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Dieses eBook: "König Heinrich VI. / King Henry VI - Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) / Bilingual edition (German-English)" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. - This carefully crafted ebook: "König Heinrich VI. / King Henry VI - Zweisprachige Ausgabe (Deutsch-Englisch) / Bilingual edition (German-English)" is formatted for your eReader with a functional and detailed table of contents. - Diese Zweisprachige Shakespeare Ausgabe hilft dem Leser Shakespeare besser zu verstehen und zu interpretieren, ist praktisch beim Nachschlagen und sehr nützlich um Englisch / Deutsch als Fremdsprache zu Lernen oder zu Lehren. - This bilingual Shakespeare edition helps the reader to understand and to interpret Shakespeare better, is practical for looking up text passages and very useful for learning and teaching german / english language through classic literature. - "Heinrich VI." ist ein Historiendrama in drei Teilen mit jeweils fünf Akten von William Shakespeare. Der erste Teil mit dem Titel The First Part of Henry the Sixth ist ca. 1589-90 entstanden, die beiden anderen als The First Part of the Contention of the Two Famous Houses of York and Lancaster und The True Tragedy of Richard Duke of York and the Good King Henry the Sixth ca. 1590-92. Zusammen mit dem Stück Richard III. bilden sie die sogenannte York-Tetralogie. - Although the Henry VI trilogy may not have been written in chronological order, the three plays are often grouped together with Richard III to form a tetralogy covering the entire Wars of the Roses saga, from the death of Henry V in 1422 to the rise to power of Henry VII in 1485. It was the success of this sequence of plays that firmly established Shakespeare's reputation as a playwright. - William Shakespeare (1564-1616) war ein englischer Dramatiker, Lyriker und Schauspieler. - William Shakespeare (1564-1616) was an English poet, playwright and actor.
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Seitenzahl: 744
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Übersetzer / Translators: August Wilhelm von Schlegel, Ludwig Tieck
(german)
Inhalt
PERSONEN
ERSTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEITE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
FÜNFTE SCENE
SECHSTE SCENE
ZWEITER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEITE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
FÜNFTE SCENE
DRITTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEITE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
VIERTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEITE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
FÜNFTE SCENE
SECHSTE SCENE
SIEBENTE SCENE
FÜNFTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEITE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
FÜNFTE SCENE
König Heinrich der Sechste.
Herzog von Gloster, Oheim des Königs und Protektor.
Herzog von Bedford, Oheim des Königs und Regent von Frankreich.
Thomas Beaufort, Herzog von Exeter, Großoheim des Königs.
Heinrich Beaufort, Großoheim des Königs, Bischof von Winchester und nachmals Kardinal.
Johann Beaufort, Graf von Somerset, nachmals Herzog.
Richard Plantagenet, ältester Sohn des hingerichteten Grafen von Cambridge, nachmals Herzog von York.
Graf von Warwick.
Graf von Salisbury.
Graf von Suffolk.
Lord Talbot, nachmals Graf von Shrewsbury.
Johann Talbot, sein Sohn.
Edmund Mortimer, Graf von March.
Mortimers Gefangenwärter.
Ein Rechtsgelehrter.
Sir John Fastolfe.
Sir William Lucy.
Sir William Glansdale.
Sir Thomas Gargrave.
Schultheiß von London.
Woodville, Kommandant des Turmes.
Vernon.
Basset.
Karl, Dauphin, nachmaliger König von Frankreich.
Reignier, Herzog von Anjou und Titularkönig von Neapel.
Herzog von Burgund.
Herzog von Alençon.
Der Statthalter von Paris.
Bastard von Orleans.
Der Büchsenmeister von Orleans und sein Sohn.
Der General der französischen Truppen in Bourdeaux.
Ein französischer Sergeant.
Ein Thorwärter.
Ein alter Schäfer, Vater der Pucelle.
Margareta, Reigniers Tochter.
Gräfin von Auvergne.
Jeanne d'Arc, genannt la Pucelle.
Böse Geister, die der Pucelle erscheinen, Herren von Adel, Wächter des Turmes, Herolde, Offiziere, Soldaten, Boten und Gefolge sowohl der englischen als der französischen Herrschaften. Die Scene ist teils in England, teils in Frankreich.
Westminsterabtei. (Totenmarsch. Man sieht die Leiche Heinrichs des Fünften auf einem Paradebette liegend, umgeben von den Herzogen von Bedford, Gloster und Exeter, dem Grafen von Warwick, dem Bischof von Winchester, Herolden &c.)
Bedford. Beflort den Himmel, weiche Tag der Nacht! Kometen, Zeit und Staatenwechsel kündend, Schwingt die kristallnen Zöpf' am Firmament, Und geißelt die empörten bösen Sterne, Die eingestimmt zu König Heinrichs Tod, Heinrich des Fünften, zu groß lang zu leben! England verlor so würd'gen König nie.
Gloster. Vor ihm hatt' England keinen König noch. Tugend besaß er, ausersehn zum Herrschen; Blind machend strahlte sein gezücktes Schwert, Die Arme spannt' er weit wie Drachenflügel, Sein funkelnd Auge, grimm'gen Feuers voll, Betäubte mehr und trieb zurück die Feinde, Als Mittagssonn', auf ihre Stirn gewandt. Was red' ich? Ihn erreichen Worte nicht, Er hob die Hand nie auf, daß er nicht siegte.
Exeter. Wir trauern schwarz: warum doch nicht in Blut? Heinrich ist tot und lebet nimmer auf, Und wir begleiten einen Sarg aus Holz, Verherrlichen des Tods unedlen Sieg Mit unsrer feierlichen Gegenwart, Gefangnen gleich am Wagen des Triumphs. Wie? sollen wir Unglücksplaneten fluchen, Die so gestiftet unsers Ruhmes Sturz? Oder die schlauen Franken für Beschwörer Und Zaubrer achten, welche, bang vor ihm, Durch mag'sche Verse seinen Tod erzielt?
Winchester. Es war ein Fürst, vom Herrn der Herrn gesegnet. Der Tag des furchtbaren Gerichts wird nicht Den Franken furchtbar wie sein Anblick sein. Er focht die Schlachten für den Herrn der Scharen, Durch das Gebet der Kirche glückt' es ihm.
Gloster. Der Kirche? Hätten Pfaffen nicht gebetet, So riß sein Lebensfaden nicht so bald, Ihr mögt nur einzig einen weib'schen Prinzen, Den ihr wie einen Schüler meistern könnt.
Winchester. Gloster, was ich auch mag, du bist Protektor. Und kannst dem Prinzen und dem Reich gebieten. Dein Weib ist stolz, sie hält dich in der Scheu, Mehr als Gott, oder heil'ge Priester können.
Gloster. Nenn' Heiligkeit nicht, denn du liebst das Fleisch, Und gehst zur Kirche nie im ganzen Jahr, Als wider deine Feinde nur zu beten.
Bedford. Laßt, laßt dies Hadern! stillet die Gemüter! Hin zum Altar! – Herolde, geht mit uns; – Statt Goldes wollen wir die Waffen bieten, Nun Heinrich tot ist, helfen Waffen nicht. Nachkommenschaft, erwart' elende Jahre, Wo an der Mutter feuchtem Aug' das Kindlein saugt, Dies Eiland Lache salzer Thränen wird, Und Weiber nur zur Totenklage bleiben. – Heinrich der Fünfte, deinen Geist ruf' ich: Beglück' dies Reich, schirm' es vor Bürgerzwist, Bekämpf' im Himmel feindliche Planeten! Ein lichtrer Stern wird deine Seele werden Als Julius Cäsar oder Cassiopeia.
(Ein Bote tritt auf.)
Bote. Euch allen Heil, ihr ehrenwerten Lords! Aus Frankreich bring' ich böse Zeitung euch Von Niederlage, Blutbad und Verlust. Guienne, Champagne, Rheims, Orleans, Paris, Guisors, Poictiers, sind ganz dahin.
Bedford. Was sagst du, Mann, vor Heinrichs Leiche hier? Sprich leise: beim Verlust so großer Städte Sprengt er sein Blei sonst, und ersteht vom Tod.
Gloster. Paris ist hin? Rouen ist übergeben? Wenn man zurück ins Leben Heinrich rief, Er gäb' aufs neu den Geist auf bei der Zeitung.
Exeter. Was hat uns drum gebracht? Welch ein Verrat?
Bote. Nein, kein Verrat, nur Geld- und Menschenmangel. Man murmelt unter den Soldaten dort, Ihr haltet hier verschiedene Partein, Und, statt ins Feld zu rücken und zu fechten, Entzweiet ihr um eure Feldherrn euch. Der will langwier'gen Krieg mit wenig Kosten, Der flöge hurtig gern, doch fehlt's an Schwingen, Ein dritter denkt, ohn' allen Aufwand sei Mit glatten Worten Friede zu erlangen. Erwach', erwache, Englands Adelstand! Laß Trägheit nicht die neuen Ehren dämpfen: Die Lilien sind gepflückt in eurem Wappen, Von Englands Schild die Hälfte weggehaun.
Exeter. Wenn unsre Thränen dieser Leiche fehlten, Die Zeitung riefe ihre Flut hervor.
Bedford. Mich geht es an, ich bin Regent von Frankreich. Gebt mir den Panzerrock: ich fecht' um Frankreich. Fort mit dem schmählichen Gewand des Wehs! Ich will den Franken Wunden leihn, statt Augen, Ihr unterbrochnes Elend zu beweinen.
(Ein anderer Bote tritt auf.)
Zweiter Bote. Seht diese Briefe, Lords, von Unheil durch, Frankreich empört den Englischen sich ganz, Bis auf ein paar geringe Städte noch. Der Dauphin Karl ist schon gekrönt in Rheims, Von Orleans der Bastard ist mit ihm, Reignier, Herzog von Anjou, tritt ihm bei, Der Herzog Alençon flieht zu ihm über.
Exeter. Gekrönt der Dauphin? alle fliehn zu ihm? O wohin fliehen wir vor dieser Schmach?
Gloster. Wir woll'n nicht fliehn, als in der Feinde Rachen. Bedford, wenn du erschlaffst, fecht' ich es aus.
Bedford. Gloster, was zweifelst du an meinem Eifer? Ich hab' ein Heer gemustert in Gedanken, Womit schon Frankreich überzogen ist.
(Ein dritter Bote tritt auf.)
Dritter Bote. Ihr gnäd'gen Lords, den Jammer zu vermehren Womit ihr Heinrichs Bahre jetzt betaut, Muß ich ein schreckliches Gefecht berichten, Zwischen dem rüst'gen Talbot und den Franken.
Winchester. Was? worin Talbot Sieger blieb? nicht wahr?
Dritter Bote. O nein, worin Lord Talbot ward besiegt, Den Hergang will ich euch genauer melden. Am zehnten des Augusts, da dieser Held Von der Belagrung Orleans zurückzog, Mit kaum sechstausend Mann in seiner Schar, Ward er von dreiundzwanzigtausend Franken Umzingelt überall und angegriffen. Er hatte keine Zeit, sein Volk zu reihn, Noch Piken, vor die Schützen hinzustellen, Statt deren sie aus Zäunen scharfe Pfähle Nur in den Boden steckten, wie es kam, Die Reiterei vom Einbruch abzuhalten. Mehr als drei Stunden währte das Gefecht, Wo Talbot, tapfer über Menschen Denken, Mit seinem Schwert und Lanze Wunder that. Zur Hölle sandt' er hundert, keiner stand ihm, Da, dort und überall schlug er ergrimmt; Die Franken schrie'n, der Teufel sei in Waffen, Das ganze Heer entsetzte sich ob ihm. Da seine Krieger so beherzt ihn sahn, Schrie'n »Talbot! Talbot hoch!« sie insgemein, Und stürzten recht sich in das Herz der Schlacht. Nun hätte völlig sie der Sieg besiegelt, Wo Sir John Fastolfe nicht die Memme spielte. Der, in dem Nachtrab hinterwärts gestellt, Um ihnen beizustehn und nachzufolgen, Floh memmenhaft, und that nicht einen Streich. Drauf ward Ruin und Blutbad allgemein, Umzingelt waren von den Feinden sie; Ein schändlicher Wallon warf um die Gunst Des Dauphins einen Speer in Talbots Rücken, Dess', dem ganz Frankreich, mit vereinter Stärke Nicht einmal wagte ins Gesicht zu sehn.
Bedford. Ist Talbot tot? So bring' ich selbst mich um, Weil ich hier müßig lebt' in Pomp und Ruh, Indes ein würd'ger Feldherr hilfsbedürftig, Verzagten Feinden so verraten ward.
Dritter Bote. O nein, er lebt, allein er ist gefangen, Mit ihm Lord Scales und Lord Hungerford; Der Rest auch meist erschlagen und gefangen.
Bedford. Ich zahle seine Lösung, niemand sonst. Ich will vom Thron den Dauphin häuptlings reißen, Mit seiner Krone lös' ich meinen Freund; Für einen Lord tausch' ich von ihren vier. Lebt wohl, ihr Herrn! ich will an mein Geschäft, Lustfeuer muß ich gleich in Frankreich machen, Zu feiern unser groß Sankt Georgenfest. Zehntausend nehm' ich mit mir der Soldaten, Europa zittre ihren blut'gen Thaten.
Dritter Bote. Thut das, denn man belagert Orleans, Das Heer der Englischen ward matt und schwach, Der Graf von Salisbury begehrt Verstärkung, Und hält sein Volk von Meuterei kaum ab, Das solche Ueberzahl bewachen muß.
Exeter. Lords, denkt der Eide, die ihr Heinrich schwurt:
Frankreich. Vor Orleans. (Karl mit seinen Truppen, Alençon, Reignier und andere.)
Karl. Mars wahrer Lauf ist, grade wie im Himmel, Bis diesen Tag auf Erden nicht bekannt: Jüngst schien er noch der Englischen Partei, Nun sind wir Sieger und er lächelt uns. Was fehlen uns für Städte von Gewicht? Wir liegen hier zur Lust bei Orleans, Die Englischen, verhungert, blaß wie Geister, Belagern matt uns eine Stund' im Monat.
Alençon. Sie missen ihre Brüh'n und fettes Rindfleisch, Entweder muß man sie wie Maultier' halten, Ihr Futter ihnen binden an das Maul, Sonst sehn sie kläglich, wie ersoffne Mäuse.
Reignier. Entsetzt die Stadt: was sind wir müßig hier? Talbot, den wir gefürchtet, ist gefangen; Bleibt keiner als der tolle Salisbury, Der wohl die Gall' im Aerger mag verzehren: Er hat zum Kriege weder Volk noch Geld.
Karl. Schlagt Lärm! schlagt Lärm! Wir stürzen auf sie ein. Nun für die Ehre der verlornen Franken! Dem, der mich tötet, sei mein Tod verziehn, Sieht er mich fußbreit weichen oder fliehn.
(Alle ab.) (Getümmel, Angriffe, hierauf ein Rückzug. Karl, Alençon, Reignier und andere kommen zurück.)
Karl. Sah man je so was? was für Volk hab' ich? Die Hunde! Memmen! Ich wär' nie geflohn, Wenn sie mich nicht vom Feind umringt verließen.
Reignier. Salisbury mordet ganz verzweiflungsvoll, Er ficht wie einer, der des Lebens müde. Die andern Lords, wie Löwen voller Gier, Bestürmen uns als ihres Hungers Raub.
Alençon. Froissard, ein Landsmann von uns, bezeugt, England trug lauter Olivers und Rolands, Zur Zeit, als Eduard der Dritte herrschte. Wahrhafter läßt sich dies behaupten jetzt: Denn Simsons bloß und Goliasse sendet Es aus zum Fechten. Einer gegen zehn! Und Schufte nur von Haut und Bein! Wer traut Wohl solchen Mut und Kühnheit ihnen zu?
Karl. Verlassen wir die Stadt: Tollköpfe sind's, Und Hunger treibt sie nur zu größerm Eifer. Von alters kenn' ich sie: sie werden eher Die Mauern mit den Zähnen niederreißen, Als daß sie die Belagrung gäben auf.
Reignier. Ein seltsam Räderwerk stellt ihr Gewehr, Glaub' ich, wie Glocken, immer anzuschlagen: Sie hielten sonst nicht aus, so wie sie thun. Nach meiner Meinung lassen wir sie gehn.
Alençon. So sei es.
(Der Bastard von Orleans tritt auf.)
Bastard. Wo ist Prinz Dauphin? Neues bring' ich ihm.
Karl. Bastard von Orleans, dreimal willkommen!
Bastard. Mich dünkt, eu'r Blick ist trüb, und bang die Miene: Hat euer letzter Unfall daran Schuld? Verzaget nicht, denn Beistand ist zur Hand. Ich bringe eine heil'ge Jungfrau her, Die ein Gesicht, vom Himmel ihr gesandt, Ersehn hat, die Belagrung aufzuheben, Und aus dem Land die Englischen zu jagen. Sie hat der tiefen Prophezeiung Geist, Roms alten neun Sibyllen überlegen; Was war, was kommen wird, kann sie erspähn. Sagt, ruf' ich sie herbei? Glaubt meinen Worten, Denn sie sind ganz untrüglich und gewiß.
Karl. Geht, ruft sie vor. (Bastard ab.) Doch ihre Kunst zu prüfen, Reignier, nimm du als Dauphin meinen Platz, Befrag' sie stolz, laß streng die Blicke sein: So spähn wir aus, was sie für Kunst besitzt. (Er tritt zurück.)
(Die Pucelle, der Bastard und andere kommen.)
Reignier. Bist du's, die Wunder thun will, schönes Mädchen?
Pucelle. Reignier, bist du's, der mich zu täuschen denkt? Wo ist der Dauphin? – Komm hervor von hinten, Ich kenne dich, wiewohl ich nie dich sah. Erstaune nicht, vor mir ist nichts verborgen, Ich will allein dich sprechen im Vertraun. Beiseit', ihr Herrn! laßt uns auf eine Weil!
Reignier. Sie nimmt sich brav genug im ersten Sturm.
Pucellee. Dauphin, ich bin die Tochter eines Schäfers, Mein Witz in keiner Art von Kunst geübt. Doch Gott gefiel's und unsrer lieben Frau Auf meinen niedern Stand ihr Licht zu strahlen. Sieh, da ich meine zarten Lämmer hüte, Und biete dürrem Sonnenbrand die Wangen, Geruht mir Gottes Mutter zu erscheinen, Und heißt durch ein Gesicht voll Majestät Mich meinen knechtischen Beruf verlassen, Mein Vaterland vom Drangsal zu befrein. Sie sagte Beistand und Erfolg mir zu, In voller Glorie that sie mir kund, Und, da ich schwarz war und versengt zuvor, Goß sie auf mich mit jenen klaren Strahlen Der Schönheit Segen, die ihr an mir seht. Frag' mich, um was du nur ersinnen kannst, Unvorbereitet will ich Antwort geben; Prüf' meinen Mut im Kampfe, wenn du darfst, Und über mein Geschlecht wirst du mich finden. Entschließe dich: soll alles Glück dir sprossen, So nimm mich an zu deinem Kriegsgenossen.
Karl. Ich bin erstaunt ob deinen hohen Reden. Nur so will ich erproben deinen Mut: Du sollst mit mir im einzlen Kampf dich messen, Und wenn du siegst, sind deine Worte wahr, Wo nicht, so sag' ich allem Zutraun ab.
Pucelle. Ich bin bereit: hier ist mein schneidend Schwert, Fünf Lilien zieren es an jeder Seite, Das zu Touraine im Sankt Kathrinenkirchhof Ich mir aus vielem alten Eisen ausersah.
Karl. In Gottes Namen komm, mich schreckt kein Weib.
Pucelle. Und lebenslang flieh' ich vor keinem Mann.
(Sie fechten.)
Karl. Halt ein die Hand! du bist ein' Amazone, Und mit dem Schwert Deborahs fechtest du.
Pucelle. Christs Mutter hilft mir, sonst wär' ich zu schwach.
Karl. Wer dir auch hilft, du, du mußt mir nun helfen. Ich brenne vor Verlangen ungestüm, Du hast mir Herz und Hand zugleich besiegt. Hohe Pucelle, wenn du so dich nennst, Laß deinen Knecht, nicht deinen Herrn mich sein! Der Dauphin Frankreichs bittet dich hierum.
Pucelle. Ich darf der Liebe Bräuche nicht erproben, Weil mein Beruf geheiligt ist von droben. Wenn ich erst alle Feinde dir verjagt, Dann werde die Belohnung zugesagt.
Karl. Indes sieh gnädig deinen Sklaven an.
Reignier. Mich dünkt, der Prinz ist lange im Gespräch.
Alençon. Er hört gewiß dem Weiberrock die Beichte, Sonst dehnt' er so die Unterredung nicht.
Reignier. Er kennt kein Maß: sagt, sollen wir ihn stören.
Alençon. Wohl mehr ermißt er, als wir Armen wissen, Der Weiber Zungen können schlau verführen.
Reignier. Mein Prinz, wo seid ihr? was erwägt ihr da? Wird Orleans verlassen, oder nicht?
Pucelle. Ich sage, nein, kleingläubig Heidenvolk! Kämpft bis zum letzten Hauch, ich will euch schirmen.
Karl. Wie sie sagt, stimm' ich bei: wir fechten's aus.
Pucelle. Ich bin zu Englands Geißel ausersehn. Heut nacht will ich gewiß die Stadt entsetzen, Erwartet Martins Sommer, Halcyontage, Nun ich in diese Kriege mich begeben. Ein Zirkel nur im Wasser ist der Ruhm, Der niemals aufhört, selbst sich zu erweitern, Bis die Verbreitung ihn in nichts zerstreut: Mit Heinrichs Tode endet Englands Zirkel, Zerstreuet ist der Ruhm, den er umschloß.
London, vor dem Turm. (Der Herzog von Gloster mit seinen Bedienten in blauen Röcken tritt auf.)
Gloster. Heut komm' ich zur Besichtigung des Turms: Seit Heinrichs Tode, fürcht' ich, wird veruntreut. Wo sind die Wächter, daß sie hier nicht stehn? Oeffnet die Thore! Gloster ist's, der ruft.
(Bediente klopfen an.)
Erster Wächter(drinnen). Wer ist denn da, der so gebietrisch ruft?
Bedienter. Es ist der edle Herzog Gloster.
Zweiter Wächter(drinnen). Wer er auch sei, wir lassen euch nicht ein.
Bedienter. Schelm', ihr antwortet so dem Herrn Protektor?
Erster Wächter. Der Herr beschütz' ihn! Wir antworten so; Wir thun nicht anders, als man uns geheißen.
Gloster. Wer hieß euch? Wess' Geheiß gilt hier, als meins? Niemand ist Reichsprotektor als nur ich. – Brecht auf das Thor, ich will Gewähr euch leisten. Werd' ich von kot'gen Buben so genärrt?
(Die Bedienten stürmen die Thore. Innerhalb nähert sich den Thoren der Kommandant Woodville.)
Woodville(drinnen). Was für ein Lärm? was gibt's hier für Verräter?
Gloster. Seid ihr es, Kommandant, dess' Stimm' ich höre? Oeffnet die Thore! Gloster will hinein.
Woodville(drinnen). Geduld! ich darf nicht öffnen, edler Herzog, Der Kardinal von Winchester verbot's. Von ihm hab ich ausdrücklichen Befehl, Dich und der Deinen keinen einzulassen.
Gloster. Schwachherz'ger Woodville, achtest ihn vor mir? Der stolze Winchester! der trotzige Prälat, Bei weiland König Heinrich nie gelitten? Du bist noch Gottes noch des Königs Freund; Oeffne das Thor, sonst schließ' ich dich bald aus.
Bedienter. Oeffnet die Thore vor dem Lord Protektor, Oder wir sprengen sie, wenn ihr nicht schleunig kommt.
(Winchester tritt auf mit einem Gefolge von Bedienten in braunen Röcken.)
Winchesterr. Wie nun, ehrsücht'ger Humphrey? sag', was soll's?
Gloster. Glatzköpf'ger Priester, heiß'st du aus mich schließen?
Winchester. Ja, du verräterischer Usurpator, Protektor nicht des Königs oder Reichs!
Gloster. Zurück, du offenbarer Staatsverschworner! Der unsern toten Herrn zu morden sinnt; Der Huren Indulgenzen gibt zur Sünde; Ich will in deinem breiten Kardinalshut Dich sichten, wo du fortfährst in dem Trotz.
Winchester. Tritt du zurück, ich weich' und wanke nicht. Sei dies Damaskus, du, verflucht wie Kain, Erschlag' den Bruder Abel, wenn du willst.
Gloster. Ich will dich nicht erschlagen, nur vertreiben. Mir dient als Kindertuch dein Purpurmantel, Dich wegzuschaffen aus der Freistatt Schutz.
Winchester. Thu', was du darfst; ich biete keck dir Trutz.
Gloster. Was? bietest du ins Angesicht mir Trutz? Zieht, Leute! achtet nicht der Freistatt Schutz! Blaurock auf Braunrock! – Hüte, Pfaff', den Bart, Ich will ihn zausen und dich tüchtig packen, Mit Füßen tret' ich deinen Kardinalshut; Dem Papst zum Trotze und der Kirche Würden, Schleif' ich am Halse hier dich auf und ab.
Winchester. Gloster, dafür gibt dir der Papst dein Teil.
Gloster. Winchester Gans! ich ruf': ein Seil! ein Seil! So schlagt sie fort! was laßt ihr hier sie bleiben? Dich will ich fort, du Wolf im Schafskleid, treiben. Braunröcke, fort! fort, purpurfarbner Heuchler!
(Es entsteht ein großer Tumult, während desselben tritt der Schultheiß von London mit seinen Beamten auf.)
Schultheiß. Pfui, Lords! Daß ihr als höchste Obrigkeiten, So schmählich doch den Frieden brechen könnt!
Gloster. Still, Schultheiß! meine Kränkung weißt du nicht: Sieh Beaufort, der noch Gott noch König achtet, Und hier den Turm allein an sich gerissen.
Winchester. Sieh Gloster da, den Feind der Bürgerschaft, Der immer dringt auf Krieg und nie auf Frieden, Mit Steuern eure freien Beutel lastend; Der die Religion zu stürzen sucht, Weil er Protektor dieses Reiches ist; Und Waffen haben will hier aus dem Turm, Den Prinzen zu erdrücken, sich zu krönen.
Gloster. Nicht Worte, Streiche geb' ich dir zur Antwort.
Schultheiß. Nichts bleibt mir in dem stürmischen Gezänk, Als öffentlichen Ausruf thun zu lassen. Gerichtsbeamter, komm! So laut du kannst.
Gerichtsbeamter. »Alle und jede, so gegenwärtig hier wider Gottes und des Königs Frieden in Waffen versammelt sind, werden in Seiner Hoheit Namen ermahnt und befehligt, sich männiglich nach ihrer Behausung zu verfügen, und forthin keinen Degen, Gewehr oder Dolch zu tragen, zu handhaben und zu führen; alles bei Todesstrafe.«
Gloster. Ich breche das Gesetz nicht, Kardinal, Doch treff' ich dich, und will den Trotz dir brechen.
Winchester. Gloster, wir treffen uns; auf deine Kosten: Dein Herzblut will ich für dies Tagewerk.
Schultheiß. Wenn ihr nicht fort wollt, ruf' ich noch nach Stangen.
Frankreich. Vor Orleans. (Der Büchsenmeister und sein Sohn treten auf den Mauern auf.)
Büchsenmeister. Du weißt, Bursch, wie man Orleans belagert, Und wie die Englischen die Vorstadt haben.
Sohn. Ich weiß es, Vater, und schoß oft nach ihnen, Unglücklich nur verfehlt' ich stets mein Ziel.
Büchsenmeister. Nun sollst du's nicht! laß du von mir dich lenken: Hauptbüchsenmeister bin ich dieser Stadt! Ich muß was thun, um Gunst mir zu erwerben. Kundschafter von dem Prinzen melden mir, Wie, in der Vorstadt fest verschanzt, der Feind Durch ein geheimes Eisengitter pflegt Auf jenem Turm die Stadt zu überschaun, Und dort erspäht, wie mit dem meisten Vorteil Sie uns mit Sturm und Schießen drängen können. Um abzustellen nun dies Ungemach Hab' ich ein Stück Geschütz darauf gerichtet, Und seit drei Tagen hab' ich aufgepaßt, Ob ich sie könnte sehn. Nun paß du auf, ich kann nicht länger bleiben; Erspähst du wen, so lauf und meld' es mir, Du wirst mich bei dem Festungshauptmann finden. (Ab.)
Sohn. Vater, ich steh' dafür, habt keine Sorge; Ich will euch nicht bemühn, – späh ich sie aus.
(Auf dem obern Stock eines Turmes erscheinen Salisbury und Talbot, Sir William Glansdale, Sir Thomas Gargrave und andere.)
Salisbury. Talbot, mein Heil, mein Leben wieder da? Wie hat man dich behandelt als Gefangnen? Und wie erlangtest du die Auslösung? Laß uns auf dieses Turmes Zinne reden.
Talbot. Der Herzog Bedford hatte wen gefangen, Der hieß der tapfre Ponton von Santrailles: Für den bin ich getauscht und ausgelöst. Doch wollten sie mich einst zum Hohn verhandeln, Um einen Mann, weit schlechter in den Waffen; Ich, stolz, verschmähte das, und heischte Tod, Eh' ich so spottgering mich schätzen ließ. Zuletzt ward ich gelöst, wie ich begehrte. Doch o! der falsche Fastolfe kränkt mein Herz, Mit bloßen Fäusten könnt' ich ihn ermorden, Wenn ich in meine Macht ihn jetzt bekäm'.
Salisbury. Noch sagst du nicht, wie du gehalten wurdest.
Talbot. Mit Spott und Schimpf und schmählichem Verhöhnen. Auf offnen Märkten führten sie mich vor, Zum allgemeinen Schauspiel für die Menge. Dies, sagten sie, ist der Franzosen Schrecken, Die Vogelscheu, wovor den Kindern graut. Dann riß ich mich von meinen Wächtern los, Grub mit den Nägeln Steine aus dem Boden, Auf meiner Schmach Zuschauer sie zu werfen. Mein gräßlich Aussehen machte andre fliehn, Des schleun'gen Todes Furcht ließ keinen nahn. In Eisenmauern hielt man mich nicht sicher; So sehr war meines Namens Furcht verbreitet, Daß sie geglaubt, ich bräche Stangen Stahl, Und sprengt' in Stücke diamantne Pfosten. Drum hatt' ich eine Wacht, die scharf geladen, In jeglicher Minute mich umging, Und wenn ich nur aus meinem Bett mich rührte, War sie bereit, mir in das Herz zu schießen.
Salisbury. Mit Schmerz hör' ich, was du erlitten hast, Doch uns genugsam rächen wollen wir. Jetzt ist in Orleans Abendessenszeit: Hier, durch dies Gitter zähl' ich jeden Mann, Und seh' wie die Franzosen sich verschanzen. Sieh mit herein, es wird dich sehr ergötzen. Sir Thomas Gargrave und Sir William Glansdale, Laßt eure Meinung mich ausdrücklich hören: Wo nun am besten zu beschießen wär'?
Gargrave. Ich denk', am Norderthor, da steht der Adel.
Glansdale. Und ich hier an dem Bollwerk bei der Brücke.
Talbot. So viel ich sehn kann, muß man diese Stadt Aushungern und mit leichtem Treffen schwächen.
(Ein Schuß von der Stadt. Salisbury und Gargrave fallen.)
Salisbury. O Herr! Sei gnädig uns elenden Sündern!
Gargrave. O Herr! Sei gnädig mir bedrängtem Mann!
Talbot. Was kreuzt uns für ein Zufall plötzlich hier? Sprich, Salisbury, wofern du reden kannst: Wie geht's dir, Spiegel aller wackern Krieger? Ein Aug' und halb die Wange weggeschmettert! Verfluchter Turm! Verfluchte Unglückshand, Die dieses leid'ge Trauerspiel vollführt! In dreizehn Schlachten siegte Salisbury, Heinrich den Fünften zog er auf zum Krieg, So lang Trompete blies und Trommel schlug, Ließ nie sein Schwert im Feld zu schlagen ab. – Du lebst noch, Salisbury? Fehlt dir schon die Rede, Du hast ein Aug', um Gnad' emporzublicken, Die Sonne schaut mit einem Aug' die Welt. – Himmel, sei keinem gnädig, der da lebt, Wenn Salisbury bei dir Erbarmen mißt. – Tragt fort die Leiche, ich will helfen sie begraben. – Sir Thomas Gargrave, hast du irgend Leben? Sprich mit dem Talbot, schau doch auf zu ihm, Erfrisch dich, Salisbury, mit diesem Trost: Du stirbst mir nicht, derweil – Er winkt mit seiner Hand und lächelt mir, Als sagt' er: »Wenn ich tot bin und dahin, Gedenke mich zu rächen an den Franken.« Plantagenet, ich will's; und gleich dir, Nero, Die Laute spielend, Städte brennen sehn.(Man hört es donnern, hierauf ein Getümmel.) Was rührt sich? Was für ein Tumult im Himmel? Woher kommt dies Getümmel und der Lärm?
(Ein Bote tritt auf.)
Bote. Herr, Herr, die Franken bieten uns die Stirn; Vereint mit einer Jeanne la Pucelle,
Vor einem der Thore. (Getümmel. Scharmützel. Talbot verfolgt den Dauphin und treibt ihn zurück; dann kommt die Pucelle, Engländer vor sich herjagend. Hierauf kommt Talbot.)
Talbot. Wo ist mein Mut und meine Stärk' und Kraft? Die Scharen weichen, ich kann nicht sie halten; Sie jagt ein Weib, mit Rüstung angethan.(Die Pucelle kommt zurück.) Hier kommt sie, hier! – Ich messe mich mit dir, Beschwör' dich, Teufel oder Teufelsmutter. Ich lasse Blut dir, du bist eine Hexe, Und stracks gib deine Seel' dem, so du dienst.
Pucelle. Komm, komm! Ich bin's, die dich erniedern muß.
(Sie fechten.)
Talbot. Ihr Himmel, laßt ihr so die Hölle siegen? Eh' soll gespannter Mut die Brust mir sprengen, Die Arme sollen von den Schultern reißen, Als daß ich nicht die freche Metze strafte.
Pucelle. Talbot, leb' wohl! Dein Stündlein kam noch nicht; Ich muß mit Nahrung Orleans versehn. Hol mich nur ein, ich spotte deiner Stärke, Geh, geh, ermuntre dein verschmachtet Volk; Hilf Salisbury, sein Testament zu machen: Der Tag ist unser, wie noch mancher mehr.
(Die Pucelle zieht mit ihren Soldaten in die Stadt.)
Talbot. Mein Kopf geht um, wie eines Töpfers Rad, Ich weiß nicht, wo ich bin, noch was ich thue. Durch Furcht, nicht durch Gewalt, wie Hannibal, Treibt eine Hexe unser Heer zurück, Und siegt, wie's ihr beliebt. So treibt man wohl Mit Dampf die Bienen, Tauben mit Gestank, Von ihren Stöcken und vom Schlage weg. Man hieß, der Wildheit halb, uns englische Hunde, Nun laufen wir wie Hündlein schreiend fort.(Ein kurzes Getümmel.) Hört Landesleut'. Erneuert das Gefecht, Sonst reißt die Löwen weg aus Englands Wappen, Sagt eurem Land ab, setzt für Löwen Schafe: Nicht halb so bang fliehn Schafe vor dem Wolf, Noch Pferd' und Ochsen vor dem Leoparden, Als ihr vor euren oft bezwungnen Knechten. –(Getümmel. Ein neues Scharmützel.) Es soll nicht sein. – Zurück, zieht in die Schanzen; Ihr stimmtet alle ein in Salisburys Tod, Weil keiner einen Streich that, ihn zu rächen. – In Orleans ist die Pucelle hinein,
Ebendaselbst. (Auf den Mauern erscheinen die Pucelle, Karl, Reignier, Alençon und Soldaten.)
Pucelle. Pflanzt unsre weh'nden Fahnen auf die Mauern: Den Englischen ist Orleans entrissen, So hielt euch Jeanne la Pucelle Wort.
Karl. Du göttlichstes Geschöpf! Asträas Tochter! Wie soll ich ehren dich für den Erfolg? Adonis Gärten gleichet dein Verheißen, Die heute blühn und morgen Früchte tragen. Sieg prang' in deiner herrlichen Prophetin, O Frankreich! Orleans ist wieder dein. Nie wiederfuhr dem Lande größres Heil.
Reignier. Warum durchtönt nicht Glockenklang die Stadt? Dauphin, laß Freudenfeu'r die Bürger machen, Und jubeln, schmausen in den offnen Straßen, Das Glück zu feiern, das uns Gott verliehn.
Allençon. Ganz Frankreich wird erfüllt mit Freud' und Lust, Wenn sie erfahren, wie wir uns gehalten.
Karl. Nicht wir, 's ist Jeanne, die den Tag gewann, Wofür ich mit ihr teilen will die Krone, Und alle Mönch' und Priester meines Reichs In Prozession ihr stets lobsingen sollen. Ich bau' ihr eine stolz're Pyramide Als die zu Memphis oder Rhodopes; Und wenn sie tot ist, soll, ihr zum Gedächtnis, Die Asch' in einer köstlicheren Urne, Als das Kleinodenkästchen des Darius, Bei hohen Festen umgetragen werden, Vor Frankreichs Königen und Königinnen. Nicht länger rufen wir Sankt Dionys,
Ebendaselbst. (Ein französischer Sergeant und zwei Schuldwachen kommen durch das Thor.)
Sergeant. Nehmt eure Plätze, und seid wachsam, Leute; Bemerkt ihr Lärm, und daß Soldaten nah Den Mauern sind, an irgend einem Zeichen, So gebt im Wachthaus Nachricht uns davon.
Erste Schildwache. Schon gut, Sergeant. (Sergeant ab.) So müssen arme Diener, Wenn andre schlafen auf bequemem Bett, In Finsternis, in Kält' und Regen wachen.
(Talbot, Bedford, Burgund und ihre Truppen mit Sturmleitern, die Trommeln schlagen einen Totenmarsch.)
Talbot. Mein Herr Regent, und mächtiger Burgund, Durch deren Ankunft das Gebiet von Artois, Wallon und Picardie uns sind befreundet: In dieser Glücksnacht sind die Franken sorglos, Da sie den ganzen Tag geschmaust, gezecht. Ergreifen wir denn die Gelegenheit, Sie schickt sich zur Vergeltung ihres Trugs, Den Kunst ersann und arge Zauberei.
Bedford. Memme von Frankreich! Wie er sich entehrt, An seines Armes Tapferkeit verzweifelnd, Mit Hexen und der Höll' in Bund zu treten.
Burgund. Verräter sind in der Gesellschaft stets. Doch die Pucelle, für so rein gepriesen, Wer ist sie?
Talbot. Ein Mädchen, sagt man.
Bedford. Ein Mädchen, und so kriegerisch!
Burgund. Geb' Gott, daß sie nicht männlich bald erscheint, Wenn unter dem Panier der Franken sie Die Rüstung führt, wie sie begonnen hat.
Talbot. Wohl, laßt sie klügeln und mit Geistern handeln, Gott unsre Burg! In seinem Siegernamen Laßt uns ihr Felsenbollwerk kühn erklimmen.
Bedford. Stürm', braver Talbot, und wir folgen dir.
Talbot. Nicht alle hier mit eins: weit besser dünkt mir's Hineinzudringen auf verschiednen Wegen, Daß, wenn es einem unter uns mißlingt, Der andre wider ihre Macht kann stehn.
Bedford. So sei's: ich will zu jener Ecke hin.
Burgund. Und ich zu dieser.
Talbot. Und hier stürmt Talbot, oder schafft sein Grab. Nun, Salisbury, für dich und für das Recht Heinrichs von England soll die Nacht sich zeigen, Wie meine Pflicht euch beiden ist geweiht.
(Die Englischen ersteigen die Mauern mit Sturmleitern, indem sie: Sankt Georg! und Talbot hoch! rufen, und dringen alle in die Stadt.)
Schildwache(drinnen). Auf, zu den Waffen, auf! Die Feinde stürmen!
(Die Franzosen springen im Hemde über die Mauern. Hierauf kommen von verschiedenen Seiten der Bastard, Alençon, Reignier, halb angekleidet, halb nicht.)
Alençon. Wie nun, ihr Herrn? Was? So unangekleidet?
Bastard. Unangekleidet? Ja, und froh dazu, Daß wir so gut davongekommen sind.
Reignier. Traun, es war Zeit sich aus dem Bett zu machen, Der Lärm war schon an unsrer Kammerthür.
Alençon. Seit ich die Waffen übte, hört' ich nie Von einem kriegerischen Unternehmen, Das tollkühn und verzweifelt war wie dies.
Bastard. Der Talbot, denk' ich, ist ein Geist der Hölle.
Reignier. Wo nicht die Höll', ist ihm der Himmel günstig.
Alençon. Da kommt der Prinz, mich wundert, wie's ihm ging.
(Karl und die Pucelle treten auf.)
Bastard. Pah! War Sankt Jeanne doch sein Schirm und Schutz.
Karl. Ist dieses deine List, du falsche Schöne? Du ließest uns zuerst, um uns zu schmeicheln, Teilnehmer sein an wenigem Gewinn, Daß der Verlust nun zehnmal größer wär'?
Pucelle. Warum schilt Karl die Freundin ungeduldig? Muß allzeit meine Macht die gleiche sein? Schlafend und wachend, muß ich stets gewinnen, Wenn ihr nicht schmähn und Schuld mir geben sollt? Bei guter Wache, unvorsicht'ge Krieger, Wär' dieser schnelle Unfall nie begegnet.
Karl. Herzog von Alençon, eu'r Fehler war's, Daß, als der Wache Hauptmann diese Nacht, Ihr besser nicht den wicht'gen Dienst versehn.
Alençon. War jegliches Quartier so wohl bewahrt, Als das, worin ich den Befehl gehabt, Wir wären nicht so schmählich überfallen.
Bastard. Meins war in Sicherheit.
Reignier. Auch meines, Herr.
Karl. Was mich betrifft, den größten Teil der Nacht Hab' ich zum Auf- und Abgehn angewandt, In ihrem Viertel, und durch mein Revier, Um immerfort die Wachen abzulösen. Wie oder wo sind sie denn eingebrochen?
Pucelle. Fragt, Herrn, nicht weiter über diesen Fall, Wie oder wo; genug, sie fanden Stellen, Nur schwach besetzt, wo sie den Einbruch thaten, Und übrig bleibt uns nun kein andrer Rat, Als die umher versprengten Leute sammeln Und neue Schanzen bau'n zu ihrem Schaden.
Orleans. Innerhalb der Stadt. (Talbot, Bedford, Burgund, ein Hauptmann und andere.)
Bedford. Der Tag bricht an, und es entflieht die Nacht, Die um die Erde warf den Rabenmantel. Blast nun zum Rückzug, hemmt die heiße Jagd.
Talbot. Die Leiche bringt vom alten Salisbury Und stellet auf dem Marktplatz hier sie aus, Dem Mittelpunkte der verfluchten Stadt. – Nun zahlt' ich mein Gelübde seiner Seele: Fünf Franken starben mind'stens diese Nacht Für jeden ihm entwandten Tropfen Bluts. Und, daß hinfort die Zeiten mögen sehn, Was für Verheerung ihm zur Rach' erfolgt, Bau' ich in ihrer Hauptkirch' eine Gruft, Worin sein Körper soll bestattet werden; Darauf soll, daß es jeder lesen kann, Die Plündrung Orleans gegraben sein, Die falsche Weise seines traur'gen Todes, Und welch ein Schrecken er für Frankreich war. Doch, Herrn, bei all dem Blutbad, wundert's mich, Daß wir des Dauphins Hoheit nicht begegnet, Der tugendsamen Heldin Jeanne d'Arc, Noch irgend wem der falschen Bundsgenossen.
Bedford. Man sagt, Lord Talbot, als der Kampf begann, Sei'n, plötzlich aufgeschreckt vom faulen Bett, Sie unter Haufen des Soldatenvolks Die Mau'r hinüber in das Feld entsprungen.
Burgund. Ich selbst, so viel ich unterscheiden konnte Im Rauch und Nebeldunst der Nacht, verscheuchte Den Dauphin sicherlich und seine Trulle, Als Arm in Arm sie hurtig laufend kamen, So wie ein Paar verliebter Turteltauben, Die sich nicht trennen konnten Tag und Nacht. Wenn erst die Dinge hier in Ordnung sind, So woll'n wir sie mit aller Macht verfolgen.
(Ein Bote tritt auf.)
Bote. Heil euch, ihr hohen Lords! Wen nennet ihr Von dieser fürstlichen Genossenschaft Den kriegerischen Talbot, dessen Thaten Im Frankenreich so hoch gepriesen werden?
Talbot. Ich bin der Talbot, wer will mit ihm reden?
Bote. Die tugendsame Gräfin von Auvergne, Bescheidentlich bewundernd deinen Ruhm, Ersucht dich, großer Lord, du wollst geruhn, Zur armen Burg, worauf sie sitzt, zu kommen, Damit sie rühmen mag, sie sah den Mann, Von dessen Herrlichkeit die Welt erschallt.
Burgund. Im Ernst? Ei ja, dann seh ich, unsre Kriege Verwandeln sich in friedlich Possenspiel, Wenn Frau'n begehren, daß wir sie bestehn. – Ihr dürft die art'ge Bitte nicht verschmähn.
Talbot. Nein, glaubt mir; denn, wenn eine Welt von Männern Mit aller Rednerkunst nichts ausgerichtet, Hat eines Weibes Güte übermeistert. – Und darum sagt ihr, daß ich herzlich danke, Und unterthänig sie besuchen will. – Gehn Eure Edlen zur Gesellschaft mit?
Bedford. Nein, wahrlich; das ist mehr als Sitt' erlaubt. Ich hörte sagen, ungeladne Gäste
Auvergne. Schloßhof. (Die Gräfin und ihr Thorwärter treten auf.)
Gräfin. Thorwärter, merkt euch, was ich aufgetragen, Und wenn ihr es gethan, bringt mir die Schlüssel.
Thorwärter. Das will ich, gnäd'ge Frau. (Ab.)
Gräfin. Der Anschlag ist gemacht: geht alles gut, So macht dies Abenteu'r mich so berühmt, Als Cyrus Tod die Scythin Tomyris. Groß ist der Ruf von diesem furchtbar'n Ritter, Und seine Thaten von nicht minderm Wert. Gern wär' mein Auge Zeuge mit dem Ohr, Zum Ausspruch über diese Wunderdinge.
(Der Bote kommt mit Talbot.)
Bote. Gräfin! Wie Eure Gnaden es begehrt, Auf meine Botschaft kommt Lord Talbot hier.
Gräfin. Er ist willkommen. Wie? Ist dies der Mann?
Bote. Ja, gnäd'ge Frau.
Gräfin. Ist dies die Geißel Frankreichs? Ist dies der Talbot, auswärts so gefürchtet, Daß man die Kinder stillt mit seinem Namen? Ich seh', der Ruf ist fabelhaft und falsch. Ich dacht', es würd' ein Herkules erscheinen, Ein zweiter Hektor, nach dem grimmen Ansehn Und der gedrungnen Glieder großem Maß. Ach, dies ist ja ein Kind, ein blöder Zwerg; Es kann der schwache, eingezog'ne Knirps Unmöglich so die Feind' in Schrecken jagen.
Talbot. Ich war so dreist zur Last zu fallen, Gräfin; Doch da Eu'r Gnaden nicht bei Muße sind, So find' ich andre Zeit wohl zum Besuch.
Gräfin. Was hat er vor? Geh, frag, wohin er geht.
Bote. Lord Talbot, haltet: meine gnäd'ge Frau Wünscht eures raschen Abschieds Grund zu wissen.
Talbot. Ei nun, weil sie in falschem Glauben ist, Geh ich ihr zu beweisen, Talbot sei's.
Gräfin. Wenn du es bist, so bist du ein Gefangner.
Talbot. Gefangner? Wess'?
Gräfin. Blutdürst'ger Lord, der meine. Und aus dem Grund zog ich dich in mein Haus. Dein Schatte war schon längst in meinen Banden; Dein Bildnis hängt in meiner Galerie. Doch nun soll auch dein Wesen gleiches dulden, Und diese Arm' und Beine fessl' ich dir, Der du mit Tyrannei seit so viel Jahren Das Land verheertest, unsre Bürger schlugst, Und Sohn' und Gatten zu Gefangnen machtest.
Talbot. Hahaha!
Gräfin. Du lachst, Elender! Jammern wirst du bald.
Talbot. Ich lache über Euer Gnaden Einbildung, Als hättet ihr was mehr als Talbots Schatten, Woran ihr eure Strenge üben mögt.
Gräfin. Wie, bist du es nicht selbst?
Talbot. Ich bin es wirklich.
Gräfin. So hab' ich auch sein Wesen.
Talbot. Nein, nein, ich bin mein eigner Schatten nur, Ihr seid getäuscht, mein Wesen ist nicht hier; Denn, was ihr seht, ist der geringste Teil Von meiner Menschheit, und das kleinste Maß. Ich sag' euch, wär' mein ganz Gebilde hier, Es ist von so gewalt'gem hohem Wuchs, Eu'r Dach genügte nicht, es zu umfassen.
Gräfin. Das ist ein Rätselkrämer, wie sich's ziemt: Hier will er sein, und ist denn doch nicht hier; Wie können diese Widersprüche passen?
Talbot. Sogleich will ich's euch zeigen.
(Er stößt in ein Hifthorn. Man hört Trommeln, hierauf eine Salve von großem Geschütz. Die Thore werden gesprengt und Soldaten kommen.)
Was sagt ihr, Gräfin, seid ihr überzeugt, Daß Talbot nur sein eigner Schatten ist? Die sind sein Wesen, Sehnen, Arm und Stärke, Womit er euch empörte Nacken beugt, Die Städte schleift und eure Festen stürzt, Und wüst in einem Augenblick sie macht.
Gräfin. Verzeih, siegreicher Talbot, mein Vergehn. Ich seh', du bist nicht kleiner als dein Ruf, Und mehr als die Gestalt erraten läßt. Laß meine Kühnheit deinen Zorn nicht reizen, Es ist mir leid, daß ich mit Ehrerbietung Dich nicht so aufgenommen, wie du bist.
Talbot. Nicht bange, schöne Frau! Mißdeutet nicht Den Sinn des Talbot, wie ihr euch geirrt In seines Körpers äußerlichem Bau.
London. Der Garten des Tempels. (Die Grafen von Somerset, Suffolk und Warwick; Richard Plantagenet, Vernon und ein anderer Rechtsgelehrter treten auf.)
Plantagenet. Ihr großen Lords und Herrn, was soll dies Schweigen? Will niemand reden in der Wahrheit Sache?
Suffolk. Wir waren allzu laut im Tempelsaal, Der Garten hier ist schicklicher dazu.
Plantagenet. So sagt mir eins, ob Wahrheit ich behauptet, Ob nicht der Zänker Somerset geirrt?
Suffolk Traun, ich war Müßiggänger in den Rechten: Ich konnte nie darnach den Willen fügen, Und füge drum das Recht nach meinem Willen.
Somerset. So richtet ihr, Lord Warwick, zwischen uns.
Warwick. Von zweien Falken, welcher höher steigt, Von zweien Hunden, welcher tiefer bellt, Von zweien Klingen, welche bessrer Stahl, Von zweien Pferden, wessen Haltung besser, Von zweien Mädchen, welche muntrer äugelt, Hab' ich wohl einen flachen Sinn des Urteils: Doch von des Rechts Praktik und spitzen Kniffen Hat wahrlich eine Dohle mehr begriffen.
Plantagenet. Pah, welche höfliche Zurückhaltung! Die Wahrheit steht so nackt auf meiner Seite, Daß selbst das blödste Aug' sie finden kann.
Somerset. Auf meiner Seit' ist sie so wohl geklettet, So klar, so strahlend und so offenbar, Daß sie durch eines Blinden Auge schimmert.
Plantagenet. Weil Redescheu die Zungen denn euch bindet, Erklärt in stummen Zeichen die Gedanken, Es pflücke, wer ein echter Edelmann, Und auf der Ehre seines Bluts besteht, Wenn er vermeint, ich bringe Wahrheit vor, Mit mir von diesem Strauch 'ne weiße Rose.
Somerset. So pflücke, wer kein Feiger ist, noch Schmeichler, Und die Partei der Wahrheit halten darf, Mit mir von diesem Dorn 'ne rote Rose.
Warwick. Ich liebe Schminke nicht; ohn' alle Schminke Der kriechenden gewandten Schmeichelei, Pflück' ich die weiße Rose mit Plantagenet.
Suffolk Mit Somerset pflück' ich die rote Rose, Und sag', ich halte recht, was er behauptet.
Vernon. Noch haltet, Lords und Herrn, und pflückt nicht mehr, Bis ihr beschließt, daß der, auf dessen Seite Vom Baume wen'ger Rosen sind gepflückt, Des andern rechte Meinung soll erkennen.
Somerset. Mein guter Meister Vernon, wohl bemerkt! Still geb ich nach, hab' ich die mindre Zahl.
Plantagenet. Ich auch.
Vernon. Dann, für der Sache Recht und Wahrheit, pflücke Ich die jungfräulich blasse Blüte hier, Den Ausspruch gebend für die weiße Rose.
Somerset. Stecht nicht den Finger, wie ihr ab sie pflückt, Sonst färbt ihr, blutend, rot die weiße Rose, Und fallt auf meine Seite wider willen.
Vernon. Mylord, wenn ich für meine Meinung blute, So wird die Meinung auch den Schaden heilen, Und mich bewahren auf der jetz'gen Seite.
Somerset. Gut, gut! nur zu! Wer sonst?
Rechtsgelehrter(zu Somerset). Wofern nicht meine Kunst und Bücher lügen, So habt ihr unrecht euren Satz geführt: Zum Zeichen dess' pflück' ich die weiße Rose.
Plantagenet. Nun, Somerset, wo ist nun euer Satz?
Somerset. Hier in der Scheide; dies Erwägen wird Die weiße Rose blutig rot euch färben.
Plantagenet. Indes äfft eure Wange unsre Rosen, Denn sie ist blaß vor Furcht, als zeugte sie Für unsre Wahrheit.
Somerset. Nein, Plantagenet, 's ist nicht aus Furcht, aus Zorn, daß deine Wangen, Vor Scham errötend, unsre Rosen äffen, Und deine Zunge doch dein Irren leugnet.
Plantagenet. Stach dir kein Wurm die Rose, Somerset?
Somerset. Hat deine keinen Dorn, Plantagenet?
Plantagenet. Ja, einen scharfen, wahr sich zu behaupten, Indes dein Wurm an seiner Falschheit nagt.
Somerset. Wohl, Freunde find' ich für mein Rosenblut, Die da behaupten, daß ich wahr gesagt, Wo sich Plantagenet nicht sehn darf lassen.
Plantagenet. Bei dieser reinen Blüt' in meiner Hand, Ich spotte, Knabe, dein und deiner Tracht.
Suffolk. Kehr' sonst wohin den Spott, Plantagenet.
Plantagenet. Nein, stolzer Poole, ich spotte sein und dein.
Suffolk. Mein Teil davon werf ich in deinen Hals.
Somerset. Fort, guter William de la Poole! Wir thun Dem Bauern zu viel Ehr', mit ihm zu reden.
Warwick. Bei Gott, du thust ihm unrecht, Somerset. Sein Urgroßvater war ja Lionel, Herzog von Clarence, und der dritte Sohn Des dritten Eduard, Königes von England. Treibt solche Wurzel wappenlose Bauern?
Plantagenet. Er macht des Platzes Vorrecht sich zu Nutz, Sein zaghaft Herz ließ ihn das sonst nicht sagen.
Somerset. Bei dem, der mich erschuf, ich will mein Wort Auf jedem Fleck der Christenheit behaupten. Ward nicht dein Vater, Richard Graf von Cambridge, Zur Zeit des vor'gen Königs um Verrat gerichtet? Und hat nicht sein Verrat dich angesteckt, Geschändet und entsetzt vom alten Adel? In deinem Blut lebt seine Missethat, Und bis zur Herstellung bist du ein Bauer.
Plantagenet. Mein Vater war beklagt, nicht überwiesen; Starb, um Verrat verdammt, doch kein Verräter: Und das beweis' ich Höhern noch als Somerset, Reift meinem Willen erst die Zeit heran. Was euren Helfer Poole und euch betrifft, So zeichn' ich euch in mein Gedächtnisbuch, Um euch zu züchtigen für diese Rüge. Seht euch denn vor, und sagt, daß ich euch warnte.
Somerset. Nun wohl, du sollst bereit uns immer finden, Und uns an dieser Farb als Feind' erkennen, Die meine Freunde tragen dir zum Trotz.
Plantagenet. Und diese bleiche und erzürnte Rose, Als Sinnbild meines blutbedürft'gen Hasses, Will ich, bei meiner Seele! künftig tragen, Ich selber und mein Anhang immerdar, Bis sie mit mir zu meinem Grabe welkt, Oder zur Höhe meines Rangs erblüht.
Suffolk. Geh vorwärts, und ersticke dich dein Ehrgeiz. Und so leb wohl, bis ich dich wieder treffe. (Ab.)
Somerset. Ich folge, Poole. – Leb wohl, ehrgeiz'ger Richard. (Ab.)
Plantagenet. Wie man mir trotzt, und doch muß ich es dulden.
Warwick. Der Fleck, den sie an eurem Hause rügen, Wird ausgelöscht im nächsten Parlament, Das Winchester und Gloster soll vergleichen; Und wenn man dann dich nicht zum York ernennt, So will ich länger nicht für Warwick gelten. Indes, zum Pfand, daß ich dich vorgezogen Dem stolzen Somerset und William Poole,
Ebendaselbst. Ein Zimmer im Turm. (Mortimer wird von zwei Gefangenwärtern in einem Armstuhl hereingetragen.)
Mortimer. Sorgsame Wärter meines schwachen Alters, Laßt sterbend ausruhn hier den Mortimer. So wie ein Mann, der Folter erst entrissen, Fühl' ich die Länge der Gefangenschaft In meinen Gliedern; diese grauen Locken, Des Todes Boten, Nestor-gleich bejahrt In Jahren voller Sorgen, zeigen an, Es ende nun mit Edmund Mortimer. Die Augen, Lampen, die ihr Oel verspendet, Verdunkeln sich, zum Ausgang schon gewendet. Die Schultern schwach, erdrückt von Grames Last, Die Arme marklos, wie verdorrte Reben, Saftlose Ranken auf den Boden senkend. – Doch diese Füße von kraftlosem Stand, Unfähig diesen Erdenkloß zu stützen, Sind leicht beschwingt vom Wunsch nach einem Grabe, Wohl wissend, daß ich andern Trost nicht habe. – Doch sagt mir, Wärter, will mein Neffe kommen?
Erster Gefangenwärter. Richard Plantagenet will kommen, Herr; Zu seinem Zimmer sandten wir im Tempel, Und Antwort ward erteilt, er wolle kommen.
Mortimer. Genug! So wird noch mein Gemüt befriedigt. Der arme Mann! Er ist gekränkt wie ich. Seit Heinrich Monmouth erst begann zu herrschen, Vor dessen Ruhm ich groß in Waffen war, Lebt' ich in ekler Eingeschlossenheit; Und auch seitdem ward Richard weggedrängt, Beraubt der Ehr' und Erbschaft; aber nun, Da mich, der jegliche Verzweiflung schlichtet, Der Tod, der milde Schiedsmann alles Elends, Mit süßer Freilassung von hinnen läßt, Wollt' ich, auch seine Drangsal wär' vorbei, Und das Verlor'ne würd' ihm hergestellt.
(Richard Plantagenet tritt auf.)
Erster Gefangenwärter. Herr, euer lieber Neff' ist nun gekommen.
Mortimer. Richard Plantagenet, mein Freund? Ist er da?
Plantagenet. Ja, edler Oheim, schmählich so behandelt, Eu'r Neffe kommt, der jüngst entehrte Richard.
Mortimer. Führt meine Arme, daß ich ihn umhalse, Den letzten Hauch in seinen Busen keuche; O, sagt mir, wann mein Mund die Wang' ihm rührt, Daß ich ihn grüße mit ohnmächt'gem Kuß. Nun, süßer Sprößling von Yorks großem Stamm, Erklär, warum du »jüngst entehrt« dich nanntest.
Plantagenet. Erst lehn' auf meinen Arm den alten Rücken, Und, so erleichtert, höre die Beschwer. Heut, bei dem Streiten über einen Fall, Kam's zwischen mir und Somerset zu Worten, Wobei er ohne Maß die Zunge brauchte, Und rückte meines Vaters Tod mir vor. Der Vorwurf stieß mir Riegel vor die Zunge, Sonst hätt' ich's ihm auf gleiche Art vergolten. Drum, bester Ohm, um meines Vaters willen, Bei deiner Ehr' als ein Plantagenet, Und Bundes halb, erklär' den Grund, warum Mein Vater, Graf von Cambridge, ward enthauptet.
Mortimer. Der Grund, der mich verhaftet, holder Neffe, Und all' die blüh'nde Jugend fest mich hielt In einem eklen Kerker, da zu schmachten, War das verfluchte Werkzeug seines Todes.
Plantagenet. Entdecke näher, welch ein Grund das war, Denn ich bin unbelehrt und rat' es nicht.
Mortimer. Das will ich, wenn der Odem mir nicht schwindet, Und mich der Tod läßt enden den Bericht. Heinrich der Vierte, Großvater dieses Königs, Entsetzte seinen Vetter Richard, Eduards Sohn, Des Erstgebornen und rechtmäß'gen Erben Von König Eduard, drittem jener Reih. Zu seiner Herrschaft Zeit bestrebten sich Die Percys aus dem Norden, als sie fanden, Höchst ungerecht sei seine Anmaßung, Statt seiner mich zu fördern auf den Thron. Was diese kriegerischen Lords bewog, War, daß nach Wegräumung des jungen Richard Ich von Geburt und Sippschaft war der nächste. Denn mütterlicher Seite stamm' ich ab Von Lionel von Clarence, drittem Sohn König Eduard des Dritten; mittlerweil Er von Johann von Gaunt den Stammbaum leitet, Dem vierten nur in jenem Heldenhaus. Doch merkt: als sie mit hochgemutem Anschlag Den rechten Erben einzusetzen rangen, Verlor die Freiheit ich, und sie das Leben. Viel später, als Heinrich der Fünfte herrschte Nach seinem Vater Bolingbroke, geschah's, Daß, mitleidsvoll mit meiner harten Trübsal, Dein Vater, Graf von Cambridge, abgestammt Vom großen Edmund Langley, Herzog York, Vermählt mit meiner Schwester, deiner Mutter, Nochmals ein Heer warb, wähnend mich zu lösen Und zu bekleiden mit dem Diadem; Doch wie die andern fiel der edle Graf Und ward enthauptet. So sind die Mortimers, Worauf der Anspruch ruhte, unterdrückt.
Plantagenet. Und deren letzter, edler Lord, seid ihr.
Mortimer. Ja, und du siehst, ich habe kein Geschlecht, Und meine matten Worte melden Tod. Du bist mein Erbe; rate selbst das andre, Doch übe Vorsicht bei der fleiß'gen Sorge.
Plantagenet. Die ernste Warnung präget sich mir ein; Doch dünkt mich meines Vaters Hinrichtung Geringres nicht als blut'ge Tyrannei.
Mortimer. Mit Schweigen, Neffe, treibe Politik, Das Haus der Lancaster ist festgegründet, Und, einem Felsen gleich, nicht wegzurücken. Nun aber rückt dein Oheim weg von hier, Wie Prinzen ihren Hof verlegen, müde Des langen Weilens am bestimmten Platz.
Plantagenet. O, kauft' ein Teil von meinen jungen Jahren Die Laufbahn eures Alters doch zurück!
Mortimer. Du thätest mir zu nah, dem Mörder gleich, Der viele Wunden gibt, wo eine tötet; Wo nicht mein Wohl dir leid ist, traure nicht, Nur ordne du mir die Bestattung an. Und so fahr' wohl, dir lache jede Hoffnung, Dein Leben sei beglückt in Fried und Krieg! (Stirbt.)
Plantagenet. Fried' und nicht Krieg mit deiner fliehnden Seele! Im Kerker schlossest du die Pilgerschaft,
Das Parlamentshaus. (Trompetenstoß. König Heinrich, Exeter, Gloster, Warwick, Somerset und Suffolk, der Bischof von Winchester, Richard Plantagenet und andere treten auf. Gloster will ein Memorial überreichen, Winchester reißt es ihm weg und zerreißt es.)
Winchester. Kommst du mit tief voraus bedachten Zeilen, Geschriebnen Blättern, künstlich ausgesonnen, Humphrey von Gloster? Wenn du klagen kannst, Und denkst mir irgend was zur Last zu legen, So thu es ohne Vorbereitung schnell, Wie ich mit schneller Red' und aus dem Kopf Dem, was du rügen magst, antworten will.
Gloster. Hochmüt'ger Pfaff! Der Ort mahnt zur Geduld, Sonst sollt'st du sehen, daß du mich beschimpft. Denk' nicht, wiewohl ich schriftlich abgefaßt Die Weise deiner schnöden Missethaten, Daß ich deshalb verfälscht, und nicht im stande wär', Der Feder Vortrag mündlich abzuhalten. Nein, Bischof, so verwegne Bosheit übst du, Und Ränke, frech, verpestend und entzweiend, Daß Kinder schwatzen selbst von deinem Stolz! Du bist ein räuberischer Wucherer, Halsstarrig von Natur, des Friedens Feind, Wollüstig, üppig, mehr als wohl sich ziemt Für einen Mann von deinem Amt und Rang. Und was liegt mehr am Tag als dein Verrat, Da auf mein Leben Schlingen du gelegt, Sowohl beim Turm als bei der Londonbrücke? Ja, würden die Gedanken dir gesichtet, Dein Herr, der König, fürcht' ich, ist nicht frei Von neid'scher Tücke deines schwell'nden Herzens.
Winchester. Gloster, ich biete Trotz dir. – Lords, geruht Gehör zu leihn dem, was ich will erwidern. Wär' ich ehrsüchtig, geizig und verkehrt, Wie er mich macht: wie bin ich denn so arm? Wie kommt es, daß ich nicht mich zu erhöhn, Zu fördern suche, dem Berufe treu? Was das Entzwein betrifft: wer hegt den Frieden Mehr als ich thu', wofern man nicht mich reizt? Nein, beste Lords, das ist nicht mein Vergehn; Das ist's nicht, was den Herzog hat entflammt. Es ist, daß niemand herrschen soll als er, Niemand als er soll um den König sein, Und das gebiert ihm Donner in der Brust, Und treibt ihn, diese Klag' heraus zu brüllen. Doch er soll sehn, ich sei so gut –
Gloster. So gut? Du Bastard meines Großvaters!
Winchester. Ja, großer Herr; denn was seid ihr, ich bitte, Als einer, herrisch auf des andern Thron?
Gloster. Sag', bin ich nicht Protektor, kecker Pfaff?
Winchester. Und bin ich ein Prälat der Kirche nicht?
Gloster. Ja, wie ein Vagabund ein Schloß besetzt, Und es zum Schutze seines Diebstahls braucht.
Winchester. Unwürd'ger Spötter Gloster!
Gloster. Du bist würdig Nur durch dein geistlich Amt, nicht durch dein Leben.
Winchester. Rom soll dem steuern.
Warwick. So räum' dich weg nach Rom.
Somerset. Mylord, ihr solltet billig euch enthalten.
Warwick. Ei, laßt den Bischof ja nicht übermeistern.
Somerset. Mich dünkt, Mylord sollt' etwas frömmer sein, Und solcher Männer hohe Würde kennen.
Warwick. Mich dünkt, sie sollten demutsvoller sein, Es ziemt sich nicht, daß ein Prälat so rechte.
Somerset. Ja, wenn sein heil'ger Stand wird angetastet.
Warwick. Unheilig oder heilig, was verschlägt's? Ist Seine Hoheit nicht des Reichs Protektor?
Plantagenet(beiseite). Plantagenet, seh ich, muß still sich halten, Daß man nicht sagt: »Sprecht, ihr da, wo ihr dürft; Mischt euer kühner Spruch bei Lords sich ein?« Sonst hätt' ich einen Strauß mit Winchester.
König Heinrich. Oheime Gloster und von Winchester, Besondre Wächter über Englands Wohl! Ich möchte gern, wenn Bitten was vermögen, In Lieb' und Freundschaft eure Herzen binden. O welch ein Aergernis für unsre Krone, Daß zwei so edle Pairs wie ihr sich zanken! Glaubt mir, schon wissen's meine zarten Jahre, Ein gift'ger Wurm ist innerlicher Zwist, Der nagt am Innern des gemeinen Wesens. –(Man hört draußen einen Lärm: »Nieder mit den Braunröcken!«) Welch ein Tumult?
Warwick. Ein Auflauf, will ich wetten, Erregt aus Tücke von des Bischofs Leuten.
(Wiederum Lärm: »Steine! Steine!« Der Schultheiß von London tritt auf mit Gefolge.)
Schultheiß. O, lieben Lords und tugendhafter Heinrich! Erbarmt euch der Stadt London und des Volks! Des Bischofs Leut' und Herzogs Gloster haben, Da Wehr zu tragen jüngst verboten ward, Die Taschen angefüllt mit Kieselsteinen, Und, in Partei'n gerottet, schmeißen sie So heftig einer an des andern Kopf, Daß manchem wird sein wirblicht Hirn zerschmettert; In allen Gassen schlägt man Fenstern ein, Und unsre Laden zwingt uns Furcht zu schließen.
(Die Anhänger Glosters und Winchesters kommen unter beständigem Handgemenge mit blutigen Köpfen.)
König Heinrich. Wir mahnen euch, bei Unterthanenpflicht, Daß ihr vom Totschlag laßt, und Frieden haltet. Ich bitt' euch Oheim Gloster, stillt den Streit.
Erster Bedienter. Ja, wenn man uns die Steine Verwehrt, so fallen wir uns mit Zähnen an.
Zweiter Bedienter. Thut, wie ihr Herz habt, wir sind auch entschlossen.
(Von neuem Handgemenge.)
Gloster.