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Kid und Co Jack London - Christopher Bellew ist der Hauptcharakter in »Alaska-Kid« von Jack London. Bellew beitet als schlecht bezahlter Reporter bei einer Zeitung in San Francisco. Das Blatt ist defizitär und Bellew leidet unter der schlechten Arbeitsatmosphäre. Er sucht einen Ausweg zu einem besseren Leben. Bellew kündigt. Gemeinsam mit seinem Onkel John schließt er sich den Massen an, die im amerikanischen Goldrausch am Ende des 19. Jahrhunderts in Richtung Klondike ziehen. Die Reisebedingungen sind hart. In eisiger Kälte und mit mehreren hundert Kilo Gepäck beladen ziehen Christopher und John nach Norden, getrieben von der Hoffnung auf das schnelle Geld. »Alaska-Kid« von Jack London erschien erstmals 1912. Jack London verarbeitete in »Alaska-Kid« zahlreiche Erlebnisse, die er selbst als Goldgräber gesammelt hatte. Christopher Bellew trägt einige Charakterzüge des jungen Jack London.
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Seitenzahl: 252
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Längst ist aus Kid Bellew, dem Grünschnabel, ein erfahrener Jäger und Goldsucher, einer der kühnsten Männer des wilden Nordens geworden. Er und sein Freund Kurz durchstreifen die weißen Einöden von Alaska, und mit ihnen reist das Abenteuer. Sie gehen seltsamen Spuren im Schnee nach, die sie zu einem merkwürdigen Waldlager führen, über dessen Bewohnern ein Geheimnis zu liegen scheint… Sie steigen groß in das Geschäft mit Eiern ein, das sich allerdings sehr bald als Fehlspekulation erweist; doch Kid und Kurz nehmen Rache an denen, die sie hereingelegt und allgemeinem Spott ausgeliefert haben…
Von Frauen scheinen beide keine allzu hohe Meinung zu haben. Aber das soll sich - zumindest was Kid betrifft - eines Tages ändern: Anläßlich eines unfreiwilligen Aufenthalts in einem Indianerlager lernt er die Tochter des weißen Häuptlings kennen. Sie animiert ihn zur Flucht. Während er mit ihr in unwegsamem Gelände umherirrt, schreckliche Entbehrungen erdulden muß und dabei stets die aufopfernde Liebe dieses Mädchens spürt, kreisen Kids Gedanken immer häufiger um eine Person, die bereits in dem Roman Alaska-Kid eine Rolle spielte: Joy Gastell…
Jack London (eig. John Griffith, später J. G. London nach seinem Stiefvater) wurde am 12.01.1876 in San Franzisko geboren und wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Er schlägt sich als Fabrikarbeiter, Austernpirat, Landstreicher und Seemann durch, holt das Abitur nach, beginnt zu studieren, geht dann als Goldsucher nach Alaska, lebt monatelang im Elendsviertel von London, gerät als Korrespondent im russisch-japanischen Krieg in Gefangenschaft und bereist die ganze Welt. Am 22.11.1916 setzt der berühmte Schriftsteller auf seiner Farm in Kalifornien seinem zuletzt von Alkohol, Erfolg und Extravaganz geprägten Leben ein Ende.
»Brrr!« brüllte Kid den Hunden zu und warf sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Lenkstange, um den Schlitten zum Stehen zu bringen. Kid, genannt Alaska-Kid, der ehemalige Journalist, der in Alaska zum Manne herangereift war, zu einem der kühnsten Männer des wilden Nordens.
»Was willst du denn?« klagte Kurz, sein ständiger Gefährte. »Hier ist doch kein Wasser unter dem Schnee.«
»Nein, aber sieh dir mal die Fährte an, die hier nach rechts abschwenkt«, antwortete Kid. »Ich hätte nicht geglaubt, daß jemand hier in der Gegend überwinterte.«
Im selben Augenblick, als sie anhielten, legten sich die Hunde in den Schnee und begannen die kleinen Eisstücke, die zwischen ihren Zehen saßen, abzuknabbern. Noch vor fünf Minuten war dieses Eis Wasser gewesen. Die Tiere waren durch eine dünne, von Schnee bedeckte Eisschicht eingebrochen, und unter dem Eis verbarg sich die Quelle, die am Hang entsprang und auf der drei Fuß dicken Winterkruste des Nordbeskaflusses kleine Pfützen bildete.
»Das ist das erstemal, daß ich von Menschen hier in Nordbeska höre«, sagte Kurz und starrte die fast gänzlich verwischte Fährte an, die, von zwei Fuß tiefem Schnee verdeckt, das Flußbett in einem rechten Winkel verließ und nach der Mündung eines Baches führte, der von links geflossen kam.
»Vielleicht sind es Jäger gewesen«, meinte er. »Jäger, die längst wieder abgezogen sind.«
Kid fegte den lockeren Neuschnee mit den in Fäustlingen steckenden Händen beiseite, blieb einen Augenblick stehen, um sich die Fährte anzusehen, fegte wieder, sah abermals nach.
»Nein«, entschied er dann. »Die Spuren laufen nach beiden Richtungen, aber die jüngere geht den Bach hinauf. Wer es auch sein mag, er muß jedenfalls noch da sein. Es ist mehrere Wochen her, daß jemand hier ging. Aber was hält ihn noch dort? Das möchte ich wissen.«
»Und was ich wissen möchte, ist, wo wir heute nacht lagern werden«, sagte Kurz und betrachtete den Horizont im Südwesten mit mißtrauischen Blicken. Die Dunkelheit der kommenden Nacht begann bereits das Zwielicht des Nachmittags zu verdrängen.
»Wir können ja der Fährte den Bach hinauf folgen«, schlug Kid vor. »Wir haben trockenes Holz genug hier. Wir können lagern, wann es uns beliebt.«
»Ja, natürlich können wir lagern, wann es uns beliebt. Aber wenn wir nicht hungern wollen, müssen wir marschieren, und es handelt sich auch darum, die rechte Richtung einzuschlagen.«
»Bachaufwärts werden wir schon etwas finden«, erklärte Kid.
»Aber schau dir doch den Proviant an! Schau dir die Hunde an!« rief Kurz. »Schau… na, meinetwegen los… du sollst deinen Willen haben.«
»Es wird die Reise nicht um einen Tag verlängern«, meinte Kid, »wahrscheinlich nicht einmal um eine Meile.«
»Es ist vorgekommen, daß Männer um weniger als eine Meile verreckt sind«, antwortete Kurz und schüttelte mit finsterer Miene den Kopf. »Aber nur los jetzt! Auf, ihr armen wundfüßigen Viecher. Auf jetzt… Los, Bright… Hüh!«
Der Leithund gehorchte, und das ganze Gespann schleppte sich müde weiter durch den lockeren Schnee.
»Brrr… halt!« schrie Kurz. »Hier müssen wir uns die Fährte selbst stampfen.«
Kid holte seine Schneeschuhe unter der Schlittenpersenning hervor, band sie an seine in Mokassins steckenden Füße und ging voraus, um die lockere Oberfläche für die Hunde festzutreten.
Es war eine mühselige Arbeit. Hunde und Männer hatten seit Tagen nur kleine Rationen erhalten, und die Kraft, die sie noch in Reserve hatten, war sehr begrenzt und armselig. Sie folgten dem Bachbett, welches aber so steil abfiel, daß der jähe, unzugängliche Hang ihnen viel Mühe machte. Die hohen Felswände zu beiden Seiten verengten sich schnell immer mehr zu einer Schlucht, in der es, da die hohen Berge die lang anhaltende Dämmerung nicht hereinließen, fast ganz dunkel war.
»Das ist ja die reine Falle«, sagte Kurz. »Verdammt eklig ist es überhaupt hier. Es ist ein Loch im Boden. Hier wird das Pech nur so herausquellen.«
Kid antwortete nicht. Und die nächste halbe Stunde zogen sie wortlos weiter. Dann brach Kurz wieder das Schweigen.
»Das Unheil marschiert schon«, murrte er. »Es ist schon an der Arbeit… und ich will es dir erzählen, wenn du es hören magst.«
»Nur los«, sagte Kid.
»Gut, meine Ahnung sagt mir ganz offen und einfach, daß wir nie und nimmer aus diesem verdammten Dreckloch herauskommen, jedenfalls erst nach vielen, vielen Tagen. Wir werden verflucht viel Pech haben und sehr lange Zeit und noch einige Tage dazu hierbleiben müssen…«
»Sagt deine Ahnung nichts von Proviant?« fragte Kid unfreundlich. »Denn wir haben ja nicht Proviant für Tage und Tage und noch einige Zeit dazu.«
»Nee… kein Wort von Proviant. Ich glaube ja noch, daß wir die Sache deichseln werden, aber ich will dir was sagen, Kid, offen und ehrlich, ich esse jeden Hund hier im Gespann, aber Bright nicht. Bei Bright mache ich halt.«
»Hör jetzt auf«, schalt Kid. »Meine Ahnung ist auch an der Arbeit, und zwar ganz gewaltig. Sie sagt mir, daß es kein Essen aus Hundefleisch geben wird und daß wir uns fett und dick fressen werden, mag es nun an Elch- oder Rentierfleisch oder Kaviar sein.«
Kurz gab seinen Widerwillen nur durch ein verächtliches Grunzen kund, und wieder verging eine Viertelstunde in tiefem Schweigen.
»Jetzt beginnt dein Unheil schon«, sagte Kid und machte halt.
Dann starrte er auf einen Gegenstand, der neben der alten Fährte lag.
Kurz verließ die Lenkstange und trat zu ihm. Gemeinsam starrten sie auf den Körper eines Mannes, der im Schnee lag.
»Er ist gut genährt«, sagte Kid.
»Sieh dir mal seine Lippen an«, sagte Kurz.
»Steif wie ein Besenstiel«, erklärte Kid, als er den einen Arm der Leiche hob. So steif war der Arm, daß der ganze Körper der Bewegung folgte.
»Wenn du ihn aufhebst und wieder fallen läßt, zerbricht er in Stücke«, sagte Kurz.
Der Mann lag auf der Seite und war völlig gefroren. Aus dem Umstand, daß er nicht mit Schnee bedeckt war, schlossen sie, daß er erst kurze Zeit hier lag.
»Vor drei Tagen hat es ja mächtig geschneit«, erinnerte sich Kurz.
Kid nickte, dann beugte er sich über die Leiche, drehte sie halb um, so daß sie das Gesicht sahen, und zeigte auf eine Schußwunde in der Schläfe. Er untersuchte den Boden zu beiden Seiten und zeigte nickend auf einen Revolver, der im Schnee lag.
Einige hundert Meter weiter fanden sie eine zweite Leiche, die mit dem Gesicht nach unten im Schnee lag.
»Zweierlei ist klar«, sagte Kid. »Sie sind gut genährt. Es handelt sich also nicht um Hungersnot. Aber sie haben auch nicht viel Gold gefunden, sonst hätten sie nicht Selbstmord begangen.«
»Wenn sie das getan haben«, wandte Kurz ein.
»Das haben sie ganz sicher. Es sind ja keine Spuren außer ihren eigenen vorhanden, und sie sind beide vom Pulver verbrannt.«
Kid zog die Leiche beiseite und grub mit der Spitze seines Mokassins einen Revolver aus dem Schnee, wo er unter der Leiche gelegen hatte. »Damit hat er es getan. Ich sagte dir ja, daß wir etwas finden würden.«
»Es sieht sogar aus, als ob wir kaum erst beim Anfang wären. Aber warum haben die beiden dicken Kerle sich wohl erschossen?«
»Wenn wir das erst entdecken, dann wissen wir auch, wie es mit dem Unheil zusammenhängt, das du uns prophezeit hast«, antwortete Kid. »Komm. Wir müssen weiter… es ist schon verflucht dunkel.«
Es war wirklich schon sehr dunkel, als Kid mit seinen Schneeschuhen über eine dritte Leiche stolperte. Dann fiel er quer über einen Schlitten, neben dem eine vierte lag. Und als er den Schnee, den er im Fallen in den Kragen bekommen, entfernt und ein Streichholz angezündet hatte, sahen er und Kurz noch eine Leiche, die, in Decken gehüllt, neben einem halbfertigen Grab lag. Ehe das Streichholz erlosch, hatten sie noch ein halbes Dutzend Gräber daneben entdeckt.
»Pfui Teufel«, erklärte Kurz schaudernd. »Ein Selbstmörderlager. Alle dick und gut genährt. Ich vermute, daß die ganze Gesellschaft tot ist.«
»Nein… sieh dort!« Kid starrte auf einen schwachen Lichtschimmer in der Ferne. »Und dort ist noch ein Licht… und dort ein drittes… Komm… schnell!«
Sie fanden keine weiteren Leichen, und wenige Minuten später hatten sie auf einem festgetretenen Weg das Lager erreicht.
»Das ist ja eine Stadt!« flüsterte Kurz. »Es müssen mindestens zwanzig Hütten sein. Und nicht ein einziger Hund. Ist das nicht seltsam?«
»Und damit ist auch die ganze Geschichte geklärt. Es ist die Expedition Laura Sibleys«, flüsterte Kid sehr erregt zurück. »Erinnerst du dich noch? Die Leute kamen letzten Herbst mit der Port Townsend Nummer sechs den Yukon herauf. Sie fuhren an Dawson vorbei, ohne anzuhalten. Der Dampfer muß sie an der Mündung des Baches an Land gesetzt haben.«
»Ich weiß schon… es waren Mormonen.«
»Nein, Vegetarier«, sagte Kid und grinste in der Dunkelheit.
»Sie wollten kein Fleisch essen und die Hunde nicht arbeiten lassen.«
»Ist ja alles Jacke wie Hose… der Allweise hatte ihnen selbst den Weg zum Gold gezeigt. Und Laura Sibley wollte sie spornstreichs dorthin führen, wo sie alle Millionäre werden sollten.«
»Ja, sie war ihre Seherin… hatte Visionen und ähnliches. Ich dachte, sie wären den Nordenskjöld hinaufgezogen.«
»Pst… hör mal…«
Kurz tippte Kid warnend gegen die Brust, und beide lauschten auf ein tiefes, langgezogenes Stöhnen, das aus einer der Hütten kam. Bevor es verstummte, kam ein neues aus einer anderen Hütte und dann wieder aus einer anderen… es war wie das furchtbare Stöhnen einer leidenden Menschheit… es wirkte unheimlich wie ein Alpdruck.
»Pfui Deibel!« Kurz erschauerte. »Mir wird ganz übel davon. Wir wollen hingehen und sehen, was los ist.«
Kid klopfte an die Tür einer Hütte, in der Licht brannte. Und als von drinnen »Herein!« gerufen wurde - offenbar von der Stimme, die vorher gestöhnt hatte -, traten beide ein.
Es war eine ganz einfache Hütte aus rohen Balken, die Wände mit Moos gedichtet, der lehmige Boden mit Hobelspänen und Sägemehl bestreut. Das Licht rührte von einer Öllampe her, und in seinem Schein konnten sie fünf Betten sehen. In dreien davon lagen Männer, die sofort zu stöhnen aufhörten, um die Neuankömmlinge anzustarren.
»Was ist los?« fragte Kid einen Mann, dessen breite Schultern und mächtige Muskeln die Bettdecke nicht zu verbergen vermochte. Seine Augen waren jedoch von Schmerz verdunkelt und seine Wangen ausgehöhlt. »Pocken? Oder was sonst?«
Statt zu antworten zeigte der Mann auf seinen Mund und öffnete mit großer Mühe die schwarzen und geschwollenen Lippen. Kid erschauerte, als er ihn ansah. »Skorbut«, flüsterte er Kurz zu. Und der Mann nickte, um die Richtigkeit der Feststellung zu bestätigen.
»Lebensmittel genug?« fragte Kurz.
»Jawohl«, antwortete der Mann. »Aber ihr müßt euch selber helfen. Es ist massenhaft da. Die nächste Hütte auf der andern Seite steht leer. Das Depot liegt daneben. Geht nur hin.«
In allen Hütten, die sie in dieser Nacht besuchten, fanden sie dasselbe Bild. Das ganze Lager war vom Skorbut ergriffen. Es waren auch ein Dutzend Frauen da, aber die bekamen sie nicht gleich zu sehen. Ursprünglich waren es im ganzen dreiundneunzig Männer und Frauen gewesen, aber zehn waren gestorben und zwei kürzlich verschwunden. Kid erzählte, wie sie die beiden gefunden hatten, und drückte sein Erstaunen darüber aus, daß es keinem eingefallen war, die Fährte eine so kurze Strecke zu verfolgen und selbst Untersuchungen anzustellen. Was aber ihm und Kurz besonders auffiel, war die völlige Hilflosigkeit dieser Leute. Ihre Hütten waren unordentlich und unsauber. Die Teller standen ungewaschen auf den roh gezimmerten Tischen. Sie halfen sich auch nicht gegenseitig. Die Sorgen einer Hütte waren nur ihre Sorgen allein, ja, die Leute hatten sogar schon aufgehört, ihre Toten zu begraben.
»Es ist wirklich ganz unheimlich«, sagte Kid zu Kurz. »Ich habe viele Gauner und Taugenichtse in meinem Leben getroffen, aber noch nie so viele auf einmal. Du hörst ja selbst, was sie sagen. Sie haben die ganze Zeit keine Hand zur Arbeit gerührt. Ich wette, sie haben sich nicht einmal die Gesichter gewaschen. Kein Wunder, daß sie Skorbut bekommen haben.«
»Aber Vegetarianer sollten doch eigentlich gar nicht Skorbut bekommen können«, wandte Kurz ein. »Man glaubt ja immer, daß nur Leute, die Salzfleisch essen, Skorbut bekommen. Und die Leute hier essen ja gar kein Fleisch, weder frisches noch gepökeltes, weder rohes noch gekochtes oder sonst irgendwie zubereitetes.«
Kid schüttelte den Kopf. »Ich weiß schon. Und mit vegetarischer Kost heilt man Skorbut, was keine Medizin vermag. Pflanzen, namentlich Kartoffeln, sind die einzigen Gegenmittel. Aber vergiß eines nicht, Kurz: Wir haben es hier nicht mit einer Theorie, sondern mit der Wirklichkeit zu tun. Es ist eine Tatsache, daß diese Grasfresser alle Skorbut bekommen haben.«
»Es ist vielleicht ansteckend.«
»Nein, soviel wissen die Ärzte jedenfalls. Skorbut ist keine ansteckende Krankheit. Man wird nicht angesteckt. Er entsteht im Organismus selbst. Soviel ich weiß, ist die Ursache das Fehlen irgendeines Stoffes im Blut. Es kommt nicht davon, daß sie etwas gekriegt haben, sondern daß ihnen etwas fehlt. Ein Mensch bekommt Skorbut, wenn ihm gewisse Chemikalien in seinem Blut fehlen, und diese Chemikalien zieht man nicht aus Pulvern und Flaschen, sondern nur aus Pflanzen.«
»Und diese Leute haben nichts als Gras gefressen«, stöhnte Kurz. »Und sie sind bis über die Ohren damit vollgestopft. Das beweist, daß du auf einem falschen Gleis bist, Kid. Du hast wieder mal so eine Theorie, aber die Tatsachen schlagen deiner Theorie den Boden aus. Skorbut steckt an, und deshalb sind sie alle angegriffen, und das sogar ganz niederträchtig! Und wir beide werden auch krank werden, wenn wir in dieser Gegend bleiben. Pfui Deibel, ich kann schon merken, wie der Dreck mir durch den ganzen Körper dringt.«
Kid lachte spöttisch und klopfte an die Tür einer Hütte.
»Ich denke, daß wir hier ganz dieselbe Lage vorfinden werden«, sagte er. »Komm, wir müssen sehen, wie die Geschichte zusammenhängt.«
»Was wünschen Sie?« rief eine scharfe Frauenstimme.
»Wir möchten sehen, wie es mit Ihnen steht«, antwortete Kid.
»Wer sind Sie?«
»Zwei Ärzte aus Dawson«, rief Kid ohne zu überlegen. Sein Leichtsinn bewog Kurz, ihm mit dem Ellbogen einen Rippenstoß zu geben.
»Ich will keinen Arzt sehen«, sagte die Frau. Ihre Stimme klang abgerissen und heiser vor Schmerz und Ärger. »Gehen Sie! Gute Nacht. Wir glauben nicht an Doktoren.«
Kid drückte die Türklinke nieder und öffnete die Tür.
Drinnen drehte er die kleingeschraubte Öllampe hoch, so daß sie sehen konnten. Die vier Frauen in den vier Betten hörten mit Stöhnen und Seufzen auf, um die Eindringlinge anzustarren. Zwei von ihnen waren junge Geschöpfe mit ausgemergelten Gesichtern, die dritte war eine ältere, sehr kräftige Frau, und die vierte, die Kid an der Stimme wiedererkannte, war das magerste und gebrechlichste Exemplar der menschlichen Rasse, das er je gesehen. Er erfuhr bald, daß es Laura Sibley selbst war… die Seherin und berufsmäßige Wahrsagerin, die die Expedition in Los Angeles auf die Beine gebracht und nach dem Todeslager in Nordbeska geführt hatte. Die Unterredung, die jetzt stattfand, war recht ungemütlich. Laura Sibley glaubte nicht an Ärzte. Zu ihrer Entschuldigung muß gesagt werden, daß sie auch schon fast aufgehört hatte, an sich selbst zu glauben.
»Warum haben Sie nicht nach Hilfe geschickt?« fragte Kid, als sie erschöpft und atemlos einen Augenblick schwieg. »Unten am Stewart ist doch ein Lager, und Dawson selbst können Sie im Laufe von achtzehn Tagen erreichen.«
»Warum ist Arnos Wentworth denn nicht hingegangen?« fragte sie in einem an Hysterie grenzenden Wutanfall.
»Ich habe nicht die Ehre, den Herrn zu kennen«, gab Kid zur Antwort. »Was macht er denn?«
»Nichts, gar nichts… aber er ist der einzige, der keinen Skorbut hat. Und warum hat er ihn nicht bekommen? Das will ich Ihnen erzählen… nein… ich will es lieber nicht…« Die dünnen Lippen, die so ausgezehrt waren, daß sie fast durchsichtig erschienen, preßten sich so fest zusammen, daß Kid sich einbildete, die Zähne nebst ihren Wurzeln sehen zu können. »Und was hätte es auch genützt? Was weiß ich? Ich bin nicht so blöd! Unsere Depots sind voll von Fruchtsäften und eingekochten Gemüsen. Wir sind besser gegen Skorbut geschützt als alle anderen Lager in ganz Alaska. Es gibt keine Sorte von Gemüsen, Obst und Nüssen, die wir nicht in Mengen hätten… und wie!«
»Da hat sie dir eins ausgewischt, Kid«, rief Kurz eifrig. »Hier geht es aber um eine Tatsache und nicht um Theorien. Du sagst, Gemüse heilt! Hier ist Gemüse genug… aber wo bleibt die Heilung?«
»Es gibt anscheinend keine Erklärung, das räume ich ja ein«, gestand Kid. »Aber dennoch gibt es kein Lager in ganz Alaska wie dieses. Ich habe früher schon Skorbut gesehen… vereinzelte Fälle hie und da. Aber ich habe nie ein ganzes Lager angegriffen gesehen und auch nie so furchtbare Fälle wie hier. Damit kommen wir jedoch nicht weiter, Kurz! Wir müssen jedenfalls für die Leute tun, was wir können, aber zuerst wollen wir uns selber einrichten und für unsere Hunde sorgen. Wir werden Sie morgen wieder besuchen… Frau Sibley.«
»Fräulein Sibley«, fauchte sie. »Und nun hören Sie, junger Mann, was ich Ihnen sage! Wenn Sie hier herumlungern, den Idioten spielen und uns so eine Doktormixtur geben wollen, dann werde ich Sie mit Kugeln durchlöchern, daß Sie wie ein Sieb aussehen.«
»Sie ist wirklich reizend, die göttliche Seherin«, lachte Kid, als er und Kurz durch die Dunkelheit nach der leeren Hütte tappten, die sie zuerst betreten hatten. Sie konnten hier feststellen, daß sie bis vor kurzem von zwei Männern bewohnt gewesen war. Vermutlich waren es die beiden Selbstmörder gewesen, deren Leichen sie gefunden hatten. Sie untersuchten das Depot und fanden, daß es mit ungeahnten Mengen von Lebensmitteln versehen war, die alle eingemacht, pulverisiert, gedämpft, kondensiert oder gedörrt waren.
»Wie in aller Teufel Namen haben die Leute sich den Skorbut geholt?« fragte Kurz und zeigte auf die kleinen Pakete mit pulverisierten Eiern und italienischen Champignons.
»Sieh dir das mal an… und das!« Er zog Büchsen mit Tomaten und Mais und Gläser mit gefüllten Oliven hervor.
»Und dabei hat selbst die göttliche Lenkerin Skorbut bekommen. Was sagst du dazu?«
»Lenkerin… wie kommst du darauf?« fragte Kid.
»Na, ganz einfach«, antwortete Kurz. »Hat sie nicht ihre Schafe nach diesem verdammten Loch gelenkt?«
Am nächsten Morgen, als es hell geworden war, sah Kid einen Mann, der ein mächtiges Bündel Brennholz trug. Es war ein kleiner Kerl, aber er war sauber gekleidet und sah recht keck aus. Trotz der schweren Bürde bewegte er sich rasch und leicht. Kid fühlte unwillkürlich einen gewissen Unwillen gegen ihn.
»Was ist mit Ihnen los?« fragte er.
»Gar nichts«, antwortete der Kleine.
»Das dachte ich mir schon«, erklärte Kid. »Eben deshalb habe ich gefragt. Dann sind Sie also Arnos Wentworth. Aber sagen Sie mir, warum in aller Welt haben Sie keinen Skorbut gekriegt, wie alle andern?«
»Weil ich mir tüchtig Bewegung gemacht habe«, lautete die rasche Antwort. »Die andern hätten ihn auch nicht zu kriegen brauchen, wenn sie sich nur ein bißchen Bewegung gemacht und gearbeitet hätten. Warum haben sie das nicht getan? Sie haben nur gemurrt, gemeckert und geschimpft, weil es kalt und die Nächte zu lang und das Leben zu schwer war, haben über ihre Schmerzen und Leiden und über alles mögliche geklagt. Sie haben tagsüber in ihren Betten gepennt, bis sie so aufgedunsen waren, daß sie sie überhaupt nicht mehr verlassen konnten. Das ist die ganze Geschichte. Sehen Sie mich an! Ich habe geschuftet. Kommen Sie nur mit in meine Hütte.«
Kid folgte ihm.
»Schauen Sie sich nur ruhig um! Alles blitzblank, nicht? Was sagen Sie nun? Alles piekfein und sauber! Ich würde auch die Späne und das Sägemehl nicht auf dem Boden liegen lassen, wenn es nicht warmhielte… aber es sind saubere Späne und sauberes Sägemehl, kann ich Ihnen sagen. Schauen Sie sich mal den Fußboden in den andern Hütten an, Verehrtester! Sauställe, sag ich Ihnen. Ich pflege auch nicht von ungewaschenen Tellern zu futtern. Nee, besten Dank, Verehrtester. Aber es heißt arbeiten, und gearbeitet hab' ich wie ein Vieh, und deshalb hab' ich auch keinen Skorbut gekriegt! Darauf können Sie sich verlassen, Verehrtester!«
»Da haben Sie offenbar den Nagel auf den Kopf getroffen«, gab Kid zu. »Aber ich sehe, daß Sie hier nur ein Bett haben… Warum sind Sie so ungesellig?«
»Weil es mir lieber so ist! Es ist leichter, nach einem sauberzumachen als nach zweien. Die stinkfaulen Pennbrüder! Kein Wunder, daß sie Skorbut gekriegt haben.«
Das klang ja alles sehr überzeugend, aber Kid konnte sich dennoch nicht von einem Gefühl des Unbehagens dem Mann gegenüber befreien.
»Was hat Laura Sibley eigentlich gegen Sie?« fragte er plötzlich.
Arnos Wentworth warf ihm einen raschen Blick zu.
»Die ist ja verrückt«, antwortete er. »Im übrigen sind ja alle verrückt… aber der Himmel bewahre mich vor Leuten, deren Verrücktheit darin besteht, daß sie die Teller, von denen sie gefressen haben, nicht abwaschen wollen, und von der Sorte sind all die Trottel hier.«
Wenige Minuten später sprach Kid mit Laura Sibley. Auf zwei Stöcke gestützt, humpelte sie im Lager herum und war vor Wentworth' Hütte stehengeblieben.
»Was haben Sie eigentlich gegen Wentworth?« fragte er ganz unvermittelt, als er sich mit ihr unterhielt. Die Frage kam so unerwartet, daß sie nicht darauf vorbereitet sein konnte.
Ihre grünen Augen blitzten erbost auf, ihr ausgemergeltes Gesicht verzerrte sich vor Wut, und ihre wunden Lippen konnten nur mit Mühe einen unbeherrschten, unbesonnenen Ausbruch zurückhalten. Aber sie gab nur ein hörbares Stöhnen und einige unverständliche Laute von sich. Dann gelang es ihr, sich durch eine furchtbare Willensanspannung zu beherrschen.
»Weil er gesund geblieben ist«, ächzte sie. »Nur weil er keinen Skorbut gekriegt hat! Weil er keinem von uns die geringste Hilfe leisten will! Weil er uns verrecken läßt, ohne einen Finger zu rühren, um uns Wasser oder Brennholz zu bringen! So ein Biest ist er. Das ist alles. Aber er soll sich in acht nehmen.«
Stöhnend und ächzend humpelte sie weiter. Als Kid aber fünf Minuten später aus seiner Hütte trat, um die Hunde zu füttern, sah er, wie sie sich in die Hütte von Arnos Wentworth schlich.
»Hier stimmt etwas nicht, Kurz, das ist todsicher«, sagte er und schüttelte düster den Kopf, als sein Kamerad zur Tür herauskam, um einen Eimer mit Abwaschwasser auszugießen.
»Zweifle gar nicht daran«, antwortete Kurz gut gelaunt. »Und wir beide werden den Dreck auch noch kriegen - du wirst schon sehen.«
»Ich meine gar nicht den Skorbut.«
»Ach so, du meinst die göttliche Lenkerin. Die würde selbst einen Toten ausziehen, wenn sie was davon hätte! Sie ist das gierigste Frauenzimmer, das ich je gesehen habe.«
»Es ist nur die Bewegung, Kurz, die uns beide gesund hält. Und dadurch ist auch Wentworth gesund geblieben. Du siehst ja, wie es den anderen ergangen ist, weil sie nicht für Bewegung gesorgt haben. Jetzt müssen wir also den Patienten hier Bewegung verordnen. Ich ernenne dich hiermit zur Oberschwester.«
»Was sagst du? Ausgerechnet mich?« rief Kurz entgeistert. »Ich lege das Amt nieder.«
»Nein, das tust du nicht. Ich werde dir schon behilflich sein, denn es wird ja wahrscheinlich keine Sinekure werden. Wir wollen sie schon springen lassen. Zuallererst müssen sie ihre Toten begraben. Die Kräftigsten stecken wir in die Begräbnisschicht. Die Zweitstärksten kommen in die Holzfällerschicht… Sie sind in ihren Betten geblieben, um Brennholz zu sparen… und so geht's weiter. Dann kommt der Fichtentee. Den darfst du um Gottes willen nicht vergessen. Die Leute hier haben nie davon gehört.«
»Da werden wir ja genug zu tun haben«, grinste Kurz. »Aber ich glaube, daß wir selbst doch vorher ein paar Kugeln in den Bauch kriegen werden.«
»Du könntest recht haben… zuerst wollen wir uns also damit beschäftigen«, sagte Kid. »Nur los.«
Im Laufe der nächsten Stunde machten sie die Runde durch sämtliche zwanzig Häuser. Die gesamte Munition, alle Stutzen, Schrotbüchsen und Revolver wurden beschlagnahmt.
»Hört mal, ihr Invaliden«, rief Kurz den Kranken zu, »her mit den Schießprügeln! Wir brauchen sie.«
»Wer sagt denn das?« wurde gleich in der ersten Hütte gefragt.
»Zwei Ärzte aus Dawson«, gab Kurz zur Antwort. »Und was die sagen, wird getan. Nur her damit! Her mit eurer Munition!«
»Was wollt ihr denn damit?«
»Einen kleinen Feldzug gegen Büchsenfleisch unternehmen, das den Canyon heraufmarschiert… Und ich rate euch, gut aufzupassen, denn es steht eine Überschwemmung von Fichtentee bevor. Also los.« Und das war der Anfang des ersten Tages. Mit Hilfe von Überredungskunst und Kommandieren, und hin und wieder auch mit Gewalt, gelang es ihnen, die Männer aus den Betten zu jagen und sie so weit zu bringen, daß sie sich anzogen. Kid suchte sich die leichtesten Fälle für die Beerdigungsschicht heraus. Eine zweite Schicht erhielt den Befehl, Holzscheite herbeizuschaffen, mit denen die Gräber durch den Schnee bis zur gefrorenen Erde gebrannt wurden. Eine dritte Schicht mußte Brennholz schlagen und es unparteiisch in den Hütten verteilen. Wer zu schwach war, um ins Freie zu gehen, mußte die Hütten säubern, Fußböden schrubben und Kleider waschen.
Eine besondere Schicht mußte Fichtenzweige in Mengen sammeln; sämtliche Öfen wurden geheizt, damit man genügend Fichtentee zubereiten konnte.
Aber was Kurz und Kid auch taten, die Lage blieb doch äußerst ernst und unbehaglich. Mindestens dreißig schlimme und offenbar unheilbare Kranke mußten sie in den Betten liegen lassen, nachdem sie mit Grauen und Ekel ihren Zustand geprüft hatten. In Laura Sibleys Hütte starb eine der Frauen.
Aber strenge Maßnahmen waren ja unter den gegebenen Verhältnissen unvermeidlich.
»Es geht mir gegen den Strich, kranke Leute zu verhauen«, erklärte Kurz und ballte drohend die Fäuste. »Aber ich würde ihnen den Kopf abschlagen, wenn ich sie dadurch heilen könnte. Und was euch Taugenichtsen nottut, sind Dresche! Also los! Heraus aus den Decken und etwas willig, oder ich mache eure schönen Gesichter zu Apfelmus.«
Alle Arbeitsschichten stöhnten, seufzten und schluchzten.
Und die Tränen strömten ihnen aus den Augen und gefroren noch während der Arbeit auf den Wangen zu Eiszapfen.
Als die Arbeiter dann gegen Mittag in die Hütten zurückkehrten, fanden sie anständig zubereitetes Essen, das die schwächeren Leute inzwischen unter Kids und Kurz' Fuchtel und Anleitung gekocht hatten, auf den Tischen vor.
»Und jetzt genug für heute«, sagte Kid gegen drei Uhr nachmittags. »Jetzt ist Schluß! Geht zu Bett! Ihr fühlt euch natürlich sehr schlecht, aber morgen wird es schon besser gehen. Selbstverständlich ist es kein Spaß, wieder gesund zu werden, aber ich werde euch schon zurechtkriegen.«
»Zu spät«, erklärte Wentworth mit einem leisen Lächeln, als er Kids Bemühungen betrachtete. »Sie hätten schon letzten Herbst auf diese Weise anfangen müssen.«
»Kommen Sie mal mit«, antwortete Kid. »Nehmen Sie die beiden Eimer hier. Ihnen fehlt ja nichts.« Dann gingen die drei Männer von Hütte zu Hütte und flößten jedem einen ganzen Liter Fichtentee ein. So ganz leicht ging das freilich nicht.
»Ihr könnt sicher sein, daß wir nicht spaßen«, erklärte Kid dem ersten Widerspenstigen, der in seinem Bett auf dem Rücken liegenblieb und mit zusammengebissenen Zähnen ächzte. »Pack an, Kurz!« Kurz faßte den Patienten an der Nase und gab ihm mit der anderen Hand einen Stoß in das Zwerchfell, daß er den Mund öffnen mußte. »So, und jetzt hinunter damit.«
Und hinunter kam der Fichtentee, wenn der Patient auch die unvermeidlichen prustenden und röchelnden Laute von sich gab.
»Nächstes Mal wird es schon besser gehen«, tröstete Kurz das Opfer, während er den Mann im Nebenbett an der Nase packte.
»Ich für meinen Teil würde ja lieber Rizinus nehmen«, gestand Kurz vertraulich, bevor er die eigene Portion hinunterwürgte. »Lieber Gott!« war alles, was er laut sagen konnte, als er den bitteren Trank eingenommen hatte. »Klein wie ein Mäuschen, aber stark wie ein Elefant… das hat's in sich.«
»Wir werden diese Fichtenteerunde viermal täglich machen, und jedesmal müssen achtzig Personen betreut werden«, teilte Kid Laura Sibley mit. »Wir haben also keine Zeit, Allotria zu treiben… Wollen Sie den Tee schlucken oder soll ich Sie an der Nase fassen?« Er hob Daumen und Zeigefinger in sehr beredter Weise. »Er ist ja aus Fichtennadeln hergestellt, der Tee, so daß Sie sich keine Gewissensbisse zu machen brauchen.«
»Gewissensbisse!« prustete Kurz. »Bei Gott im Himmel, nein… es ist eine himmlische Medizin.«
Laura Sibley zögerte immer noch. Sie verschluckte jedoch, was sie sagen wollte.
»Na? Wird's?« fragte Kid barsch.
»Ich werde… werde es ja schon nehmen«, sagte sie zitternd.
»Aber machen Sie schnell.«
Als es Abend wurde, krochen Kid und Kurz ins Bett, müder, als sie selbst nach den längsten Schlittenfahrten und Wanderungen je gewesen.
»Es macht mich ganz krank«, gestand Kid. »Es ist furchtbar, wie sie dabei leiden. Aber Bewegung ist wirklich das einzige Mittel, das ich weiß, und wir müssen es natürlich gründlich versuchen. Ich möchte nur, wir hätten einen einzigen Sack Kartoffeln.«
»Sparkins kann nicht mehr Teller abwaschen«, sagte Kurz. »Er hat solche Schmerzen, daß er schwitzt. Ich mußte ihn wieder ins Bett bringen, so hilflos war der arme Kerl.«
»Wenn wir nur rohe Kartoffeln hätten«, spann Kid seinen Gedanken weiter. »Das Entscheidende, das Wesentliche fehlt in dem eingemachten Fraß. Das, was Leben schafft, ist einfach herausgekocht.«
»Und wenn der junge Bengel, der Jones aus der Hütte von Brownlow, nicht abkratzt, ehe es Morgen wird, kannst du mich einen Affen schimpfen.«
»Um Gottes willen, sei doch nicht solch Schwarzseher!« rügte Kid.