König Heinrich VI. - Teil 1 - William Shakespeare - E-Book

König Heinrich VI. - Teil 1 E-Book

William Shakespeare

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Beschreibung

Im Auftakt seines dreiteiligen Historiendramas über die Regentschaft Heinrichs VI. verbindet Shakespeare die Legende um Johanna von Orléans und die Ursprünge der englischen Rosenkriege: Die Herrschaft des jungen Königs Heinrich VI. scheint von Anfang an unter einem schlechten Stern zu stehen. Seine Territorialansprüche in Frankreich werden von einer Streitmacht unter Führung der mysteriösen Jungfrau Johanna angefochten. Auch an Heinrichs eigenem Hof verschärft sich die Spannung zwischen den Anhängern zweier mächtiger Adelshäuser – droht England ein Bürgerkrieg?-

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William Shakespeare

König Heinrich VI. - Teil 1

Uebersetzt von August Wilhelm von Schlegel und Ludwig Tieck

Saga

König Heinrich VI. - Teil 1

 

Übersezt von August Wilhelm von Schlegel und Ludwig Tieck

 

Titel der Originalausgabe: Henry VI, Part I

 

Originalsprache: dem Englischen

 

Coverbid/Illustration: Shutterstock

Copyright © 1825, 2021 SAGA Egmont

 

Alle Rechte vorbehalten

 

ISBN: 9788726885804

 

1. E-Book-Ausgabe

Format: EPUB 3.0

 

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.

Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.

 

www.sagaegmont.com

Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com

Erster Teil.

Personen:

   König Heinrich der Sechste. Herzog von Gloster, Oheim des Königs und Protektor. Herzog von Bedford, Oheim des Königs und Regent von Frankreich. Thomas Beaufort, Herzog von Exeter, Großoheim des Königs. Heinrich Beaufort, Großoheim des Königs, Bischof von Winchester und nachmals Kardinal. Johann Beaufort, Graf von Somerset, nachmals Herzog. Richard Plantagenet, ältester Sohn des hingerichteten Grafen von Cambridge, nachmals Herzog von York. Graf von Warwick. Graf von Salisbury. Graf von Suffolk. Lord Talbot, nachmals Graf von Shrewsbury. Johann Talbot, sein Sohn. Edmund Mortimer, Graf von March. Mortimers Gefangenwärter. Ein Rechtsgelehrter. Sir John Fastolfe. Sir William Lucy. Sir William Glansdale. Sir Thomas Gargrave. Schultheiß von London. Woodville, Kommandant des Turmes. Vernon. Basset. Karl, Dauphin, nachmaliger König von Frankreich. Reignier, Herzog von Anjou und Titularkönig von Neapel. Herzog von Burgund. Herzog von Alençon. Der Statthalter von Paris. Bastard von Orleans. Der Büchsenmeister von Orleans und sein Sohn. Der General der französischen Truppen in Bourdeaux. Ein französischer Sergeant. Ein Thorwärter. Ein alter Schäfer, Vater der Pucelle. Margareta, Reigniers Tochter. Gräfin von Auvergne. Jeanne d'Arc, genannt la Pucelle. Böse Geister, die der Pucelle erscheinen, Herren von Adel, Wächter des Turmes, Herolde, Offiziere, Soldaten, Boten und Gefolge sowohl der englischen als der französischen Herrschaften. Die Scene ist teils in England, teils in Frankreich.

Erster Aufzug.

Erste Scene.

Westminsterabtei. (Totenmarsch. Man sieht die Leiche Heinrichs des Fünften auf einem Paradebette liegend, umgeben von den Herzogen von Bedford, Gloster und Exeter, dem Grafen von Warwick, dem Bischof von Winchester, Herolden &c.)

Bedford. Beflort den Himmel, weiche Tag der Nacht!

Kometen, Zeit und Staatenwechsel kündend,

Schwingt die kristallnen Zöpf' am Firmament,

Und geißelt die empörten bösen Sterne,

Die eingestimmt zu König Heinrichs Tod,

Heinrich des Fünften, zu groß lang zu leben!

England verlor so würd'gen König nie.

Gloster. Vor ihm hatt' England keinen König noch.

Tugend besaß er, ausersehn zum Herrschen;

Blind machend strahlte sein gezücktes Schwert,

Die Arme spannt' er weit wie Drachenflügel,

Sein funkelnd Auge, grimm'gen Feuers voll,

Betäubte mehr und trieb zurück die Feinde,

Als Mittagssonn', auf ihre Stirn gewandt.

Was red' ich? Ihn erreichen Worte nicht,

Er hob die Hand nie auf, daß er nicht siegte.

Exeter. Wir trauern schwarz: warum doch nicht in Blut?

Heinrich ist tot und lebet nimmer auf,

Und wir begleiten einen Sarg aus Holz,

Verherrlichen des Tods unedlen Sieg

Mit unsrer feierlichen Gegenwart,

Gefangnen gleich am Wagen des Triumphs.

Wie? sollen wir Unglücksplaneten fluchen,

Die so gestiftet unsers Ruhmes Sturz?

Oder die schlauen Franken für Beschwörer

Und Zaubrer achten, welche, bang vor ihm,

Durch mag'sche Verse seinen Tod erzielt?

Winchester. Es war ein Fürst, vom Herrn der Herrn gesegnet.

Der Tag des furchtbaren Gerichts wird nicht

Den Franken furchtbar wie sein Anblick sein.

Er focht die Schlachten für den Herrn der Scharen,

Durch das Gebet der Kirche glückt' es ihm.

Gloster. Der Kirche? Hätten Pfaffen nicht gebetet,

So riß sein Lebensfaden nicht so bald,

Ihr mögt nur einzig einen weib'schen Prinzen,

Den ihr wie einen Schüler meistern könnt.

Winchester. Gloster, was ich auch mag, du bist Protektor.

Und kannst dem Prinzen und dem Reich gebieten.

Dein Weib ist stolz, sie hält dich in der Scheu,

Mehr als Gott, oder heil'ge Priester können.

Gloster. Nenn' Heiligkeit nicht, denn du liebst das Fleisch,

Und gehst zur Kirche nie im ganzen Jahr,

Als wider deine Feinde nur zu beten.

Bedford. Laßt, laßt dies Hadern! stillet die Gemüter!

Hin zum Altar! – Herolde, geht mit uns; –

Statt Goldes wollen wir die Waffen bieten,

Nun Heinrich tot ist, helfen Waffen nicht.

Nachkommenschaft, erwart' elende Jahre,

Wo an der Mutter feuchtem Aug' das Kindlein saugt,

Dies Eiland Lache salzer Thränen wird,

Und Weiber nur zur Totenklage bleiben. –

Heinrich der Fünfte, deinen Geist ruf' ich:

Beglück' dies Reich, schirm' es vor Bürgerzwist,

Bekämpf' im Himmel feindliche Planeten!

Ein lichtrer Stern wird deine Seele werden

Als Julius Cäsar oder Cassiopeia.

(Ein Bote tritt auf.)

Bote. Euch allen Heil, ihr ehrenwerten Lords!

Aus Frankreich bring' ich böse Zeitung euch

Von Niederlage, Blutbad und Verlust.

Guienne, Champagne, Rheims, Orleans,

Paris, Guisors, Poictiers, sind ganz dahin.

Bedford. Was sagst du, Mann, vor Heinrichs Leiche hier?

Sprich leise: beim Verlust so großer Städte

Sprengt er sein Blei sonst, und ersteht vom Tod.

Gloster. Paris ist hin? Rouen ist übergeben?

Wenn man zurück ins Leben Heinrich rief,

Er gäb' aufs neu den Geist auf bei der Zeitung.

Exeter. Was hat uns drum gebracht? Welch ein Verrat?

Bote. Nein, kein Verrat, nur Geld- und Menschenmangel.

Man murmelt unter den Soldaten dort,

Ihr haltet hier verschiedene Partein,

Und, statt ins Feld zu rücken und zu fechten,

Entzweiet ihr um eure Feldherrn euch.

Der will langwier'gen Krieg mit wenig Kosten,

Der flöge hurtig gern, doch fehlt's an Schwingen,

Ein dritter denkt, ohn' allen Aufwand sei

Mit glatten Worten Friede zu erlangen.

Erwach', erwache, Englands Adelstand!

Laß Trägheit nicht die neuen Ehren dämpfen:

Die Lilien sind gepflückt in eurem Wappen,

Von Englands Schild die Hälfte weggehaun.

Exeter. Wenn unsre Thränen dieser Leiche fehlten,

Die Zeitung riefe ihre Flut hervor.

Bedford. Mich geht es an, ich bin Regent von Frankreich.

Gebt mir den Panzerrock: ich fecht' um Frankreich.

Fort mit dem schmählichen Gewand des Wehs!

Ich will den Franken Wunden leihn, statt Augen,

Ihr unterbrochnes Elend zu beweinen.

(Ein anderer Bote tritt auf.)

Zweiter Bote. Seht diese Briefe, Lords, von Unheil durch,

Frankreich empört den Englischen sich ganz,

Bis auf ein paar geringe Städte noch.

Der Dauphin Karl ist schon gekrönt in Rheims,

Von Orleans der Bastard ist mit ihm,

Reignier, Herzog von Anjou, tritt ihm bei,

Der Herzog Alençon flieht zu ihm über.

Exeter. Gekrönt der Dauphin? alle fliehn zu ihm?

O wohin fliehen wir vor dieser Schmach?

Gloster. Wir woll'n nicht fliehn, als in der Feinde Rachen.

Bedford, wenn du erschlaffst, fecht' ich es aus.

Bedford. Gloster, was zweifelst du an meinem Eifer?

Ich hab' ein Heer gemustert in Gedanken,

Womit schon Frankreich überzogen ist.

(Ein dritter Bote tritt auf.)

Dritter Bote. Ihr gnäd'gen Lords, den Jammer zu vermehren

Womit ihr Heinrichs Bahre jetzt betaut,

Muß ich ein schreckliches Gefecht berichten,

Zwischen dem rüst'gen Talbot und den Franken.

Winchester. Was? worin Talbot Sieger blieb? nicht wahr?

Dritter Bote. O nein, worin Lord Talbot ward besiegt,

Den Hergang will ich euch genauer melden.

Am zehnten des Augusts, da dieser Held

Von der Belagrung Orleans zurückzog,

Mit kaum sechstausend Mann in seiner Schar,

Ward er von dreiundzwanzigtausend Franken

Umzingelt überall und angegriffen.

Er hatte keine Zeit, sein Volk zu reihn,

Noch Piken, vor die Schützen hinzustellen,

Statt deren sie aus Zäunen scharfe Pfähle

Nur in den Boden steckten, wie es kam,

Die Reiterei vom Einbruch abzuhalten.

Mehr als drei Stunden währte das Gefecht,

Wo Talbot, tapfer über Menschen Denken,

Mit seinem Schwert und Lanze Wunder that.

Zur Hölle sandt' er hundert, keiner stand ihm,

Da, dort und überall schlug er ergrimmt;

Die Franken schrie'n, der Teufel sei in Waffen,

Das ganze Heer entsetzte sich ob ihm.

Da seine Krieger so beherzt ihn sahn,

Schrie'n »Talbot! Talbot hoch!« sie insgemein,

Und stürzten recht sich in das Herz der Schlacht.

Nun hätte völlig sie der Sieg besiegelt,

Wo Sir John Fastolfe nicht die Memme spielte.

Der, in dem Nachtrab hinterwärts gestellt,

Um ihnen beizustehn und nachzufolgen,

Floh memmenhaft, und that nicht einen Streich.

Drauf ward Ruin und Blutbad allgemein,

Umzingelt waren von den Feinden sie;

Ein schändlicher Wallon warf um die Gunst

Des Dauphins einen Speer in Talbots Rücken,

Dess', dem ganz Frankreich, mit vereinter Stärke

Nicht einmal wagte ins Gesicht zu sehn.

Bedford. Ist Talbot tot? So bring' ich selbst mich um,

Weil ich hier müßig lebt' in Pomp und Ruh,

Indes ein würd'ger Feldherr hilfsbedürftig,

Verzagten Feinden so verraten ward.

Dritter Bote. O nein, er lebt, allein er ist gefangen,

Mit ihm Lord Scales und Lord Hungerford;

Der Rest auch meist erschlagen und gefangen.

Bedford. Ich zahle seine Lösung, niemand sonst.

Ich will vom Thron den Dauphin häuptlings reißen,

Mit seiner Krone lös' ich meinen Freund;

Für einen Lord tausch' ich von ihren vier.

Lebt wohl, ihr Herrn! ich will an mein Geschäft,

Lustfeuer muß ich gleich in Frankreich machen,

Zu feiern unser groß Sankt Georgenfest.

Zehntausend nehm' ich mit mir der Soldaten,

Europa zittre ihren blut'gen Thaten.

Dritter Bote. Thut das, denn man belagert Orleans,

Das Heer der Englischen ward matt und schwach,

Der Graf von Salisbury begehrt Verstärkung,

Und hält sein Volk von Meuterei kaum ab,

Das solche Ueberzahl bewachen muß.

Exeter. Lords, denkt der Eide, die ihr Heinrich schwurt:

Entweder ganz den Dauphin zu vernichten,

Oder ihn unter euer Joch zu beugen.

Bedford. Wohl denk' ich ihrer, und hier nehm' ich Abschied,

Um gleich an meine Zurüstung zu gehn. (Ab.)

Gloster. Ich will zum Turm in möglichst großer Eil,

Geschütz und Kriegszeug zu beschaun, und dann

Ruf' ich den jungen Heinrich aus zum König. (Ab.)

Exeter. Nach Eltham, wo der junge König ist,

Will ich, zur nächsten Aufsicht angestellt,

Und bestens seine Sicherheit beraten. (Ab.)

Winchester. Ein jeder hat sein Amt und seinen Platz,

Mich ließ man aus, für mich ist nichts geblieben,

Doch lang' will ich Hans außer Dienst nicht sein.

Den König stehl' ich bald von Eltham weg,

Und sitz' am Steuer des gemeinen Wesens.

(Ab. Ein innerer Vorhang fällt.)

________________________________________

Zweite Scene.

Frankreich. Vor Orleans. (Karl mit seinen Truppen, Alençon, Reignier und andere.)

Karl. Mars wahrer Lauf ist, grade wie im Himmel,

Bis diesen Tag auf Erden nicht bekannt:

Jüngst schien er noch der Englischen Partei,

Nun sind wir Sieger und er lächelt uns.

Was fehlen uns für Städte von Gewicht?

Wir liegen hier zur Lust bei Orleans,

Die Englischen, verhungert, blaß wie Geister,

Belagern matt uns eine Stund' im Monat.

Alençon. Sie missen ihre Brüh'n und fettes Rindfleisch,

Entweder muß man sie wie Maultier' halten,

Ihr Futter ihnen binden an das Maul,

Sonst sehn sie kläglich, wie ersoffne Mäuse.

Reignier. Entsetzt die Stadt: was sind wir müßig hier?

Talbot, den wir gefürchtet, ist gefangen;

Bleibt keiner als der tolle Salisbury,

Der wohl die Gall' im Aerger mag verzehren:

Er hat zum Kriege weder Volk noch Geld.

Karl. Schlagt Lärm! schlagt Lärm! Wir stürzen auf sie ein.

Nun für die Ehre der verlornen Franken!

Dem, der mich tötet, sei mein Tod verziehn,

Sieht er mich fußbreit weichen oder fliehn.

(Alle ab.)

(Getümmel, Angriffe, hierauf ein Rückzug. Karl, Alençon, Reignier und andere kommen zurück.)

Karl. Sah man je so was? was für Volk hab' ich?

Die Hunde! Memmen! Ich wär' nie geflohn,

Wenn sie mich nicht vom Feind umringt verließen.

Reignier. Salisbury mordet ganz verzweiflungsvoll,

Er ficht wie einer, der des Lebens müde.

Die andern Lords, wie Löwen voller Gier,

Bestürmen uns als ihres Hungers Raub.

Alençon. Froissard, ein Landsmann von uns, bezeugt,

England trug lauter Olivers und Rolands,

Zur Zeit, als Eduard der Dritte herrschte.

Wahrhafter läßt sich dies behaupten jetzt:

Denn Simsons bloß und Goliasse sendet

Es aus zum Fechten. Einer gegen zehn!

Und Schufte nur von Haut und Bein! Wer traut

Wohl solchen Mut und Kühnheit ihnen zu?

Karl. Verlassen wir die Stadt: Tollköpfe sind's,

Und Hunger treibt sie nur zu größerm Eifer.

Von alters kenn' ich sie: sie werden eher

Die Mauern mit den Zähnen niederreißen,

Als daß sie die Belagrung gäben auf.

Reignier. Ein seltsam Räderwerk stellt ihr Gewehr,

Glaub' ich, wie Glocken, immer anzuschlagen:

Sie hielten sonst nicht aus, so wie sie thun.

Nach meiner Meinung lassen wir sie gehn.

Alençon. So sei es.

(Der Bastard von Orleans tritt auf.)

Bastard. Wo ist Prinz Dauphin? Neues bring' ich ihm.

Karl. Bastard von Orleans, dreimal willkommen!

Bastard. Mich dünkt, eu'r Blick ist trüb, und bang die Miene:

Hat euer letzter Unfall daran Schuld?

Verzaget nicht, denn Beistand ist zur Hand.

Ich bringe eine heil'ge Jungfrau her,

Die ein Gesicht, vom Himmel ihr gesandt,

Ersehn hat, die Belagrung aufzuheben,

Und aus dem Land die Englischen zu jagen.

Sie hat der tiefen Prophezeiung Geist,

Roms alten neun Sibyllen überlegen;

Was war, was kommen wird, kann sie erspähn.

Sagt, ruf' ich sie herbei? Glaubt meinen Worten,

Denn sie sind ganz untrüglich und gewiß.

Karl. Geht, ruft sie vor. (Bastard ab.)