Kaltes Herz, blanker Hass - Karin Slaughter - E-Book

Kaltes Herz, blanker Hass E-Book

Karin Slaughter

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Beschreibung

Erst kommt die Liebe. Dann der Verrat. Nun folgt ihre bittere Rache. Pam hat alles gegeben, um ihrem Mann eine gute Ehefrau zu sein. Dann hat sie das Grauen erlebt. Ein Grauen, an das sie nicht zu denken versucht. Heute leben sie getrennt. Doch als er unheilbar erkrankt und sie an sein Sterbebett ruft, zögert sie nicht. Sie wird zu ihm kommen. Um ihn sterben zu sehen - und um eine alte Rechnung zu begleichen … Fesselnd und von diabolischer Schärfe - Eine Kurzgeschichte der Bestseller-Autorin Karin Slaughter ("Pretty Girls", "Blutige Fesseln") Zusätzliche 30-seitige Leseprobe zum neuen Thriller "Blutige Fesseln" von Karin Slaughter enthalten.

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Seitenzahl: 66

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Karin Slaughter

Kaltes Herz, blanker Hass

Aus dem Amerikanischen von Fred Kinzel

HarperCollins®

HarperCollins® Bücher

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Copyright © 2016 by HarperCollins

in der HarperCollins Germany GmbH

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

Cold, Cold Heart

Copyright © 2016 by Karin Slaughter

Published by arrangement with Witness Impulse,

an imprint of HarperCollins Publishers, LLC

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: büropecher, Köln

Titelabbildung: Amy Weiss / Arcangel; cosmin4000 / ThinkstockPhotos

Redaktion: Silvia Kuttny-Walser

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

E-Book ISBN 978-3-95967-687-8

www.harpercollins.de

Alle handelnden Personen in dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig.

Kaltes Herz, Blanker Hass

Selbst jetzt noch konnte sie das Eis in ihrer Hand spüren, eine brennende, beißende Kälte, die wie eine Reihe scharfer Zähne in ihre Haut drang. War ihre Handfläche so heiß gewesen, oder lag es am kalifornischen Klima, dass das, was eben noch gefroren gewesen war, so schnell in seine Ursprungsform zurückkehrte? Sie war erschrocken, als sie vor seinem Haus stand und merkte, wie die Feuchtigkeit tränengleich von ihrem Handgelenk tropfte und eine Lache zu ihren Füßen bildete.

Jon war jetzt seit fast zwei Jahren tot. Gekannt hatte sie ihn wesentlich länger, vierundzwanzig Jahre lang, um genau zu sein – seit damals, als er John noch richtig, mit einem h, schrieb und nicht im Traum daran gedacht hätte, sein gelocktes schwarzes Haar lang zu tragen und seinen Bart zu beinahe einsiedlerhaften Ausmaßen wachsen zu lassen. Sie hatten sich in einem Bibelkurs für junge Erwachsene kennengelernt, waren ein Paar geworden und dann Mann und Frau. Sie hatten mehrere Jahre lang Chemie beziehungsweise Biologie an einer Highschool unterrichtet. Sie hatten einen Sohn bekommen, ihren wunderschönen, gesunden Sohn Zachary, nach Johns Großvater benannt. Ihr Leben war vollkommen gewesen, doch dann waren Dinge geschehen – Dinge, an die sie nicht zu denken versuchte. Am Ende hatte schließlich das süße Leben gerufen, und Pam war nicht eingeladen worden.

Ihr Haar war zu lang für eine Frau ihres Alters. Pam wusste das, konnte sich aber dennoch nicht dazu überwinden, es schneiden zu lassen. Es war wie eine Versicherung, dass man sie als Mensch noch bemerkte, wenn der Zopf an ihrem Rücken schwang, und sei es auch nur des Fauxpas wegen, als zweiundfünfzigjährige Lehrerin das graumelierte Haar hüftlang zu tragen. Während andere Frauen ihres Alters sich Kurzhaarschnitte stylen ließen und Yogakurse belegten, hatte Pam rebelliert. Zum ersten Mal in ihrem Leben achtete sie nicht mehr auf ihr Gewicht. Himmel, was für eine Wohltat, sich einen Nachtisch zu nehmen, wann immer sie verdammt noch mal Lust darauf hatte. Und Brot mit Butter. Und Vollmilch. Wie hatte sie nur so lange diese lachhaft durchscheinende Flüssigkeit trinken können, die sich fettarme Milch nannte? Die schlichte Befriedigung all dieser Wünsche war lohnender als jede Freude darüber, dass man den Knopf einer Hose in Größe 36 zukriegte.

Ihre Taille.

Sie zwang sich, an die guten Dinge zu denken, nicht an die schlechten, an die ersten Jahre statt der letzten siebzehn. Wie John immer mit den Händen ihre Taille umfasst hatte – raue Hände waren es, denn damals arbeitete er gern im Garten. Das Kitzeln seiner stacheligen Schnurrbarthaare, wenn seine Lippen über ihren Nacken strichen, wie er den Zopf immer sanft über ihre Schulter schob, damit er ihren Rücken von oben bis unten mit Küssen bedecken konnte.

Während sie auf ihrer dritten – und hoffentlich letzten – Reise in den westlichen Teil des Landes durch verschiedene Kleinstädte fuhr, zwang sie sich zu angenehmen Erinnerungen. Sie dachte an seine Lippen, seine Berührungen, an die Art und Weise, wie er sie geliebt hatte. Auf dem Weg durch Alabama dachte sie an seine kräftigen, muskulösen Beine. Mississippi und Louisiana riefen ihr die Schweißströme in Erinnerung, als sie zum ersten Mal als Mann und Frau zusammenkamen. Arkansas gemahnte sie an die vollkommene Biegung seines Schwanzes, wie er sich in ihr anfühlte, wenn sie seine Hüften mit den Beinen umklammerte, wie sich ihre Lippen teilten, wenn sie aufschrie. Oklahoma, Texas, New Mexico … Es waren keine geografischen Orte für Pam, sondern Punkte in der Topografie ihrer Seele. Als sie über die Grenze zu Arizona fuhr, schwebte sie zwischen Straße und Himmel, und das Einzige, was sie auf der Erde hielt, war der Griff ihrer Hände um das Lederlenkrad.

Der Wagen.

Alles, was ihr von ihm geblieben war, war der Wagen.

Vor zwei Jahren hatte er spätabends angerufen – nicht spät für ihn, aber durch die drei Stunden Zeitunterschied fiel das Läuten des Telefons bereits in jene Stunden, in denen es Panik hervorrief. Törichterweise dachte sie sofort an ihren Sohn Zack, aber beim zweiten Läuten war sie schon klarer im Kopf, und ihr gebrechlicher Vater fiel ihr ein, der sich weigerte, in ein Pflegeheim zu ziehen, obwohl er zu kaum noch etwas anderem fähig war, als den ganzen Tag in seinem Fernsehsessel zu hocken und History Channel zu gucken.

„Dad?“, hatte sie gerufen, als sie den Hörer beim dritten Läuten ans Ohr riss. Ein Brand. Ein Sturz auf der Treppe. Eine gebrochene Hüfte. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie hatte den Satz schon so oft gelesen, aber bis jetzt nicht gewusst, dass es physisch tatsächlich möglich war. Sie spürte das Hämmern unter der Speiseröhre, bis hinauf in die Kehle nahm sie den Druck ihres schlagenden Herzens wahr.

„Ich bin’s.“

„John?“ Sie stellte sich seinen Namen richtig geschrieben vor, als sie ihn aussprach, das H blinkte wie ein Neonschild vor einem Striplokal.

Passend zu seinem neuen kalifornischen Lebensstil hatte er es so nüchtern und sachlich gesagt, als würde er über das Wetter sprechen. „Ich sterbe.“

Sie hatte schlagfertig mit einem Spruch geantwortet, den er oft auf Dr. Phil oder bei Oprah gebracht hatte: „Wir alle müssen sterben. Und genau deshalb sollten wir jetzt das Beste aus unserem Leben machen.“

Leicht gesagt für ihn. Wer aufgrund seines Reichtums unabhängig war, neigte zu einer weniger negativen Sicht auf das Leben, als Leute, die jeden Morgen um fünf aufstehen mussten, um bescheuerten Teenagern das Periodensystem der Elemente beizubringen.

„Ich meine es ernst“, hatte er gesagt. „Es ist Krebs.“

Ihr Herz schlug nicht mehr bis zum Hals, stattdessen steckte dort jetzt etwas, das ihr das Sprechen schwer machte.

„Was ist mit Cindy?“, brachte sie schließlich heraus. Die zierliche, dunkelhaarige Pilates-Lehrerin, mit der er seit einem Jahr zusammenlebte.

„Ich möchte, dass du dabei bist, wenn es so weit ist“, hatte er gesagt. „Ich brauche diese Unterstützung.“

„Dann komm nach Georgia.“

„Ich kann nicht fliegen. Du wirst nach Kalifornien kommen müssen.“

Pam verfluchte immer noch den Tag, an dem sie zum ersten Mal zu einem Lehrerseminar nach Kalifornien geflogen waren. Es war eine nette Möglichkeit gewesen, aus Atlanta herauszukommen, ein spannendes Abenteuer, ihre erste Reise in den Westen. Ihr Trauerberater hatte angeregt, sie sollten etwas unternehmen, was „Spaß machte“, um nicht ständig an das Geschehene zu denken, und John hatte eifrig diese Konferenz vorgeschlagen. Pam hatte während des Flugs die meiste Zeit aus dem Fenster geschaut und war entsetzt gewesen über das riesige und so verschiedenartige Terrain unter ihnen. Dichte Wälder, in die Schneisen wie die Hiebe einer Peitsche schnitten, wechselten sich mit kahlen Wüsten und blankem Nichts ab. Wie konnten Menschen nur an so trostlosen Orten leben, hatte sie sich gefragt. Wie konnte man überleben, wenn man vor dem Fenster nichts als Kakteen und dürres Gestrüpp sah?

„Schau“, hatte John gesagt und aus dem ovalen Flugzeugfenster auf einen Fleck roter Erde gedeutet, der für Arizona stand. „Dort unten ist Ted Williams.“

Ted Williams, der Baseballspieler, dessen abgetrennten Kopf seine durchgeknallten Kinder kryogenisch eingefroren hatten.

„Flüssiger Stickstoff“, hatte John erklärt. „Sein Körper schwimmt in einem Fass daneben.“