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Kater Brown zieht ins malerische Südengland!
Alexandra Berger fährt nach England, um einen Reiseführer über den idyllischen Süden der Insel zu schreiben. Als sie Kater Brown in ihrem Gepäck entdeckt, ahnt sie schon, dass dies wieder eine Reise von Tatort zu Tatort werden könnte. Und sie soll recht behalten: Gleich nach der Ankunft im hübschen Städtchen Grayman's Hollow findet Kater Brown einen angespülten Toten an der Küste. War das etwa Mord? Als der findige Kater kurz darauf sein Frauchen auf den nahegelegenen Landsitz eines Scheichs führt, geht Alexandra einer heißen Spur nach ...
Kater Brown ermittelt weiter! Nach längerer Pause gibt es endlich neue Folgen der erfolgreichen Katzenkrimi-Reihe. Im achten Band "Kater Brown und die tödliche Tea Time" reist der Kater mit der besonderen Spürnase für Mord nach Südengland!
Die Serie:
Kater Brown, der Kater mit der Spürnase, merkt schnell, wenn etwas faul ist - aber die Menschen verstehen seine Hinweise einfach nicht! Bis auf Alexandra Berger. Seit sie gemeinsam ihren ersten Mordfall aufgeklärt haben, weicht der Kater der Reisejournalistin nicht mehr von der Seite. Für Alexandras Reportagen vom schönen Landleben kommen sie viel herum - und stellen fest, dass das Verbrechen auch in der größten Idylle zu Hause ist. Humorvoll und spannend erzählt entlarvt das Ermittlerduo scheinbar harmlose Todesfälle und macht sich auf die Suche nach dem Mörder.
eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!
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Seitenzahl: 217
Cover
Grußwort des Verlags
Kater Brown – Die Serie
Über diese Folge
Titel
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Epilog
Über den Autor
Die Protagonisten
Impressum
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Kater Brown, der Kater mit der Spürnase, merkt schnell, wenn etwas faul ist – aber die Menschen verstehen seine Hinweise einfach nicht! Bis auf Alexandra Berger. Seit sie gemeinsam ihren ersten Mordfall gelöst haben, weicht Kater Brown der Reisejournalistin nicht mehr von der Seite. Und zusammen können sie Morde aufklären, die auf den ersten Blick gar nicht nach einem Verbrechen aussehen.
Kater Brown zieht ins malerische Südengland!
Alexandra Berger fährt nach England, um einen Reiseführer über den idyllischen Süden der Insel zu schreiben. Als sie Kater Brown in ihrem Gepäck entdeckt, ahnt sie schon, dass dies wieder eine Reise von Tatort zu Tatort werden könnte. Und sie soll recht behalten: Gleich nach der Ankunft im hübschen Städtchen Grayman's Hollow findet Kater Brown einen angespülten Toten an der Küste. War das etwa Mord? Als der findige Kater kurz darauf sein Frauchen auf den nahegelegenen Landsitz eines Scheichs führt, geht Alexandra einer heißen Spur nach ...
Ralph Sander
Kater Brown und die tödliche Tea Time
Der Mann ging die Grenville Street entlang. Von Zeit zu Zeit sah er sich um, doch so spät abends war in diesem Londoner Viertel zwischen dem Britischen Museum und King's Cross niemand außer ihm unterwegs. Hin und wieder fuhr ein Wagen die Straße entlang, aber keiner der Fahrer schien von ihm Notiz zu nehmen – nicht mal der Taxifahrer, der vermutlich auf der Suche nach einem Fahrgast war. Offenbar erweckte der Mann nicht den Eindruck, dass er irgendwo hingefahren werden wollte. Oder aber es lag an seiner düsteren Erscheinung, war er doch von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Die tief ins Gesicht gezogene Baseballmütze, der schwarze Vollbart und die zum Pferdeschwanz zusammengebundenen langen Haare taten ihr Übriges, ihm eine gewisse angsteinflößende Aura zu verleihen.
Es war ein lauer Abend im August, der nach der am Tag herrschenden brütenden Hitze fast schon angenehm kühl wirkte.
Der Mann erreichte eine Durchfahrt zu einer schmalen Gasse, die die Grenville Street mit ihrer Parallelstraße verband. An der Hausfassade über der Durchfahrt war im Schein seiner Handytaschenlampe der Schriftzug Colonnade zu erkennen. Allerdings wusste der Mann, wonach er Ausschau halten musste. Ob er den Begriff im Hinblick auf die größtenteils abgeblätterte Farbe andernfalls wirklich hätte entziffern können, war eher zweifelhaft.
Die Gasse war von der Art, die man nicht nur nachts gerne mied. Links und rechts standen eingeschossige Häuser dicht an dicht, nirgends gab es eine Möglichkeit, seitlich aus der Gasse zu entkommen, wenn ein Gaunerduo einem Passanten auflauerte und ihn dann von beiden Enden kommend einkesselte. Es war auch äußerst unwahrscheinlich, dass einem irgendwo Einlass gewährt würde, sollte man in einem der Häuser Zuflucht suchen wollen. Zum einen war die Gasse nur schlecht beleuchtet, sodass man kaum erkennen konnte, wer da vor der Tür stand. Zum anderen wurde der größte Teil der Gebäude als halbwegs günstiger Büroraum genutzt, sofern man in London überhaupt von »günstig« reden konnte. Damit standen die Chancen umso schlechter, aus dieser Falle zu entkommen, die diese Gasse im schlimmsten Fall darstellen konnte.
Unter normalen Umständen hätte der Mann diese Gasse auch nicht aufgesucht, doch dies waren nun mal keine normalen Umstände. Er war seinem Ziel so nahe gekommen, dass es an der Zeit war, die notwendigen Vorbereitungen zu treffen, um seine Mission erfüllen zu können. Mit dem Lichtkegel seiner Taschenlampe beleuchtete er die Türen, bis er die gesuchte Hausnummer entdeckte. Der 24-Stunden-Buchladen stand auf dem Klingelschild.
Er klingelte, und die Sprechanlage erwachte knisternd zum Leben.
»Ja?«, fragte eine blecherne Frauenstimme.
»Guten Abend, ich ... ähm ... ich möchte ein bestelltes Buch abholen.«
»Bestellnummer?«, ertönte es aus dem Lautsprecher.
Er richtete den Lichtstrahl auf den Zettel, auf dem er neben der Adresse und der Wegbeschreibung auch die Bestellnummer notiert hatte. »C046 – 22«, las er vor.
»Ah, ja«, antwortete die Frau. »Ich lasse Sie jetzt rein.«
Der Summer ertönte, der Mann drückte die Tür auf und gelangte in einen schmalen Flur. Am anderen Ende stand eine weißhaarige Frau und winkte ihm zu. »Hier vorne, Sir«, rief sie und verschwand in ein Zimmer. Der Mann folgte ihr und fand sich in einem Raum voller Regale wieder, in denen sich unzählige Bücher, Briefumschläge und Kartons stapelten.
Die Frau, die mindestens einen Kopf kleiner war als er, lächelte ihn freundlich an. »Und? Haben Sie mein Geschäft gut gefunden?«
»Kein Problem«, sagte er. »Allerdings sollte mal jemand den Schriftzug ›Colonnade‹ an der Hausfassade nachziehen. Viel ist davon nicht mehr übrig.«
»Ja, ich weiß«, erwiderte sie in betrübtem Tonfall. »Darüber klagt die ganze Nachbarschaft, aber der Eigentümer dieses Hauses unternimmt einfach nichts, obwohl er es immer wieder verspricht.«
»Tja, da kann man wohl nichts machen.« Der Mann zuckte mit den Schultern.
»Man kann tatsächlich gar nichts machen«, bestätigte sie, »weil wir ihm die Arbeit nicht mal abnehmen dürfen. Es ist seine Fassade, und niemand außer ihm darf sich daran zu schaffen machen.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber dank der Navigationsgeräte, die ja heute so gut wie jeder hat, ist es nicht ganz so tragisch, da man dabei ja frühzeitig darauf hingewiesen wird, wo man nach rechts abbiegen muss.«
»Stimmt auch wieder«, pflichtete er ihr bei. »Ähm ... meine Bestellung?«
»Ja, natürlich.« Wieder lächelte sie den Mann an. »C ... und weiter? Was hatten Sie gesagt?«
»C046 – 22«, las er von seinem Zettel ab.
»Richtig, einen Moment.« Sie verschwand im ersten Gang rechts und tauchte drei Gänge weiter wieder auf – mit strahlender Miene und mit der Bestellung in der Hand. »Da haben wir es schon«, sagte sie und kam nach vorn. Sie legte ein in Klarsichtfolie eingeschweißtes Buch auf die Theke. »Einmal Blausäure von Agatha Christie, richtig?«
»Ja, das ist richtig.« Aus heiterem Himmel musste er niesen.
»Gesundheit«, sagte die Frau, doch bevor er ein »Danke« rausbringen konnte, musste er dreimal in rascher Folge so heftig niesen, als ob ihm jemand eine Handvoll Niespulver ins Gesicht geschleudert hätte.
»Falls Sie sich wegen des Titelbilds wundern«, redete sie weiter, wobei sie immer wieder kurz durch sein Niesen unterbrochen wurde, »das ist die Ausgabe eines amerikanischen Buchclubs, die dort weit verbreitet ist, aber hierzulande weitgehend unbekannt ist.«
»Ah«, machte der Mann, der genug damit zu tun hatte, gegen den Niesreiz anzukämpfen. Ihr Gerede interessierte ihn ohnehin nicht. Er war hergekommen, weil er dieses Buch kaufen wollte, weiter nichts.
Die ältere Frau sah ihn abwartend an, merkte schließlich, dass er nicht zum Reden aufgelegt war, und nickte knapp. »Das macht dann sechshundert Pfund. Dreihundert hatten Sie bereits angezahlt ... dann bekomme ich noch einmal dreihundert Pfund.«
»Kann ich einen Blick in das Buch werfen?«, fragte er, nachdem er sich die Nase geschnäuzt hatte. Zu seinem Leidwesen wollte diese Niesattacke noch immer kein Ende nehmen. »Ich meine, es ist eingeschweißt und ... ähm ...«
»Sie meinen, Sie wollen sich vergewissern, ob die Beilage enthalten ist?«, entgegnete die Frau.
Er nickte. »Ich möchte nur ungern die Katze im Sack kaufen.«
»Das kann ich verstehen, aber bei Büchern mit Beilage bin ich nur die Vermittlerin zwischen Käufer und Verkäufer. Ich erhalte die Bücher eingeschweißt und gebe sie ungeöffnet weiter. Sehen Sie, ich kann keine Haftung übernehmen. Reklamationen und Rückgaben sind grundsätzlich ausgeschlossen. Wenn Sie das Buch nicht nehmen wollen, weil Sie Bedenken haben, dann verfällt auch Ihre Anzahlung, und Sie landen für ein halbes Jahr auf unserer schwarzen Liste.«
»Oh«, murmelte der Mann. »Das will ich natürlich nicht. Also gut, hier sind dreihundert Pfund ...« Er zog ein Bündel Scheine aus der Brieftasche und legte sie nacheinander laut zählend auf die Theke.
»Vielen Dank.« Sie nahm das Geld zügig an sich. »Die Quittung lege ich dazu.«
»Sie stellen Quittungen aus?«
»Ich bin Geschäftsfrau, ich bin sogar dazu verpflichtet, wenn der Kunde es wünscht«, machte sie ihm klar. »Allerdings nur in Höhe des tatsächlichen Warenwerts, also in diesem Fall fünf Pfund.«
»Nun, eine Quittung brauche ich eigentlich nicht«, entschied er. »Aber vielleicht können Sie mir eine Tüte geben. Es muss ja nicht jeder sehen, was man mit sich herumträgt.«
»Da haben Sie wohl recht«, stimmte sie ihm zu und griff unter die Theke, um eine dezente braune Papiertüte hervorzuholen, in die sie das Buch steckte. »Hier, bitte, Sir.«
Er nahm das verpackte Buch an sich und ging zur Tür.
»Warten Sie, Sir«, sagte sie hastig und eilte an ihm vorbei. »Ich lasse Sie an der Vordertür raus. Man kann nie wissen, ob Ihnen in der Gasse jemand auflauert.«
»Danke, das ist sehr freundlich von Ihnen«, sagte der Mann und folgte ihr schniefend und niesend durch den langen Flur, über einen kleinen Innenhof und dann in ein anderes Haus, wo es durch den nächsten Flur bis zu einer Tür ging, durch die er auf die Parallelstraße zur Gasse hinter dem Haus gelangte.
»Sie wissen, wo Sie sind?«, fragte die Frau.
»Ja, ja, ich weiß, wo ich lang muss«, erwiderte er. Erleichtert stellte er fest, dass der Niesreiz allmählich nachließ. Irgendwas musste sich in diesem Buchladen befunden haben, das diese heftige Reaktion ausgelöst hatte. Ein, zwei Stunden würde ihm seine laufende Nase sicher noch zur Last fallen, ehe wieder alles beim Alten war. »Vielen Dank noch mal. Und einen schönen Abend.«
»Ihnen auch, Sir, und kommen Sie gut nach Hause.«
Nachdem er ein paar Schritte gegangen war, kam ihm ein freies Taxi entgegen. Er winkte es zu sich, nannte sein Fahrtziel und stieg ein.
Kater Brown saß auf dem höchsten Punkt seines Kratzbaums und beobachtete, was sich unter ihm abspielte. Neben der Tür, die ins Treppenhaus führte, standen mehrere große Taschen. Sie waren fast vom gleichen Format wie die Kiste, in die er manchmal gegen seinen Willen gesetzt wurde, wenn er irgendwohin mitgenommen wurde. Die Kiste war nicht sehr bequem, auch wenn sie mit einer dicken Decke ausgelegt war. Doch diese Decke rutschte gern hin und her und bot ihm keinen richtigen Halt, wenn sich das große Ding in Bewegung setzte, in das er dann verfrachtet wurde. Noch mehr störte ihn aber, dass er in diesen Situationen kaum etwas davon mitbekam, wo er sich befand und wohin man mit ihm unterwegs war. Der Blick durch die Gittertür war lediglich nach oben möglich, sodass er immer nur Baumkronen und Hausdächer vorbeiziehen sah.
Er bevorzugte freie Sicht, die er zum Beispiel hatte, wenn er im Wohnzimmer am Fenster oder draußen auf einer Mauer saß – oder auf diesem Kratzbaum, von dem aus er alles beobachten konnte, wenn er nur den richtigen Platz wählte. Ein guter Platz war beispielsweise die Schlafmulde unterhalb von ihm zu seiner Rechten, von der aus er so in die Küche schauen konnte, dass er es unweigerlich mitbekam, wenn sein Napf mit frischem Essen aufgefüllt wurde.
Natürlich konnte er sich beim Essen auch ganz auf seine exzellente Nase verlassen, die ihm immer meldete, wo sich gerade etwas Essbares befand. Dennoch gefiel es ihm, beobachten zu können, wie das Futter von der Dose in den Napf wanderte, ehe dieser aus der Küche in den Flur getragen und an der Wand zwischen Wohnzimmer- und Schlafzimmertür abgestellt wurde.
Jemand klopfte an die Tür, die nach draußen führte. Gleich darauf kam aus dem Zimmer links die Frau, die von allen »Alexandra« genannt wurde. Sie war die Frau, die ihm mehrmals am Tag Futter und eine Schale mit Wasser hinstellte, die sich dann von ihm verabschiedete und die ihn freudig hochnahm und an sich drückte, wenn sie wieder hereinkam.
Alexandra öffnete die Tür. Draußen im Flur stand Frau Mehlers, eine seltsame Frau, die viel kleiner war als Alexandra, obwohl sie offensichtlich kein Junges mehr war, das noch wachsen musste, sondern viel älter als Alexandra. Er merkte es ihren Bewegungen an, und er erkannte es an ihrer Langsamkeit, wenn sie versuchte, ihn zu fassen zu bekommen. Manchmal, wenn Alexandra länger wegblieb, dann war es Frau Mehlers, die ein paarmal am Tag hereinkam, um ihm etwas zu essen hinzustellen und die Reste vom letzten Essen wegzutragen. Es dauerte bei ihr viel länger, bis Kater Brown seinen Teller hingestellt bekam. Doch anstatt seine Ungeduld kundzutun, wartete er stets in sicherer Entfernung, bis alles fertig war, denn Frau Mehlers war eine seltsam ruppige Frau, die ihn viel zu grob anfasste, wenn sie ihn streichelte. Wann immer sie rüberkam, mied er ihre Nähe, was sie aber auch nicht zu stören schien. Manchmal blieb sie, bis er zum Napf kam und zu essen begann. Aber manchmal war seine Geduld stärker als sein Hunger, und dann wartete er, bis sie wieder gegangen war.
»Guten Morgen, Frau Berger«, sagte die Frau vor der Tür. »Ich bin hoffentlich nicht zu spät?«
»Nein, nein, überhaupt nicht, Frau Mehlers«, erwiderte Alexandra. »Ich sagte ja schon, dass Sie nicht extra früh aufstehen müssen. Es ist alles so wie immer, Futter steht in der Küche, die Wasserflasche ebenfalls. Nur bin ich diesmal ausnahmsweise zwei Wochen unterwegs, nicht nur eine, wie es sonst eigentlich üblich ist.«
»Ach, Frau Berger, halb sieben am Morgen ist für mich doch nicht früh«, winkte Frau Mehlers ab. »Ich vergewissere mich nur lieber, ob Sie an alles gedacht haben, solange Sie noch da sind. Wenn ich so was erst feststelle, nachdem Sie losgefahren sind, kann das zu dummen Missverständnissen führen. Seit mir das einmal mit Herrn Räbiger und seinem Aquarium passiert ist, bin ich lieber etwas vorsichtiger.«
»Mir macht es nichts aus, dass Sie schon da sind, Frau Mehlers«, ließ Alexandra sie wissen. »Mir ist es eigentlich sogar lieber, denn vier Augen sehen bekanntlich mehr als zwei.« Sie ließ Frau Mehlers vorbeigehen, dann machte sie die Wohnungstür zu und folgte der älteren Frau in die Küche.
Kater Brown blieb auf dem Posten, den er sich ausgesucht hatte, auch als die Besucherin ihm kurz zuwinkte. Noch wusste er nicht, wie er sein Vorhaben in die Tat umsetzen sollte, aber auch da war Geduld der Schlüssel zum Erfolg. Etwas würde sich schon noch ergeben.
Er hörte die beiden Frauen in der Küche reden, dann kam Frau Mehlers als Erste zurück in den Flur. Ihr Blick fiel auf die Kommode, auf der ein dünnes, dunkelrotes Buch lag. »Ist das Ihr Reisepass?«, fragte sie und hielt das Büchlein hoch.
»Ja, den darf ich auf keinen Fall vergessen.« Alexandra nickte.
»Sollten Sie ihn dann nicht besser einstecken? Nicht, dass Sie ihn doch noch hier liegen lassen.«
»Nein, nein, das ist Absicht«, erklärte sie. »Ich stecke ihn ganz zum Schluss ein, dann habe ich ihn sofort griffbereit. Sonst landet er ganz unten in meiner Handtasche, und dann muss ich ihn erst umständlich hervorkramen, wenn ich ihn brauche.«
»Eine gute Methode«, fand Frau Mehlers und klappte den Ausweis auf. »Ach, da hatten Sie die Haare ja auch so kurz wie heute«, stellte sie erstaunt fest und nickte anerkennend. »Steht Ihnen gut.«
»Danke«, erwiderte Alexandra lächelnd. »Irgendwie war es die passende Gelegenheit, meinen Kopf mal wieder von der ganzen Wolle zu befreien, die ich seit Monaten mit mir herumgetragen habe. Wenigstens sehe ich jetzt der Frau auf dem Foto ähnlich. Allerdings würde ich meine Haare gerne noch mal in einem rötlichen Ton färben lassen.«
»Was ist gegen dieses natürliche Braun einzuwenden?«, fragte die ältere Frau. »Ich finde, das passt gut zu Ihnen. Alles andere ist so ... wie sagt man? Flippig? Sie wissen schon, diese Woche platinblond, nächste Woche pechschwarz ...«
»Ich mag eben die Abwechslung«, sagte Alexandra, während ihre Nachbarin den Ausweis auf die Kommode zurücklegte. »Aber ich weiß nicht, ob im Südwestzipfel von England ein Friseur zu finden sein wird, der modern genug ist, um zu meiner Rettung zu eilen. Bevor ich das Risiko eingehe, verzichte ich lieber auf Farbe.«
»Sie werden sehen, Frau Berger«, prophezeite die Besucherin, »wenn Sie zurückkommen, haben Sie sich schon so an die natürliche Farbe gewöhnt, dass Sie gar nichts anderes mehr haben wollen.«
Alexandra musste lächeln. »Seien Sie froh, dass ich nicht um Geld wette, sonst würde ich Ihnen ganz sicher den Gegenbeweis liefern.«
»Nee, nee, Frau Berger, auf so eine Wette würde ich mich gar nicht einlassen«, wehrte die ältere Frau amüsiert ab. »Erstens verliere ich dann mein Geld, zweitens färben Sie sich dann ja doch wieder die Haare, und das auch noch auf meine Kosten.«
»Das hätte ich wohl dezenter anfangen müssen«, entgegnete Alexandra schmunzelnd.
»Vielleicht bringt Ihnen die Farbe Glück, und Sie lernen da drüben einen netten jungen Mann kennen.« Frau Mehlers zog eine bekümmerte Miene. »Nachdem es mit dem Letzten ja doch nicht geklappt hat.«
Dieser »Letzte« war Tobias gewesen. Sie hatte sich einfach nie ganz sicher sein können, ob ein romantisches Wort von ihm wirklich ehrlich gemeint gewesen war, oder ob es bloß der Macho in ihm gewesen war, der ihm geraten hatte, dass es mal wieder Zeit für eine liebevolle Bemerkung wurde, weil Frauen so was halt hören wollten.
Als er sie dann von Australien aus angerufen hatte, um ihr zu sagen, dass er dort seiner Traumfrau begegnet war und auswandern würde, um sein Leben mit ihr zu verbringen, da hatte sie zu ihrem Erstaunen als Erstes Erleichterung verspürt, weil es ihr so erspart blieb, zu einem endgültigen Urteil über Tobias' wahre Absichten gelangen zu müssen. Wehmut hatte sie zwar auch empfunden, aber die war schon bald wieder abgeebbt.
»Wenn ich da einen netten jungen Mann kennenlerne, Frau Mehlers«, erwiderte sie und lenkte von Tobias ab, um gar nicht erst über ihn reden zu müssen, »dann würde das aber bedeuten, dass ich in England bleibe. Würden Sie mich da nicht vermissen?«
»Wer sagt, dass Sie in England bleiben würden? Sie könnten ihn doch auch mitbringen.«
»Wohl kaum«, konterte sie. »Wenn schon, dann lache ich mir mindestens einen Lord an, und der wird seinen Landsitz nicht gegen eine Mietwohnung mitten in Düsseldorf eintauschen wollen.« Auf einmal wurde sie ernst. »So, Frau Mehlers, dann würde ich Sie jetzt gern vor die Tür setzen. Ich muss nämlich noch diese Taschen zum Wagen bringen und dann einen letzten Rundgang durch die Wohnung machen, um mich zu vergewissern, dass ich tatsächlich nichts vergessen habe. Dafür brauche ich absolute Ruhe, um nicht abgelenkt zu werden. Außerdem darf ich nicht zu spät los, sonst verpasse ich in Calais meine Fähre.«
»Kann ich gut verstehen, Frau Berger.« Die Besucherin nickte bedächtig. »Ich werde mir jetzt erst mal einen frischen Kaffee aufsetzen. Ihr Kater ist ja versorgt, da werde ich gegen Mittag noch mal nach ihm sehen.«
»Das wird völlig genügen«, bestätigte Alexandra und begleitete die ältere Frau zur Tür, um sich von ihr zu verabschieden. Nachdem das erledigt war, hängte sie sich eine Reisetasche über die Schulter und griff mit jeder Hand nach einem Koffer.
Kater Brown sah ihr hinterher, wie sie die Wohnung verließ und einen Koffer wieder absetzte, damit sie die Tür zuziehen konnte. Kaum hatte er das gewohnte laute Klack gehört, das anzeigte, dass die Tür zu war, stand er auf und verließ zügig den Kratzbaum, lief ein Stück weit und sprang mit einem Satz auf die Kommode. Vor ihm lag das dünne, dunkelrote Büchlein, auf das Alexandra so nachdrücklich gezeigt hatte. Es musste sich dabei um etwas Wichtiges handeln. Mit einer Vorderpfote begann er das Büchlein über die Kommode bis an die Wand zu schieben, dann drängte er die Pfote unter den leichten Gegenstand und bewegte ihn weiter und weiter, bis er in den Spalt zwischen Kommode und Wand rutschte.
Kater Brown hörte, wie das Büchlein hinter der Kommode auf dem Boden landete. Da das Möbelstück auf dünnen Beinen stand, würde Alexandra das vermisste Buch da unten zwar mühelos wiederfinden, doch mehr als ein oder zwei Minuten brauchte er für seinen Plan ohnehin nicht.
Nachdem das Büchlein aus dem Weg geräumt war, machte er es sich genau dort gemütlich, wo das Ding eben noch gelegen hatte. Es vergingen mehrere Minuten, die er in weiser Voraussicht mit Dösen ausfüllte. Später würde es sicher noch sehr hektisch werden, und dann wollte er nicht unausgeschlafen sein.
Er lauschte auf die Schritte, die sich im Treppenhaus näherten, und drehte den Kopf in Richtung Tür, noch bevor er den Schlüsselbund klimpern hörte. Alexandra kam herein, entdeckte ihn auf der Kommode und streichelte ihn im Vorbeigehen, während sie leise mit sich selbst redete. Sie ging von einem Zimmer zu nächsten, blieb in jedem Raum einen Moment lang stehen, um sich umzuschauen, und nahm sich dann das nächste Zimmer vor. Besonders lange brauchte sie in der Küche, machte bei all dem aber einen durchaus zufriedenen Eindruck. Schließlich kam sie zu Kater Brown, kraulte ihn hinter den Ohren und unter dem Kinn, was er mit einem behaglichen Schnurren beantwortete, und strich über das Büschel weiße Haare vorn an seinem Hals, welches das ansonsten schwarze Tier so wirken ließ, als wäre es wie ein Pastor gekleidet. Sie drückte einmal kurz den Mund auf seinen Kopf und flüsterte: »Pass gut auf dich auf, mein Kleiner.«
Dann ging sie zur Tür, verließ die Wohnung und schloss ab. Kaum hörte Kater Brown, wie ihre Schritte auf der Treppe leiser wurden, sprang er von der Kommode und lief zur Tür. Er wartete aber nicht wie sonst üblich auf der Seite, auf der die Tür aufging, sondern stellte sich ans andere Ende.
Augenblicke später hörte er erneut Alexandras Schritte, die näher kamen. Diesmal jedoch waren es hastige Schritte, und als sie wieder zur Tür eilte und aufschloss, konnte er hören, wie sie atemlos etwas vor sich hin murmelte.
Die Tür ging auf, Alexandra stürmte in die Wohnung und lief zielstrebig auf die Kommode zu, auf der eben noch der Kater gesessen hatte, um das Verschwinden des roten Büchleins zu kaschieren.
Jetzt war Eile angesagt, vor allem aber Umsicht, damit ihn niemand zu früh entdeckte. Während Alexandra sich hinkniete, um unter die Kommode zu sehen, huschte der Kater nach draußen ins Treppenhaus. Er sputete sich, um es bis zur Haustür zu schaffen, bevor Alexandra fündig werden und ebenfalls nach unten gehen würde. Er konnte die Geräusche von der Straße so laut hören, dass die Haustür offen stehen musste. Das war auch nötig, damit sein Plan gelingen konnte. Ebenso durfte Alexandra bei ihrer ungeplanten Rückkehr in die Wohnung nicht noch einmal nach ihm sehen, da sie sonst sein Verschwinden bemerken würde. Aber er war zuversichtlich, dass alles seinen Erwartungen entsprechend verlaufen würde.
Viele Stunden später an diesem Tag verließ Alexandra, in Dover angekommen, mit ihrem Kombi die Fähre und rollte auf englisches Hoheitsgebiet. Von den Zöllnern wurde sie durchgewunken, und so verließ sie ohne eine Kontrolle ihres vollgepackten Wagens das Hafengelände. Der Wagen gleich hinter ihr, in dem ein älteres Ehepaar saß, war dagegen von den Beamten rausgeholt worden. Alexandra verspürte Mitleid mit den beiden Schotten, mit denen sie sich auf der Überfahrt angenehm unterhalten hatte. Zumindest hoffte sie, dass die anderen beiden es auch so empfunden hatten, denn ganz so viel hatte sie gar nicht verstanden von dem, was die zwei in ihrem breiten schottischen Akzent von sich gegeben hatten. Schottisch war für Alexandra schon immer ein Buch mit sieben Siegeln gewesen. Ob es das gelegentlich eingeworfene »Och« oder das liebevolle »me lassie« war, mit dem der Mann von seiner Frau geredet hatte, alles klang irgendwie seltsam und meilenweit von dem Englisch entfernt, das Alexandra in der Schule gelernt hatte.
So angenehm wie das Gespräch mit den beiden war überhaupt die ganze Fahrt verlaufen. Als ihr aufgefallen war, dass sie ihren Reisepass allen guten Vorsätzen zum Trotz doch in ihrer Wohnung vergessen hatte, da war ihre Stimmung für kurze Zeit auf dem Nullpunkt angelangt gewesen. Wenn eine Reise schon so anfing, dann konnte ja kaum noch etwas Gutes dabei herauskommen. Zumindest war das ihre Befürchtung gewesen. Doch der Pass war lediglich hinter die Kommode gerutscht, und sie hatte ihn gleich wieder an sich nehmen können.
Aber es war ja noch alles gut verlaufen, was für den bislang bewältigten Teil der Reise ebenfalls galt. Auf der Autobahn Richtung Brüssel und dann weiter nach Calais hatte es keinen einzigen Stau gegeben, sodass sie wegen ihres eingeplanten Zeitpolster deutlich zu früh am Hafen angekommen war. So war sie zeitig genug dran gewesen, um den Wagen bis fast ans andere Ende der Fähre fahren zu können, was für die Ankunft in Dover von großem Nutzen gewesen war, da sie als eine der Ersten den Schiffsbauch hatte verlassen können.
Das einzig Ärgerliche war gewesen, dass es den überall auf dem Parkplatz lauernden Möwen irgendwie gelungen war, ihr ein Thunfischsandwich zu klauen, das sie auf den Beifahrersitz gelegt hatte, ehe sie ausgestiegen war, um sich nach den Stunden hinter dem Lenkrad zu strecken und zu dehnen.
Natürlich ärgerte sie sich nicht über die Tiere, die hatten schließlich auch nur Hunger. Viel mehr wurmte sie ihre eigene Unaufmerksamkeit, denn ein oder zwei von den großen Vögeln mussten so verwegen gewesen sein, hinter ihrem Rücken durch die offene Fahrertür in den Wagen zu springen und die beiden Sandwichhälften zu stibitzen. Und das, wo sie doch nur einen Moment lang die Aussicht aufs Meer hatte genießen wollen.
Dabei konnte sie noch von Glück reden, dass nicht irgendwelche üblen Subjekte ihre mangelnde Aufmerksamkeit ausgenutzt und ihre Handtasche oder etwas ähnlich Wertvolles geklaut hatten.