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William Shakespeares 'König Johann' ist ein facettenreiches Drama, das die politischen Intrigen und Machtspiele des englischen Königshofs im Mittelalter beleuchtet. Das Stück zeichnet sich durch Shakespeares typische sprachliche Virtuosität und dramaturgische Raffinesse aus, die den Leser in eine komplexe Welt von Loyalität, Verrat und politischer Machtkämpfe entführt. Die zweisprachige Ausgabe ermöglicht es dem Leser, die poetische Schönheit von Shakespeares Originaltext sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch zu genießen. Diese Ausgabe ist daher sowohl für erfahrene Shakespeare-Liebhaber als auch für Leser, die sich zum ersten Mal mit dem Werk des berühmten Dramatikers beschäftigen, geeignet. William Shakespeare, einer der bedeutendsten Dramatiker der Weltliteratur, hat mit 'König Johann' ein faszinierendes Werk geschaffen, das die zeitlosen Themen menschlicher Natur und politischer Macht behandelt. Als Autor, der sein Publikum mit seinen einzigartigen Charakteren und tiefgründigen Handlungssträngen fesselt, konnte Shakespeare mit diesem Stück erneut sein Talent für die Darstellung komplexer Emotionen und moralischer Dilemmata unter Beweis stellen. Durch seine tiefgründige Kenntnis der menschlichen Psyche und seine meisterhafte Beherrschung der dramatischen Form hat Shakespeare 'König Johann' zu einem unvergesslichen Theatererlebnis gemacht. Für Liebhaber von klassischer Literatur und Theaterstücken ist 'König Johann' eine unverzichtbare Lektüre. Dieses fesselnde Drama von William Shakespeare bietet nicht nur eine intensive Auseinandersetzung mit historischen Ereignissen, sondern auch eine zeitlose Darstellung menschlicher Abgründe und Leidenschaften. Durch die zweisprachige Ausgabe können Leser die Schönheit von Shakespeares Versen in ihrer originalen Sprachform erleben und gleichzeitig eine neue Perspektive auf das Werk des berühmten Dramatikers gewinnen.
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(german)
Inhalt
PERSONEN
ERSTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEYTE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
ZWEYTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEYTE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
FÜNFTE SCENE
SECHSTE SCENE
DRITTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEYTE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
FÜNFTE SCENE
SECHSTE SCENE
SIEBENDE SCENE
VIERTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEYTE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
FÜNFTE SCENE
SECHSTE SCENE
SIEBENDE SCENE
FÜNFTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEYTE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
FÜNFTE SCENE
SECHSTE SCENE
SIEBENDE SCENE
ACHTE SCENE
NEUNTE SCENE
ZEHNTE SCENE
König Johann von England.
Prinz Heinrich, sein Sohn und Nachfolger.
Arthur, Herzog von Bretagne, Neffe des Königs.
Hubert, Vertrauter des Königs.
Pembrok, Essex, Salisbury und Bigot, Englische Lords.
Faulconbridge, nachmals Sir Richard Plantagenet, unehlicher Sohn König Richards des Ersten.
Robert Faulconbridge, vermeynter Bruder des Bastards.
Jacob Gurney, Diener der Lady Faulconbridge.
Peter von Pomfret, ein Prophet.
Philipp, König von Frankreich.
Ludwig, der Dauphin.
Der Herzog von Oestreich.
Cardinal Pandolpho, des Pabsts Legat.
Melun, ein Französischer vom Adel.
Chatilion, Französischer Gesandter bey König Johann.
Elinor, Königin-Mutter von England.
Constantia, Arthurs Mutter.
Blanca, Tochter Königs Alphonso von Castilien, und Nichte des Königs Johann.
Lady Faulconbridge, Mutter des Bastard und des Robert Faulconbridge.
Bürger von Angiers, Herolde, Nachrichter, Boten, Soldaten und andre stumme Personen.
Der Schauplaz, zuweilen in England, zuweilen in Frankreich.
(Der Engländische Hof.)
König Johann, die Königin Elinor, Pembroke, Essex und Salisbüry mit Chatilion treten auf.
König Johann. Wohlan, saget Chatilion, was will Frankreich von uns?
Chatilion. So spricht, nächst seinem Gruß der König von Frankreich, durch mich, mit der Majestät, der geborgten Majestät von England hier – –
Elinor. Ein ausserordentlicher Eingang; geborgte Majestät!
König Johann. Seyd ruhig, meine werthe Mutter; hört die Gesandtschaft.
Chatilion. Philipp von Frankreich nimmt im Namen und in Kraft des Rechts von deines verstorbnen BrudersGeoffroi Plantagenette, Sohn des Grafen von Anjou, bekam durch seine Vermählung mit König Heinrich des 1sten von England einziger Tochter und erklärten Erbin, Matthilde, ein Recht an die Crone von England, wozu sein ältester Sohn nachmals unter dem Namen Heinrichs des 2ten würklich gelangte. Heinrich der 2te vereinigte also mit der Crone von England Anjou, Poitou, Touraine und Maine, und durch seine Vermählung mit Eleonor, Erbin von Aquitanien, (die von ihrem ersten Gemahl Louis le Jeune von Frankreich, wegen Untreue verstossen worden,) auch das Herzogthum Aquitanien. Seinen ältesten Sohn Gottfried (von welchem hier die Rede ist), vermählte er mit Constantia, Tochter und Erbin von Conan Grafen von Bretagne; die Crone hingegen kam nach Heinrichs Tod an seinen jüngern Sohn Richard Coeur de Lion. Nach dessen Abgang bemeisterte sich Johannes sine Terra, dessen Geschichte dieses Stük enthält, zum Nachtheil Arthurs, des hinterlaßnen Erben seines ältern Bruders Gottfrieds von Bretagne, der Crone, und der von Heinrich dem 2ten derselben einverleibten Französischen Besizungen; und der darüber zwischen ihm und dem König Philippe Auguste entstandne Krieg macht den Anfang dieses Trauerspiels. Gottfried Sohn, Arthur's Plantagenet, rechtmäßigen Anspruch an diese schöne Insel, an Irrland, Poitiers, Anjou, Touraine und Maine, und begehrt von dir, daß du das Schwerdt niederlegest, das einer unrechtmäßigen Herrschaft über diese verschiednen Titel sich anmasset, und solches dem jungen Arthur einhändigest, deinem Neffen und rechtmäßigen souverainen König.
König Johann. Und was folget, wenn wir uns dessen weigern?
Chatilion. Der stolze Widerspruch eines blutigen Kriegs, dir mit Gewalt die Rechte abzudrängen, die du gewaltthätiger Weise vorenthältst.
König Johann. Hier haben wir Krieg um Krieg, Blut um Blut und Wiederspruch um Wiederspruch; antwortet das dem König von Frankreich.
Chatilion. So nimm dann die Kriegs-Erklärung meines Königs aus meinem Munde, den lezten Auftrag meiner Gesandtschaft.
König Johann. Bring ihm die meinige zurük, und so scheid' im Frieden; denn eh du berichtet haben kanst, daß ich kommen werde, soll Frankreich den Donner meiner Canonen hören.Zu Anfang des dreizehnten Seculi nemlich. Hinweg dann; sey du die Trompete unsers Zorns, und das plözliche Vorzeichen euers Untergangs. Pembrok, sorget dafür, daß er mit einem anständigen Geleit aus unserm Reich entlassen werde; lebe wohl, Chatilion.
(Chatilion und Pembroke gehen ab.)
Elinor. Wie nun, mein Sohn? Sagt' ich nicht immer, diese ehrgeizige Constantia werde nicht ruhen, bis sie Frankreich und alle Welt für die Ansprüche ihres Sohns in Flammen gesezt habe? Allem diesem hätte man zuvorkommen und in der Güte beylegen können, was nun der blutige und gefahrvolle Kampf zweyer Königreiche entscheiden soll.
König Johann. Unser völliger Besiz, und unser Recht – –
Elinor. Wenn unser Besiz nicht kräftiger ist als unser Recht, so muß es uns beyden übel gehen; laßt euch mein Gewissen das ins Ohr sagen, da es niemand hört als der Himmel, ihr und ich.
Essex. Gnädigster Herr, es ist hier eine Streitsache, die aus der Provinz zu Eurer Majestät Entscheidung gebracht wird, die seltsamste, die ich jemals gehört. Soll ich die Partheyen hereinführen?
König Johann. Laßt sie herein kommen – – Unsre Abteyen und Prioreyen sollen die Unkosten dieses Kriegs bezahlen – – Wer seyd ihr?
Robert Faulconbridge und Philipp, sein Bruder, der Bastard, treten auf.
Philipp. Euer Majestät getreuer Unterthan, ein Edelmann in Northamptonshire gebohren, und wie ich behaupte, der älteste Sohn von Robert Faulconbridge, einem Kriegsmann, den die ehrenvolle Hand des Königs Richard Coeur-de-Lion im Felde zum Ritter geschlagen.
König Johannzu Robert. Wer bist du?
Robert. Der Sohn und Erbe von diesem nemlichen Faulconbridge.
König Johann. Ist dieser der Aeltere, und du bist der Erbe? Ihr seyd also nicht von einer Mutter, scheint es?
Philipp. Wir sind ganz gewiß von einer Mutter, mächtiger König, das ist jedermann bekannt, und, wie ich glaube, auch von einem Vater; doch wegen der Gewißheit dieses leztern Puncts muß ich Euer Majestät an den Himmel und meine Mutter anweisen; denn davon bin ich nicht gewisser als alle andre Menschen-Kinder.
Elinor. Hinweg mit dir, du ungesitteter Mensch! Schämst du dich nicht, deiner Mutter Ehre durch diesen Zweifel zu verwunden?
Philipp. Auch thue ich es nicht, Gnädigste Frau; ich habe keine Ursache dazu, das ist meines Bruders Sache, das geht mich nichts an; wenn er so was beweisen kan, so bringt er mich wenigstens um schöne fünfhundert Pfund des Jahrs; der Himmel schüze meiner Mutter Ehre und mein Erbgut!
König Johann. Ein guter runder Geselle; aber warum macht er denn einen Anspruch an dein Erbgut, wenn er der jüngere Bruder ist?
Philipp. Ich weiß nicht warum, ausser daß er gerne meine Güter hätte; es ist wahr, er warf mir einmal vor, daß ich unehlich gezeugt sey, allein das ist eine Sache, die ich lediglich meiner Mutter überlasse; ich kan nicht wissen, ob ich ehlich oder unehlich gezeugt bin; aber das weiß ich, daß ich eben so wohl gemacht bin als er. (Sanft mögen die Gebeine ruhen, die diese Mühe für mich genommen haben!) Vergleichet unsre Gesichter, gnädigster Herr, und thut den Ausspruch. Wenn der alte Sir Robert uns beyde gemacht hat, und dieser Sohn ihm ähnlich sieht; o alter Sir Robert, so dank ich dem Himmel auf meinen Knien, daß ich dir nicht ähnlich sehe.
König Johann. Ha, was für einen Pikelhäring hat uns der Himmel hier zugeschikt?
Elinor. Er hat einen Zug von Coeur de Lion's Gesicht, und einen ähnlichen Ton der Stimme; findet ihr nicht einige Aehnlichkeiten mit meinem Sohn, in der stämmichten Gestalt dieses jungen Menschen?
König Johann. Ich betrachte ihn schon lange deßwegen, und find' ihn durchaus Richard; (zu Robert.) Nun, Geselle, sage dann, was bewegt dich einen Anspruch an deines Bruders Güter zu machen?
Philipp. Weil er ein halbes Gesicht hat, wie mein Vater; um dieses halben Gesichts willen möcht er gerne mein ganzes Erbgut haben; ein groschenmäßiges Halb-Gesicht, fünfhundert Pfund des Jahrs!
Robert. Mein gnädigster Souverain, wie mein Vater noch lebte, brauchte der König, euer Bruder, meinen Vater viel – –
Philipp. Gut, Herr, das kan euch nichts von meinen Gütern geben; ihr müßt sagen, wie er meine Mutter brauchte.
Robert. - – und verschikte ihn einst in einer Gesandtschaft nach Deutschland, wo er über wichtige Angelegenheiten der damaligen Zeit mit dem Kayser Unterhandlung pflegen sollte; der König machte sich indessen seine Abwesenheit zu Nuze, und hielt sich die ganze Zeit über in meines Vaters Haus auf; wie er's da so weit gebracht, daß er – – ich schäme mich es zu sagen; allein Wahrheit ist Wahrheit; Kurz, es lagen Meere und Länder zwischen meinem Vater und meiner Mutter, wie dieser junge Herr hier gezeugt wurde; das hab' ich aus meines Vaters eignem Munde. Auf seinem Todbette vermachte er seine Güter durch ein Testament mir, und blieb bis in seinen Tod dabey, daß dieser, meiner Mutter Sohn, nicht der seinige sey; und wenn er's auch wäre, so kam er volle vierzehn Wochen vor der gesezmäßigen Zeit in die Welt: Ich bitte also Euer Majestät mir zuzusprechen, was mein ist, meines Vaters Güter, nach meines Vaters leztem Willen.
König Johann. Mein guter Kerl, euer Bruder ist in der Ehe gebohren; euers Vaters Weib brachte ihn während ihrem Ehestand; wenn sie untreu war, so ist es ihr Fehler, und ein Zufall dem alle Männer ausgesezt sind, welche Weiber nehmen. Sag mir einmal, wie, wenn mein Bruder, der deinem Vorgeben nach, die Mühe nahm diesen Sohn zu zeugen, ihn deinem Vater als seinen Sohn abgefodert hätte? Hätte nicht dein Vater ein Kalb, das ihm seine Kuh gebracht, gegen die Ansprüche der ganzen Welt behaupten können? Wahrhaftig, guter Freund, das hätt' er können; gesezt also auch, er wäre meines Bruders Sohn, so hätte doch mein Bruder keinen Anspruch an ihn machen, noch hätt' ihn euer Vater deßwegen, weil er nicht sein sey, verläugnen können; aus allem diesem folgt also, daß meiner Mutter Sohn euers Vaters Erben zeugte, und daß euers Vaters Erbe euers Vaters Güter haben muß.
Robert. Soll denn meines Vaters lezter Wille keine Kraft haben, ein Kind zu enterben, das nicht sein ist?
Philipp. Von keiner grössern Kraft mich zu enterben, Herr, als, denk ich, sein Wille mich zu zeugen war.
Elinor. Was wolltest du lieber seyn, ein Faulconbridge, wie dieser hier, um deine Güter zu haben; oder ein natürlicher Sohn von Coeur de Lion, ein Prinz vom Geblüte, und keine Güter dazu?
Philipp. Gnädigste Frau, und wenn mein Bruder meine Gestalt hätte, und ich hätte die seinige, Sir Roberts seine, wie er; und wenn meine Beine zwo solche Spindeln wären, meine Arme solch Aalhautiges Zeug, und mein Gesicht so dünne, daß ich keine RoseUm diese Anspielung zu verstehen muß man wissen, daß die Königin Elisabeth unter allen Beherrschern von England die erste und lezte war, die Drey-Halb-Pfenninge, und Drey-Viertels-Pfenninge schlagen ließ, auf denen sich ihr Bildniß bald mit bald ohne die Rose, befand. in mein Ohr steken könnte, ohne daß die Leute sagten: Seht, da geht Drey-Viertels-Pfennig – – Und wenn gleich diese Gestalt Erbe von allen seinen Gütern wäre, so will ich nimmer von diesem Plaz kommen, wenn ich sie nicht von Fuß auf hingeben wollte, um dieses Gesicht zu haben; ich wollt' um alles in der Welt nicht Sir Nobb seyn.
Elinor. Du gefällst mir; willt du dein Erbtheil vergessen, ihm deine Güter überlassen und mir folgen? Ich bin ein Soldat, und im Begriff wider Frankreich Dienste zu thun.
Philipp. Bruder, nimm du meine Güter, und laß mir mein Gesicht, das deinig' hat dir fünfhundert Pfund jährlich erworben; aber wenn du es für fünf Pfenning verkauffen kanst, so glaube du habest wohl gelößt. Gnädigste Frau, ich bin bereit, euch bis in den Tod zu folgen.
Elinor. Was das betrift, so will ich lieber daß ihr mir voran geht.
Philipp. In unsrer Provinz erfordert die Höflichkeit, daß man die Vornehmern zuerst gehen lasse.
König Johann. Wie nennst du dich?
Philipp. Philipp, Gnädigster Souverain, so ward ich genennt; Philipp, des guten alten Sir Roberts seiner Frauen ältester Sohn.
König Johann. Von nun trage den Namen von dem, dessen Gestalt du trägst; knie nieder, Philipp, um grösser aufzustehen. (Er schlägt ihn zum Ritter.) Steh als Sir Richard Plantagenet auf.
Philipp. Bruder von mütterlicher Seite, gebt mir eure Hand; mein Vater gab mir Ehre, der eure giebt euch Land. Nun, gesegnet sey die Stunde, es mag Nacht oder Tag gewesen seyn, da ich gezeugt und Sir Robert abwesend war.
Elinor. Der echte Geist der Plantagenet's. Ich bin deine Großmutter, Richard, nenne mich so.
Philipp. Durch einen Zufall, Gnädigste Frau, nicht in der Ordnung; doch was thut das? Ob man zum Fenster hinein kommt oder zur Thüre, wenn man nur drinn ist; näher oder weiter vom Ziel, wohl getroffen ist wohl geschossen, und ich bin ich, ich mag gezeugt seyn wie ich will.
König Johann. Geh, Faulconbridge, du hast nun was du wünschtest; ein güterloser Ritter macht dich zu einem begüterten Junker. Kommt, Madam; komm, Richard, wir müssen nach Frankreich eilen, nach Frankreich, es ist höchste Zeit.
Philipp. Bruder, leb wohl; ich wünsche dir viel Glüks, denn du bist mit Erlaubniß der Geseze auf die Welt gekommen.
(Alle gehen ab, bis auf Philipp.)
Philipp. Meine Ehre steht nun auf einem bessern Fuß als zuvor, aber mein Vermögen hat sich um manchen Fuß Landes verschlimmert. Sey es dann; izt kan ich doch ein jedes Gretchen zu einer Lady machen – – »Guten Tag, Sir Richard« – – Grossen Dank, Camerad – – und wenn er Görge heißt, kan ich ihn Peter nennen; denn neugebakner Adel vergißt der Leute Nahmen; man würde zuviel vergeben, wenn man noch auf solche Kleinigkeiten acht haben wollte, und solche Leute sind nicht fein genug für eure Gesellschaft. Izt ist der gereißte MannEs ist bekannt, daß damals alle Welt auf Abentheuer ausgieng, und gereißte Leute in größtem Ansehn stuhnden, und, wie bey unsern Nachbarn die Beaux-Esprits, das Recht hatten, sich bey grossen Herren zu Gaste zu laden. meiner Gnaden Tisch-Genosse, er und sein Zahnstocher; und wenn mein ritterlicher Magen angefüllt ist, nun dann saug' ich an meinen Zähnen, und catechisire meinen Spizbart aus fremden Ländern – – Mein werther Herr, (so fang ich auf meinen Ellenbogen gestüzt an,) darf ich euch bitten – – das ist nun die Frage; und dann kommt gleich die Antwort wie ein ABC-Buch: O mein Herr, sagt die Antwort, ich bin gänzlich zu euerm Befehl, zu euern Diensten, ganz der Eurige, mein Herr – – Nein, mein Herr, sagt die Frage, ich, mein werthester Herr, bin der Eurige; und so, eh die Antwort recht gehört hat was die Frage will, wartet sie euch schon mit einem Dialogus von Complimenten auf, spricht dann von Alpen und Apenninen, von den Pyrenäen und dem Flusse Po, und weiß das Gespräch so lange hinaus zu ziehen, bis es vom Abend-Essen abgebrochen wird. Das ist polite Gesellschaft, die sich für einen emporstrebenden Geist, wie der meinige, schikt! Denn der ist nur ein Bastard der Zeit, der die Kunst nicht versteht sich beliebt zu machen, und nicht nur in seiner äusserlichen Gestalt, in seinem Aufzug und in seinen Manieren, dem Geschmak seiner Zeit schmeichelt; sondern auch aus einer innerlichen Quelle den süssen, süssen, süssen Gift, der den Gaumen der Leute so reizend küzelt, von sich zu geben weiß. Eine Kunst, die ich zwar nicht ausüben will, um andre zu betrügen, aber die ich zu lernen gedenke, damit ich von andern nicht betrogen werde. Sie soll die Stuffen meiner Erhöhung mit Blumen bestreuen. Aber wer kommt hier so eilfertig, in Reit-Kleidern? Was für ein weiblicher Courier ist diß? Hat sie keinen Mann, der die Müh nehmen mag, ein Horn vor ihr her zu blasen? Himmel, es ist meine Mutter! Nun, meine werthe Lady, was bringt euch so eilfertig nach Hofe?
Lady Faulconbridge, und Jacob Gurney treten auf.
Lady. Wo ist der Sclave, dein Bruder; wo ist er, der sich erfrecht meine Ehre öffentlich anzutasten?
Philipp. Mein Bruder Robert, des alten Sir Roberts Sohn, Colbrand, der Riese, der nemliche gewaltige Mann; ist es Sir Robert's Sohn, den ihr sucht?
Lady. Sir Roberts Sohn? Ja, du unehrerbietiger Junge, Sir Roberts Sohn; warum spottest du über Sir Roberten?
Philipp. Jacob Gurney, willt du so gut seyn, und uns ein wenig allein lassen?
Gurney. Von Herzen gerne, mein lieber Philipp.
Philipp. Philipp! – – Verschone mich, Jacob; es sind kurzweilige Dinge heraus gekommen; hernach ein mehrers davon. (Jacob geht ab.) Gnädige Frau, ich war nie des alten Sir Roberts Sohn; Sir Robert hätte seinen Theil an mir an einem Charfreytag essen können, ohne daß er seine Fasten gebrochen hätte. Sir Robert war ein ganz wakrer Mann; aber, meiner Treu, bekennt die Wahrheit! Hätt' er mich machen können? Das konnte Sir Robert nicht; wir kennen seine Arbeit. Sagt mir also, liebe Mutter, wem bin ich für diese Figur verpflichtet? Sir Robert konnte nimmermehr so ein Bein machen helfen?
Lady. Hast du dich auch mit deinem Bruder wider mich verschworen? Du, der um deines eignen Vortheils willen meine Ehre vertheidigen sollte? Was soll dieses Gespötte bedeuten, du höchst unbesonnener Bube?
Philipp. Ritter, Ritter, liebe Mutter – – und BasiliscoEine Anspielung auf den Beynamen Coeur de Lion, den König Richard führte. Cor Leonis, ein Fixstern von der ersten Grösse im Löwen, wird auch Basilisco genennt. ähnlich. Wie? ich bin zum Ritter geschlagen; ich hab es auf meiner Schulter. Aber Mutter, ich bin nicht Sir Roberts Sohn; ich hab auf Sir Robert und meine Güter Verzicht gethan; ehliche Geburt, Name, alles ist hin; laß mich also, liebe Mutter, laß mich meinen Vater kennen; irgend ein wakrer Mann, hoff ich; wer war es, Mutter?
Lady. Hast du dem Namen Faulconbridge entsagt?
Philipp. So herzlich, als ich dem Teufel entsage.
Lady. König Richard, Coeur de Lion, war dein Vater; durch langwieriges und heftiges Zusezen ward ich endlich verführt, in meines Ehmanns Bette Plaz für ihn zu machen. Der Himmel vergebe mir meine Uebertretung! Aber du bist die Frucht meiner schweren Sünde, zu der ich so stark gereizt wurde, daß ich nicht länger wiederstehen konnte.
Philipp. Nun, bey diesem Tageslicht, wenn ich wieder gezeugt werden sollte, Madame, wollt' ich mir keinen bessern Vater wünschen. Einige Sünden tragen ihre Lossprechung auf Erden mit sich; Euer Fehler entsprang nicht aus eurer Thorheit; ihr mußtet nothgedrungen euer Herz als einen Tribut für gebietende Liebe, demjenigen ausliefern, gegen dessen Wuth und unbezwingbare Stärke der unerschrokne Löwe selbst keinen Kampf wagen durfte, noch sein königliches Herz vor Richards Hand schüzen konnte. Wer einem Löwen mit Gewalt das Herz aus dem Leibe reissen kan, mag leicht ein weibliches Herz gewinnen. Ja, meine Mutter, von ganzem Herzen dank ich dir für meinen Vater. Wenn jemand lebt, der sich erfrecht zu sagen, daß du nicht recht thatest, wie ich gezeugt ward, dessen Seele will ich zur Hölle schiken. Komm, Lady, ich will dich meinen Anverwandten vorstellen, und sie sollen sagen, wie Richard mich zeugte, wär es Sünde gewesen wenn du Nein gesagt hättest.
(Sie gehen ab.)
(Vor den Mauern der Stadt Angiers.)
Philipp-August, König von Frankreich, Ludwig der Dauphin, der Herzog von Oestreich, Constantia und Arthur.
Ludwig. Willkommen vor Angiers, dapfrer Herzog! – – Arthur, dein grosser Oheim, Richard, der den Löwen seines Herzens beraubte, und die heiligen Kriege in Palästina ausfocht, kam durch diesen dapfern Herzog vor der Zeit ins Grab. Nun ist er, um seiner Nachkommenschaft Erstattung deßhalb zu thun, auf unsre Einladung gekommen, seine Fahnen für deine Sache auszuspreiten, und deinen unnatürlichen Oheim, Johann von England, aus dem ungerechten Besiz deiner Erbländer vertreiben zu helfen. Umarm' ihn, Prinz, lieb' ihn, und heiß' ihn willkommen.
Arthur. Gott wird euch Coeur de Lion's Tod desto eher verzeihen, da ihr seinem Neffen das Leben gebet, und sein verfolgtes Recht mit den Flügeln eurer Kriegs-Macht umschattet. Mit einer unmächtigen Hand heiß' ich euch willkommen, aber mit einem Herzen voll unverfälschter Liebe; willkommen, Herzog, vor den Mauern von Angiers.
Ludwig. Ein edler Junge! Wer wollte dir nicht zu deinem Recht helfen?
Oestreich. Diesen zärtlichen Kuß leg' ich auf deine Wange, als das Siegel meines feyrlichen Versprechens, daß ich nicht eher in meine Heimath zurük kehren will, bis Angiers und die gerechten Ansprüche die du in Frankreich hast, zugleich mit dieser blassen weiß-ufrichten Insel, deren Fuß die heulenden Wellen des Oceans zurük stößt, und ihre Einwohner von andern Ländern abschneidet, bis dieses von der See umzäunte England, dieses von Wasser gemauerte Bollwerk, dessen stolze Sicherheit allen auswärtigen Anfällen Troz bietet, bis dieser äusserste Winkel von Westen selbst dich als seinen König grüssen wird; bis zu diesem Augenblik, schöner Knabe, will ich nicht an meine Heimath denken, sondern den Waffen folgen.
Constantia. O nehmet seiner Mutter Dank an, Dank einer armen Wittwe, bis euer starker Arm ihm zu der Macht helfen wird, eure Freundschaft besser erwiedern zu können.
Oestreich. Der Friede des Himmels ruhet auf denjenigen, die ihre Schwerdter in einem so gerechten und wohlthätigen Krieg entblössen.
König Philipp. Wohlan dann, an die Arbeit; unsre Maschinen sollen gegen die Stirne dieser widerspenstigen Stadt gerichtet werden; ruffet unsern Kriegs-Obersten, um den Plan zum vortheilhaftesten Angriff zu machen. Entweder wollen wir unsre königlichen Gebeine vor diesen Mauern niederlegen, oder wenn wir gleich in französischem Blut auf den Markt-Plaz watten müßten, Angiers diesem jungen Prinzen unterwürfig machen.
Constantia. Wartet noch auf die Antwort, die euer Abgesandter bringen wird; ihr könntet sonst eure Schwerdter zu voreilig mit Blute besudeln. Vielleicht bringt Milord Chatilion aus England eine friedliche Abtretung dieses Rechts, welches ihr durch Krieg erzwingen wollet; und wenn dieses geschähe, würden wir einen jeden Tropfen Bluts bereuen, den eine zu rasche Hize so unzeitig vergossen hätte.
Chatilion zu den Vorigen.
König Philipp. Ein Wunder, Madam! Seht, auf euern Wunsch ist unser Gesandter, Chatilion, angelangt; meld uns in Kürze, werther Lord, was England uns zur Antwort giebt; wir warten hier müßig auf dich. Rede, Chatilion.
Chatilion. So wendet also eure Macht von dieser armseligen Belagerung, und spornet sie zu einem wichtigern Geschäft auf. England, voll Unwillens über unsre gerechte Forderungen, hat sich in Waffen gestellt; die widrigen Winde, die meine Rükreise verzögerten, haben ihm Zeit gegeben, alle seine Legionen zugleich mit mir ans Land zu sezen. Er rükt mit eilfertigen Märschen gegen diese Stadt an; seine Stärke ist groß, und seine Krieger voller Muth. Mit ihm kommt die Königin-Mutter, eine Ate, die ihn zu Zwietracht und Blutvergiessen anhezt; mit ihr, ihre Nichte, die Infantin Blanca von Spanien; mit ihnen ein natürlicher Sohn des abgelebten Königs, und mit ihm alle unbändigen Köpfe des Landes. Rasche, feurige, tollkühne Freywillige, mit Frauenzimmer-Gesichtchen und Drachen-Herzen, haben ihre angestammten Güter verkauft, und tragen ihr Erbtheil zuversichtlich auf dem Rüken, um hier ein neues Glük zu suchen. Kurz, eine auserlesnere Schaar unerschrokner Geister, als der englische Boden diesesmal übergewälzt hat, schwamm niemals über die schwellende Fluth, um Unheil und Verwüstung in der Christenheit anzurichten. Das zürnende Getöse ihrer Trummeln unterbricht eine umständliche Nachricht; sie sind im Anzug. Bereitet euch also zu einer Unterhandlung oder zum Gefecht.
(Man hört Trummeln.)
König Philipp. Wie schlecht sind wir auf eine solche Expedition versehen!
Oestreich. Je unerwarteter sie ist, desto eifriger müssen wir uns zur Gegenwehr stellen; Unser Muth soll mit der Gefahr steigen. Laßt sie denn willkommen seyn, wir sind gerüstet.
Der König von England, Faulconbridge, Elinor, Blanca, Pembroke und andre zu den Vorigen.
König Johann. Friede sey mit Frankreich, wenn Frankreich im Frieden unsern rechtmäßigen Einzug in unsre Stadt gestattet; wo nicht, so blute Frankreich, und der Friede schwinge sich gen Himmel, indeß daß wir, Gottes grimmvoller Sachwalter, den stolzen Uebermuth züchtigen, der seinen Frieden in den Himmel zurük treibt.