Hier und Jetzt' zurück und die Musik im Kopfhörer schmeichelte sich wieder in den Vordergrund seiner Wahrnehmung. Unbewusst strich er mit dem Finger über die längliche Narbe an seiner linken Schläfe und das Ziehen in der rechten Schulter erinnerte ihn an die Kugeln, die ihn dort trafen. In den folgenden Jahren gehörte Max zur Familie Holdt, wobei Robert und Chris ihn darin immer wieder bestätigten.

Er wäre ja gerne als Leibwächter bei den Beiden geblieben. Aber als Max erfuhr, dass sein Freund Holdt mit seinem ärgsten Feind Morris Dalton Geschäfte machte, kündigte er. Dieser Dreckskerl war für seine Entlassung bei den Delta Forces verantwortlich. Trotzdem blieb er mit Robert und Chris freundschaftlich verbunden. Er gab sich danach fast ein ganzes Jahr lang dem Müßiggang hin.

Dann starben die Eltern bei dem Autounfall. Die Unglücksnachricht warf Max aus dem Gleichgewicht. Denn seine Eltern waren immer für ihn dagewesen und stärkten ihm auch in schlimmen Zeiten den Rücken. Lange Zeit knabberte er an der Tragödie; abwechselnd verfiel er in Selbstmitleid und Wut.

In dieser Zeit gehörten Alkohol und Kneipenschlägereien zu seinem üblichen Zeitvertreib. Zuletzt entging er mit viel Glück einer Verhaftung. Bei seinem Background, als ehemaliger, unehrenhaft entlassener Delta-Force-Mann, wäre das sicherlich auch sehr unerfreulich für ihn ausgegangen.

Er war wieder einmal auf einer seiner Sauftouren unterwegs in West Hollywood und saß in einer Bar. Über den Bildschirm an der Wand flimmerte das Footballspiel der Los Angeles Rams. Er unterhielt sich mit der Barkeeperin Josy darüber. Vier angetrunkene Männer, die sich neben ihm am Tresen festhielten, störten die Übertragung mit blödsinnigen Kommentaren und abfälligen Bemerkungen. Josy bat sie, etwas ruhiger zu sein.

Da blaffte einer sie an: „Halt‘s Maul, du Zicke. Schieb uns lieber noch mal vier Bier rüber!“ Max drehte sich auf seinem Stuhl herum und schaute dem Sprecher ins Gesicht. Sofort schnauzte der ihn an: „Was willst du denn?“ In Max Hirn schoss das Adrenalin hoch und er entgegnete aggressiv: „So, so … vier Großmäuler, die nichts vertragen, aber rumkrakeelen! Los! Entschuldige dich gefälligst bei der Dame!“ Gleichzeitig sah er sich die Burschen an. Die hatten bereits reichlich getrunken - wären sie nüchtern gewesen, wäre es vielleicht ziemlich eng für ihn geworden. Herausfordernd starrte der Schreihals ihn an. Wegen ihrer Überzahl fühlten die Kumpels sich Max haushoch überlegen und stachelten den Mann noch weiter an, indem sie hämisch lachten.

Das Großmaul torkelte mit geballter Faust auf seinen Kontrahenten zu, um ihm einen Schwinger zu verpassen. Max sprang auf, drehte sich aus dessen Schlag, und verpasste er dem Kerl eine Linksrechts-Kombination, einen Hieb auf die Niere und einen in die Rippen. Er meinte, es knacken zu hören. Danach schubste er den röchelnden Kerl in die Richtung seiner Kumpane.

Während einer der Typen ihn auffing, gingen die beiden anderen auf Max los. Den ersten empfing er mit einem Tritt zwischen die Beine und gab ihm eine Ohrfeige, die ihn zu Boden gehen ließ. Der letzte Angreifer war gefährlicher. Nur mit Mühe wich Max dem Faustschlag aus, der ihn nur knapp streifte, aber seine Lippen aufplatzen ließ. Ein weiterer Schlag touchierte seine linke Augenbraue, die ebenfalls zu bluten begann. Erst mit einem harten Faustschlag ins Gesicht, der dem Kerl vermutlich das Nasenbein brach, stoppte Max den Mann. Mit dem anschließenden Tritt gegen die Brust, ließ er den Typen zwischen zwei Tische zu seinen Kameraden krachen.

Max drehte sich zur Barkeeperin herum, die auf einen Durchgang neben sich deutete und leise zu ihm sagte „Verschwinde … die Bullen kommen!“ Max wickelte drei Hunderter von seiner Geldrolle und warf sie auf die Theke; Josy kassierte sie blitzschnell ein. Dann verschwand er schleunigst im Gang. Er hörte noch, wie die Barkeeperin plärrte:„Den Saustall bezahlt ihr mir!“ Am Ende des Flures kam er zu einer Blechtüre, die in eine Gasse führte. Nach etwa hundert Metern mündete die in die Hauptstraße. Er sah, wie ein Streifenwagen vor der Bar hielt und zwei Cops ausstiegen.

Als einer der Rowdys den Laden verließ, schnappten die Polizisten ihn sofort. Max steckte die Hände in die Hosentaschen und spazierte in die entgegengesetzte Richtung. Da hörte er, wie der Typ - mitten im Gerangel mit den Cops - plötzlich schrie: „Dahinten läuft der Penner, der angefangen hat!“ Max spurtete pfeilschnell los, bog in der nächsten Straße ab, überquerte sie und sprang im letzten Moment noch in ein Taxi, das gerade losfahren wollte. Schnaufend warf er sich auf den Rücksitz und gab seine Adresse an. Der Taxifahrer düste zügig los. Max beobachtete durch das Rückfenster, wie ein Cop auftauchte und sich suchend umsah. Aber weil auf der Straße mehrere Taxis unterwegs waren, fielen sie nicht weiter auf.

Der Fahrer betrachtete ihn im Rückspiegel, als er sich das Blut im Gesicht mit einem Taschentuch abtupfte. „Ärger gehabt?“ Max registrierte den Aufkleber der Los Angeles Rams auf der Armatur und den Wimpel am Spiegel, deshalb reagierte er entsprechend, schüttelte den Kopf und antwortete leger: „So ein Hillbilly redete ziemlich schlecht über die Rams!“ „Und?“, kam es knurrig von vorne.

„Ich glaube, er hat es jetzt verstanden!“, meinte Max grinsend. „Denen muss man manches ein bisschen handfester verständlich machen!“, antwortete der Fahrer leise lachend. Nach einem großzügigen Trinkgeld für den Chauffeur, stieg Max in der Nähe seiner Wohnung aus. Zuhause schleppte er sich unter die Dusche. Anschließend warf er sich auf sein Sofa.

Bei einem Glas Whiskey ging er in sich und kam dabei zu den Schluss, dass es so nicht weitergehen konnte. Eine Playboykariere, das Geld der Eltern mit den ‚Schönen und Reichen‘ zu verprassen, kam nicht in Frage, das war nicht sein Ding. Etwas Sinnvolles wäre nicht schlecht. Mit diesen Gedanken schlief er ein. In den Tagen danach fand er, wenn auch etwas mühsam, in die Spur zurück.

Das mit der Bar war Max nach der Prügelei in den Sinn gekommen, als er über seine Zukunft nachdachte. Wie früher mit seinem Vater, hatte er ein Gläschen Irish-Whiskey am Kamin getrunken, dem Bild der Eltern zugeprostet, das auf dem Kaminsims stand. Dabei fielen ihm wieder die Gespräche mit seinen ehemaligen Kumpels vom Militär ein. Bei einer Feier, als der Wirt ihnen nichts mehr Ausschenken wollte, blödelten sie darüber, dann selber eine Bar zu eröffnen. Aber nach und nach formte sich in Max der Gedanke, nach Deutschland, in die Heimat seiner Eltern, auszuwandern, um dort etwas Neues anzufangen.

Am nächsten Tag stürzte er sich mit Eifer auf die Verwirklichung seines Vorhabens, im Land seiner Eltern eine Bar aufzubauen. Mom und Dad hatten ihm schon viel über ihre alte Heimat erzählt. Um mehr aus der jetzigen Zeit zu erfahren, befasste er sich mit neusten Lektüren und Filmbeiträgen über die BRD sowie über Köln, die Geburtsstadt seiner Eltern. Und jetzt verließ er seine Heimatstadt L.A. und die USA. Zwar stritten noch immer zwei konkurrierende Gefühle in ihm, aber letztendlich freute er sich auf das neue Abenteuer. Die Vorstellung, dass er jederzeit zurückfliegen konnte, wenn es schiefging, beruhigte ihn.

Max wurde jäh in seinen Gedanken unterbrochen, weil er die Stewardess bemerkte, die neben seinem Sitz stand und ihn charmant anlächelte. Sofort setzte er die Kopfhörer ab. Höflich fragte sie ihn nach seinen Wünschen für's Abendessen. Max besah sich die Speisekarte und bestellte anschließend à la carte die Schweizer Vesper und einen kleinen Feinschmeckersalat. Dazu orderte er ein Warsteiner Premium Pils. Kurz nachdem die Flugbegleiterin den ausziehbaren und verschiebbaren Tisch mit einer weißen Tischdecke verschönerte, wurde ihm sein Essen serviert. Zum Abschluss gönnte sich Max als ‚Betthupferl‘ einen Mirabellenschnaps. Bis zum Schlafengehen schaute er einen Thriller mit Mel Gibson.

Nach zwei Stunden ließ Max den Sitz zum Bett umgestalten. Mit freundlichem Lächeln bezog die Flugbegleiterin es mit Bettwäsche und überreichte ihm das Amenity Kit. Darin enthalten waren Toilettenartikel, ein Pyjama und ein paar Filzslipper. Im luxuriösen Badezimmer machte er sich ‚bettfein‘. Das Bad bestand aus einem Wasch- und Umkleideraum, der Toilettenbereich war separat abgetrennt. Anschließend fuhr er die Abtrennung am Platz hoch und legte sich hin. „Recht bequem!“, murmelte er müde. Mit Musikberieselung schlief er ein. Ein fieser Traum plagte dem 48Jährigen.

Er stand auf einem Hügel, ein Gewehr in der Hand. Über seinem Kopf kreiste ein Helikopter, dessen Rotoren einen Sturm erzeugten, der ihn heftig taumeln ließ. Soldaten krochen die Anhöhe hinauf. Wegen dem Wind schaffte er es nicht, sie insVisier zu nehmen. Sie erreichten ihn. Bösartig verzerrte Gesichter sahen ihn an, rissen ihm die Waffe aus der Hand, er wehrte sich verzweifelt. Als sie ihn packten und festhielten, stand Dalton plötzlich vor ihm, grinste widerlich und blies ihm den Rauch seiner dicken Zigarre ins Gesicht.

Hustend erwachte Max, setzte sich im Bett auf und war einen Moment orientierungslos, ehe er sich zurechtfand. Er saß im Flugzeug auf dem Weg nach Deutschland. Der Albtraum aus der Vergangenheit hatte seinen Pulsschlag in die Höhe getrieben. Mit einem Taschentuch wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Es dauerte einige Minuten, ehe die letzten Spuren des Albtraums verflogen waren. Er legte sich wieder hin und versank wieder in einen diesmal ruhigen Schlaf.

Die Stewardess weckte Max wie verabredet morgens um halb sieben. Er wollte als Erster ins Badezimmer. Leider war ihm die ältere Dame, zwei Sitze vor ihm, zuvorgekommen; die litt vermutlich an Schlaflosigkeit. Also schlenderte er erst nach ihr ins Bad.

Geduscht zog Max frische Unterwäsche, Socken, ein kurzärmliges blaues Freizeithemd und eine dunkle Leinenhose an. Die Sachen hatte er seinem Bordcase entnommen. Dann schlüpfte er wieder in die bequemen Slipper. Als Max aus dem Bad kam, hatten die Flugbegleiterinnen das Bett in den komfortablen Sitz zurückverwandelt. Auf dem gedeckten Tisch erwartete ihn das Frühstück.

Max genoss die frischen Brötchen mit Käse und Rührei. Den Abschluss bildete eine Croissant mit Butter und Marmelade, dazu mehrere Tassen Kaffee. Anschließend las Max einige Zeitschriften und verfolgte im TV die neuesten Berichte über Deutschland.

Nachfolgend parlierte er mit einigen anderen Passagieren, wobei er mit zwei mitreisenden Geschäftsleuten über die letzte Football-Saison fachsimpelte. Dabei outete sich einer der Männer als Kenner der deutschen Fußball-Bundesliga.

Max bekannte sich zum 1. FC Köln. „Schon wegen meinen Eltern und dass, seit meiner Jugend!“, und lächelte.

Die restliche Zeit überbrückte er mit einem Plausch mit Franziska, der rothaarigen Stewardess – eine gebürtige Rheinländerin aus Düren – und einem Drink an der Bar.

Die letzte Stunde vor der Landung relaxte Max in seinem Sitz und schaute aus dem Bordfenster. Er genoss den blauen Himmel, in dem nur einige weiße Wölkchen wie Schiffe am Flugzeug vorbei schwebten.

Akt 2 – „Die neue Heimat“

„Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.“

Demokrit

Nach elf Stunden setzte die Airbus A380 um 13:10 Uhr sanft auf der Landebahn in Frankfurt auf. Nach der Aufforderung ‚Anschnallgurte lösen‘ und der Ansage des Piloten verabschiedete sich Max von den beiden Flugbegleiterinnen und bedankte sich für den netten Service. Anschließend marschierte er mit dem Handgepäck zum Treffpunkt in die Lufthansa Lounge. Das Angebot der Fluggesellschaft hatte er vor der Reise gebucht. Am lufthansaeigenen Checkpoint gab es somit keine Probleme. Jetzt war er jetzt offiziell in Deutschland angekommen.

Bis zur Abfahrt des ICE nach Köln um 15:30 Uhr hatte Max noch Zeit. Im luftigen LoungeBereich mit den bequemen Sesseln las er die Frankfurter Tageszeitung.

Anschließend sichtete er auf dem Laptop eingegangene Nachrichten. Sein Bankberater Robertson teilte ihm mit, dass alles erledigt worden war, so wie er es beauftragt hatte. Eine Info von der Bank of America Plaza, fügte er als Anlage anbei. Die Deutsche Bank schickte ihm einen Willkommensgruß und begrüßte Max als ihren neuen Kunden.

Als sein Magen knurrte, schlenderte Max in den Restaurantbereich. Am umfangreichen Buffet mit hochwertigem Essen nahm er einen Snack ein und genoss hinterher einen Whiskey an der gut ausgestatteten Bar. Nach einem Blick auf die Uhr marschierte Max zum Fahrstuhl. Eine Etage tiefer stieg er in die dort wartende Limousine.

Ein Chauffeur brachte ihn zum ICETerminal. Max hatte zwar gelesen, dass es bei der Deutschen Bahn öfter Probleme gab, aber er hatte Glück und der ICE nach Köln kam pünktlich.

Auf dem gebuchten Sitzplatz in der 1. Klasse, genoss er die anderthalbstündige Fahrt. Bereits als Junge fuhr er gerne Eisenbahn. Aber die Aussicht auf dieser Strecke war aber überhaupt nicht zu vergleichen, mit der, die bei Überlandfahrten mit Amtrak, zum Beispiel an der Westküste entlang, auf der Coast Starlight Fahrt von L.A. nach Seattle, zu bewundern war. Diese Route war er oft mit den Eltern gefahren, um die Familie Fisher zu besuchen.

Dort hatte Max auch deren Sohn Jo und seine Freundin Clarissa kennengelernt, mit denen er bis heute befreundet war.

Die voraussichtliche Ankunft in Köln um 17:00 Uhr, hielt die DB diesmal bis auf die Minute ein. Max hatte schon vorher im Internet die voraussichtliche Kölner Wetterlage für Ende Mai nachgeschaut.

Für die angekündigten sommerlichen 22 Grad, die tatsächlich herrschten, kleidete er sich im Flugzeug leger. Die dunkle Leinenhose, Slipper, das kurzärmlige blaue Freizeithemd und die leichte schwarze Nappalederjacke, die er über die Schulter legte, passten fürs sonnige Wetter optimal.

Nach einem kurzen Rundgang durch die Bahnhofshalle, inmitten der quirlig hin- und herhastenden Menschenmassen, wartete er auf dem Vorplatz auf sein Transfer zum Hotel. Fast pünktlich zum avisierten Termin, rollte der Wagen, ein Mercedes-Benz Vito Kombi mit der Aufschrift ‚Hotel Dorint‘ vor. Max präsentierte seine Hotelbuchung und der Fahrer lud sein Gepäck in den Kofferraum. Auf Max‘ Bitte hin spielte der Chauffeur, während der Fahrt nach Deutz Messe, den Reiseleiter. „Ich heiße Walter Schmitz und dieser Name ist in Köln häufig anzutreffen – also Schmitz und nicht der Walter. Lachend führte er noch an, dass der Name Schmitz zum „alten Kölschen Adel“ zählt. Unterwegs gab er Anekdoten zu verschiedenen Gebäuden, Kirchen und Plätzen zum Besten.

Max fand es sehr angenehm, dass er – dank seiner Eltern – mit der hiesigen Sprache gut zurechtkam. Schon damals hatte er viel über diese Stadt gehört und gelesen. Der Dom, das monumentale Bauwerk, stand auf seinem Besuchskalender natürlich an erster Stelle. Ebenso wollte er viele Museen besuchen und auf der Hohenzollern Brücke über den Rhein flanieren, um dort die angebrachten Liebesschlösser zu bestaunen, von denen er gelesen hatte.

Am Hotel angekommen und angetan von der kurzweiligen Fahrt, entlohnte Max den Fahrer mit einem fürstlichen Trinkgeld. Vor Reiseantritt hatte er sich vorsorglich bei seiner Hausbank einige hundert Euro Bargeld besorgt.

Er stieg aus und ging mit dem Handgepäck durch die Drehtür zur Rezeption. Die mit dezenten Farben freundlich gestaltete Lobby gefiel ihm. Eine charmant lächelnde Empfangsdame mit Namensschild an der Bluse begrüßte ihn: „Guten Tag! Was kann ich für Sie tun?“

Max entgegnete liebenswürdig: „Hallo, Frau Holdorf, ich habe in Ihrem Haus eine Suite gemietet“ und übergab ihr seinen Reisepass, die Visakarte sowie die Buchungsunterlagen

Nachdem sie die Buchung im Terminal überprüft und alle Formalitäten erledigt hatte, winkte sie einen ‚Lift Boy‘ heran. Während sie ihm die Unterlagen zurückgab, sagte sie: „Herr Faber ich wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt in unserem Hotel. Der Page zeigt Ihnen ihre Suite. Ihre Koffer sind gestern eingetroffen und stehen im Zimmer.“ Max bedankte sich und folgte dem Hausangestellten zum Lift.

Bevor er in seine neue Wohnung einziehen konnte, hatte er die ‚Deluxe Suite‘ für eine Woche gemietet. Der Angestellte öffnete die Tür und überreichte ihm die Schlüsselkarte. Nachdem er dem Pagen ein Trinkgeld gegeben und sich in dem fast sechzig Quadratmeter großen Appartement umgesehen hatte, murmelte er griemelnd: „Man gönnt sich ja sonst nichts!“. Nach einem ersten ‚Rundgang‘ durch die Räume sagte er sich: „Hier kann man es aushalten!“ und packte seine beiden Reisekoffer aus.

Danach zog er sich um und ging über die Treppen hinab ins Hotel-Restaurant Düx zum Essen. Trotz dem allmählich einsetzenden Jetlag nahm er hinterher noch einen Absacker in der Hotel-Bar Accanto zu sich. Anschließend warf er sich müde in der Suite aufs Bett. Es verging einige Zeit, ehe er sich aufraffte, um ins Bad zu schlurfen. Nach dem Zähneputzen zog er sich die Schlafshorty an und rief in der Rezeption an und bat um einen Weckruf um 07:00 Uhr. Danach legte er sich auf das Bett und es dauerte nicht lange, bis er im Land der Träume versank.

„Ring! Ring! Ring!“ Max wachte auf und warf einen Blick auf seine Armbanduhr, es war sieben Uhr. Er nahm den Hörer ab und dankte für den Weckruf. Er hatte traumlos geschlafen. Zufrieden rekelte er sich nochmals kurz ins Bett, um anschließend ausgiebig zu duschen, dabei summte er ein Lied. Frohgelaunt grinste er nach der Rasur seinem Spiegelbild zu. Er freute sich auf das Treffen mit der Maklerin. Max zog sich fertig an und um Punkt 9:00 Uhr traf er im Frühstücksraum Bell Arte Frau Elsa Martini zum gemeinsamen Frühstück.

Wenige Augenblicke nach ihm erschien sie, leger in einen Hosenanzug gekleidet und schaute sich nach ihm um. Max schätzte sie auf etwa 60 Jahre; sie war schlank, etwa 170 cm groß und hatte kurzes blondes Haar. Er stand auf, winkte ihr zu und begrüßte sie herzlich: „Ich freue mich, dir endlich persönlich zu danken für deine sehr nette Betreuung.“

„Die Freude ist auch auf meiner Seite“, entgegnete Elsa lächelnd. „Es ist schön, dich hier im hilligen Köln zu begrüßen.“ Nach einer herzlichen Umarmung und einem Kuss auf beide Wangen setzten sie sich.

Max hatte sie vor Monaten im Internet gefunden, bei seiner Suche nach einer Maklerin in Köln. Frau Martini erhielt von ihren Kunden sehr gute Referenzen, hatte ein ausgezeichnetes Renommee und besaß Erfahrung in geschäftlichen Aktivitäten mit den USA. Von Anfang an entspann sich zwischen ihnen ein entspanntes, freundschaftliches ‚Verhältnis‘ per diversen Telefonaten, Skypen und Chats. In den Gesprächen hatte sie ihm von ihrer Verbindung zu seinen Eltern erzählt, von der Max vorher nichts wusste.

Sie war tief betrübt, als sie von ihrem Tod erfuhr: „Wir waren Freunde.“ Bei den Besprechungen bot sie dann ihm das Du an. „Wir beide kennen uns schließlich fast 39 Jahre“, meinte sie lachend. Elsa Martini hatte ihm geholfen, für die Auswanderung die notwendigen Papiere bei den Ämtern anzufordern. Obendrein hatte sie ihm jede Menge Hintergrundinfos über die neue Heimat gegeben. Aber gleichzeitig hatte sie sich anfangs skeptisch darüber geäußert, sein Vorhaben in Kalk durchzuführen.

„Was war das für ein Zufall, als wir uns kennenlernten!“, meinte Elsa. „Der Name Faber kam mir zwar bekannt vor, aber dass ausgerechnet ich damals den Umzug deiner Eltern mitorganisiert habe, kommt mir heute fast wie eine Fügung vor. Deine Mutter Ute war seinerzeit mit dir schwanger. Bei dem „Treck“ entstand eine Freundschaft zwischen ihnen und mir. Es war damals meine erste große Sache und ich war froh, dass sie mir alles anvertrauten. Ich würde sagen, heute schließt sich der Kreis!“

Max nickte und erwiderte daraufhin schmunzelnd: „Was meinst du, stürzen wir uns erst mal aufs Frühstücksbuffet?“ Sie lachte und das klang in seinen Ohren sehr sympathisch. Sie versorgten sich am Buffet und genossen bei etlichen Tassen Kaffee das gemeinsame Frühstück. Nach dem üblichen Smalltalk - „Wie war der Flug?“ und so weiter - nahm sie eine Liste aus der Laptop-Tasche und reichte sie ihm.

Auf Max‘ neugierigen Gesichtsausdruck hin meinte sie entschuldigend: „Das sind die dringendsten Angelegenheiten für die kommende Zeit, die zu erledigen sind.“ Nach einem kurzen Blick auf das Schriftstück verzog er das Gesicht und murmelte: „Davor haben sie mich gewarnt! Vorschriften … und nochmals Vorschriften!“ Max faltete die Liste zusammen und steckte sie in die Hosentasche. „Aber jetzt bitte etwas Erfreuliches!“

Elsa schmunzelte und erzählte ihm von den Fortschritten der Baumaßnahmen. Aufgeregt meinte Max zu ihr: „Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen!“, was ihr ein herzliches Lachen entlockte. Daraufhin fragte sie: „Möchtest du zuerst Bilder auf dem Laptop sehen? Oder beenden wir das Frühstück und befriedigen deine Neugier vor Ort?“ „Aber klar!“, rief er. Sie verließen den Frühstücksraum und bestellten an der Rezeption ein Taxi. Max übernahm natürlich Elsas Frühstück auf seine Rechnung. Zuerst fuhren sie zur Bar nach KölnKalk in der Hollweghstraße.

Die Umbaumaßnahmen waren im vollen Gange. Nach einer kurzen Besichtigung der beiden darüber liegenden Wohnungen sahen sie sich noch den kleinen Garten hinter dem Haus an. Dass die Garage am Grundstücksende von einer Stichstraße aus separat anfahrbar war, gefiel ihm besonders gut. Anschließend brachte ein weiteres Taxi sie zur Robertstraße. Hier hatte Max, mit Elsas Mithilfe, ein frisch renoviertes Vier-Parteien-Haus erworben. Auch hier war es ihm wichtig, dass eine eigene Garage dazugehörte. Seine Suite lag im ersten Stock, eine 100qm Drei-Zimmer-Wohnung. Max wollte nicht über seiner Kneipe wohnen, höchstens als Ausweichquartier. Nach einer äußeren Augenscheinnahme des Anwesens stiegen sie die Treppe hinauf zu seiner neuen Bleibe. Als er die Wohnungstür aufschloss und sie eintraten, sagte Elsa erwartungsvoll: „Schau dich um und sage mir dann, wie es dir gefällt!“

Max hatte mit der Maklerin telefonisch, schriftlich per Foto- und Videodateien, per Webcam und Videochat die Einrichtung im japanischen Stil genau abgesprochen und auf den Bildern einen Eindruck erhalten. Die Realität übertraf jedoch seine Erwartungen. „Wow!“, entfuhr es ihm beim Rundgang durch die Zimmer. Abschließend meinte er erfreut zu Elsa: „Das hast du super hingekriegt!“.

Eine leichte Rötung färbte ihre Wangen. „Mit der Renovierungsfirma und einigen Geschäften arbeite ich seit langer Zeit zusammen. Außerdem konnte ich mit deinen Angaben und Bildern nichts verkehrt machen. Die Kitchenette und die Möbel haben wir vor dem Einzug der anderen Mieter eingebaut, beziehungsweise hineingestellt.“

Max schmunzelte, umarmte sie und gab ihr ein Küsschen auf die Wange. Die Kitchenette mit Esstheke wurde durch eine vierteilige Shôji vom Wohnzimmer abgetrennt. Der Raumteiler zeigte einen Samurai mit Dame im Garten. Alles war einfach mit exquisiten Stücken eingerichtet.

Auf einer schmalen Klavierlack-Anrichte stand der obligatorische Schwertständer aus rötlich-braunem Zedernholz für das Daishô-Schwerterpaar, das noch in einer der Umzugskisten schlummerte.

Vom Wohnzimmerfenster sah Max auf Teile der Dach-konstruktion des Henkelmännchen, wie die ‚Einheimischen‘ die Lanxess-Arena nannten. Elsa erzählte ihm anschließend: „Eine der Wohnungen ist noch nicht vermietet, ich habe aber einige Interessenten auf meinem Merkzettel. Die Betreuung der Mieter läuft über mich, so wie du es wolltest. Ein Hausmeister wird jeden zweiten Tag nach dem Rechten sehen. Im Laufe der Zeit wirst du Herrn Kurt Walter und die Bewohner kennenlernen, die vor eineinhalb Wochen eingezogen sind. Die Wohnung neben dir bewohnen die frisch verheirateten Bertrams, im Parterre lebt der freischaffende Künstler mit dem Pseudonym H. F. Rebell. Sein richtiger Name lautet Frank Frauenwahr. Nach meiner letzten Information schreibt er an einem Fantasy-Roman, mit einer Kölner Familie als Hauptakteure.“

Max dankte bei ihr nochmals dafür, dass sie ihm sämtlichen Ärger vom Hals hielt. „Was sie sich fürstlich vergüten lässt“, dachte er innerlich witzelnd.

Die internationale Spedition Hendricks hatte seinen Umzug, inklusive aller Formalitäten übernommen. Elsa ließ die vier Holzkisten mithilfe des Hausmeisters in die Wohnung bringen – und da standen sie nun mitten im Wohnzimmer. In ihnen lagerten seine wenigen Andenken aus L.A.

Elsa erinnerte Max erneut an die Adressenliste, die er abarbeiten musste. „Ohne diese Erlaubnisse, Gutachten und Papiere darfst du deine Bar nicht eröffnen!“ „Ich werde mich sofort darauf stürzen!“, antwortete Max seufzend und zeigte ihr seine gequälte Miene, worüber sie lauthals lachte. Dann übergab sie ihm drei Haus- und mehrere Wohnungsschlüssel. Max schloss ab, miteinander liefen sie die Treppe hinunter und verließen das Haus. Draußen auf der Straße rief Elsa erneut ein Taxi, mit dem sie gemeinsam zum Dorint zurückfuhren. Max küsste sie zum Abschied auf die Wangen und stieg aus. Elsa kurbelte das Seitenfenster herunter und verabschiedete sich mit den Worten: „Wenn du Probleme hast, melde dich bei mir!“ Er dankte ihr nochmals und sagte: „Wir bleiben auf alle Fälle in Verbindung!“

Bevor er ins Hotel zurückging, winkte Max dem davonfahrenden Taxi nach. Den restlichen Tag ließ er ruhig mit einem Abendessen im Hotel-Restaurant und anschließend in der Suite mit zwei Stunden Arbeit am Laptop ausklingen.

Die folgende Woche war ausgefüllt mit Besuchen bei den verschiedenen Ämtern; dazu gehörte auch die Schanklizenz. Als letztes verblieb der Termin für die Anmeldung bei der GEMA. Am Freitag, auf dem letzten Drücker, erledigte er auch das noch. Geschafft! Fürs Wochenende blieb er noch im Hotel.

Am Montagmorgen darauf checkte Max im Dorint aus und zog mit den zwei Koffern und der Reisetasche ins neue Zuhause. Das Einräumen der Wäsche in den begehbaren Kleiderschrank war schnell erledigt, in dem kleinen Safe verstaute er seine Papier und Geld, welches er nicht Mitschleppen wollte. Das seiner Habseligkeiten aus den Transportkisten dauerte zwei volle Tage. Es waren Bilder von ihm und den Eltern aufzuhängen, Bücher, CDs und Vinylplatten in die Regale zu sortieren. Vorsichtig holte Max dabei die längliche Holzlade aus einer der Kisten und öffnete den Verschluss.

Vorsichtig wickelte Max zwei rot lackierte Saya‘s aus Magnolienholz aus den Seidentüchern. Nacheinander entfernte er die Schwertscheiden und betrachtete mit Kennerblick die antiken Klingen, deren blitzender ‚Tamahagane‘-Stahl bei der Herstellung bis zu fünfzehnmal gefaltet wurde.

Aus der Holzlade griff er sich eine kleine Holzschachtel und entnahm ihr PflegeUtensilien. Konzentriert tropfte er aus einem Fläschchen etwas Kamelienöl auf die Klingen des Katanas und des Wakizashis. Mit Reispapier verrieb er das Öl auf den Schneiden. Erst nach der Säuberung schob Max die Schwerter in ihre Saya’s zurück und platzierte sie auf dem Katana Kake. Die antiken Schwerter stammten angeblich aus dem Jahr 1650 und waren vom Schwertschmiedemeister Magasone Kotetsu signiert.

Holdt überreichte ihm am letzten Arbeitstag als Abschiedsgeschenk den ZedernholzSchwertständer und die Schwerter. Robert hatte einem Russen die Klingen bei einem Waffendeal abgeluchst. Damals ließ Max eine tieftraurige Chris zurück. Als er ihre Tränen sah, fühlte es sich an, als ließe er sie im Stich. Es dauerte, ehe sie seine Beweggründe verstand, ihm verzieh und einige Zeit dem Vater böse war.

Während er mit einem weichen Staubtuch die Saya’s und den Schwertständer polierte, musste er daran zurückdenken und ein wenig schmunzeln. Zum Schluss baute er noch die McIntosh Hi-Fi-Anlage mit dem Plattenspieler MT-10 und den Standboxen von B&W 805 D3 auf. Abends saß Max dann müde auf dem Sofa. Mit Musik von Lou Reed und einem Glas Jameson beendete er den Tag und schlief im neuen Futonbett schnell ein.

Die folgenden Wochen verbrachte er mit Sightseeing-Touren durch die Kölner Stadtteile; dazu nutzte er Taxen sowie Bahnen und Busse der örtlichen Verkehrsbetriebe, der KVB. Beim Spaziergang über die Hohenzollern-Brücke bestaunte er die vielen sogenannten Liebesschlösser. Sein Streifzug an diesem Tag endete im Dom. Ehrfürchtig bewunderte er das Bauwerk mit den filigranen Spitzen und Türmen von außen. Im Inneren dann die Schatzkammer mit den zahlreichen religiösen Kunstschätzen.

Bei weiteren Ausflügen in seine nächste Umgebung fiel ihm auf, dass sein neuer Heimat-Stadtteil Kalk überaus Multikulti daherkam. Kurzfristig gingen ihm Bedenken durch den Kopf: Passte seine Bar überhaupt hierhin? Aber dann sagte er sich, dass die vielfältige Kultur durchaus kein Nachteil sein musste.

Auf Anraten von Elsa hatte Max sich eine Monatskarte für das VRS-Netz der KVB gekauft. Damit unternahm er weitere Sightseeing-Fahrten in die nähere Umgebung Kölns. So lernte er das Städtchen Brühl mit den barocken Schlossanlagen und Bonn, die ehemalige deutsche Hauptstadt, kennen.

Die Verkehrsverbindungen von der Kneipe bis zur Wohnung waren großartig, ebenfalls diejenigen in die Innenstadt und die bis hin zu den Stadtgrenzen. Bei einer Tour holte Max seinen deutschen Pass ab, da er als Sohn von deutschen Eltern zwar in den USA geboren, aber mit zweiter Staatsangehörigkeit gleichzeitig Deutscher Staatsbürger war. Immer wieder besuchte er Einrichtungsgeschäfte, um einige besondere Accessoires für die Bar und seine Wohnung zu erwerben.

Im gut erreichbaren Einkaufscenter, den Köln Arcaden, erledigte Max nacheinander Einkäufe für die Kitchenette, wie Besteck, Teller, Tassen sowie ein paar Töpfe und eine Bratpfanne; und zuletzt füllte er die Vorräte im Kühlschrank auf. Nett fand er den Kölner Souvenirladen in den Arcaden; seit seinem letzten Besuch dort stand ein Clown-Engel auf dem Regal in der Küche.

Im MediaMax in Bergisch Gladbach kaufte er ein Fernsehgerät von Löwe. Wichtig war im, dass es laut Testergebnissen, beste Empfangsund Aufzeichnungsoptionen vorwies und zudem eine große SSD-Festplatte und einen angenehmen Klang besaß.

Leger mit Jeans und T-Shirt bekleidet, sah Max auf einem Erkundungsspaziergang durch Kalk, ein Kampfsport- und Fitness-Gym. Sofort fasste er den Entschluss, in der Freizeit mal wieder zu trainieren.

Er bewegte die Schultern und murmelte: „Es wird Zeit, die ‚eingerosteten‘ Glieder auf Vordermann zu bringen!“ Gesagt, getan, er marschierte ins Fitness-Studio, das von außen einen netten Eindruck machte. Die Blondine am Empfang begrüßte ihn herzlich und fragte nach seinen Wünschen.

„Ich möchte mich anmelden, um meine Kondition zu verbessern. Ich war in der letzten Zeit etwas faul“, gestand Max lachend. Mit ungläubiger Miene sah sie ihn an. Daraufhin outete sie sich lächelnd als Fitness-Trainerin und meinte, dass er trotzdem recht fit aussehe. Dann stellte sie sich vor: „Ich heiße Laetitia Lombardi. Aber ich werde hier nur Lea oder Lo gerufen!“

„Danke für Ihre Einschätzung! Ich bin Max.“, entgegnete er lächelnd. Anerkennend nickte er dann, als er die Einrichtung es Studios begutachtete. Lo, die ihn beobachtete, sagte: „Das Gym wurde erst vor drei Wochen aufgemacht, die Trainingsanlagen sind neu!“ Nach seinen Trainingswünschen gefragt, antwortete er: „Ich möchte etwas Kampfsport machen.“ Daraufhin rief Lo einen drahtigen Mann hinzu, der sich ihm als Kay Salomon vorstellte.

Kay fungierte im Gym als Trainer und Instruktor. Im lockeren Gespräch erklärte er Max: „Wir trainieren hauptsächlich Kickboxen, Boxen und ein bisschen Street Defense.“ Max fand ihn auf Anhieb sehr sympathisch und sie verstanden sich sofort als ‚Brüder im Geiste' in Bezug auf Kampfsport. Deshalb boten sie sich sofort gegenseitig das „Du“ an. Kay erkannte das Tattoo der Delta Force auf Max rechtem Oberarm, das grüne Trigon mit dem Schwert und dem darüber liegenden Blitz, als Dreieck dargestellt. „Wann warst du bei dem Verein?“

„Ist schon etwas her!“, antwortete Max ausweichend. Kay nahm die Antwort ungerührt, ohne Kommentar zur Kenntnis und änderte das Thema. „Okay, dann will ich dich schon einmal herumführen.“ Er zeigte ihm die Trainingsräume, die Dusch- und Umkleideräume. Bei dem Rundgang begrüßte er immer wieder einzelne Kämpfer und gab ihnen kurze Anweisungen. Einer der Räume war mit roten und blauen Matten ausgelegt. „Dieses Dojo ist für Fortgeschrittene. Das Training findet hier jeden Freitag von 19:00 bis 21:30 Uhr statt.“

Max gefiel Kays Art und seine Ausstrahlung und er vereinbarte begeistert einen Trainingstermin. „Wie sieht’s aus? Eine kleine Runde mit mir, damit ich mir einen Eindruck verschaffen kann?“ Nach dem Probetraining mit etwas Street Defense und Kickboxen in Straßenkleidung, bei dem Kay sein Können prüfte, meinte er grinsend: „Okay! Du bist zwar ein wenig aus der Übung, aber das kriegen wir wieder hin. Wir werden im Sinne des Jeet KuneDo, dem Wissen über alle Kampfstile und deren Techniken trainieren. Wir nutzen sie alle, ohne uns einem einzelnen Stil zu unterwerfen.“

Max kaufte im Gym fürs Training Handschuhe, zwei Shorts und ein paar Schuhe in sehr guter Qualität. Kay trainierte mit ihm danach auf Wunsch zweimal in der Woche außerhalb der Regelzeit.