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Kaspar Hausers Tod am 17.12.1833 in Ansbach ist für Dieter Forte ein Beispiel für Tod durch politische Einflussnahme. Im Hinblick auf Hausers Ermordung ist das wörtlich zu verstehen. Aber nicht weniger konkret ist damit die Unterdrückung der freien Persönlichkeit durch Zensur und staatliche Überwachungspraxis gemeint – ein für unsere Zeit besonders aktuelles Thema. Forte erzählt nicht die Legende von Kaspar Hauser, sondern zeigt, wie sie entsteht: Diejenigen, die ihn unterrichteten, erkennen mit seinem Tod die Fragwürdigkeit ihrer Wertvorstellungen und flüchten angesichts der Parallelen zwischen seiner und ihrer eigenen Existenz in die Legendenbildung. Damit aber verdecken sie das Schicksal anderer junger Menschen, deren Leben durch politische Willkür vernichtet wird. Ergänzt wird Fortes Theaterstück durch einen dokumentarischen Anhang mit Texten und Fotografien zum Thema sowie einer Chronik der Jahre 1815 bis 1837.
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Seitenzahl: 127
Dieter Forte
Kaspar Hausers Tod
FISCHER E-Books
Ein Theaterstück
WIRT
SCHANKBURSCHE
FRANZ JOSEPH VON STICHANER, 50, Generalkommissär und Regierungspräsident in Ansbach
FRAU VON STICHANER
ANSELM RITTER VON FEUERBACH, 58, Staatsrat u. Appellationsgerichtspräsident beim Königl. Appellationsgericht in Ansbach
JOSEPH HICKEL, 38, Gendarmerieoberleutnant in Ansbach
DR. J. H. HORLACHER, 45, Arzt in Ansbach
HEINRICH FUHRMANN, 46, evangelischer Pfarrer in Ansbach
JOHANN GEORG MEYER, 43, Oberlehrer in Ansbach
FRAU MEYER
KOLB, 35, Verleger
JAKOB FRIEDRICH BINDER,40,1, Bürgermeister von Nürnberg
FRAU BINDER
GOTTLIEB FREIHERR VON TUCHER, 35, Ratsakzessist beim Kreis- und Stadtgericht in Nürnberg
GEORG FRIEDRICH DAUMER, 33, Gymnasialprofessor am Nürnberger Gymnasium
HILTEL, Gefängniswärter in Nürnberg
1. ARBEITER
2. ARBEITER
3. ARBEITER
4. ARBEITER
EIN MANN
NACHTWÄCHTER
Das Stück spielt 1833 in Ansbach.
4 Sargträger lassen an der Rampe einen Sarg an Seilen in ein Grab. Hinter dem Grab, mit dem Gesicht zum Publikum, Stichaner, seine Frau, Feuerbach, Hickel, Dr. Horlacher, Fuhrmann, Meyer, seine Frau, Kolb, Binder, seine Frau, Tucher und Daumer.
Die Sargträger ziehen die Seile heraus und gehen ab.
Die Bürger werfen nacheinander Blumen in das Grab.
FRAU BINDER
liest ab
Mein erstes Jahr begrüß ich heut
In Dank und Liebe hocherfreut,
Von vieler Not und Last gedrückt,
Von heute an genieß ich was mein Herz entzückt,
Und fühl auch jetzt mich neu beglückt.
In meinem ersten Jahre steh ich nun,
Da gibts erstaunlich viel zu tun,
Zum Schreiben und zum Malen,
Zum Rechnen oft mit Zahlen.
Gott wollte, daß ich sehe, wie’s in der Welt hergeht,
Und zu lesen, was in den Büchern steht,
Und anzubauen mein Gartenbeet.
Gott wird die Kraft mir geben in Jugendtagen,
Um die Klugen auszufragen,
Jetzt muß ich mich vorbereiten,
Täglich fortzuschreiten,
Ein Schritt ist nicht gar viel,
Doch führt er mich noch zu mein’ erwünschten Ziel.
Pause.
Sein erstes Gedicht.
FUHRMANN
Ich sagte zu ihm, Gott sei überall unser Begleiter, er solle nur fest und zuverlässig auf ihn vertrauen. Er sagte: ›Ach, diese Wege sind sehr dunkel.‹ Ich sagte zu ihm: ›Aber Sie haben doch die Überzeugung, lieber Hauser, daß es Wege der Liebe und Barmherzigkeit sind?‹ Hauser sagte ja und faltete seine Hände. Mit sichtbarer Erhebung sprach er: ›Vater, nicht mein Wille, sondern der deinige geschehe.‹
DAUMER
Ich sehe ihn immer noch vor mir. Sein reiner, offener Blick, seine Herzlichkeit und Gutmütigkeit, seine Abneigung gegen alles, was einem Menschen oder Tier nur den leisesten Schmerz verursachen könnte.
STICHANER
Er meinte einmal, daß es doch so viel Schönes auf der Welt gäbe, und wie hart es für ihn sei, so lange gelebt und nichts davon gesehen zu haben, und wie glücklich die Kinder seien, die dies alles von ihren ersten Jahren an sehen können. Ich erwiderte, was die Schönheiten der Natur betreffe, so habe er keine Ursache, sich zu beklagen. Die meisten Menschen, unter diesen Herrlichkeiten aufgewachsen, betrachten sie als etwas Alltägliches mit gleichgültigen Augen. Ihm aber, der erst als Jüngling in die Welt getreten, seien diese Empfindungen in aller Frische und Reinheit erhalten geblieben, und hierin habe er einen bedeutenden Vorzug vor anderen Menschen.
TUCHER
Er hat mir kurz vor seiner Konfirmation unter Tränen gesagt: ›Ich weiß, man hält mich für einen Betrüger, das tut mir recht weh, ich mußte alle Nächte darüber weinen. Seitdem ich aber aus dem Religionsunterricht weiß, daß es einen Gott gibt, der in das Innere sieht, bin ich ruhig und weine nicht mehr, denn ich weiß, daß ich kein Betrüger bin. Auch beruhigt mich der Gedanke, daß ich an Gott einen Vater im Himmel habe, obwohl es mein erster Wunsch ist, zu erfahren, wer mein irdischer Vater ist, gleichviel ob arm und niedrig, wenn ich ihn nur kenne. Ich denke darüber nicht wie die Leute.‹
Meyer zieht ein großes Schnupftuch heraus und weint.
FRAU MEYER
Nun nimm dich doch zusammen.
KOLB
zu Horlacher Kennen Sie schon das Ergebnis der Obduktion?
HORLACHER
Das Messer ist zwei Zoll unter der linken Brustwarze zwischen der sechsten und siebten Rippe in die Brusthöhle eingedrungen, hat den Herzbeutel durchschnitten, den Rand des linken Leberlappens penetriert und endete im Magen zwischen der cardia und dem fundus.
BINDER
Kaspar Hauser, mein geliebter Pflegesohn, ist nicht mehr. Er starb an den Folgen der durch einen Meuchelmörder erlittenen Verwundung. Ihm sind nun die Rätsel gelöst, an welche die Vorsehung sein trauriges Dasein geknüpft hatte. Im ewigen Frühling jenseits wird der gerechte Gott ihm die gemordeten Freuden der Kindheit und die Vernichtung seines Lebens, das ihn nur 5 Jahre zum Bewußtsein des Menschen erhoben hatte, reich vergelten. Friede seiner Asche.
KOLB
zu Feuerbach Möchten Sie etwas dazu sagen?
FEUERBACH
Nein, ich möchte nichts sagen.
Pause.
FRAU STICHANER
Es ist kalt.
Ein holzgetäfelter Wirtshaussaal.
Links an der Wand ein Schanktisch. Dahinter ein in die Wand eingebautes Regal mit Gläsern, Flaschen usw. Rechts eine Tür, die zur Schankstube führt. In der Mitte hinten der Haupteingang. Links davon, an der Wand, ein Klavier. Daneben ein vergittertes Fenster. Rechts in der Ecke führt eine Treppe zu einer Tür mit dem Schild: Toilette. Unter der Treppe eine halbhohe Kellertür. An der Wand Kleiderhaken.
Etwa in der Mitte des Raumes ein Ofen mit einem langen Ofenrohr.
Tische und Stühle stehen ungeordnet herum. Von der Decke hängen einige verblaßte Girlanden.
Es ist dunkel. Die Saaltür wird von außen aufgeschlossen. Ein Lichtstrahl fällt durch die Tür. Der Wirt und der Schankbursche kommen herein.
BURSCHE
trägt einen Korb Brot zum Schanktisch Eingeheizt hab ich schon am Nachmittag, daß es temperiert ist.
WIRT
Nachlegen. Und die Kerzen anzünden. Das sieht gleich wärmer aus. Die Herrschaften werden verfroren sein. Punschgläser?
BURSCHE
zündet Kerzen an Zwei Dutzend.
WIRT
Soviel werden nicht kommen. Tischdecken?
BURSCHE
Auf dem Klavier.
WIRT
geht zum Klavier und findet dort ein Ölbild Kaspar Hausers Was ist das?
BURSCHE
Einen schönen Gruß von der Frau Regierungspräsidentin, und sie meint, wir sollten es aufstellen.
WIRT
Wenn sie meint. Er stellt das Bild auf das Klavier Sakrament, die Girlanden!
BURSCHE
Vom Ball der Frau Geheimrat. Nächste Woche hat Frau Stadtgerichtsdirektor ihren Ball.
WIRT
Vielleicht ist es gegen die Pietät.
BURSCHE
Wen wird es stören.
WIRT
Laß sie hängen.
BURSCHE
Ich häng noch einen Trauerflor dazwischen.
WIRT
Und einen an die Tür. Das genügt. Den Leuchter da wieder aus. Es ist hell genug. Allzu hell ist auch nicht gut. Und wer bezahlt es.
Der Schankbursche holt einige Meter Trauerflor, einen Hammer und einige Nägel aus dem Regal, steigt auf einen Tisch und nagelt den Trauerflor an einen Querbalken in der Mitte des Raumes. Der Wirt nimmt die Tischdecken vom Klavier, deckt die Tische und schiebt sie zurecht.
BURSCHE
Eigentlich schad, daß er nun tot ist.
WIRT
Tot ist tot. Was ist da schad.
BURSCHE
Man hätt von ihm lernen können.
WIRT
Vom Kaspar Hauser? Was hättest du von dem lernen können? Der hat doch selber erst alles lernen müssen.
BURSCHE
Das mein ich ja. Man hätt von ihm lernen können, wie das ist, wenn einer erst alles lernen muß. Unsereins merkt das doch nicht. Ich meine, es wird einem doch alles gesagt. Da ist die Welt dann so, wie sie ist. Aber wie ist denn die Welt? Ich meine, wie ist sie wirklich? Wenn man darüber nachdenkt, dann denkt man doch immer nur – wie soll man das sagen – weiß der Herr Wirt, wann er angefangen hat zu denken?
WIRT
Ich weiß nur, wann ich aufgehört hab zu denken.
BURSCHE
springt vom Tisch und nagelt den Trauerflor an die Saaltür Wenn einer nicht immer Schankbursche bleiben will, sollte er sich Gedanken machen, schon wegen der Gäste.
WIRT
Ich kenn keine Gäste, die denken; die Leute gehen ins Wirtshaus, um nicht zu denken.
BURSCHE
Da wird es schon welche geben, die denken.
WIRT
Dann verheimlichen sie es aber sehr.
BURSCHE
Sie werden es nicht sagen wollen in einem Wirtshaus.
WIRT
Oder sie haben sich dabei so tödlich erschrocken, daß sie es gleich wieder drangegeben haben. Er geht zum Schanktisch.
BURSCHE
Eben deswegen hätt man den Kaspar Hauser einmal befragen sollen, wie das ist mit dem Denken, ob es einen da gleich zerreißt, wenn man die Welt so auf einmal vor Augen hat, so ganz neu und ohne eine Erklärung. Er steht vor dem Bild Kaspar Hausers und hängt einen Trauerflor darüber.
WIRT
Gewundert hat er sich schon.
BURSCHE
Und seine Gedanken hat er sich sicher auch gemacht.
WIRT
Sonst hätte er sich nicht so gewundert. Und die Gläser dürften auch noch ausgewischt werden. Er schenkt sich ein Glas Wein ein und setzt sich an einen Tisch. Der Schankbursche wischt die Gläser aus. Das dauert mal wieder.
BURSCHE
Wenn Pfarrer Fuhrmann predigt.
WIRT
Sobald die ersten kommen, gleich den Punsch herein. Und ordentlich im Ofen nachlegen.
BURSCHE
Die Tische zusammenschieben? Das gibt Stimmung.
WIRT
Wenn die Herrschaften sich verstehen. Wenn nicht, ist die Stimmung gleich hin. Wer weiß, wer da alles kommt. Man will sich vielleicht separieren.
BURSCHE
Ärger gibt es dann auch.
WIRT
Dann aber vom Punsch.
BURSCHE
Vielleicht kommen welche aus Nürnberg?
WIRT
Bestimmt.
BURSCHE
Oder aus dem Schloß in Karlsruhe?
WIRT
Wohl kaum.
BURSCHE
Immerhin soll er dort geboren sein.
WIRT
Dazu sag ich nichts. Begraben wird er jedenfalls bei uns in Ansbach. Und das liegt in Bayern. Karlsruhe ist weit. Was geht uns das Ausland an.
Die Schanktüre wird geöffnet. Ein Mann steht in der Tür. Man hört die Stimmen aus der Schankstube.
WIRT
Was ist?
MANN
Es fehlen Stühle.
Der Wirt zeigt auf die herumstehenden Stühle. Der Mann nimmt vier Stühle und geht damit in die Schankstube. Die Tür wird wieder geschlossen.
WIRT
Was ist denn da los?
BURSCHE
Da haben sich anscheinend alle Handwerksburschen der Stadt versammelt.
WIRT
Eine Versammlung?
BURSCHE
Irgendeiner hat Geburtstag.
WIRT
Wochenlang nichts und dann zwei Feiern auf einmal.
Gelächter aus der Schankstube.
BURSCHE
lehnt am Schanktisch Seltsam ist es schon.
WIRT
Was?
BURSCHE
Das mit dem Kaspar Hauser.
WIRT
Gar nichts ist seltsam.
BURSCHE
Ich kenn einen Schreiber vom Stadtgericht. Er sagt, sie wüßten dort alles.
WIRT
Die wissen alles, was alle anderen auch wissen.
BURSCHE
Aber es ist geheim.
WIRT
Vielleicht beim Stadtgericht. Weil es da in die Geheimakten kommt.
BURSCHE
Warum darf man dann nichts sagen?
WIRT
Weil es verboten ist. Es gibt sehr leicht ein Wirtshausgerücht.
BURSCHE
Aber wenn es alle sagen?
WIRT
Alle sagen es eben nicht. Das bringt einen zu schnell in die Geheimakten, und die Geheimakten bringen einen schnell ins Gefängnis.
BURSCHE
Wegen falscher Aussage der Wahrheit.
WIRT
Oder wahrheitsgemäßer Wiedergabe einer falschen Aussage.
BURSCHE
Warum hat man ihn aber ermordet?
WIRT
Weil ihn einer ermordet hat. Das passiert alle Tage, daß einer ermordet wird.
BURSCHE
Aber wer hat ihn ermordet?
WIRT
Weiß man? Das ist etwas für die Polizei. Ein Kriminalfall.
BURSCHE
Eigentlich wissen es alle, aber alle wissen nichts.
WIRT
Das ist so.
BURSCHE
Und deswegen stellt man sich besser dumm.
WIRT
Wie alle.
BURSCHE
Und denkt nicht viel.
WIRT
Wie alle. Stimmen vor der Saaltür Sie kommen. Hol den Punsch und leg Holz nach.
Bursche ab. Stichaner und Feuerbach kommen herein.
Herr Regierungspräsident. Herr Appellationsgerichtspräsident. Der Wirt nimmt ihnen die Mäntel ab und hängt sie an die Wandhaken neben der Tür. Stichaner in Galauniform; Feuerbach im schwarzen Schoßrock, mit hoher Seidenkrawatte, einige Orden.
STICHANER
Kalt draußen.
WIRT
Ich sage immer, ein anständiger Mensch stirbt im Sommer, im Dezember ist kein Wetter für eine Beerdigung. Dem Toten ist es schließlich egal, aber so mancher Lebende holt sich dabei den Tod.
FEUERBACH
Manch einer hat keine Wahl.
WIRT
Ja, das ist wahr. Der Punsch kommt sofort. Ein Gläschen Rüdesheimer zuvor, vom Besseren? Ehe die anderen Herrschaften – Ich habe mir auch schon erlaubt. Er schenkt zwei Weingläser ein. Die Herren trinken, der Wirt geht zur Saaltür.
STICHANER
Ja, nun ist er tot.
FEUERBACH
Sind Sie sicher?
STICHANER
Wieso?
FEUERBACH
Ich meine, ist er wirklich tot?
STICHANER
Ich denke, wir haben ihn eben begraben.
FEUERBACH
Wen?
STICHANER
Kaspar Hauser.
FEUERBACH
War es wirklich Kaspar Hauser?
STICHANER
Wer soll es denn sonst gewesen sein?
FEUERBACH
Vielleicht ein anderer.
STICHANER
Kaspar Hauser?
FEUERBACH
Er hat sich so genannt. Aber war er es?
STICHANER
Und wen haben wir, ihrer Meinung nach, begraben?
FEUERBACH
Einen Menschen, der sich Kaspar Hauser nannte.
STICHANER
Also doch Kaspar Hauser.
FEUERBACH
Wenn er es war.
STICHANER
Sie haben ihn doch selbst gekannt.
FEUERBACH
Wen?
STICHANER
Kaspar Hauser.
FEUERBACH
Den, der glaubte, Kaspar Hauser zu sein, oder den, der glaubte, daß er glaubte, Kaspar Hauser zu sein?
STICHANER
Und was glauben Sie, wenn man fragen darf?
FEUERBACH
Ich glaube gar nichts. Ich halte mich an die hochwohllöblichen und staatserhaltenden Akten und Protokolle, die da besagen, daß besagter Kaspar Hauser Kaspar Hauser ist. Ein ganz passabler Rüdesheimer.
STICHANER
Von dem Sie glauben, daß Sie glauben, daß es Rüdesheimer ist.
FEUERBACH
Das Etikett, mein Lieber, das Etikett und die Etikette. Das Kind muß schließlich einen Namen haben. Schenken Sie Wasser aus, und jeder wird sagen, klares Wasser. Kleben Sie ein Etikett auf die Flasche mit Wappen und Goldschrift, und die Leute werden mit der Zunge schnalzen und schwören, es sei ein besonderer Tropfen.
STICHANER
Darf ich Etikette, Wappen und Goldschrift als Anspielung auffassen?
FEUERBACH
Sie dürfen glauben, was Sie glauben.
Die nächsten Trauergäste kommen gruppenweise.
WIRT
nimmt ihnen die Mäntel ab Frau Regierungspräsidentin, Herr Gendarmerieoberleutnant, Herr Verleger. Hickel in seiner Gendarmerieuniform; Kolb im braunen Anzug mit gestreifter Weste.
KOLB
Man hätte sofort nach jedem Menschen fahnden sollen.
HICKEL
Es wurde mit dem Stadtgericht und mit dem Gendarmeriekommando beraten. Befehle wurden erlassen, Gasthäuser visitiert, Nachtzettel, Fremdenbücher, Paßregister –
FRAU STICHANER
Das ist sehr lieb von Ihnen, daß Sie das Bild aufgestellt haben.
WIRT
Aber Frau Regierungspräsidentin, das ist doch selbstverständlich.
FRAU STICHANER
Ich mag dieses Bild sehr.
HICKEL
Es wurde jedenfalls alles getan und nichts unterlassen.
STICHANER
Bei dem großen Gewicht der Sache und bei den politischen Verbindungen, die sie in den Augen des Herrn Staatsministers des Äußeren hat, beschwöre ich Sie, alles aufzubieten und Kosten nicht zu scheuen, um dieses scheußliche Attentat aufzudecken, und den Anschein zu beseitigen, als könne unter den Augen der in puncto Fremdenpolizei wachsamsten Regierung Deutschlands so etwas ungestraft geschehen.
HICKEL
Die Polizeibehörden und das Stadtgericht sind unermüdlich tätig, die Vernehmungen dauern an. Ich beantrage die Aussetzung einer Belohnung von zehntausend Gulden.
STICHANER
Seine Majestät, König Ludwig von Bayern, haben bereits zu erkennen gegeben, daß sie damit einverstanden sein werden.
KOLB
Zehntausend Gulden, eine schöne Summe.
STICHANER
Ich habe trotzdem wenig Hoffnung auf ein die Menschheit versöhnendes Resultat.
KOLB