Kinder- und Hausmärchen - Jacob Grimm - E-Book

Kinder- und Hausmärchen E-Book

Grimm Jacob

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Beschreibung

Ausgabe in HD Achte, neu überarbeitete Auflage - Alle Märchen auf Hochdeutsch - Mit Index und 103 vollfarbigen Bildern. Dieses Buch beinhaltet alle vollendeten Märchen der Gebrüder Jakob und Wilhelm Grimm der veröffentlichten Originalausgaben 1 bis 6 von 1812 bis 1850. Neben den allseits bekannten und beliebten Klassikern wie Rapunzel, Schneewittchen, Aschenputtel, Hänsel und Gretel oder Das Rotkäppchen finden sich hier auch unbekanntere und teilweise zusätzlich auf Original-Mundart vorliegende Märchen wie Das Dietmarsische Lügenmärchen, Der Bärenhäuter oder Prinzessin Mäusehaut. Alle Märchen auf Original-Mundart liegen auch auf Hochdeutsch vor. Die in Kassel aufbewahrten Handexemplare der Brüder Grimm mit wertvollen handschriftlichen Einträgen wurden 2005 von der UNESCO zum Weltdokumentenerbe erklärt. Diese Märchen gehören zum größten Kulturschatz, den die deutsche Sprache aufzuweisen hat. Ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis von insgesamt 251 Märchen: Schneeweißchen und Rosenrot Das Waldhaus Der Vogel Greif Der Hase und der Igel Der Teufel und seine Großmutter Das singende, springende Löweneckerchen Aschenputtel Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen Der Bauer und der Teufel Brüderchen und Schwesterchen Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich Katz und Maus in Gesellschaft Tischchen-deck-dich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack Rotkäppchen Die zertanzten Schuhe Sechse kommen durch die ganze Welt Schneewittchen Das Totenhemdchen König Drosselbart Die drei Federn Die goldene Gans Hans im Glück ... und viele mehr Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 1622

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Jacob Ludwig Carl Grimm & Wilhelm Carl Grimm

Kinder- und Hausmärchen

Jacob Ludwig Carl Grimm & Wilhelm Carl Grimm

Kinder- und Hausmärchen

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]: Ludwig Bechstein, Carl Offterdinger, Arthur Rackham, Alexander ZickHerausgeber: Jürgen Schulze 10. Auflage, ISBN 978-3-954180-31-8

null-papier.de/neu

Inhaltsverzeichnis

Vor­wort zur sieb­ten di­gi­ta­len Auf­la­ge

Brü­der Grimm -- Le­ben und Werk

Kin­der- und Haus­mär­chen -- Be­deu­tung und Ent­ste­hung

Der Frosch­kö­nig oder der ei­ser­ne Hein­rich

Katz und Maus in Ge­sell­schaft

Ma­ri­en­kind

Mär­chen von ei­nem, der aus­zog, das Fürch­ten zu ler­nen

Der Wolf und die sie­ben jun­gen Geiß­lein

Der ge­treue Jo­han­nes

Von der Nach­ti­gall und der Blind­schlei­che

Der gute Han­del

Der wun­der­li­che Spiel­mann

Die Hand mit dem Mes­ser

Die zwölf Brü­der

Das Lum­pen­ge­sin­del

Brü­der­chen und Schwes­ter­chen

Ra­pun­zel

Die drei Männ­lein im Wal­de

Die drei Spin­ne­rin­nen

Hän­sel und Gre­tel

Die drei Schlan­gen­blät­ter

Herr Fix und Fer­tig

Die wei­ße Schlan­ge

Stroh­halm, Koh­le und Boh­ne

Von den Fi­scher und si­i­ne Fru (Nie­der­deutsch)

Von dem Fi­scher und sei­ner Frau

Das tap­fe­re Schnei­der­lein oder Sie­ben auf einen Streich

Aschen­put­tel

Das Rät­sel

Wie Kin­der Schlach­tens mit­ein­an­der ge­spielt ha­ben

I.

II.

Von dem Mäu­schen, Vö­gel­chen und der Brat­wurst

Frau Hol­le

Die sie­ben Ra­ben

Rot­käpp­chen

Die Bre­mer Stadt­mu­si­kan­ten

Der Tod und der Gän­sehirt

Der sin­gen­de Kno­chen

Der Teu­fel mit den drei gol­de­nen Haa­ren

Läu­schen und Flöh­chen

Das Mäd­chen ohne Hän­de

Der ge­schei­te Hans

Die drei Spra­chen

Der ge­stie­fel­te Ka­ter

Die klu­ge Else

Han­sens Tri­ne

Der Schnei­der im Him­mel

Tisch­chen-deck-dich, Gol­de­sel und Knüp­pel aus dem Sack

Dau­mes­dick

Von der Ser­vi­et­te, dem Tor­nis­ter, dem Ka­no­nen­hüt­lein und dem Horn

Die Hoch­zeit der Frau Füch­sin

Ers­tes Mär­chen

Zwei­tes Mär­chen

Die Wich­tel­män­ner

Ers­tes Mär­chen

Zwei­tes Mär­chen

Drit­tes Mär­chen

Der Räu­ber­bräu­ti­gam

Herr Kor­bes

Der Herr Ge­vat­ter

Frau Tru­de

Die wun­der­li­che Gas­te­rei

Der Ge­vat­ter Tod

Däum­lings Wan­der­schaft

Fit­chers Vo­gel

Van den Machan­del-Boom (Platt­deutsch)

Von dem Wa­chol­der­baum

Der alte Sul­tan

Die sechs Schwä­ne

Dorn­rös­chen

Fun­de­vo­gel

Kö­nig Dros­sel­bart

Schnee­witt­chen

**Der Ran­zen, das Hüt­lein und das Hörn­lein**

Hans Dumm

Rum­pel­stilz­chen

Der Liebs­te Ro­land

Vom gold­nen Vo­gel

Der Hund und der Sper­ling

Der Frie­der und das Ka­ther­lies­chen

Prinz Schwan

Die zwei Brü­der

Das Gold­ei

Das Bür­le

Von dem Schnei­der, der bald reich wur­de

Die Bie­nen­kö­ni­gin

Blau­bart

Die drei Fe­dern

Die gol­de­ne Gans

Die wei­ße Tau­be

Al­ler­lei­rauh

Hä­si­chen-Braut (Wen­disch)

Häs­chen­braut

Hur­le­bur­le­butz

Die zwölf Jä­ger

De Gau­deif un sien Mees­ter (Müns­te­risch)

Der Gau­dieb und sein Meis­ter

Von dem Som­mer- und Win­ter­gar­ten

Jo­rin­de und Jo­rin­gel

Die drei Glücks­kin­der

Der Oker­lo

Sech­se kom­men durch die gan­ze Welt

Prin­zes­sin Mäu­se­haut

Der Wolf und der Mensch

Das Birn­li will nit fal­len

Der Wolf und der Fuchs

Das Mord­schloss

Der Fuchs und die Frau Ge­vat­te­rin

Von Jo­han­nes-Was­ser­sprung und Cas­par-Was­ser­sprung

Der Fuchs und die Kat­ze

Vo­gel Phö­nix

Die Nel­ke

Die klu­ge Gre­tel

Vom Schrei­ner und Drechs­ler

Der alte Groß­va­ter und der En­kel

Die Was­ser­ni­xe

Von dem Tode des Hühn­chens

Bru­der Lus­tig

Der Schmied und der Teu­fel

De Spiel­hansl (Deutsch­böh­misch)

Der Spiel­hansl

Die drei Schwes­tern

Hans im Glück

Das arme Mäd­chen oder die Stern­ta­ler

Hans hei­ra­tet

Die Schwie­ger­mut­ter

Die Gold­kin­der

Der Fuchs und die Gän­se

Der Arme und der Rei­che

Das sin­gen­de, sprin­gen­de Lö­wen­ecker­chen

Die Gän­se­magd

Der jun­ge Rie­se

Dat Erd­män­ne­ken (Pa­der­börn)

Das Erd­männ­chen

Der Kö­nig vom gol­de­nen Berg

Die Rabe

Die klu­ge Bau­ern­toch­ter

Der alte Hil­de­brand (Ös­ter­rei­chisch)

Der alte Hil­de­brand

De drei Vü­gel­kens (Platt­deutsch)

Die drei Vö­gel­chen

Das Was­ser des Le­bens

Dok­tor All­wis­send

Der Geist im Glas

Der Frosch­prinz

Des Teu­fels ru­ßi­ger Bru­der

Der Bä­ren­häu­ter

Der Zaun­kö­nig und der Bär

Der süße Brei

Die klu­gen Leu­te

Die treu­en Tie­re

Mär­chen von der Unke

I.

II.

Der arme Mül­ler­bursch und das Kätz­chen

Die bei­den Wan­de­rer

Die Krä­hen

Hans mein Igel

Das To­ten­hemd­chen

Der Jude im Dorn

Der ge­lern­te Jä­ger

Der Dresch­fle­gel vom Him­mel

De bei­den Kü­ni­ge­s­kin­ner (Pa­der­börn)

Die bei­den Kö­nigs­kin­der

Vom klu­gen Schnei­der­lein

Die kla­re Son­ne bring­t’s an den Tag

Das blaue Licht

Das ei­gen­sin­ni­ge Kind

Die drei Feld­sche­rer

Die sie­ben Schwa­ben

Der Fau­le und der Flei­ßi­ge

Die drei Hand­werks­bur­schen

Der Kö­nigs­sohn, der sich vor nichts fürch­tet

Der Krau­t­esel

Die lan­ge Nase

Die Alte im Wald

Die drei Brü­der

Der Teu­fel und sei­ne Groß­mut­ter

Fe­renand ge­trü un Fe­renand un­ge­trü (Platt­deutsch)

Fer­di­nand ge­treu und Fer­di­nand un­ge­treu

Der Ei­se­nofen

Die fau­le Spin­ne­rin

Die vier kunst­rei­chen Brü­der

Der Löwe und der Frosch

Ein­äug­lein, Zwei­äug­lein und Drei­äug­lein

Der Sol­dat und der Schrei­ner

Die schö­ne Ka­tri­nel­je und Pif Paf Pol­trie

Der Fuchs und das Pferd

Die zer­tanz­ten Schu­he

Die sechs Die­ner

Die wei­ße und die schwar­ze Braut

Der Ei­sen­hans

De wil­de Mann (Platt­deutsch)

Der Wil­de Mann

De drei schwat­ten Prin­ces­sin­nen (Müns­ter­län­disch)

Die drei schwar­zen Prin­zes­sin­nen

Kno­ist un sine dre Süh­ne (Sau­er­län­disch)

Kno­ist und sei­ne drei Söh­ne

Dat Mä­ken von Bra­kel (Pa­der­börn)

Das Mäd­chen von Bra­kel

Das Haus­ge­sin­de (Pa­der­börn)

Das Haus­ge­sin­de

Das Lämm­chen und Fisch­chen

Si­me­li­berg

Up Rei­sen gohn (Pa­der­börn)

Auf Rei­sen ge­hen

Die Kin­der in Hun­gers­not

Das Ese­lein

Der un­dank­ba­re Sohn

Die Rübe

Das jung­ge­glüh­te Männ­lein

Des Herrn und des Teu­fels Ge­tier

Der Hah­nen­bal­ken

Die alte Bet­tel­frau

Die drei Fau­len

Die zwölf fau­len Knech­te

Das Hir­ten­büb­lein

Die hei­li­ge Frau Kum­mer­nis

Der ge­stoh­le­ne Hel­ler

Die Braut­schau

Rät­sel­mär­chen

Die Schlicker­lin­ge

Der Sper­ling und sei­ne vier Kin­der

Das Mär­chen vom Schla­raf­fen­land

Das Diet­mar­si­sche Lü­gen­mär­chen

Schnee­weiß­chen und Ro­sen­rot

Der klu­ge Knecht

Der glä­ser­ne Sarg

Der fau­le Heinz

Der Vo­gel Greif (Ale­man­nisch)

Der Vo­gel Greif

Der star­ke Hans

Das Bür­le im Him­mel (Ale­man­nisch)

Das Bäu­er­lein im Him­mel

Die ha­ge­re Lie­se

Das Wald­haus

Lieb und Leid tei­len

Der Zaun­kö­nig

Die Schol­le

Rohr­dom­mel und Wie­de­kopf

Die Eule

Der Mond

Das Un­glück

Die Le­bens­zeit

Die Bo­ten des To­des

Meis­ter Pfriem

Die Gän­sehir­tin am Brun­nen

Die un­glei­chen Kin­der Evas

Die Nixe im Teich

Die Ge­schen­ke des klei­nen Vol­kes

Die Prin­zes­sin auf der Erb­se

Der Rie­se und der Schnei­der

Der Na­gel

Der arme Jun­ge im Grab

Die wah­re Braut

Der Hase und der Igel (Platt­deutsch)

Der Hase und der Igel

Spin­del, We­ber­schiff­chen und Na­del

Der Bau­er und der Teu­fel

Die Bro­sa­men auf dem Tisch (Schwei­zer­deutsch)

Die Bro­sa­men auf dem Tisch

Das Meer­häs­chen

Der Räu­ber und sei­ne Söh­ne

Der Meis­ter­dieb

Der Tromm­ler

Die Kornäh­re

Der Grab­hü­gel

Oll Rin­krank (Nie­der­deutsch)

Alt Rin­krank

Die Kris­tall­ku­gel

Jung­frau Ma­leen

Die Stie­fel von Büf­fel­le­der

Der gol­de­ne Schlüs­sel

Der hei­li­ge Jo­seph im Wal­de

Die zwölf Apos­tel

Die Rose (Pa­der­born)

Die Rose

Ar­mut und De­mut füh­ren zum Him­mel

Got­tes Spei­se

Die drei grü­nen Zwei­ge

Mut­ter­got­tes­gläs­chen

Das alte Müt­ter­chen

Die himm­li­sche Hoch­zeit

Die Ha­sel­ru­te

Vor­wort zur sechs­ten di­gi­ta­len Auf­la­ge

Vor­wort zur fünf­ten di­gi­ta­len Auf­la­ge

Vor­wort zur vier­ten di­gi­ta­len Auf­la­ge

Vor­wort zur drit­ten di­gi­ta­len Auf­la­ge

Vor­wort zur zwei­ten di­gi­ta­len Auf­la­ge

Vor­re­de zum ers­ten Band (Ori­gi­nal)

Vor­re­de zum zwei­ten Band (Ori­gi­nal)

In­dex

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Ihr Jür­gen Schul­ze

Mär­chen bei Null Pa­pier

An­der­sens Mär­chen

Die Mär­chen des Wil­helm Hauff

Weih­nach­ten

Grimms Mär­chen

Tau­send­und­ei­ne Nacht - 4 Bän­de - Er­wach­se­ne Mär­chen aus 1001 Nacht

Grimms Sa­gen

Bun­te Mär­chen

Sa­gen des klas­si­schen Al­ter­tums

Grimms Mär­chen – Il­lus­trier­tes Mär­chen­buch

Ali­ce hin­ter den Spie­geln

und wei­te­re …

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Vorwort zur siebten digitalen Auflage

Und wie­der ist ein Jahr vor­über. Und auch 2013 hat sich mein E-Book als das er­folg­reichs­te Mär­chen-E-Book am Markt hal­ten kön­nen.

Dies­mal habe ich mich dazu ent­schlos­sen, alle (alte und neu hin­zu­ge­kom­me­ne) Bil­der, die ich fin­den konn­te, in größt­mög­li­cher Auf­lö­sung ein­zu­bin­den, da­mit auch Be­sit­zer ei­nes leis­tungs­fä­hi­ge­ren Ta­blet-Com­pu­ters in einen noch »schär­fe­ren« Ge­nuss kom­men kön­nen.

Fro­he Weih­nach­ten 2013 und al­les Gute für 2014 wünscht

Jür­gen Schul­ze, Ver­le­ger

*

Brüder Grimm -- Leben und Werk

Die Brü­der Grimm, jene für die deut­sche Spra­che und das er­zäh­le­ri­sche Gut her­aus­ra­gen­de Per­so­nen, sind na­ment­lich Ja­cob Grimm und sein jün­ge­rer Bru­der Wil­helm Grimm. Ja­cob wur­de am 4. Ja­nu­ar 1785 und Wil­helm am 24. Fe­bru­ar 1786 ge­bo­ren. Als Söh­ne ei­nes Amt­manns und En­kel bzw. Gro­ßen­kel zwei­er geist­li­cher des re­for­mier­ten Glau­bens­zwei­ges, ge­hör­ten sie ei­nem eher wohl­ha­ben­den Hau­se an. Ins­ge­samt hat­ten die El­tern der Brü­der Grimm, Phil­ipp Wil­helm und Do­ro­thea Grimm, neun Kin­der, von de­nen al­ler­dings drei im Säug­lings­al­ter verstar­ben. Lud­wig Emil Grimm, ein jün­ge­rer Bru­der von Ja­cob und Wil­helm, wur­de spä­ter als Ma­ler be­kannt.

Da­mit Ja­cob und Wil­helm ih­rem Va­ter als Ju­ris­ten fol­gen konn­ten, wur­den sie 1798 nach Kas­sel ge­schickt, um dort bei ih­rer Tan­te zu woh­nen und das Fried­richs­gym­na­si­um zu be­su­chen. Spä­ter gin­gen bei­de auf die Mar­bur­ger Uni­ver­si­tät und stu­dier­ten Rechts­wis­sen­schaf­ten. Fried­rich Carl von Sa­vi­gny, ein Leh­rer der bei­den, er­kann­te ihr Po­ten­zi­al und ihre Wiss­be­gier­de, wor­auf­hin er sie ein­lud, sei­ne Pri­vat­bi­blio­thek zu nut­zen. Mit Schil­ler und Goe­the wa­ren Ja­cob und Wil­helm zu die­ser Zeit be­reits ver­traut, doch von Sa­vi­gnys Samm­lung führ­te sie in die Be­rei­che des Min­ne­sangs und der Ro­man­tik. Genau so stark, wenn nicht noch ein biss­chen mehr, be­ein­fluss­te die bei­den das Wir­ken Jo­hann Gott­fried Her­ders, des­sen Wer­ke Ja­cob und Wil­helm auf den Weg der Sprach­wis­sen­schaf­ten führ­ten.

In Her­ders Ma­nier be­trach­te­ten sie die Spra­che und die Zu­stän­de, die zu ih­ren Ver­wen­dungs­for­men führ­ten, nicht in ei­ner ro­man­tisch-ver­klär­ten, son­dern in ei­ner ra­tio­na­len und rea­lis­ti­schen Art. Sie fin­gen an, zahl­rei­che Schrif­ten zu stu­die­ren, zu de­nen nicht nur Dich­tung ge­hör­te, son­dern auch Ur­kun­den und an­de­re ge­schicht­li­che Auf­zeich­nun­gen. Auch be­schränk­ten sie sich nicht auf deut­sche Quel­len -- sie nutz­ten Do­ku­men­te aus Groß­bri­tan­ni­en und Ir­land so­wie spä­ter auch skan­di­na­vi­sche, nie­der­län­di­sche, spa­ni­sche und ser­bi­sche Auf­zeich­nun­gen. Nach ih­rem Stu­di­en­ab­schluss im Jah­re 1806 be­gan­nen sie mit je­nem Werk, das den Na­men der Brü­der Grimm heu­te noch in den Köp­fen der Men­schen hält -- mit der Samm­lung von Mär­chen. Im Auf­trag von Achim von Ar­nim und Cle­mens Bren­ta­no, zwei Haupt­ver­tre­ter der Hei­del­ber­ger Ro­man­tik, tru­gen Ja­cob und Wil­helm die bis da­hin über­wie­gend münd­lich über­lie­fer­ten Ge­schich­ten, Mär­chen und Sa­gen zu­sam­men, über­ar­bei­te­ten sie und glät­te­ten ihre Spra­che auf die be­kann­te Form.

Im Jahr 1811 ver­öf­fent­lich­ten so­wohl Ja­cob als auch Wil­helm je­weils ein Buch. Ja­cob Grimms »Über den Alt­deut­schen Meis­ter­ge­sang« ist sei­ne ers­te und ein­zi­ge um­fang­rei­che li­te­ra­tur­his­to­ri­sche Stu­die. Sie fasst na­he­zu alle da­mals für Ja­cob Grimm zu­gäng­li­chen In­for­ma­tio­nen zu­sam­men und leg­te zu­gleich den Grund­stein für wei­te­re neu­zeit­li­che For­schun­gen rund um den Meis­ter­sang. Wil­helm Grimm ver­öf­fent­lich­te in die­sem Jahr sein Werk »Alt­dä­ni­sche Hel­den­lie­der, Bal­la­den und Mär­chen«. Dem Na­men ent­spre­chend prä­sen­tiert er in die­sem Werk alt­dä­ni­sche Volks­poe­sie in den be­nann­ten For­men. Zu die­sen von ihm selbst über­setz­ten Wer­ken füg­te er eine ei­ge­ne Schrift hin­zu, in der er sich lei­den­schaft­lich für die Aus­ein­an­der­set­zung mit den al­ten Schrif­ten ein­setzt.

1812, also nur ein Jahr spä­ter, agier­ten die Brü­der Grimm zu­sam­men als Her­aus­ge­ber des Ban­des »Hil­de­brands­lied und Wes­so­brun­ner Ge­bet«. Die bei­den Ti­tel stel­len die äl­tes­ten bis da­hin und bis heu­te er­hal­te­nen poe­ti­schen Tex­te in deut­scher Spra­che dar. Sie stam­men bei­de aus dem 9. Jahr­hun­dert und wur­den von Ja­cob und Wil­helm erst­mals wis­sen­schaft­lich auf­be­rei­tet. Der bis heu­te ge­bräuch­li­che Name für das Hel­den­lied »Hil­de­brands­lied« wur­de von den Brü­dern Grimm ver­ge­ben. Zu­vor hat­te die­se Dich­tung kei­nen Na­men ge­habt.

Die ers­te Aus­ga­be des heu­te be­kann­tes­ten Ti­tels der Brü­der Grimm, die »Kin­der- und Haus­mär­chen«, wur­de eben­falls 1812 ver­öf­fent­licht. Drei Jah­re spä­ter er­schi­en der zwei­te Band und nach sie­ben Jah­ren, im Jahr 1819, er­schi­en der ers­te Band noch­mals in ei­ner stark über­ar­bei­te­ten Form. Der drit­te Band der Se­rie wur­de 1822 ver­öf­fent­licht und ent­hält An­mer­kun­gen zu den je­wei­li­gen Mär­chen des ers­ten und zwei­ten Ban­des. Die 1825 er­schie­ne­ne »Klei­ne Aus­ga­be«, für die der Bru­der Emil Grimm die Il­lus­tra­ti­on über­nahm, führ­te dann zu je­nem welt­wei­ten Er­folg, den die »Kin­der- und Haus­mär­chen« der Brü­der Grimm bis heu­te er­fah­ren.

Zwi­schen den Ver­öf­fent­li­chun­gen der »Kin­der- und Haus­mär­chen«-Bän­de ver­öf­fent­lich­ten die Brü­der Grimm auch wei­te­re Wer­ke. So zum Bei­spiel zwei Bän­de mit dem Na­men »Deut­sche Sa­gen«, die 1816 und 1818 ver­öf­fent­licht wur­den und knapp 600 aus dem deutsch­spra­chi­gen Raum stam­men­de Sa­gen in Buch­form dar­bie­ten. Zu­dem die »Deut­sche Gram­ma­tik«, wel­che Ja­cob Grimm 1819 ver­öf­fent­lich­te. Es han­delt sich bei die­sem Band je­doch nicht um ein Lehr­buch, das den Satz­bau und die kor­rek­te Wort­beu­gung auf­zeigt. Viel­mehr ist es eine Stu­die, wel­che die Zu­sam­men­hän­ge zwi­schen sämt­li­chen ger­ma­ni­schen Spra­chen und ihre his­to­ri­schen Ent­wick­lun­gen auf­zeigt. 1821 er­schi­en Wil­helm Grimms »Über deut­sche Ru­nen«, in dem er die Ru­nen der Sach­sen so­wie ihre Rol­le bei der Ver­brei­tung der Ru­nen­schrift auf­zeigt.

Bis zu ih­rem ge­mein­sa­men großen Werk mit dem Na­men »Deut­sches Wör­ter­buch« ver­öf­fent­lich­ten die Brü­der Grimm noch wei­te­re Bü­cher, die zu ih­rem Haupt­werk ge­zählt wer­den und die spä­te­ren Ge­ne­ra­tio­nen als Wis­sens­fun­dus dienten und die­nen. Dar­un­ter Ja­cob Grimms »Deut­sche Rechts­al­ter­tü­mer« aus dem Jah­re 1828, in dem er die mit­tel­al­ter­li­che Recht­spra­xis dar­legt. Da­bei pro­fi­tier­te er un­ter an­de­rem von Auf­zeich­nun­gen, die er schon wäh­rend des Stu­di­ums ein­sah und sam­mel­te. 1829 ver­öf­fent­lich­te Wil­helm Grimm »Die deut­sche Hel­den­sa­ge«, wel­ches er selbst als sein Haupt­werk be­zeich­ne­te. Ne­ben Sa­gen, die vom 6. Jahr­hun­dert bis zum 16. Jahr­hun­dert da­tiert sind, ent­hält der Band auch Kom­men­ta­re und ge­schicht­li­che Hin­ter­grün­de. In den Jah­ren 1832 und 1834 er­schie­nen Ja­cob Grimms Wer­ke »Deut­sche My­tho­lo­gie« und »Rein­hart Fuchs«, in de­nen er sich zum einen vor­christ­li­chen Re­li­gi­ons­vor­stel­lun­gen deut­scher Stäm­me und zum an­de­ren der Er­for­schung so­wie der In­ter­pre­ta­ti­on des mit­tel­al­ter­li­chen Tie­r­epos hin­gibt.

1854 er­schi­en dann der ers­te Band des Ge­mein­schafts­werks »Deut­sches Wör­ter­buch«, das Wil­helm Grimm schon 1846 auf dem in Frank­furt statt­fin­den­den Ger­ma­nis­ten­tag an­kün­dig­te. Ja­cob Grimm schrieb da­für ein um­fang­rei­ches Vor­wort, in dem er wich­ti­ge und rich­tungs­wei­sen­de Hin­wei­se zu Le­xi­ko­gra­phie, Or­tho­gra­phie, Sprach­pfle­ge und -ge­schich­te gab. Das »Deut­sche Wör­ter­buch« ist kein Le­xi­kon im her­kömm­li­chen Sin­ne und die Wör­ter wer­den nicht (nur) auf ihre De­fi­ni­ti­on hin be­schrie­ben, son­dern viel­mehr hin­sicht­lich ih­rer sprach­wis­sen­schaft­li­chen Her­kunft. Dazu wer­den grie­chi­sche, la­tei­ni­sche so­wie auch in­do­ger­ma­ni­sche Quel­len be­dient, um die Wur­zeln der Spra­che frei­zu­le­gen und auf­zu­zei­gen. Die Brü­der Grimm hat­ten den Ar­beits­auf­wand bis zur Fer­tig­stel­lung des Ge­samt­werks auf sechs bis zehn Jah­re ge­schätzt. Je­doch verstarb Wil­helm Grimm be­reits im Jahr 1859 und stell­te bis da­hin le­dig­lich das Ver­zeich­nis bis zum Buch­sta­ben »D« fer­tig. Ja­cob Grimm, der nur vier Jah­re spä­ter -- 1863 -- verstarb, edi­tier­te als letz­tes das Wort »Frucht«. Erst im Jahr 1961 war das bis da­hin auf 33 Bän­de an­ge­wach­se­ne Werk ver­voll­stän­digt wor­den.

Kinder- und Hausmärchen -- Bedeutung und Entstehung

Die »Kin­der- und Haus­mär­chen«, volks­tüm­lich »Grimms Mär­chen«, ge­nannt, sind eine be­rühm­te deut­sche Antho­lo­gie von Mär­chen, die Ja­cob Lud­wig Carl Grimm und sein Bru­der Wil­helm Carl Grimm, be­kannt als die »Brü­der Grimm«, her­aus­ge­ge­ben ha­ben.

1803 hat­ten die bei­den Brü­der in der Mar­bur­ger Uni­ver­si­tät die Ro­man­ti­ker Cle­mens Bren­ta­no und Achim von Ar­nim ken­nen­ge­lernt, die bei ih­nen das In­ter­es­se für alte Haus­mär­chen weck­ten.

Ja­cob und Wil­helm Grimm be­gan­nen in Kas­sel in ih­rem bür­ger­li­chen Um­feld, das viel­fach hu­ge­not­tisch ge­prägt war, münd­lich über­lie­fer­te Mär­chen zu sam­meln und zu be­ar­bei­ten. Vie­le der ge­sam­mel­ten Mär­chen stam­men von der orts­an­säs­si­gen Mär­chen­er­zäh­le­rin Do­ro­thea Vieh­mann, die kei­nes­wegs die alte Bäue­rin war, als die die Grimms sie dar­stell­ten, son­dern eine ge­bil­de­te Frau, so­wie aus der Fe­der des fran­zö­si­schen Kul­tur­staats­se­kre­tärs Charles Per­rault, der sei­ne Mär­chen eben­falls nicht nur aus münd­li­cher Über­lie­fe­rung, son­dern auch von fran­zö­si­schen und ita­lie­ni­schen Mär­chen­samm­lern, wie Stra­pa­ro­la und vor al­lem Ba­si­le, über­nahm. Bei an­de­ren Mär­chen wird ver­mu­tet, dass sie aus der Fe­der der Grimms selbst stamm­ten. Nach An­sicht vie­ler For­scher war die Pose der sorg­fäl­ti­gen Samm­ler al­ter Tra­di­tio­nen, die die Brü­der ein­nah­men, weit­ge­hend eine der Zeit­stim­mung der Ro­man­tik ge­schul­de­te Fik­ti­on: Die Mär­chen­samm­lung stellt viel­mehr eine Mi­schung aus neu­en Tex­ten, Kunst­mär­chen und teils stark be­ar­bei­te­ten und ver­än­der­ten Volks­mär­chen dar. Ei­ni­ge der teils sehr er­heb­li­chen grimm­schen Be­ar­bei­tun­gen er­kennt man durch eine Ge­gen­über­stel­lung be­stimm­ter Mär­chen in der ers­ten Aus­ga­be von 1812/15 und in der Aus­ga­be letz­ter Hand von 1857.

Die Tex­te wur­den von Auf­la­ge zu Auf­la­ge wei­ter über­ar­bei­tet, teil­wei­se ver­nied­licht und mit christ­li­cher Moral un­ter­füt­tert. Die Grimms rea­gier­ten da­mit auch auf Kri­tik, die Mär­chen sei­en nicht kind­ge­recht. Um dem zeit­ge­mä­ßen Ge­schmack des vor­wie­gend bür­ger­li­chen Pub­li­kums ent­ge­gen­zu­kom­men, wur­den auch wich­ti­ge De­tails ge­än­dert. So wur­de aus der Mut­ter in Hän­sel und Gre­tel eine Stief­mut­ter, denn ihr Ver­hal­ten, die Kin­der zu ver­sto­ßen, war mit dem Mut­ter­bild des Bür­ger­tums nicht zu ver­ein­ba­ren. Auch di­rek­te se­xu­el­le An­spie­lun­gen und Be­zü­ge wur­den ver­än­dert oder weg­ge­las­sen. In ih­rer Vor­re­de zu der Aus­ga­be der Mär­chen von 1815 er­wäh­nen sie ex­pli­zit, dass es sich bei ih­rer Samm­lung von Mär­chen um ein Er­zie­hungs­buch han­delt. Wil­helm Grimm, der die Mär­chen seit der zwei­ten Auf­la­ge 1819 fast aus­schließ­lich al­lein be­ar­bei­te­te, er­gänz­te die Tex­te auch durch zahl­rei­che Re­dens­ar­ten und bild­haf­te For­meln.

Durch Per­rault und durch die hu­ge­not­ti­sche Her­kunft Do­ro­thea Vieh­manns und der Kas­se­ler Fa­mi­li­en Has­sen­pflug und Wild (sie ver­kehr­ten im Hau­se Grimm; eine Toch­ter der Fa­mi­lie Wild wur­de spä­ter die Frau Wil­helms) flos­sen auch vie­le ur­sprüng­lich fran­zö­si­sche Kunst­mär­chen und Mär­chen­va­ri­an­ten in die Samm­lung ein. Um ein Mär­chen­buch mit »rein deut­schen« Mär­chen zu ha­ben, wur­den ei­ni­ge Mär­chen, die aus Frank­reich in den deut­schen Sprach­raum ge­lang­ten, wie etwa Der ge­stie­fel­te Ka­ter oder Blau­bart, nach der ers­ten Aus­ga­be wie­der ent­fernt. Dies ge­sch­ah al­ler­dings nicht kon­se­quent, denn den Grimms war durch­aus be­kannt, dass zum Bei­spiel für Rot­käpp­chen auch eine fran­zö­si­sche Ver­si­on mit tra­gi­schem Ende exis­tier­te. Eine na­tio­na­le Ein­gren­zung war auch des­halb frag­wür­dig, weil ei­ni­ge Mär­chen wie etwa Aschen­put­tel eine um­fang­rei­che eu­ro­päi­sche und so­gar in­ter­na­tio­na­le Her­kunfts- und Ver­brei­tungs­ge­schich­te ha­ben. In ih­rer Vor­re­de zu den Mär­chen ver­si­chern die Grimms im­mer wie­der, dass es sich bei den ge­sam­mel­ten Mär­chen um »echt hes­si­sche Mär­chen« han­de­le, wel­che ih­ren Ur­sprung in alt­nor­di­schen und ur­deut­schen My­then hät­ten. Dass es sich bei ih­rer Haupt­quel­le, der Vieh­män­nin, nicht um eine hes­si­sche Bäue­rin, son­dern um eine ge­bil­de­te Schnei­de­rin mit fran­zö­si­schen Wur­zeln han­delt, ver­schwei­gen sie hin­ge­gen. In den Hand­schrif­ten der Mär­chen, die 1927 in ei­ner Ab­tei im El­sass ge­fun­den wor­den sind, fin­den sich je­doch Ver­mer­ke über die fran­zö­si­sche Her­kunft und die Par­al­le­len zu Per­raults Mär­chen­samm­lung.

Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich

In den al­ten Zei­ten, wo das Wün­schen noch ge­hol­fen hat, leb­te ein Kö­nig, des­sen Töch­ter wa­ren alle schön; aber die jüngs­te war so schön, dass die Son­ne sel­ber, die doch so vie­les ge­se­hen hat, sich ver­wun­der­te, so­oft sie ihr ins Ge­sicht schi­en. Nahe bei dem Schlos­se des Kö­nigs lag ein großer dunk­ler Wald, und in dem Wal­de un­ter ei­ner al­ten Lin­de war ein Brun­nen; wenn nun der Tag recht heiß war, so ging das Kö­nigs­kind hin­aus in den Wald und setz­te sich an den Rand des küh­len Brun­nens und wenn sie Lan­ge­wei­le hat­te, so nahm sie eine gol­de­ne Ku­gel, warf sie in die Höhe und fing sie wie­der; und das war ihr liebs­tes Spiel­werk.

Nun trug es sich ein­mal zu, dass die gol­de­ne Ku­gel der Kö­nigs­toch­ter nicht in ihr Händ­chen fiel, das sie in die Höhe ge­hal­ten hat­te, son­dern vor­bei auf die Erde schlug und ge­ra­de­zu ins Was­ser hin­ein­roll­te. Die Kö­nigs­toch­ter folg­te ihr mit den Au­gen nach, aber die Ku­gel ver­schwand, und der Brun­nen war tief, so tief, dass man kei­nen Grund sah. Da fing sie an zu wei­nen und wein­te im­mer lau­ter und konn­te sich gar nicht trös­ten. Und wie sie so klag­te, rief ihr je­mand zu: »Was hast du vor, Kö­nigs­toch­ter, du schreist ja, dass sich ein Stein er­bar­men möch­te.«

Sie sah sich um, wo­her die Stim­me käme, da er­blick­te sie einen Frosch, der sei­nen di­cken, häss­li­chen Kopf aus dem Was­ser streck­te. »Ach, du bist es, al­ter Was­ser­pat­scher«, sag­te sie, »ich wei­ne über mei­ne gol­de­ne Ku­gel, die mir in den Brun­nen hin­ab­ge­fal­len ist.«

»Sei still und wei­ne nicht«, ant­wor­te­te der Frosch, »ich kann wohl Rat schaf­fen, aber was gibst du mir, wenn ich dein Spiel­werk wie­der her­auf­ho­le?«

»Was du ha­ben willst, lie­ber Frosch«, sag­te sie; »mei­ne Klei­der, mei­ne Per­len und Edel­stei­ne, auch noch die gol­de­ne Kro­ne, die ich tra­ge.«

Der Frosch ant­wor­te­te: »Dei­ne Klei­der, dei­ne Per­len und Edel­stei­ne und dei­ne gol­de­ne Kro­ne, die mag ich nicht: aber wenn du mich lieb ha­ben willst, und ich soll dein Ge­sel­le und Spiel­ka­me­rad sein, an dei­nem Tisch­lein ne­ben dir sit­zen, von dei­nem gol­de­nen Tel­ler­lein es­sen, aus dei­nem Be­cher­lein trin­ken, in dei­nem Bett­lein schla­fen: wenn du mir das ver­sprichst, so will ich hin­un­ter­stei­gen und dir die gol­de­ne Ku­gel wie­der her­auf­ho­len.«

»Ach ja«, sag­te sie, »ich ver­spre­che dir al­les, was du willst, wenn du mir nur die Ku­gel wie­der bringst.«

Sie dach­te aber: Was der ein­fäl­ti­ge Frosch schwätzt! Der sitzt im Was­ser bei sei­nes­glei­chen und quakt und kann kei­nes Men­schen Ge­sel­le sein.

Der Frosch, als er die Zu­sa­ge er­hal­ten hat­te, tauch­te sei­nen Kopf un­ter, sank hin­ab, und über ein Weil­chen kam er wie­der her­auf­ge­ru­dert, hat­te die Ku­gel im Maul und warf sie ins Gras. Die Kö­nigs­toch­ter war voll Freu­de, als sie ihr schö­nes Spiel­werk wie­der er­blick­te, hob es auf und sprang da­mit fort. »War­te, war­te«, rief der Frosch, »nimm mich mit, ich kann nicht so lau­fen wie du!«

Aber was half es ihm, dass er ihr sein Quak, Quak so laut nach­schrie, als er konn­te! Sie hör­te nicht dar­auf, eil­te nach Hau­se und hat­te bald den ar­men Frosch ver­ges­sen, der wie­der in sei­nen Brun­nen hin­ab­stei­gen muss­te.

Am an­de­ren Tage, als sie mit dem Kö­nig und al­len Hofleu­ten sich zur Ta­fel ge­setzt hat­te und von ih­rem gol­de­nen Tel­ler­lein aß, da kam, plitsch platsch, plitsch platsch, et­was die Mar­mor­trep­pe her­auf­ge­kro­chen, und als es oben an­ge­langt war, klopf­te es an die Tür und rief: »Kö­nigs­toch­ter, jüngs­te, mach mir auf!«

Sie lief und woll­te se­hen, wer drau­ßen wäre, als sie aber auf­mach­te, so saß der Frosch da­vor. Da warf sie die Tür has­tig zu, setz­te sich wie­der an den Tisch, und es war ihr ganz angst. Der Kö­nig sah wohl, dass ihr das Herz ge­wal­tig klopf­te, und sprach: »Mein Kind, was fürch­test du dich, steht etwa ein Rie­se vor der Tür und will dich ho­len?«

»Ach nein«, ant­wor­te­te sie, »es ist kein Rie­se, son­dern ein gars­ti­ger Frosch.«

»Was will der Frosch von dir?«

»Ach, lie­ber Va­ter, als ich ges­tern im Wald bei dem Brun­nen saß und spiel­te, da fiel mei­ne gol­de­ne Ku­gel ins Was­ser. Und weil ich so wein­te, hat sie der Frosch wie­der her­auf­ge­holt, und weil er es durch­aus ver­lang­te, so ver­sprach ich ihm, er soll­te mein Ge­sel­le wer­den; ich dach­te aber nim­mer­mehr, dass er aus sei­nem Was­ser her­aus­könn­te. Nun ist er drau­ßen und will zu mir her­ein.«

Und schon klopf­te es zum zwei­ten Mal und rief:

»Kö­nigs­toch­ter, jüngs­te, Mach mir auf, weißt du nicht, was ges­tern Du zu mir ge­sagt Bei dem küh­len Was­ser­brun­nen? Kö­nigs­toch­ter, jüngs­te, Mach mir auf!«

Da sag­te der Kö­nig: »Was du ver­spro­chen hast, das musst du auch hal­ten; geh nur und mach ihm auf.«

Sie ging und öff­ne­te die Türe, da hüpf­te der Frosch her­ein, ihr im­mer auf dem Fuße nach, bis zu ih­rem Stuhl. Da saß er und rief: »Heb mich her­auf zu dir.«

Sie zau­der­te, bis es end­lich der Kö­nig be­fahl. Als der Frosch erst auf dem Stuhl war, woll­te er auf den Tisch, und als er da saß, sprach er: »Nun schieb mir dein gol­de­nes Tel­ler­lein nä­her, da­mit wir zu­sam­men es­sen.«

Das tat sie zwar, aber man sah wohl, dass sie’s nicht ger­ne tat. Der Frosch ließ sich’s gut schme­cken, aber ihr blieb fast je­des Biss­lein im Hal­se. End­lich sprach er: »Ich habe mich satt ge­ges­sen und bin müde; nun trag mich in dein Käm­mer­lein und mach dein sei­den Bett­lein zu­recht, da wol­len wir uns schla­fen le­gen.«

Die Kö­nigs­toch­ter fing an zu wei­nen und fürch­te­te sich vor dem kal­ten Frosch, den sie nicht an­zu­rüh­ren ge­trau­te und der nun in ih­rem schö­nen, rei­nen Bett­lein schla­fen soll­te. Der Kö­nig aber ward zor­nig und sprach: »Wer dir ge­hol­fen hat, als du in der Not warst, den sollst du her­nach nicht ver­ach­ten.«

Da pack­te sie ihn mit zwei Fin­gern, trug ihn hin­auf und setz­te ihn in eine Ecke. Als sie aber im Bett lag, kam er ge­kro­chen und sprach: »Ich bin müde, ich will schla­fen so gut wie du: heb mich her­auf, oder ich sag’s dei­nem Va­ter.«

Da ward sie erst bit­ter­bö­se, hol­te ihn her­auf und warf ihn aus al­len Kräf­ten wi­der die Wand: »Nun wirst du Ruhe ha­ben, du gars­ti­ger Frosch.«

Als er aber her­ab­fiel, war er kein Frosch, son­dern ein Kö­nigs­sohn mit schö­nen und freund­li­chen Au­gen. Der war nun nach ih­res Va­ters Wil­len ihr lie­ber Ge­sel­le und Ge­mahl. Da er­zähl­te er ihr, er wäre von ei­ner bö­sen Hexe ver­wünscht wor­den, und nie­mand hät­te ihn aus dem Brun­nen er­lö­sen kön­nen als sie al­lein, und mor­gen woll­ten sie zu­sam­men in sein Reich ge­hen. Dann schlie­fen sie ein, und am an­de­ren Mor­gen, als die Son­ne sie auf­weck­te, kam ein Wa­gen her­an­ge­fah­ren, mit acht wei­ßen Pfer­den be­spannt, die hat­ten wei­ße Strauß­fe­dern auf dem Kopf und gin­gen in gol­de­nen Ket­ten, und hin­ten stand der Die­ner des jun­gen Kö­nigs, das war der treue Hein­rich. Der treue Hein­rich hat­te sich so be­trübt, als sein Herr war in einen Frosch ver­wan­delt wor­den, dass er drei ei­ser­ne Ban­de hat­te um sein Herz le­gen las­sen, da­mit es ihm nicht vor Weh und Trau­rig­keit zer­sprän­ge. Der Wa­gen aber soll­te den jun­gen Kö­nig in sein Reich ab­ho­len; der treue Hein­rich hob bei­de hin­ein, stell­te sich wie­der hin­ten auf und war vol­ler Freu­de über die Er­lö­sung.

Und als sie ein Stück Wegs ge­fah­ren wa­ren, hör­te der Kö­nigs­sohn, dass es hin­ter ihm krach­te, als wäre et­was zer­bro­chen. Da dreh­te er sich um und rief:

»Hein­rich, der Wa­gen bricht!« »Nein, Herr, der Wa­gen nicht, Es ist ein Band von mei­nem Her­zen, das da lag in großen Schmer­zen, als Du in dem Brun­nen saßt, als Du ein Frosch ge­we­sen warst.«

Noch ein­mal und noch ein­mal krach­te es auf dem Weg, und der Kö­nigs­sohn mein­te im­mer, der Wa­gen brä­che, und es wa­ren doch nur die Ban­de, die vom Her­zen des treu­en Hein­rich ab­spran­gen, weil sein Herr er­löst und glück­lich war.

Katz und Maus in Gesellschaft

Eine Kat­ze und eine Maus woll­ten zu­sam­men­le­ben und eine Wirt­schaft zu­sam­men ha­ben; sie sorg­ten auch für den Win­ter und kauf­ten ein Töpf­chen mit Fett, und weil sie kei­nen bes­se­ren und si­che­re­ren Ort wuss­ten, stell­ten sie es un­ter den Al­tar in der Kir­che, da soll­te es ste­hen, bis sie sein be­dürf­tig wä­ren.

Einst­mals aber trug die Kat­ze Ge­lüs­te da­nach und ging zur Maus: »Hör’ Mäu­schen, ich bin von mei­ner Base1 zu Ge­vat­ter2 ge­be­ten, sie hat ein Söhn­chen ge­bo­ren, weiß und braun ge­fleckt, das soll ich über die Tau­fe hal­ten, lass mich aus­ge­hen und halt heut al­lein Haus.« -- »Ja, ja«, sag­te die Maus, »geh hin, und wenn du was Gu­tes isst, denk an mich, von dem sü­ßen ro­ten Wein zur Fei­er tränk ich auch gern ein Tröpf­chen.«

Die Kat­ze aber ging ge­ra­des­wegs in die Kir­che und leck­te die fet­te Haut ab, spa­zier­te da­nach um die Stadt her­um und kam erst am Abend nach Haus. »Du wirst dich recht ver­lus­tiert ha­ben«, sag­te die Maus, »wie hat denn das Kind ge­hei­ßen?« -- »Hautab«, ant­wor­te­te die Kat­ze. -- »Hautab? Das ist ein selt­sa­mer Name, den hab’ ich noch nicht ge­hört.«

Bald da­nach hat­te die Kat­ze wie­der ein Ge­lüs­ten, ging zur Maus und sprach: »Ich bin aufs Neue zu Ge­vat­ter ge­be­ten, das Kind hat einen wei­ßen Ring um den Leib, da kann ich’s nicht ab­schla­gen, du musst mir den Ge­fal­len tun und al­lein die Wirt­schaft be­trei­ben.«

Die Maus sag­te ja, die Kat­ze aber ging hin und fraß den Fett­topf bis zur Hälf­te leer. Als sie heim­kam, frag­te die Maus: »Wie ist denn die­ser Pate ge­tauft wor­den?« -- »Hal­baus« -- »Hal­baus? Was du sagst! Den Na­men hab’ ich gar noch nicht ge­hört, der steht ge­wiss nicht im Ka­len­der.«

Die Kat­ze aber konn­te den Fett­topf nicht ver­ges­sen: »Ich bin zum drit­ten Mal zu Ge­vat­ter ge­be­ten, das Kind ist schwarz und hat bloß wei­ße Pfo­ten, sonst kein wei­ßes Haar am gan­zen Leib, das trifft sich alle paar Jahr nur ein­mal, du lässt mich doch aus­ge­hen?« -- »Hautab, Hal­baus«, sag­te die Maus, »es sind so ku­rio­se Na­men, die ma­chen mich so nach­denk­lich, doch geh nur hin.«

Die Maus hielt al­les in Ord­nung und räum­te auf, die­weil fraß die Kat­ze den Fett­topf ganz aus und kam satt und dick erst in der Nacht wie­der. »Wie heißt denn das drit­te Kind?« -- »Ganzaus« -- »Ganzaus! Ei! Ei! Das ist der al­ler­be­denk­lichs­te Na­men«, sag­te die Maus; »Ganzaus? Was soll der be­deu­ten? Ge­druckt ist er mir noch nicht vor­ge­kom­men!«

Da­mit schüt­tel­te sie den Kopf und leg­te sich schla­fen.

Zum vier­ten Mal woll­te nie­mand die Kat­ze zu Ge­vat­ter bit­ten; der Win­ter aber kam bald her­bei. Wie nun drau­ßen nichts mehr zu fin­den war, sag­te die Maus zur Kat­ze: »Komm wir wol­len zum Vor­rat ge­hen, den wir in der Kir­che un­ter dem Al­tar ver­steckt ha­ben.«

Wie sie aber hin­ka­men, war al­les leer -- »Ach!«, sag­te die Maus, »nun komm­t’s an den Tag, du hast al­les ge­fres­sen, wie du zu Ge­vat­ter aus­ge­gan­gen bist, erst Haut ab, dann halb aus, dann« -- »Schweig still«, sag­te die Kat­ze, »oder ich fress’ dich, wenn du noch ein Wort sprichst« -- »Ganz aus«, hat­te die arme Maus im Mund, und hat­te es kaum ge­spro­chen, so sprang die Kat­ze auf sie zu und schluck­te sie hin­un­ter.

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Marienkind

Vor ei­nem großen Wal­de leb­te ein Holz­ha­cker mit sei­ner Frau, der hat­te nur ein ein­zi­ges Kind, das war ein Mäd­chen von drei Jah­ren. Sie wa­ren aber so arm, dass sie nicht mehr das täg­li­che Brot hat­ten und nicht wuss­ten, was sie ihm soll­ten zu es­sen ge­ben. Ei­nes Mor­gens ging der Holz­ha­cker vol­ler Sor­gen hin­aus in den Wald an sei­ne Ar­beit, und wie er da Holz hack­te, stand auf ein­mal eine schö­ne große Frau vor ihm, die hat­te eine Kro­ne von leuch­ten­den Ster­nen auf dem Haupt und sprach zu ihm: »Ich bin die Jung­frau Ma­ria, die Mut­ter des Christ­kind­leins. Du bist arm und dürf­tig, bring mir dein Kind, ich will es mit mir neh­men, sei­ne Mut­ter sein und für es sor­gen.«

Der Holz­ha­cker ge­horch­te, hol­te sein Kind und übergab es der Jung­frau Ma­ria, die nahm es mit sich hin­auf in den Him­mel. Da ging es ihm wohl, es aß Zucker­brot und trank süße Milch, und sei­ne Klei­der wa­ren von Gold, und die Eng­lein spiel­ten mit ihm. Als es nun vier­zehn Jahr alt ge­wor­den war, rief es ein­mal die Jung­frau Ma­ria zu sich und sprach: »Lie­bes Kind, ich habe eine große Rei­se vor, da nimm die Schlüs­sel zu den drei­zehn Tü­ren des Him­mel­reichs in Ver­wah­rung. Zwölf da­von darfst du auf­schlie­ßen und die Herr­lich­kei­ten dar­in be­trach­ten, aber die Drei­zehn­te, wozu die­ser klei­ne Schlüs­sel ge­hört, die ist dir ver­bo­ten. Hüte dich, dass du sie nicht auf­schließest, sonst wirst du un­glück­lich.«

Das Mäd­chen ver­sprach, ge­hor­sam zu sein, und als nun die Jung­frau Ma­ria weg war, fing sie an und be­sah die Woh­nun­gen des Him­mel­reichs. Je­den Tag schloss es eine auf, bis die zwöl­fe her­um wa­ren. In je­der aber saß ein Apos­tel und war von großem Glanz um­ge­ben, und es freu­te sich über all die Pracht und Herr­lich­keit, und die Eng­lein, die es im­mer be­glei­te­ten, freu­ten sich mit ihm.

Nun war die ver­bo­te­ne Tür al­lein noch üb­rig, da emp­fand es eine große Lust zu wis­sen, was da­hin­ter ver­bor­gen wäre, und sprach zu den Eng­lein: »Ganz auf­ma­chen will ich sie nicht und will auch nicht hin­ein­ge­hen, aber ich will sie auf­schlie­ßen, da­mit wir ein we­nig durch den Ritz se­hen.«

»Ach nein«, sag­ten die Eng­lein, »das wäre Sün­de, die Jung­frau Ma­ria hat’s ver­bo­ten, und es könn­te leicht dein Un­glück wer­den.«

Da schwieg es still, aber die Be­gier­de in sei­nem Her­zen schwieg nicht still, son­dern nag­te und pick­te or­dent­lich dar­an und ließ ihm kei­ne Ruhe. Und als die Eng­lein ein­mal alle hin­aus­ge­gan­gen wa­ren, dach­te es: »Nun bin ich ganz al­lein und könn­te hin­ein­gu­cken, es weiß es ja nie­mand, wenn ich’s tue.«

Es such­te den Schlüs­sel her­aus, und als es ihn in der Hand hielt, steck­te es ihn auch in das Schloss, und als es ihn hin­ein­ge­steckt hat­te, dreh­te es auch um. Da sprang die Türe auf, und es sah da die Drei­ei­nig­keit im Feu­er und Glanz sit­zen. Es blieb ein Weil­chen ste­hen und be­trach­te­te al­les mit Er­stau­nen, dann rühr­te es ein we­nig mit dem Fin­ger an dem Glanz, da ward der Fin­ger ganz gol­den. Als­bald emp­fand es eine ge­wal­ti­ge Angst, schlug die Türe hef­tig zu und lief fort. Die Angst woll­te auch nicht wie­der wei­chen, es moch­te an­fan­gen, was es woll­te, und das Herz klopf­te in ei­nem fort und woll­te nicht ru­hig wer­den, auch das Gold blieb an dem Fin­ger und ging nicht ab, es moch­te wa­schen und rei­ben, so­viel es woll­te.

Gar nicht lan­ge, so kam die Jung­frau Ma­ria von ih­rer Rei­se zu­rück. Sie rief das Mäd­chen zu sich und for­der­te ihm die Him­mels­schlüs­sel wie­der ab. Als es den Bund hin­reich­te, blick­te ihm die Jung­frau in die Au­gen und sprach: »Hast du auch nicht die drei­zehn­te Tür ge­öff­net?«

»Nein«, ant­wor­te­te es. Da leg­te sie ihre Hand auf sein Herz, fühl­te, wie es klopf­te und klopf­te, und merk­te wohl, dass es ihr Ge­bot über­tre­ten und die Türe auf­ge­schlos­sen hat­te. Da sprach sie noch ein­mal: »Hast du es ge­wiss nicht ge­tan?«

»Nein«, sag­te das Mäd­chen zum zwei­ten Mal. Da er­blick­te sie den Fin­ger, der von der Berüh­rung des himm­li­schen Feu­ers gol­den ge­wor­den war, sah wohl, dass es ge­sün­digt hat­te, und sprach zum drit­ten Mal: »Hast du es nicht ge­tan?«

»Nein«, sag­te das Mäd­chen zum drit­ten Mal. Da sprach die Jung­frau Ma­ria: »Du hast mir nicht ge­horcht, und hast noch dazu ge­lo­gen, du bist nicht mehr wür­dig, im Him­mel zu sein.«

Da ver­sank das Mäd­chen in einen tie­fen Schlaf, und als es er­wach­te, lag es un­ten auf der Erde, mit­ten in ei­ner Wild­nis. Es woll­te ru­fen, aber es konn­te kei­nen Laut her­vor­brin­gen. Es sprang auf und woll­te fort­lau­fen, aber wo es sich hin­wen­de­te, im­mer ward es von dich­ten Dorn­he­cken zu­rück­ge­hal­ten, die es nicht durch­bre­chen konn­te. In der Ein­öde, in wel­che es ein­ge­schlos­sen war, stand ein al­ter hoh­ler Baum, das muss­te sei­ne Woh­nung sein.

Da kroch es hin­ein, wenn die Nacht kam, und schlief dar­in, und wenn es stürm­te und reg­ne­te, fand es dar­in Schutz, aber es war ein jäm­mer­li­ches Le­ben, und wenn es dar­an dach­te, wie es im Him­mel so schön ge­we­sen war, und die En­gel mit ihm ge­spielt hat­ten, so wein­te es bit­ter­lich. Wur­zeln und Wald­bee­ren wa­ren sei­ne ein­zi­ge Nah­rung, die such­te es sich, so weit es kom­men konn­te. Im Herbst sam­mel­te es die her­ab­ge­fal­le­nen Nüs­se und Blät­ter und trug sie in die Höh­le, die Nüs­se wa­ren im Win­ter sei­ne Spei­se, und wenn Schnee und Eis kam, so kroch es wie ein ar­mes Tier­chen in die Blät­ter, dass es nicht fror. Nicht lan­ge, so zer­ris­sen sei­ne Klei­der und fiel ein Stück nach dem an­dern vom Lei­be her­ab. So­bald dann die Son­ne wie­der warm schi­en, ging es her­aus und setz­te sich vor den Baum, und sei­ne lan­gen Haa­re be­deck­ten es von al­len Sei­ten wie ein Man­tel. So saß es ein Jahr nach dem an­dern und fühl­te den Jam­mer und das Elend der Welt.

Ein­mal, als die Bäu­me wie­der in fri­schem Grün stan­den, jag­te der Kö­nig des Lan­des in dem Wald und ver­folg­te ein Reh, und weil es in das Ge­büsch ge­flo­hen war, das den Wald­platz ein­schloss, stieg er vom Pferd, riss das Ge­strüpp aus­ein­an­der und hieb sich mit sei­nem Schwert einen Weg. Als er end­lich hin­durch­ge­drun­gen war, sah er un­ter dem Baum ein wun­der­schö­nes Mäd­chen sit­zen, das saß da und war von sei­nem gol­de­nen Haar bis zu den Fuß­ze­hen be­deckt. Er stand still und be­trach­te­te es voll Er­stau­nen, dann re­de­te er es an und sprach: »Wer bist du? Wa­rum sit­zest du hier in der Ein­öde?«

Es gab aber kei­ne Ant­wort, denn es konn­te sei­nen Mund nicht auf­tun. Der Kö­nig sprach wei­ter: »Willst du mit mir auf mein Schloss ge­hen?«

Da nick­te es nur ein we­nig mit dem Kopf. Der Kö­nig nahm es auf sei­nen Arm, trug es auf sein Pferd und ritt mit ihm heim, und als er auf das kö­nig­li­che Schloss kam, ließ er ihm schö­ne Klei­der an­zie­hen und gab ihm al­les im Über­fluss. Und ob es gleich nicht spre­chen konn­te, so war es doch schön und hold­se­lig, dass er es von Her­zen lieb ge­wann, und es dau­er­te nicht lan­ge, da ver­mähl­te er sich mit ihm.

Als etwa ein Jahr ver­flos­sen war, brach­te die Kö­ni­gin einen Sohn zur Welt. Da­rauf in der Nacht, wo sie al­lein in ih­rem Bet­te lag, er­schi­en ihr die Jung­frau Ma­ria und sprach: »Willst du die Wahr­heit sa­gen und ge­ste­hen, dass du die ver­bo­te­ne Tür auf­ge­schlos­sen hast, so will ich dei­nen Mund öff­nen und dir die Spra­che wie­der­ge­ben. Ver­harrst du aber in der Sün­de und leug­nest hart­nä­ckig, so neh­me ich dein neu­ge­bo­re­nes Kind mit mir.«

Da war der Kö­ni­gin ver­lie­hen zu ant­wor­ten, sie blieb aber ver­stockt und sprach: »Nein, ich habe die ver­bo­te­ne Tür nicht auf­ge­macht.«

Und die Jung­frau Ma­ria nahm das neu­ge­bo­re­ne Kind ihr aus den Ar­men und ver­schwand da­mit. Am an­dern Mor­gen, als das Kind nicht zu fin­den war, ging ein Ge­mur­mel un­ter den Leu­ten, die Kö­ni­gin wäre eine Men­schen­fres­se­rin und hät­te ihr ei­ge­nes Kind um­ge­bracht. Sie hör­te al­les und konn­te nichts da­ge­gen sa­gen, der Kö­nig aber woll­te es nicht glau­ben, weil er sie so lieb hat­te.

Nach ei­nem Jahr ge­bar die Kö­ni­gin wie­der einen Sohn. In der Nacht trat auch wie­der die Jung­frau Ma­ria zu ihr her­ein und sprach: »Willst du ge­ste­hen, dass du die ver­bo­te­ne Türe ge­öff­net hast, so will ich dir dein Kind wie­der­ge­ben und dei­ne Zun­ge lö­sen. Ver­harrst du aber in der Sün­de und leug­nest, so neh­me ich auch die­ses neu­ge­bo­re­ne mit mir.«

Da sprach die Kö­ni­gin wie­der­um: »Nein, ich habe die ver­bo­te­ne Tür nicht ge­öff­net.«

Und die Jung­frau nahm ihr das Kind aus den Ar­men weg und mit sich in den Him­mel. Am Mor­gen, als das Kind aber­mals ver­schwun­den war, sag­ten die Leu­te ganz laut, die Kö­ni­gin hät­te es ver­schlun­gen, und des Kö­nigs Räte ver­lang­ten, dass sie soll­te ge­rich­tet wer­den. Der Kö­nig aber hat­te sie so lieb, dass er es nicht glau­ben woll­te, und be­fahl den Rä­ten bei Lei­bes- und Le­bens­stra­fe, nicht mehr dar­über zu spre­chen.

Im nächs­ten Jahr ge­bar die Kö­ni­gin ein schö­nes Töch­ter­lein, da er­schi­en ihr zum drit­ten Mal nachts die Jung­frau Ma­ria und sprach: »Fol­ge mir.«

Sie nahm sie bei der Hand und führ­te sie in den Him­mel, und zeig­te ihr da ihre bei­den äl­tes­ten Kin­der, die lach­ten sie an und spiel­ten mit der Welt­ku­gel. Als sich die Kö­ni­gin dar­über freu­te, sprach die Jung­frau Ma­ria: »Ist dein Herz noch nicht er­weicht? Wenn du ein­ge­stehst, dass du die ver­bo­te­ne Tür ge­öff­net hast, so will ich dir dei­ne bei­den Söhn­lein zu­rück­ge­ben.«

Aber die Kö­ni­gin ant­wor­te­te zum drit­ten Mal: »Nein, ich habe die ver­bo­te­ne Tür nicht ge­öff­net.«

Da ließ sie die Jung­frau wie­der zur Erde hin­ab­sin­ken und nahm ihr auch das drit­te Kind.

Am an­dern Mor­gen, als es ruch­bar ward, rie­fen alle Leu­te laut: »Die Kö­ni­gin ist eine Men­schen­fres­se­rin, sie muss ver­ur­teilt wer­den.«

Und der Kö­nig konn­te sei­ne Räte nicht mehr zu­rück­wei­sen. Es ward ein Ge­richt über sie ge­hal­ten, und weil sie nicht ant­wor­ten und sich nicht ver­tei­di­gen konn­te, ward sie ver­ur­teilt, auf dem Schei­ter­hau­fen zu ster­ben. Das Holz wur­de zu­sam­men­ge­tra­gen, und als sie an einen Pfahl fest­ge­bun­den war und das Feu­er rings­um­her zu bren­nen an­fing, da schmolz das har­te Eis des Stol­zes und ihr Herz ward von Reue be­wegt, und sie dach­te: »Könnt ich nur noch vor mei­nem Tode ge­ste­hen, dass ich die Tür ge­öff­net habe.«

Da kam ihr die Stim­me, dass sie laut aus­rief: »Ja, Ma­ria, ich habe es ge­tan!«

Und als­bald fing der Him­mel an zu reg­nen und lösch­te die Feu­er­flam­men, und über ihr brach ein Licht her­vor, und die Jung­frau Ma­ria kam her­ab und hat­te die bei­den Söhn­lein zu ih­ren Sei­ten und das neu­ge­bo­re­ne Töch­ter­lein auf dem Arm. Sie sprach freund­lich zu ihr: »Wer sei­ne Sün­de be­reut und ein­ge­steht, dem ist sie ver­ge­ben.«

Und reich­te ihr die drei Kin­der, lös­te ihr die Zun­ge und gab ihr Glück für das gan­ze Le­ben.

Märchen von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen

Ein Va­ter hat­te zwei Söh­ne, da­von war der äl­tes­te klug und ge­scheit, und wuss­te sich in al­les wohl zu schi­cken. Der jüngs­te aber war dumm, konn­te nichts be­grei­fen und ler­nen, und wenn ihn die Leu­te sa­hen, spra­chen sie: »Mit dem wird der Va­ter noch sei­ne Last ha­ben!«

Wenn nun et­was zu tun war, so muss­te es der äl­tes­te all­zeit aus­rich­ten; hieß ihn aber der Va­ter noch spät oder gar in der Nacht et­was ho­len, und der Weg ging da­bei über den Kirch­hof oder sonst einen schau­ri­gen Ort, so ant­wor­te­te er wohl: »Ach nein, Va­ter, ich gehe nicht da­hin, es gru­selt mir!«

Denn er fürch­te­te sich. Oder wenn abends beim Feu­er Ge­schich­ten er­zählt wur­den, wo­bei ei­nem die Haut schau­dert, so spra­chen die Zu­hö­rer manch­mal: »Ach, es gru­selt mir!«

Der jüngs­te saß in ei­ner Ecke und hör­te das mit an und konn­te nicht be­grei­fen, was es hei­ßen soll­te. »Im­mer sa­gen sie, es gru­selt mir, es gru­selt mir! Mir gru­selt es nicht. Das wird wohl eine Kunst sein, von der ich auch nichts ver­ste­he.«

Nun ge­sch­ah es, dass der Va­ter ein­mal zu ihm sprach: »Hör, du in der Ecke dort, du wirst groß und stark, du musst auch et­was ler­nen, wo­mit du dein Brot ver­dienst. Siehst du, wie dein Bru­der sich Mühe gibt, aber an dir ist Hop­fen und Malz ver­lo­ren.«

»Ei, Va­ter«, ant­wor­te­te er, »ich will ger­ne was ler­nen; ja, wenn es an­gin­ge, so möch­te ich ler­nen, dass mir es gru­sel­te; da­von ver­ste­he ich noch gar nichts.«

Der äl­tes­te lach­te, als er das hör­te und dach­te bei sich: Du lie­ber Gott, was ist mein Bru­der für ein Dumm­bart, aus dem wird sein Leb­tag nichts. Was ein Häk­chen wer­den will, muss sich bei­zei­ten krüm­men. Der Va­ter seufz­te und ant­wor­te­te ihm: »Das Gru­seln, das sollst du schon ler­nen, aber dein Brot wirst du da­mit nicht ver­die­nen.«

Bald da­nach kam der Küs­ter zu Be­such ins Haus. Da klag­te ihm der Va­ter sei­ne Not und er­zähl­te, wie sein jüngs­ter Sohn in al­len Din­gen so schlecht be­schla­gen wäre, er wüss­te nichts und lern­te nichts. »Denkt Euch, als ich ihn frag­te, wo­mit er sein Brot ver­die­nen woll­te, hat er gar ver­langt, das Gru­seln zu ler­nen.«

»Wenn es wei­ter nichts ist«, ant­wor­te­te der Küs­ter, »das kann er bei mir ler­nen; tut ihn nur zu mir, ich wer­de ihn schon ab­ho­beln.«

Der Va­ter war es zu­frie­den, weil er dach­te: Der Jun­ge wird doch ein we­nig zu­ge­stutzt. Der Küs­ter nahm ihn also ins Haus, und er muss­te die Glo­cken läu­ten. Nach ein paar Ta­gen weck­te er ihn um Mit­ter­nacht, hieß ihn auf­ste­hen, in den Kirch­turm stei­gen und läu­ten. Du sollst schon ler­nen, was Gru­seln ist, dach­te er, ging heim­lich vor­aus, und als der Jun­ge oben war und sich um­dreh­te und das Glo­cken­seil fas­sen woll­te, so sah er auf der Trep­pe eine wei­ße Ge­stalt ste­hen. »Wer da?«, rief er, aber die Ge­stalt gab kei­ne Ant­wort, reg­te und be­weg­te sich nicht.

»Gib Ant­wort«, rief der Jun­ge, »oder ma­che, dass du fort­kommst, du hast hier in der Nacht nichts zu schaf­fen!«

Der Küs­ter aber blieb un­be­weg­lich ste­hen, da­mit der Jun­ge glau­ben soll­te, es wäre ein Ge­s­penst. Der Jun­ge rief zum zwei­ten Mal: »Was willst du hier? Sprich, wenn du ein ehr­li­cher Kerl bist, oder ich wer­fe dich die Trep­pe hin­ab.«

Der Küs­ter dach­te: Das wird so schlimm nicht ge­meint sein, gab kei­nen Laut von sich und stand, als wenn er von Stein wäre.

Da rief ihn der Jun­ge zum drit­ten Mal an, und als das auch ver­geb­lich war, nahm er einen An­lauf und stieß das Ge­s­penst die Trep­pe hin­ab, dass es zehn Stu­fen hin­ab­fiel und in ei­ner Ecke lie­gen blieb. Da­rauf läu­te­te er die Glo­cke, ging heim, leg­te sich ohne ein Wort zu sa­gen ins Bett und schlief fort. Die Küs­ter­frau war­te­te lan­ge Zeit auf ih­ren Mann, aber er woll­te nicht wie­der­kom­men. Da ward ihr end­lich angst, sie weck­te den Jun­gen und frag­te: »Weißt du nicht, wo mein Mann ge­blie­ben ist? Er ist vor dir auf den Turm ge­stie­gen.«

»Nein«, ant­wor­te­te der Jun­ge, »aber da hat ei­ner auf der Trep­pe ge­stan­den, und weil er kei­ne Ant­wort ge­ben und auch nicht weg­ge­hen woll­te, so habe ich ihn für einen Spitz­bu­ben ge­hal­ten und hin­un­ter­ge­sto­ßen. Geht nur hin, so wer­det Ihr se­hen, ob er es ge­we­sen ist, es soll­te mir leid­tun.«

Die Frau sprang fort und fand ih­ren Mann, der in ei­ner Ecke lag und jam­mer­te und ein Bein ge­bro­chen hat­te.

Sie trug ihn her­ab und eil­te mit lau­tem Ge­schrei zu dem Va­ter des Jun­gen. »Euer Jun­ge«, rief sie, »hat ein großes Un­glück an­ge­rich­tet, mei­nen Mann hat er die Trep­pe hin­ab­ge­wor­fen, dass er ein Bein ge­bro­chen hat. Schafft den Tau­ge­nichts aus un­serm Hau­se!«

Der Va­ter er­schrak, kam her­bei­ge­lau­fen und schalt den Jun­gen aus. »Was sind das für gott­lo­se Strei­che, die muss dir der Böse ein­ge­ge­ben ha­ben.«

»Va­ter«, ant­wor­te­te er, »hört nur an, ich bin ganz un­schul­dig. Er stand da in der Nacht wie ei­ner, der Bö­ses im Sin­ne hat. Ich wuss­te nicht, wer es war, und habe ihn drei­mal er­mahnt, zu re­den oder weg­zu­ge­hen.«

»Ach«, sprach der Va­ter, »mit dir er­leb ich nur Un­glück, geh mir aus den Au­gen, ich will dich nicht mehr an­se­hen.«

»Ja, Va­ter, recht ger­ne, war­tet nur bis Tag ist, da will ich aus­ge­hen und das Gru­seln ler­nen, so ver­steh ich doch eine Kunst, die mich er­näh­ren kann.«

»Ler­ne, was du willst«, sprach der Va­ter, »mir ist al­les ei­ner­lei. Da hast du fünf­zig Ta­ler, da­mit geh in die wei­te Welt und sage kei­nem Men­schen, wo du her bist und wer dein Va­ter ist, denn ich muss mich dei­ner schä­men.«

»Ja, Va­ter, wie Ihr es ha­ben wollt, wenn Ihr nicht mehr ver­langt, das kann ich leicht­tun.«

Als nun der Tag an­brach, steck­te der Jun­ge sei­ne fünf­zig Ta­ler in die Ta­sche, ging hin­aus auf die große Land­stra­ße und sprach im­mer vor sich hin: »Wenn mir es nur gru­sel­te! Wenn mir es nur gru­sel­te!«

Da kam ein Mann her­an, der hör­te das Ge­spräch, das der Jun­ge mit sich sel­ber führ­te, und als sie ein Stück wei­ter wa­ren, dass man den Gal­gen se­hen konn­te, sag­te der Mann zu ihm: »Siehst du, dort ist der Baum, wo sie­ben mit des Sei­lers Toch­ter Hoch­zeit ge­hal­ten ha­ben und jetzt das Flie­gen ler­nen: setz dich dar­un­ter und war­te, bis die Nacht kommt, so wirst du schon noch das Gru­seln ler­nen.«

»Wenn wei­ter nichts dazu ge­hört«, ant­wor­te­te der Jun­ge, »das ist leicht ge­tan; ler­ne ich aber so ge­schwind das Gru­seln, so sollst du mei­ne fünf­zig Ta­ler ha­ben; komm nur mor­gen früh wie­der zu mir.«

Da ging der Jun­ge zu dem Gal­gen, setz­te sich dar­un­ter und war­te­te, bis der Abend kam. Und weil ihn fror, mach­te er sich ein Feu­er an. Aber um Mit­ter­nacht ging der Wind so kalt, dass er trotz des Feu­ers nicht warm wer­den woll­te. Und als der Wind die Ge­henk­ten ge­gen­ein­an­ders­tieß, dass sie sich hin und her be­weg­ten, so dach­te er: Du frierst un­ten bei dem Feu­er, was mö­gen die da oben erst frie­ren und zap­peln. Und weil er mit­lei­dig war, leg­te er die Lei­ter an, stieg hin­auf, knüpf­te einen nach dem an­de­ren los und hol­te sie alle sie­ben her­ab.

Da­rauf schür­te er das Feu­er, blies es an und setz­te sie rings­her­um, dass sie sich wär­men soll­ten. Aber sie sa­ßen da und reg­ten sich nicht, und das Feu­er er­griff ihre Klei­der. Da sprach er: »Nehmt euch in acht, sonst häng ich euch wie­der hin­auf.«

Die To­ten aber hör­ten nicht, schwie­gen und lie­ßen ihre Lum­pen fort­bren­nen. Da ward er bös und sprach: »Wenn ihr nicht acht­ge­ben wollt, so kann ich euch nicht hel­fen, ich will nicht mit euch ver­bren­nen.« und hing sie nach der Rei­he wie­der hin­auf. Nun setz­te er sich zu sei­nem Feu­er und schlief ein, und am an­de­ren Mor­gen, da kam der Mann zu ihm, woll­te die fünf­zig Ta­ler ha­ben und sprach: »Nun, weißt du, was Gru­seln ist?«

»Nein«, ant­wor­te­te er, »wo­her soll­te ich es wis­sen? Die da dro­ben ha­ben das Maul nicht auf ge­tan und wa­ren so dumm, dass sie die paar al­ten Lap­pen, die sie am Lei­be ha­ben, bren­nen lie­ßen.« Da sah der Mann, dass er die fünf­zig Ta­ler heu­te nicht da­von­tra­gen wür­de, ging fort und sprach: »So ei­ner ist mir noch nicht vor­ge­kom­men.«

Der Jun­ge ging auch sei­nes Wegs und fing wie­der an, vor sich hin zu re­den: »Ach, wenn mir es nur gru­sel­te! Ach, wenn mir es nur gru­sel­te!« Das hör­te ein Fuhr­mann, der hin­ter ihm her schritt, und frag­te: »Wer bist du?«

»Ich weiß nicht«, ant­wor­te­te der Jun­ge. Der Fuhr­mann frag­te wei­ter: »Wo bist du her?«

»Ich weiß nicht.«

»Wer ist dein Va­ter?«

»Das darf ich nicht sa­gen.«

»Was brummst du be­stän­dig in den Bart hin­ein?«

»Ei«, ant­wor­te­te der Jun­ge, »ich woll­te, dass mir es gru­sel­te, aber nie­mand kann mich es leh­ren.«

»Lass dein dum­mes Ge­schwätz«, sprach der Fuhr­mann. »Komm, geh mit mir, ich will se­hen, dass ich dich un­ter­brin­ge.« Der Jun­ge ging mit dem Fuhr­mann, und abends ge­lang­ten sie zu ei­nem Wirts­haus, wo sie über­nach­ten woll­ten. Da sprach er beim Ein­tritt in die Stu­be wie­der ganz laut: »Wenn mir es nur gru­sel­te! Wenn mir es nur gru­sel­te!« Der Wirt, der das hör­te, lach­te und sprach: »Wenn dich da­nach lüs­tet, dazu soll­te hier wohl Ge­le­gen­heit sein.«

»Ach, schweig stil­le«, sprach die Wirts­frau, »so man­cher Vor­wit­zi­ge hat schon sein Le­ben ein­ge­büßt, es wäre Jam­mer und Scha­de um die schö­nen Au­gen, wenn die das Ta­ges­licht nicht wie­der se­hen soll­ten.« Der Jun­ge aber sag­te: »Wenn es noch so schwer wäre, ich will es ein­mal ler­nen, des­halb bin ich ja aus­ge­zo­gen.«

Er ließ dem Wirt auch kei­ne Ruhe, bis die­ser er­zähl­te, nicht weit da­von stän­de ein ver­wünsch­tes Schloss, wo ei­ner wohl ler­nen könn­te, was Gru­seln wäre, wenn er nur drei Näch­te dar­in wa­chen woll­te. Der Kö­nig hät­te dem, der es wa­gen woll­te, sei­ne Toch­ter zur Frau ver­spro­chen, und die wäre die schöns­te Jung­frau, wel­che die Son­ne be­schi­en; in dem Schlos­se steck­ten auch große Schät­ze, von bö­sen Geis­tern be­wacht, die wür­den dann frei und könn­ten einen Ar­men sehr reich ma­chen. Schon vie­le wä­ren wohl hin­ein, aber noch kei­ner wie­der her­aus­ge­kom­men.

Da ging der Jun­ge am an­de­ren Mor­gen vor den Kö­nig und sprach: »Wenn es er­laubt wäre, so woll­te ich wohl drei Näch­te in dem ver­wünsch­ten Schlos­se wa­chen.« Der Kö­nig sah ihn an und weil er ihm ge­fiel, sprach er: »Du darfst dir noch drei­er­lei aus­bit­ten, aber es müs­sen leb­lo­se Din­ge sein, und das darfst du mit ins Schloss neh­men.« Da ant­wor­te­te er: »So bit­te ich um ein Feu­er, eine Dreh­bank und eine Schnitz­bank mit dem Mes­ser.«

Der Kö­nig ließ ihm das al­les bei Tage in das Schloss tra­gen. Als es Nacht wer­den woll­te, ging der Jun­ge hin­auf, mach­te sich in ei­ner Kam­mer ein hel­les Feu­er an, stell­te die Schnitz­bank mit dem Mes­ser da­ne­ben und setz­te sich auf die Dreh­bank. »Ach, wenn mir es nur gru­sel­te«, sprach er, »aber hier wer­de ich es auch nicht ler­nen.« Ge­gen Mit­ter­nacht woll­te er sich sein Feu­er ein­mal auf­schü­ren, wie er so hin­ein­blies, da schrie es plötz­lich aus ei­ner Ecke: »Au, miau! Was uns friert!«

»Ihr Nar­ren«, rief er, »was schreit ihr? Wenn euch friert, kommt, setzt euch ans Feu­er und wärmt euch.« Und wie er das ge­sagt hat­te, ka­men zwei große schwar­ze Kat­zen in ei­nem ge­wal­ti­gen Sprun­ge her­bei, setz­ten sich ihm zu bei­den Sei­ten und sa­hen ihn mit feu­ri­gen Au­gen ganz wild an. Über ein Weil­chen, als sie sich ge­wärmt hat­ten, spra­chen sie: »Ka­me­rad, wol­len wir eins in der Kar­te spie­len?«

»Wa­rum nicht?«, ant­wor­te­te er, »aber zeigt ein­mal eure Pfo­ten her.« Da streck­ten sie die Kral­len aus. »Ei«, sag­te er, »was habt ihr lan­ge Nä­gel! War­tet, die muss ich euch erst ab­schnei­den.« Da­mit pack­te er sie beim Kra­gen, hob sie auf die Schnitz­bank und schraub­te ih­nen die Pfo­ten fest. »Euch habe ich auf die Fin­ger ge­se­hen«, sprach er, »da ver­geht mir die Lust zum Kar­ten­spiel«, schlug sie tot und warf sie hin­aus ins Was­ser.

Als er aber die zwei zur Ruhe ge­bracht hat­te und sich wie­der zu sei­nem Feu­er set­zen woll­te, da ka­men aus al­len Ecken und En­den schwar­ze Kat­zen und schwar­ze Hun­de an glü­hen­den Ket­ten, im­mer mehr und mehr, dass er sich nicht mehr be­we­gen konn­te. Die schri­en gräu­lich, tra­ten ihm auf sein Feu­er, zerr­ten es aus­ein­an­der und woll­ten es aus­ma­chen. Das sah er ein Weil­chen ru­hig mit an, als es ihm aber zu arg ward, fass­te er sein Schnitz­mes­ser und rief: »Fort mit dir, du Ge­sin­del« und haute auf sie los. Ein Teil sprang weg, die an­de­ren schlug er tot und warf sie hin­aus in den Teich.

Als er wie­der­ge­kom­men war, blies er aus den Fun­ken sein Feu­er frisch an und wärm­te sich. Und als er so saß, woll­ten ihm die Au­gen nicht län­ger of­fen blei­ben und er be­kam Lust zu schla­fen. Da blick­te er um sich und sah in der Ecke ein großes Bett. »Das ist mir eben recht«, sprach er, und leg­te sich hin­ein. Als er aber die Au­gen zu­tun woll­te, so fing das Bett von selbst an zu fah­ren und fuhr im gan­zen Schloss her­um. »Recht so«, sprach er, »nur bes­ser zu.« Da roll­te das Bett fort, als wä­ren sechs Pfer­de vor­ge­spannt, über Schwel­len und Trep­pen auf und ab: auf ein­mal, hopp hopp! Warf es um, das Un­ters­te zu­oberst, dass es wie ein Berg auf ihm lag.

Aber er schleu­der­te De­cken und Kis­sen in die Höhe, stieg her­aus und sag­te: »Nun mag fah­ren, wer Lust hat«, leg­te sich an sein Feu­er und schlief, bis es Tag war. Am Mor­gen kam der Kö­nig, und als er ihn da auf der Erde lie­gen sah, mein­te er, die Ge­s­pens­ter hät­ten ihn um­ge­bracht und er wäre tot. Da sprach er: »Es ist doch scha­de um den schö­nen Men­schen.« Das hör­te der Jun­ge, rich­te­te sich auf und sprach: »So weit ist es noch nicht!« Da Ver­wun­der­te sich der Kö­nig, freu­te sich aber, und frag­te, wie es ihm ge­gan­gen wäre. »Recht gut«, ant­wor­te­te er, »eine Nacht wäre her­um, die zwei an­de­ren wer­den auch her­um­ge­hen.« Als er zum Wirt kam, da mach­te der große Au­gen. »Ich dach­te nicht«, sprach er, »dass ich dich wie­der le­ben­dig se­hen wür­de; hast du nun ge­lernt, was Gru­seln ist?«

»Nein«, sag­te er, »es ist al­les ver­geb­lich. Wenn mir es nur ei­ner sa­gen könn­te!«

Die zwei­te Nacht ging er aber­mals hin­auf ins alte Schloss, setz­te sich zum Feu­er und fing sein al­tes Lied wie­der an: »Wenn mir es nur gru­sel­te!« Wie Mit­ter­nacht her­an­kam, ließ sich ein Lärm und Ge­pol­ter hö­ren; erst sach­te dann im­mer stär­ker, dann war es ein biss­chen still, end­lich kam mit lau­tem Ge­schrei ein hal­ber Mensch den Schorn­stein her­ab und fiel vor ihn hin. »Heda!«, rief er, »noch ein hal­ber ge­hört dazu, das ist zu we­nig.« Da ging der Lärm von fri­schem an, es tob­te und heul­te und fiel die an­de­re Hälf­te auch her­ab. »Wart«, sprach er, »ich will dir erst das Feu­er ein we­nig an­bla­sen.«

Wie er das ge­tan hat­te und sich wie­der um­sah, da wa­ren die bei­den Stücke zu­sam­men­ge­fah­ren und saß da ein gräu­li­cher Mann auf sei­nem Platz. »So ha­ben wir nicht ge­wet­tet«, sprach der Jun­ge, »die Bank ist mein.« Der Mann woll­te ihn wegdrän­gen, aber der Jun­ge ließ es sich nicht ge­fal­len, schob ihn mit Ge­walt weg und setz­te sich wie­der auf sei­nen Platz. Da fie­len noch mehr Män­ner her­ab, ei­ner nach dem an­de­ren, die hol­ten neun To­ten­bei­ne und zwei To­ten­köp­fe, setz­ten auf und spiel­ten Ke­gel. Der Jun­ge be­kam auch Lust und frag­te: »Hört ihr, kann ich mit sein?«

»Ja, wenn du Geld hast.«

»Geld ge­nug«, ant­wor­te­te er, »aber eure Ku­geln sind nicht recht rund.« Da nahm er die To­ten­köp­fe, setz­te sie in die Dreh­bank und dreh­te sie rund. »So, jetzt wer­den sie bes­ser schüp­peln«, sprach er, »hei­da! Nun geht es lus­tig!« Er spiel­te mit und ver­lor et­was von sei­nem Geld, als es aber zwölf schlug, war al­les vor sei­nen Au­gen ver­schwun­den. Er leg­te sich nie­der und schlief ru­hig ein. Am an­de­ren Mor­gen kam der Kö­nig und woll­te sich er­kun­di­gen. »Wie ist dir es dies­mal ge­gan­gen?«, frag­te er. »Ich habe ge­ke­gelt«, ant­wor­te­te er, »und ein paar Hel­ler ver­lo­ren.«

»Hat dir denn nicht ge­gru­selt?«

»Ei was«, sprach er, »lus­tig hab ich mich ge­macht. Wenn ich nur wüss­te, was Gru­seln wäre!«

In der drit­ten Nacht setz­te er sich wie­der auf sei­ne Bank und sprach ganz ver­drieß­lich: »Wenn es mir nur gru­sel­te!« Als es spät ward, ka­men sechs große Män­ner und brach­ten eine To­ten­la­de her­ein­ge­tra­gen. Da sprach er: »Ha, ha, das ist ge­wiss mein Vet­ter­chen, das erst vor ein paar Ta­gen ge­stor­ben ist«, wink­te mit dem Fin­ger und rief, »komm, Vet­ter­chen, komm!« Sie stell­ten den Sarg auf die Erde, er aber ging hin­zu und nahm den De­ckel ab: da lag ein to­ter Mann dar­in.

Er fühl­te ihm ans Ge­sicht, aber es war kalt wie Eis. »Wart«, sprach er, »ich will dich ein biss­chen wär­men«, ging ans Feu­er, wärm­te sei­ne Hand und leg­te sie ihm aufs Ge­sicht, aber der Tote blieb kalt. Nun nahm er ihn her­aus, setz­te sich ans Feu­er, leg­te ihn auf sei­nen Schoß und rieb ihm die Arme, da­mit das Blut wie­der in Be­we­gung kom­men soll­te. Als auch das nichts hel­fen woll­te, fiel ihm ein, »wenn zwei zu­sam­men im Bett lie­gen, so wär­men sie sich«, brach­te ihn ins Bett, deck­te ihn zu und leg­te sich ne­ben ihn. Über ein Weil­chen ward der Tote warm und fing an sich zu re­gen. Da sprach der Jun­ge: »Siehst du, Vet­ter­chen, hät­te ich dich nicht ge­wärmt!« Der Tote aber hub an und rief: »Jetzt will ich dich er­wür­gen.«

»Was«, sag­te er, »ist das mein Dank? Gleich sollst du wie­der in dei­nen Sarg«, hub ihn auf, warf ihn hin­ein und mach­te den De­ckel zu; da ka­men die sechs Män­ner und tru­gen ihn wie­der fort. »Es will mir nicht gru­seln«, sag­te er, »hier ler­ne ich es mein Leb­tag nicht.«

Da trat ein Mann her­ein, der war grö­ßer als. Alle an­de­ren, und sah fürch­ter­lich aus; er war aber alt und hat­te einen lan­gen wei­ßen Bart. »O du Wicht«, rief er, »nun sollst du bald ler­nen, was Gru­seln ist, denn du sollst ster­ben.«

»Nicht so schnell«, ant­wor­te­te der Jun­ge, »soll ich ster­ben, so muss ich auch da­bei sein.«

»Dich will ich schon pa­cken«, sprach der Un­hold.

»Sach­te, sach­te, mach dich nicht so breit; so stark wie du bin ich auch, und wohl noch stär­ker.«

»Das wol­len wir sehn«, sprach der Alte, »bist du stär­ker als ich, so will ich dich ge­hen las­sen; komm, wir wol­len es ver­su­chen.« Da führ­te er ihn durch dunkle Gän­ge zu ei­nem Schmie­de­feu­er, nahm eine Axt und schlug den einen Am­boss mit ei­nem Schlag in die Erde. »Das kann ich noch bes­ser«, sprach der Jun­ge, und ging zu dem an­de­ren Am­boss. Der Alte stell­te sich ne­ben­hin und woll­te zu­se­hen, und sein wei­ßer Bart hing her­ab.

Da fass­te der Jun­ge die Axt, spal­te­te den Am­boss auf einen Hieb und klemm­te den Bart des Al­ten mit hin­ein. »Nun hab ich dich«, sprach der Jun­ge, »jetzt ist das Ster­ben an dir.« Dann fass­te er eine Ei­sen­stan­ge und schlug auf den Al­ten los, bis er wim­mer­te und bat, er möch­te auf­hö­ren, er woll­te ihm große Reich­tü­mer ge­ben. Der Jun­ge zog die Axt raus und ließ ihn los. Der Alte führ­te ihn wie­der ins Schloss zu­rück und zeig­te ihm in ei­nem Kel­ler drei Kas­ten voll Gold. »Da­von«, sprach er, »ist ein Teil den Ar­men, der an­de­re dem Kö­nig, der drit­te dein.« In­dem schlug es zwöl­fe, und der Geist ver­schwand, also dass der Jun­ge im Fins­tern stand. »Ich wer­de mir doch her­aus­hel­fen kön­nen«, sprach er, tapp­te her­um, fand den Weg in die Kam­mer und schlief dort bei sei­nem Feu­er ein. Am an­de­ren Mor­gen kam der Kö­nig und sag­te: »Nun wirst du ge­lernt ha­ben, was Gru­seln ist?«

»Nein«, ant­wor­te­te er, »was ist es nur? Mein to­ter Vet­ter war da, und ein bär­ti­ger Mann ist ge­kom­men, der hat mir da un­ten viel Geld ge­zeigt, aber was Gru­seln ist, hat mir kei­ner ge­sagt.« Da sprach der Kö­nig: »Du hast das Schloss er­löst und sollst mei­ne Toch­ter hei­ra­ten.«

»Das ist al­les recht gut«, ant­wor­te­te er, »aber ich weiß noch im­mer nicht, was Gru­seln ist.«

Da ward das Gold her­auf­ge­bracht und die Hoch­zeit ge­fei­ert, aber der jun­ge Kö­nig, so lieb er sei­ne Ge­mah­lin hat­te und so ver­gnügt er war, sag­te doch im­mer: »Wenn mir es nur gru­sel­te! Wenn mir es nur gru­sel­te!« Das ver­dross sie end­lich. Ihr Kam­mer­mäd­chen sprach: »Ich will Hil­fe schaf­fen, das Gru­seln soll er schon ler­nen.« Sie ging hin­aus zum Bach, der durch den Gar­ten floss, und ließ sich einen gan­zen Ei­mer voll Gründ­lin­ge ho­len. Nachts, als der jun­ge Kö­nig schlief, muss­te sei­ne Ge­mah­lin ihm die De­cke weg­zie­hen und den Ei­mer voll kalt Was­ser mit den Gründ­lin­gen über ihn her­schüt­ten, dass die klei­nen Fi­sche um ihn her­um zap­pel­ten. Da wach­te er auf und rief: »Ach, was gru­selt mir, was gru­selt mir, lie­be Frau! Ja, nun weiß ich, was Gru­seln ist.«

Der Wolf und die sieben jungen Geißlein

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