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Examensarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Pädagogik - Schulpädagogik, Note: 1,5, Universität Osnabrück (Erziehungswissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: "Kleine Helden in Not?- Zur Aktualität schulpädagogischer Jungenförderung" geht tiefgreifend auf die schulische Situation von Jungen ein. Anfang der neunziger Jahre haben Schnack und Neuzling, mit dem gleichnamigen Titel ihres Buches "Kleine Helden in Not", bereits unsere Aufmerksamkeit auf die Jungen und ihre gesellschaftlich oft problematischere Situation gelenkt. Das vorliegende Werk beschäftigt sich nun besonders mit dem schulischen Aspekt. Spätestens nach Pisa wurde deutlich, dass Jungen in einigen Kompetenzbereichen erheblich schlechter abschneiden als Mädchen. Die Arbeit stellt nun ausführlich die momentane Lage von Jungen in der Schule da. Darüberhinaus wird eine umfangreiche Ursachenforschung betrieben. Der letzte Teil geht dann schwerpunktmäßig auf die bis zu diesem Zeitpunkt entwickelten Fördermaßnahmen für Jungen ein.
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4.2.1 Männliche Geschlechtsidentität - Zur Konstruktion von Männ-
4.2.2 Männlichkeitskonstruktionen und ihre Folgen für die Interaktion
4.3 Zum Fehlen männlicher Vorbilder 54 4.3.1 Vater-Sohn-Beziehung 55 4.3.2 Abwesende Väter 56 4.3.3 Zwischenresümee 59
4.3.4 Zur Feminisierung der Schule 59
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V. Ansätze und praktische Möglichkeiten der Jungenförderung in der koedu-66kativen Schule
5. Jungenförderung 66
5.1 Jungenarbeit und Jungenförderung 66
5.2 Geschlechtsspezifische Leseförderung 68
5.3 Jungenförderung am Beispiel der Leseförderung 69
5.3.1 Die Schule muss Aufgaben der familiären Lesesozialisation über-
5.4 Koedukation und Jungenförderung? 76
5.4.1 Zeitweise geschlechtergetrennter Unterricht als Ausweg? 77
5.4.2 Zur Vermeidung von Geschlechtsstereotypenbildung - Dramatisieren, Differenzieren und Entdramatisieren der Kategorie Geschlecht 80
5.4.3 „Jungenstunden“ als Möglichkeit sozialer und leistungsbezogener Förderung 82
86VI. Schlusswort
89VII Literaturverzeichnis
101VIII. Anhang
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„Kleine Helden in Not“, so betiteln Dieter Schnack und Rainer Neutzling ihr im Jahr 1990 erschienene Buch1über die schwierige Suche von Jungen nach Männlichkeit. Die Autoren stellten ein ganz anderes Bild männlicher Heranwachsender dar als man es zuvor gesehen hatte. Es zeigte sich, dass Jungen die Mehrzahl der schwierigen Kinder in der Gesellschaft ausmachen: Sie haben Probleme sich in ihrer männlichen Identitätsentwicklung zurechtzufinden, leiden häufiger als Mädchen an psychischen und physischen Erkrankungen und zeigen ein höheres Potenzial an Gewaltbereitschaft, wobei sie auch öfter Opfer von Gewalttaten werden. Nicht zuletzt erwähnen Neuzling und Schnack, dass es auch um die schulische Situation von Jungen nicht gut bestellt ist. Männliche Schüler sind in einer höheren Anzahl an Förderschulen und Hauptschulen vertreten als Mädchen. Zudem sind sie auch vermehrt von Klassenwiederholungen betroffen.
Nach Erscheinen dieses Buches entfachte eine Diskussion um dieses Thema, vor allem auch in schulischer Hinsicht. Plötzlich sah man nicht mehr nur die Mädchen als benachteiligt an, sondern fokussierte seinen Blick zunehmend auf die Jungen. In den vergangenen sechzehn Jahren erschienen kontinuierlich Veröffentlichungen zur problematischen Bildungssituation der Jungen. Auch Ergebnisse aus Schulleistungsstudien, wie z.B. PISA wurden herangezogen und konnten aufdecken, dass Jungen in bestimmten speziellen Kompetenzen weit hinter den Mädchen liegen. Eine Großzahl der Publikationen zu diesem Thema beschäftigte sich zunächst mit der Ursachenforschung. Man fragte sich also, wie es zu einer solchen Entwicklung gekommen war. Die Ursachenforschung beschränkte sich allerdings nicht nur auf pädagogische Aspekte, sondern fand auch auf anderen Gebieten, wie beispielsweise der Soziologie, Sozialwissenschaft und Neurolinguistik statt. Im Zuge der Forschung sind mittlerweile auch erste Ansätze zur Jungenförderung entstanden. Es handelt sich hierbei um Maßnahmen zur sozialen und leistungsbezogenen Förderung von Jungen.
Mit der angesprochenen Problematik hat sich ein ganz neues pädagogisches Forschungsgebiet, die Jungenförderung, als Pendant zur Mädchenförderung, etabliert. Bei der pädagogischen Jungenförderung handelt es sich um ein relativ neues Forschungsgebiet, das scheinbar längst überfällig war, hat man doch feststellen können,
1Schnack und Neutzling 1990
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dass die schwierige Situation von Jungen schon viel länger existiert, als man annehmen sollte: Michèle Cohen schreibt dazu in ihremAusfsatz `A habit of health idelness`: boy`s underachivement in historical perspektive,dass eine problematische Situation von Jungen in der Schule bereits im 17. Jahrhundert bestanden hätte.2Doch erst in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts hat das Thema in der Pädagogik seine Beachtung erhalten.
Im Rahmen dieser Arbeit soll es nun um die Aktualität bzw. die Brisanz des Themas Jungenförderung für die Schule gehen. Deshalb wird der Schwerpunkt auch auf der Ursachenforschung liegen, um darzustellen wie wichtig eine geschlechtsspezifische Förderung für Jungen in der Schule ist. Die vorliegende Arbeit gliedert sich in drei große Bereiche: Im ersten Teil soll aufgezeigt werden, wie die Entwicklung der schulischen Situation der Jungen seit der Erscheinung von „Kleine Helden in Not“ verlaufen ist. Es soll auch untersucht werden, inwiefern sich die Situation mittlerweile darstellt. Im zweiten und größten Teil der Arbeit werden konkret momentan diskutierte Erklärungsansätze der schulischen Situation für Jungen thematisiert. Dabei werden verschiedene Aspekte der heutigen Lebenswelt von Jungen, wie Schule, Elternhaus und Gesellschaft berücksichtigt. Aus den ermittelten Ergebnissen sollen weiterhin schon vereinzelnd Überlegungen zur Veränderung im didaktisch-methodischen Bereich von Schule und Unterricht erläutert werden.
Der letzte Teil der Arbeit beinhaltet schließlich aktuelle schulpädagogische Fördermaßnahmen für Jungen.
Einleitend soll der geschichtliche Verlauf der Debatte um die Benachteiligung von Jungen in der Schule noch mal eine detaillierte Übersicht verschaffen.
Im Voraus ist es nun von großer Wichtigkeit zu erwähnen, dass es sich hier nur um Schwierigkeiten männlicher Schüler im Allgemeinen handelt, dementsprechend können und dürfen die folgenden Aussagen nicht auf jeden männlichen Schüler bezogen werden. Von einer Generalisierung der Ergebnisse auf alle männlichen Schüler sollte deshalb abgesehen werden.
2Cohen in Epstein et al. 1998, S.20
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In den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts diskutierte man erstmals, im Zusammenhang mit der Bildungsexpansion, über die Benachteiligung von Mädchen in der Schule.3Vor allem durch den aufkommenden Feminismus am Ende der 1960er Jahre erhielt die Diskriminierungsdebatte ein neues Ausmaß, das „den erziehungswissenschaftlichen Diskurs unmittelbar beeinflusste“.4Auch erste empirische Untersuchungen über Bildungsbenachteiligungen in der Bundesrepublik Deutschland wurden Ende der 60er Jahre durchgeführt.5Die Untersuchungen brachten eindeutige Ergebnisse, die die schlechte Bildungssituation der Mädchen und Frauen deutlich machte. „In der Debatte wurde das katholische Arbeitermädchen vom Lande als die soziale Kategorie bezeichnet, die am wenigsten Zugang zu weiterführender Bildung hatte.“6Trotz dieser Untersuchungen gab es jedoch eher wenig Stimmen, die sich für die Mädchen und ihre Bildung einsetzten.7Es ging vielmehr darum, Chancengleichheit für alle zu sichern, dass heißt, man setzte den Hauptaspekt nicht auf die Differenzen der Geschlechter, sondern thematisierte eher soziale Herkunft und Religionsangehörigkeit.8Geschlechterfragen wurden nur am Rande diskutiert und bekamen nicht die Aufmerksamkeit, die anhand der Untersuchungen angebracht gewesen wäre. Die ersten aussagekräftigen Schriften bezüglich der Sexismusdebatte erschienen erst in den 1970er Jahren. In diesem Jahrzehnt wurden auch die ersten Frauensommeruniversitäten (1976 und 1978) in Berlin veranstaltet. Hier diskutierte man neben gesellschaftspolitischen Fragen auch das Thema „Sexismus in der Schule“.9Nach der Gründung einer AG „Frauen und Schule“ der schulpädagogischen Frauenforschung, in der die soziale Konstruktion der weiblichen Unterlegenheit in vielen „subtilen Sozialisationsmechanismen“ angeklagt wurde, entstand eine lang anhaltende „Trotzphase“ der pädagogischen Frauenforschung.10Diese Trotzphase zeichnete sich aus schulpädagogischer Sicht darin aus, dass von Seiten der Frauenforschung immer wieder Nachweise des Sexismus in Schulbüchern, Unterrichtsfächern und -interaktionen,
3Vgl. Crotti, Zeitschrift für Pädagogik 3/2006, 363/365
4Vgl. ebd. 363/365
5Vgl. ebd. 363/366
6Kaiser 2003, S.10
7Vgl. ebd. S.10
8Vgl. Kreienbaum und Urbaniak, 2006, S.31
9Vgl. Kaiser 1997, S.4
10Vgl. ebd. S.4
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sowie in Gewaltverhältnissen auf dem Schulhof aufgedeckt wurden.11In den 80er Jahren begann die AG „Frauen und Schule“ Kongresse abzuhalten (erste bundesweite Fachtagung „Frauen und Schule“ 1982 in Gießen) auf denen jährlich internationale Forschungsergebnisse aufgenommen und neu initiiert wurden.12Auf diesen Tagungen wurde der heimliche Lehrplan mehr und mehr bezüglich der Geschlechterdiskriminierung in der Schule analysiert.13„In dieser Situation war die AG „Frauen und Schule“ das einzige öffentliche Forum für die Kritik des schulischen Sexismus.“14Diese Sexismusdebatte schloss zugleich die Situation der Mütter mit ein und bezog sich auch auf die Schulpraxis von Lehrerinnen, was als Thema in den Tagungen eine eigene hohe Bedeutung besaß.15
Im Zuge der großen Veränderung im Bildungswesen in den 70er Jahren hatte sich die Situation für Mädchen an Schulen jedoch längst verbessert.16Durch die Oberstufenre-form 1972 wurde die Auflösung der Schulen nach „Zweigen“ (altsprachlich, neusprachlich, mathematisch) bewirkt, was zur Konsequenz hatte, dass auch an Mädchenschulen, von diesem Zeitpunkt an, der gesamte Fächerkanon angeboten werden konnte. Es gab somit eine größere Auswahl an Schulen für Mädchen, an denen sie das Abitur ablegen konnten.17Auch die Einführung der Koedukation brachte den Mädchen Vorteile, da gemischtgeschlechtliche Schulen ihnen die gleichen Bildungschancen darboten wie ihren männlichen Mitschülern.18Die Koedukation hat jedoch seitdem viele kritische Diskussionen ausgelöst. Ende der 70er Jahre machten schließlich ebenso viele Mädchen wie Jungen das Abitur.19Die Frauenrechtlerinnen hatten mit ihren Debatten in den 70er Jahren nun erreicht, wofür sie lange gekämpft hatten. In den 80er Jahren begannen zum ersten Mal staatliche Institutionen (z.B. das Land Hessen durch das frauenpolitische Landesprogramm von 1984) Forschungen zur „Frauen-und- Schule- Problematik“ zu finanzieren.20Verschiedene Projekte zur Förderung von Mädchen in Naturwissenschaft, Technik und Computerarbeit wurden realisiert.21Zudem untersuchte man Interaktionen von Mädchen und Jungen im Unterricht, um die Verschiedenheit der Sozialisation beider Geschlechter darzustellen und feminis-
11Vgl.Kaiser 1997, S.4
12Vgl. Kaiser 2003, S.11
13Vgl. Kaiser 1997, S.5
14Enders-Dragässer 1996 nach Kaiser 1997, S. 5
15Vgl. Enders-Dragässer 1996 nach Kaiser 1997, S. 5
16Vgl. Kreienbaum und Urbaniak, 2006, S. 33
17Vgl. ebd. S.33
18Vgl. ebd. S.33
19Vgl. ebd. S. 33
20Vgl. Kaiser, 1997, S.5
21Vgl. Kaiser, 2005, S.10
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tisch begründete Alternativen zu suchen.22Enders-Dragässer und Fuchs veröffentlichten dazu 1989 ihre Analyse „Interaktion der Geschlechter. Sexismusstrukturen in der Schule.“23Im Jahr zuvor veröffentlichen sie ihre Expertise „ Jungensozialistation in der Schule“, in der sich Enders-Dragässer und Fuchs mit der Schule, als Ort geschlechtsspezifisch unterschiedlicher Interaktionen, auseinandersetzten.24Im Zusammenhang dieser Untersuchungen diskutierte man auch die Wiedereinführung reiner Mädchen- und Jungenschulen.25
In den 1990er Jahren mischten sich zunehmend Männer in die Diskussion pädagogischer Frauenforschung ein und stellten sich als die besseren Frauenforscher dar.26Das negative Bild des frauenunterdrückenden und mächtigen Mannes sollte abgeschafft werden. Denn zuvor „[…] fiel (es) der feministischen Frauenforschung schwer, positive Aussagen zu Männern zu machen und herauszuarbeiten, inwiefern es Frauen glückt, zu Männern gelungene Beziehungen einzugehen und mit ihnen zusammenzuarbeiten.“27Andere Sichtweisen wurden nun in Betracht gezogen. Man beschäftigte sich nicht mehr so stark mit den „Differenzthesen“ der Geschlechter, denn man war der Meinung, dass gerade die Nennung der Differenzen zur „Konstruktion“ beitragen würde.28Die Geschlechterforschung und die feministisch orientierte Schulforschung hatten sich von der Suche nach Differenzen abgewandt und sahen stattdessen das Geschlecht jetzt als eine „soziale Konstruktion“.29Das Geschlecht sollte keine Bedeutung mehr spielen.
Dennoch konnte nicht von einer Gleichstellung der Geschlechter gesprochen werden. Mädchen erhielten zwar im Gegensatz zu Jungen von Jahr zu Jahr bessere Noten und Schulabschlüsse, aber die Führungspositionen in Wirtschaft, Wissenschaft und Politik und generell besser bezahlte Arbeitsplätze waren noch fest in der Hand der Männer.30Doch nach und nach wurde nicht nur den Frauenforscherinnen klar, dass die oberflächliche „Beharrlichkeit des Patriarchats“ auch seine Widersprüche und Konflikte mit sich brachte. Der feministische Diskurs hatte auch andere Konsequenzen: „Seine kritische Rede zu den Geschlechterverhältnissen, männlicher Herrschaft und weiblicher Unterdrückung, hinterließ unübersehbare Spuren in der gesellschaftlichen Pra-22Vgl.Kaiser,2005, S.10
23Vgl. Kaiser, 1997, S.5
24Vgl. Kaiser, 2005, S.10
25Vgl. ebd. S.10
26Vgl. Kaiser, 1997, S.6
27Schultheis; Strobel-Eisele; Fuhr, 2006, S.26
28Kaiser, 2005, S.10
29Schultheis; Strobel-Eisele; Fuhr, 2006, S.22
30Vgl. Kaiser, 1997, S.6
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xis.“31Viele männliche Autoren versuchten mit ihren Publikationen auf die schlechte Situation von Jungen und Männern aufmerksam zu machen. Eine der bekanntesten damaligen Veröffentlichungen zu diesem Thema war das populärwissenschaftliche Buch „Kleine Helden in Not“(1990) von Dieter Schnack und Rainer Neutzling. Schnack und Neutzling wollten der Öffentlichkeit vermitteln, dass durch all die Bemühungen, vor allem seitens der Frauenbewegung, Mädchenbenachteiligung abzubauen, die Jungen offenbar auf der Strecke geblieben waren. Kreienbaum und Urbaniak bezeichnen das Werk von Schnack und Neutzling als „Schleusenöffner“ für die Forderung nach einer neuen Jungenerziehung und -sozialisation.32Viele (vor allem männliche) Autoren taten es ihnen gleich und veröffentlichten Werke, welche die alarmierende Situation von Jungen in Schule und Gesellschaft darstellten und Ratschläge für neue Erziehungswege darboten. Darunter befinden sich unter anderem: z.B. „Jungen, wie sie glücklich heranwachsen“ (Biddulph 1999), „Jungen. Was sie vermissen, was sie brauchen“ (Pollack, 2001), „Echte Kerle. Jungen und ihre Helden“ (Rohrmann 2001), „Ich bin froh, dass ich ein Junge bin. Materialien zur Jungenarbeit in der Schule.“ (Boldt 2004) und nicht zu vergessen die erst kürzlich erschienene Publikation „Jungenkatastrophe. Das überforderte Geschlecht“ (Beuster, 2006), die im letzten Jahr wiederum viele Diskussionen zu diesem Thema, besonders in der Presse, ausgelöst hat.
Die Themen „Jungen und ihre Probleme“, sowie „Jungen und Schule“ wurden nun zu einem festen Aspekt der Koedukationsdebatte. Von nun an wurde nicht nur ein Augenmerk auf die Verbesserung der schulischen Situation von Mädchen geworfen, sondern auch Jungen und in ihrer speziellen Situation mehr Beachtung geschenkt. Mit ihrem Buch „Kleine Helden in Not“ haben Schnack und Neutzling vermutlich zum „Perspektivwechsel“ beigetragen, „indem sie auf die Widersprüche zwischen gesellschaftlichem Größeimperativ und realer psychischer Existenz von Jungen verwiesen.“33Zudem haben sie vermutlich den „arme Jungen“ -Diskurs34, von diesem Zeitpunkt erst richtig ins Rollen gebracht. Die entstandenen Erziehungsratgeber, die vornehmlich für Eltern gedacht sind, bekommen jedoch mittlerweile nicht nur Zusprüche. Es wird bemängelt: dass die Autoren nicht sehr wissenschaftlich arbeiten und z.B. oft auf Quellen von Forschungsergebnissen verzichten und die „Argumentation nur ein-
31Rosein Rose und Schmauch (Hrsg.), 2005, S. 13
32Vgl. Kreienbaum und Urbaniak, 2006, S. 56
33Vgl. Kaiser, 2005, S.6
34Rose in Rose und Schmauch (Hrsg.), 2005, S.13
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geschränkt oder pauschal nachvollziehbar“ sei.35Mittlerweile wurden auch einigen Vorschläge zur geschlechtsbezogenen Arbeit mit Jungen veröffentlicht, die ihren Schwerpunkt nicht nur auf die allgemeine Problemlage setzen, sondern konkrete Ansätze zur Jungenförderung bieten. Man vermutet jedoch, dass optimale Lösungsansätze noch in der Zukunft liegen.36
Des Weitern soll die Situation der Jungen in der Schule näher darstellt werde. Wo haben Jungen Schwächen? Auf welchen Schulen sind Jungen vertreten?
35Vgl. Schultheis; Strobel-Eisele; Fuhr, 2006, S.16
36Vgl. Kaiser, 2005, S.13
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3.1 Zahlen und Fakten zum Anteil von Jungen an allgemeinbildenden Schulen
Schon 1990 schrieben Schnack und Neutzling in ihrer Schrift „Kleine Helden in Not: „Bei der Verteilung auf die verschiedenen Schultypen zeigt sich, daß die Mädchen im Vergleich zu früher deutlich aufgeholt haben. An der Realschule beträgt ihr Anteil bundesweit 53%, am Gymnasium 50,4%. Dagegen werden an der unbeliebten Restschule, der Hauptschule, deutlich mehr Jungen unterrichtet (Stand 1985/86).“37Auch die Absolventenzahlen vom Jahrgang 1985/86 (Dieses Schuljahr wird von Schnack und Neutzling in ihrem Buch exemplarisch dargestellt) zeigen deutlich, dass z.B. 60,3% der Jungen ohne Hauptschulabschluss die Schule verlassen, wobei sie aber wiederum nur 44,7% der Absolventen mit einer Fachhochschulreife ausmachen. Beim Erreichen des Abiturs halten sich die Absolventenzahlen für Mädchen und Jungen noch in der Waage.
Tabelle 1: Absolventen und Absolventinnen 1985/86 nach Schulart und Abschluss in Deutschland
Wie schon erwähnt wurde, gab es nach der Veröffentlichung von Schnacks und Neutzlings Werk eine Welle von Diskussionen, Aufrufen und Veröffentlichungen, sowie beginnende Maßnahmen der Jungenförderung zur allgemeinen Verbesserung der Situation von Jungen in der Schule, die bis zum jetzigen Zeitpunkt angehalten hat. Doch wie sieht es aktuell mit der Verteilung von Jungen an allgemein bildenden Schulen aus? Gibt es, sechzehn Jahre nach Beginn der Jungenförderung, eine positive Veränderung der Jungenanteile an den verschiedenen Schultypen?
37Schnack und Neutzling, 1990, S.142