König Lear - William Shakespeare - E-Book

König Lear E-Book

William Shakespeare

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Beschreibung

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Was wie ein Märchen beginnt, endet in einer Tragödie: König Lear hat drei Töchter, von denen er fordert, ihm ihre Liebe zu beweisen. Während sich die zwei Ersten in falschen Lobhudeleien ergehen, findet die Dritte für ihre tatsächlich empfundene Liebe keine Worte. Verärgert verstößt der König sie und vermacht den beiden anderen sein Erbe. Als aber die Heuchlerinnen ihn aus seinem eigenen Schloss verjagen, irrt Lear, wahnsinnig vor Schmerz und Reue, und nur in Begleitung eines Narren durch die Einöde, die einst sein blühendes Reich gewesen ist. Da ist es eben jene verschmähte Tochter, die Lear noch in der Verbannung beisteht.

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Seitenzahl: 152

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William Shakespeare

König Lear

Tragödie

Aus dem Englischen von Wolf Graf von Baudissin

Fischer e-books

Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.

Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.

Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.

Personen

LEAR, König von Britannien

König von FRANKREICH

Herzog von BURGUND

Herzog von CORNWALL

Herzog von ALBANIEN

Graf von GLOSTER

Graf von KENT

EDGAR, Glosters Sohn

EDMUND, Glosters Bastard

CURAN, ein Höfling

Ein ARZT

Der NARR

OSWALD, Gonerils Haushofmeister

Ein HAUPTMANN

Ein EDELMANN im Gefolge der Cordelia

Ein HEROLD

EIN ALTER MANN, Glosters Pachter

Bediente von Cornwall

GONERIL Lears Tochter

REGAN Lears Tochter

CORDELIA Lears Tochter

 

Ritter im Gefolge des Königs,

Offiziere, Boten, Soldaten und Gefolge

 

Die Szene ist in Britannien

Erster Aufzug

Erste Szene

KÖNIG LEARS PALAST

Kent, Gloster und Edmund

KENT

Ich dachte, der König sei dem Herzog von Albanien gewogener, als dem von Cornwall.

GLOSTER

So schien es uns immer; doch jetzt, bei der Teilung des Reichs, zeigt sich’s nicht, welchen der beiden Herzoge er höher schätzt. Denn so gleichmäßig sind die Teile abgewogen, daß die genaueste Forschung selbst sich für keine der Hälften entscheiden könnte.

KENT

Ist das nicht Euer Sohn, Mylord?

GLOSTER

Seine Erziehung ist mir zur Last gefallen: ich mußte so oft erröten, ihn anzuerkennen, daß ich nun dagegen gestählt bin.

KENT

Ich verstehe Euch nicht.

GLOSTER

Seine Mutter und ich verstanden uns nur zu gut, und dies Einverständnis verschaffte ihr früher einen Sohn für ihre Wiege, als einen Mann für ihr Bett. Merkt Ihr was von einem Fehltritt?

KENT

Ich kann den Fehltritt nicht ungeschehen wünschen, da der Erfolg davon so anmutig ist.

GLOSTER

Doch habe ich auch einen rechtmäßigen Sohn, einige Jahre älter als dieser, den ich aber darum nicht höher schätze. Obgleich dieser Schelm etwas vorwitzig in die Welt kam, eh’ er gerufen ward, so war doch seine Mutter schön, es ging lustig her bei seinem Entstehen, und der Bankert durfte nicht verleugnet werden. Kennst du diesen edeln Herrn, Edmund?

EDMUND

Nein, Mylord.

GLOSTER

Mylord von Kent: gedenke sein hinfort als meines geehrten Freundes!

EDMUND

Mein Dienst sei Euer Gnaden gewidmet.

KENT

Ich muß Euch lieben und bitte um Eure nähere Bekanntschaft.

EDMUND

Ich werde sie zu verdienen suchen.

GLOSTER

Er war neun Jahre im Auslande, und soll wieder fort.

Der König kommt! (Man hört Trompeten)

(König Lear, Cornwall, Albanien, Goneril, Regan, Cordelia und Gefolge treten auf)

LEAR

Führt ein die Herrn von Frankreich und Burgund, Gloster!

GLOSTER

Sehr wohl, mein König! (Gloster und Edmund ab)

LEAR

Derweil enthüll’n wir den verschwiegnen Vorsatz.

Die Karte dort! – Wißt, daß wir unser Reich

Geteilt in drei. ’S ist unser fester Schluß,

Von unserm Alter Sorg’ und Müh’ zu schütteln,

Sie jüngrer Kraft vertrauend, während wir

Zum Grab entbürdet wanken. Sohn von Cornwall,

Und Ihr, gleich sehr geliebter Sohn Albanien,

Wir sind jetz und gewillt, bekannt zu machen

Der Töchter festbeschiedne Mitgift, daß

Wir künft’gem Streite so begegnen. –

Die Fürsten Frankreich und Burgund, erhabne

Mitwerber um der jüngern Tochter Gunst,

Verweilten lange hier in Liebeswerbung

Und harr’n auf Antwort. – Sagt mir, meine Töchter

(Da wir uns jetzt entäußern der Regierung,

Des Landbesitzes und der Staatsgeschäfte), –

Welche von euch liebt uns nun wohl am meisten?

Daß wir die reichste Gabe spenden, wo

Verdienst sie und Natur heischt. Goneril,

Du Erstgeborne, sprich zuerst!

GONERIL

        Mein Vater,

Mehr lieb’ ich Euch, als Worte je umfassen,

Weit inniger als Licht und Luft und Freiheit,

Weit mehr, als was für reich und selten gilt,

Wie Schmuck des Lebens, Wohlsein, Schönheit, Ehre,

Wie je ein Kind geliebt, ein Vater Liebe fand.

Der Atem dünkt mich arm, die Sprache stumm,

Weit mehr als alles das lieb’ ich Euch noch.

CORDELIA (beiseit)

Was sagt Cordelia nun? Sie liebt und schweigt.

LEAR

All dies Gebiet, von dem zu jenem Strich,

An schatt’gen Forsten und Gefilden reich,

An vollen Strömen und weit grünen Triften,

Beherrsche du: dir und Albaniens Stamm

Sei dies auf ewig! Was sagt unsre zweite Tochter,

Die teure Regan, Cornwalls Gattin? Sprich!

REGAN

Ich bin vom selben Stoff wie meine Schwester

Und schätze mich ihr gleich. Mein treues Herz

Fühlt, all mein Lieben hat sie Euch genannt;

Nur bleibt sie noch zurück: denn ich erkläre

Mich als die Feindin jeder andern Lust,

Die in der Sinne reichstem Umkreis wohnt,

Und fühl’ in Eurer teuren Hoheit Liebe

Mein einzig Glück.

CORDELIA (beiseit)

    Arme Cordelia dann! –

Und doch nicht arm; denn meine Lieb’, ich weiß,

Wiegt schwerer als mein Wort.

LEAR

Dir und den Deinen bleib’ als Erb’ auf immer

Dies zweite Dritteil unsers schönen Reichs,

An Umfang, Wert und Anmut minder nicht,

Als was ich Gon’ril gab. Nun unsre Freude,

Du jüngste, nicht geringste, deren Liebe

Die Weine Frankreichs und die Milch Burgunds

Nachstreben; was sagst du, dir zu gewinnen

Ein reichres Dritteil als die Schwestern? Sprich!

CORDELIA

Nichts, gnäd’ger Herr!

LEAR

Nichts?

CORDELIA

Nichts.

LEAR

Aus nichts kann nichts entstehn: sprich noch einmal!

CORDELIA

Ich Unglücksel’ge, ich kann nicht mein Herz

Auf meine Lippen heben; ich lieb’ Eu’r Hoheit,

Wie’s meiner Pflicht geziemt, nicht mehr, nicht minder.

LEAR

Wie? Wie? Cordelia! Beßre deine Rede,

Sonst schad’st du deinem Glück!

CORDELIA

      Mein teurer Herr,

Ihr zeugtet, pflegtet, liebtet mich; und ich

Erwidr’ Euch diese Wohltat, wie ich muß,

Gehorch’ Euch, lieb’ Euch und verehr’ Euch hoch.

Wozu den Schwestern Männer, wenn sie sagen,

Sie lieben Euch nur? Würd’ ich je vermählt,

So folgt dem Mann, der meinen Schwur empfing,

Halb meine Treu’, halb meine Lieb’ und Pflicht.

Gewiß, nie werd’ ich frein wie meine Schwestern,

Den Vater nur allein zu lieben.

LEAR

Und kommt dir das von Herzen?

CORDELIA

       Ja, mein Vater!

LEAR

So jung und so unzärtlich?

CORDELIA

So jung, mein Vater, und so wahr.

LEAR

Sei’s drum! Nimm deine Wahrheit dann zur Mitgift:

Denn bei der Sonne heil’gem Strahlenkreis,

Bei Hekates Verderben, und der Nacht,

Bei allen Kräften der Planetenbahn,

Durch die wir leben und dem Tod verfallen,

Sag’ ich mich los hier aller Vaterpflicht,

Aller Gemeinsamkeit und Blutsverwandtschaft,

Und wie ein Fremdling meiner Brust und mir

Sei du von jetzt auf ewig! Der rohe Scythe,

Ja, der die eignen Kinder macht zum Fraß,

Zu sätt’gen seine Gier, soll meinem Herzen

So nah stehn, gleichen Trost und Mitleid finden,

Als du, mein weiland Kind.

KENT

      O edler König!

LEAR

Schweig’, Kent!

Tritt zwischen den Drachen nicht und seinen Grimm;

Sie war mein Liebling, und ich hofft’ auf Trost

Von ihrer sanften Pflege. Fort! mir aus den Augen! –

Sei Friede so mein Grab, als ich von ihr

Mein Vaterherz losreiße! – Ruft mir Frankreich!

Wer rührt sich? Ruft Burgund! – Ihr, Cornwall und Albanien,

Zu meiner Töchter Mitgift schlagt dies Dritteil! –

Stolz, den sie Gradheit nennt, vermähle sie!

Euch beide kleid’ ich hier in meine Macht,

Vorrang der Würd’ und allerhöchsten Glanz,

Der Majestät umgibt. Wir, nach der Monde Lauf,

Mit Vorbehalt allein von hundert Rittern,

Die ihr erhaltet, wohnen dann bei euch,

Nach Ordnung wechselnd. Wir bewahren nur

Den Namen und des Königs Ehrenrecht; –

Die Macht,

Verwaltung, Rent’ und alle Staatsgewalt,

Geliebte Söhn’, ist euer. Des zum Zeugnis

Teilt diesen goldnen Reif!

KENT

      Erhabner Lear,

Den ich als meinen König stets geehrt,

Geliebt als Vater, und als Herrn begleitet,

Als höchsten Hort einschloß in mein Gebet, –

LEAR

Der Bogen ist gespannt, entflieh’ dem Pfeil! –

KENT

Er falle nur, ob auch die Spitze

Ins Herz mir bohrt: Sei Kent nur ohne Sitte,

Wenn Lear verrückt! Was tust du, alter Mann?

Meinst du, daß Pflicht zu reden scheut, weil Macht

Zum Schmeicheln sinkt? – Die Ehre fordert Gradheit,

Wenn Kön’ge töricht werden. Bleibe Herrscher,

Und mit der besten Überlegung hemme

Die frevle Eil’! Mit meinem Leben bürg’ ich,

Die jüngre Tochter liebt dich minder nicht,

Noch ist der ohne Herz, des schwacher Klang

Nicht Hohlheit widertönt.

LEAR

Schweig’, Kent, bei deinem Leben!

KENT

Mein Leben galt mir stets nur als ein Pfand,

Zu wagen gegen deinen Feind; gern opfr’ ich’s

Für deine Wohlfahrt.

LEAR

     Aus den Augen mir!

KENT

Sieh besser, Lear, und laß mich immer bleiben

Den Zielpunkt deines Auges!

LEAR

Nun, beim Apoll! –

KENT

    Nun, beim Apollo, König,

Du rufst vergeblich deine Götter an.

LEAR

O Sklav’! – Abtrünn’ger! (Legt die Hand ans Schwert)

ALBANIEN UND CORNWALL

      Teurer Herr, laß ab! –

KENT

Tu’s, töte deinen Arzt und gib den Lohn

Der schnöden Krankheit! Nimm zurück die Schenkung,

Sonst, bis der Kehle Kraft versagt zu schrein,

Sag’ ich dir, du tust Unrecht.

LEAR

       Höre mich,

Rebell, bei deiner Lehnspflicht, höre mich!

Weil du zum Wortbruch uns verleiten wolltest

(Den wir noch nie gewagt) und stolz verwegen

Dich drängtest zwischen unsern Spruch und Thron

(Was unser Blut und Rang nicht dulden darf),

Sprech’ ich als Herrscher jetzt; – nimm deinen Lohn!

Fünf Tage gönnen wir, dich zu versehn

Mit Schirmung vor des Lebens Ungemach:

Am sechsten kehrst du den verhaßten Rücken

Dem Königreich, und weilt am zehnten Tag

In unserm Lande dein verbannter Leib,

So ist’s dein Tod. Hinweg! Bei Jupiter,

Dies widerruf’ ich nicht.

KENT

So leb’ denn wohl, Fürst! Zeigst du so dich, Lear,

Lebt Freiheit auswärts und Verbannung hier.

Dir, Jungfrau, sei’n die Götter mächt’ger Hort,

Die richtig denkt und sprach das rechte Wort!

Eu’r breites Reden sei durch Tat bewährt!

Daß Liebeswort willkommne Frucht gebärt!

Fahrt wohl, ihr Fürsten all’: Kent muß von hinnen,

Im neuen Land ein Schicksal zu gewinnen. (Er geht ab)

(Gloster kommt zurück mit Frankreich, Burgund und Gefolge)

GLOSTER

Hier sind Burgund und Frankreich, hoher Herr!

LEAR

Fürst von Burgund,

Zu Euch erst sprech’ ich, der mit diesem König

Um unsre Tochter warb. Was als das Mind’ste

Erwartet Ihr als Mitgift, oder steht

Von Euerm Antrag ab?

BURGUND

      Erhabner König,

Mir g’nügt, was Ihr freiwillig habt geboten,

Und minder gebt Ihr nicht.

LEAR

      Mein würd’ger Herzog,

Als sie uns wert war, schätzten wir sie so;

Nun ist ihr Preis gesunken. Seht, da steht sie:

Wenn etwas an der kleinen, schmucken Larve

Oder sie ganz mit unserm Zorn dazu,

Und weiter nichts, Eu’r Hoheit noch gefällt,

So nehmt sie, sie ist Eu’r.

BURGUND

      Mir fehlt die Antwort.

LEAR

Herr! Wollt Ihr mit allen Mängeln, die ihr eigen,

Freundlos und neuverschwistert unserm Haß,

Zur Mitgift Fluch, durch Schwur von uns entfremdet,

Sie nehmen oder lassen?

BURGUND

       Herr, verzeiht,

Mit der Bedingung endigt jede Wahl.

LEAR

So laßt sie; bei der Macht, die mich erschuf,

Ich nannt’ Euch all’ ihr Gut.

      (Zu Frankreich)Ihr, großer König, –

Nicht so weit möcht’ ich Eurer Lieb’ entwandern,

Euch zu vermählen, wo ich hasse. Lenkt

Zu besserm Ziel, ich bitt’ Euch, Eure Wünsche,

Als auf dies Wesen, das Natur errötet

Anzuerkennen.

FRANKREICH

     Wahrlich, dies ist seltsam! –

Daß sie, die eben noch Eu’r Kleinod war,

Der Inhalt Eures Lobs, Balsam des Alters,

Eu’r Bestes, Teuerstes, in diesem

Nu So Unerhörtes tat, ganz zu zerreißen

Solch reichgewebte Gunst! Traun, ihr

Vergehn Muß unnatürlich, ungeheuer sein,

Oder die Liebe, deren Ihr Euch rühmtet,

Ist tadelnswert. So schlimm von ihr zu denken,

Heischt Glauben, wie Vernunft ihn ohne Wunder

Mir nimmer einimpft.

CORDELIA

     Dennoch bitt’ ich, Herr

(Ermangl’ ich auch der schlüpfrig glatten Kunst,

Zu reden nur zum Schein: denn, was ich ernstlich will,

Vollbring’ ich, eh’ ich’s sage), daß Ihr zeugt,

Es sei kein schnöder Makel, Mord noch Schmach,

Kein zuchtlos Tun, noch ehrvergeßner Schritt,

Der mir geraubt hat Eure Gnad’ und Huld.

Nur, weil mir fehlt, – wodurch ich reicher bin, –

Ein stets begehrend Aug’ und eine Zunge,

Die ich mit Stolz entbehr’, obgleich ihr Mangel

Mir Euern Beifall raubte.

LEAR

       Besser wär’s,

Du lebtest nicht, als mir zur Kränkung leben!

FRANKREICH

Ist es nur das? Ein Zaudern der Natur,

Das oft die Tat unausgesprochen läßt,

Die es zu tun denkt? – Herzog von Burgund,

Was sagt Ihr zu der Braut? Lieb’ ist nicht Liebe,

Wenn sie vermengt mit Rücksicht, die seitab

Vom wahren Ziel sich wendet. Wollt Ihr sie?

Sie selbst ist ihre Mitgift.

BURGUND

       Hoher Lear,

Gebt mir den Anteil, den Ihr selbst bestimmt,

Und hier nehm’ ich Cordelia bei der Hand

Als Herzogin Burgunds.

LEAR

Nichts! Ich beschwor’s, ich bleibe fest.

BURGUND

Dann tut mir’s leid, daß Ihr zugleich den Vater

Verliert und den Gemahl.

CORDELIA

      Fahr’ hin, Burgund! –

Da Wunsch nur nach Besitz sein Lieben ist,

Werd’ ich nie seine Gattin.

FRANKREICH

Schönste Cordelia, du bist arm höchst reich;

Verbannt höchst wert; verachtet höchst geliebt! –

Dich nehm’ ich in Besitz und deinen Wert:

Gesetzlich sei, zu nehmen, was man wegwarf.

Wie seltsam, Götter! Meiner Liebe Glühn

Und Ehrfurcht muß aus kaltem Hohn erblühn.

Sie mußte Erb’ und Glück bei dir verlieren,

Um über uns und Frankreich zu regieren.

Kein Herzog von Burgunds stromreichen Auen

Erkauft von mir die teuerste der Frauen!

Den Harten gib ein mildes Abschiedswort:

Das Hier verlierst du für ein beßres Dort.

LEAR

Du hast sie, Frankreich: sie sei dein; denn nie

Hatt’ ich solch Kind, und nimmer grüße sie

Mein altes Auge mehr! Folg’ deinen Wegen

Ohn’ unsre Lieb’ und Gunst, ohn’ unsren Segen!

Kommt, edler Fürst Burgund!

(Trompetengetön. Lear, Burgund, Cornwall, Albanien, Gloster und Gefolge gehen ab)

FRANKREICH

Sag deinen Schwestern Lebewohl!

CORDELIA (beiseit)

Des Vaters Edelsteinen! – (Laut) Nassen Blicks

Verläßt Cordelia euch. (Beiseit) Ich kenn’ euch wohl,

Und nenn’ als Schwester eure Fehler nicht

Beim wahren Namen. (Laut) Liebt denn unsern Vater,

Ich leg’ ihn euch ans vielberedte Herz: –

(Beiseit) Doch ach, wär’ ich ihm lieb noch wie vor Zeiten,

Wollt’ ich ihm einen bessern Platz bereiten.

(Laut) So lebt denn beide wohl!

REGAN

Lehr’ uns nicht unsre Pflichten!

GONERIL

       Dem Gemahl

Such’ zu genügen, der als Glücksalmosen

Dich aufnahm! Du verschmähst der Liebe Band,

Mit Recht entzieht sich dir, was du verkannt.

CORDELIA

Was List verborgen, wird ans Licht gebracht,

Wer Fehler schminkt, wird einst mit Spott verlacht.

Es geh’ euch wohl!

FRANKREICH

    Komm, liebliche Cordelia!

(Frankreich und Cordelia gehen ab)

GONERIL

Schwester, ich habe nicht wenig zu sagen, was uns beide sehr nahe angeht. Ich denke, unser Vater will heut abend fort.

REGAN

Ja, gewiß, und zu dir; nächsten Monat zu uns.

GONERIL

Du siehst, wie launisch sein Alter ist; was wir darüber beobachten konnten, war bedeutend. Er hat immer unsere Schwester am meisten geliebt, und mit wie armseligem Urteil er sie jetzt verstieß, ist zu auffallend.

REGAN

’S ist die Schwäche seines Alters: doch hat er sich von jeher nur obenhin gekannt

GONERIL

Schon in seiner besten und kräftigsten Zeit war er zu hastig: wir müssen also von seinen Jahren nicht nur die Unvollkommenheiten längst eingewurzelter Gewohnheiten erwarten, sondern außerdem noch den störrischen Eigensinn, den gebrechliches und reizbares Alter mit sich bringt.

REGAN

Solch haltungsloses Auffahren wird uns nun auch bevorstehen, wie diese Verbannung Kents.

GONERIL

Dergleichen Abschiedskomplimente wird’s noch mehr geben, wie zwischen Frankreich und ihm: bitt’ Euch, laßt uns zusammenhalten: Behauptet unser Vater sein Ansehn mit solchen Gesinnungen, so wird jene letzte Übertragung seiner Macht uns nur zur Kränkung.

REGAN

Wir wollen es weiter überlegen.

GONERIL

Es muß etwas geschehen, und in der ersten Hitze.

(Sie gehn ab)

Zweite Szene

SCHLOSS DES GRAFEN GLOSTER

Edmund mit einem Briefe

EDMUND

Natur, du meine Göttin! Deiner Satzung

Gehorch’ ich einzig. Weshalb sollt’ ich dulden

Die Plagen der Gewohnheit und gestatten,

Daß mich der Völker Eigensinn enterbt,

Weil ich ein zwölf, ein vierzehn Mond’ erschien

Nach einem Bruder? – Was Bastard? Weshalb unecht?

Wenn meiner Glieder Maß so stark gefügt,

Mein Sinn so frei, so adlig meine Züge,

Als einer Eh’gemahlin Frucht? Warum

Mit unecht uns brandmarken? Bastard? Unecht?

Uns, die im heißen Diebstahl der Natur

Mehr Stoff empfahn und kräft’gern Feuergeist,

Als in verdumpftem, trägem, schalem Bett

Verwandt wird auf ein ganzes Heer von Tröpfen,

Halb zwischen Schlaf gezeugt und Wachen?

Drum, Echtbürt’ger Edgar! Mein wird noch dein Land: –

Des Vaters Liebe hat der Bastard Edmund

Wie der Echtbürt’ge. Schönes Wort: echtbürtig!

Wohl, mein Echtbürt’ger, wenn dies Brieflein wirkt

Und mein Erfinden glückt, stürzt den Echtbürt’gen

Der Bastard Edmund. Ich gedeih’, ich wachse!

Nun, Götter, schirmt Bastarde! –

(Gloster kommt)

GLOSTER

Kent so verbannt ! – Frankreich im Zorn gegangen!

Der König fort zu Nacht! – Der Kron’ entsagt! –

Beschränkt auf Unterhalt! – Und alles das

Im Nu! – Edmund! Was gibt’s? Was hast du Neues?

EDMUND (steckt den Brief ein)

Verzeih’ Euer Gnaden, nichts.

GLOSTER

Warum steckst du so eilig den Brief ein? –

EDMUND

Ich weiß nichts Neues, Mylord.

GLOSTER

Was für ein Blatt lasest du?

EDMUND

Nichts, Mylord.

GLOSTER

Nichts? – Wozu denn die erschreckliche Eil’ damit in deine Tasche? – Ein eigentliches Nichts bedarf keiner solchen Hast, sich zu verstecken. Laß sehn! Gib! Wenn es Nichts ist, brauche ich keine Brille.

EDMUND

Ich bitte, Herr, verzeiht; es ist ein Brief meines Bruders, den ich noch nicht ganz durchgesehen, und so weit ich bis jetzt las, finde ich den Inhalt nicht für Eure Durchsicht geeignet.

GLOSTER

Gib mir den Brief, sag’ ich!

EDMUND

Ich werde Unrecht tun, ich mag ihn geben oder behalten. Der Inhalt, so weit ich ihn verstehe, ist zu tadeln.

GLOSTER

Laß sehn, laß sehn!

EDMUND

Ich hoffe zu meines Bruders Rechtfertigung, er schrieb dies nur als Prüfung und Versuchung meiner Tugend.

GLOSTER (liest)

»Dieses Herkommen, diese Ehrfurcht vor dem Alter verbittert uns die Welt für unsre besten Jahre; entzieht uns unser Vermögen, bis unsre Hinfälligkeit es nicht mehr genießen kann. Ich fange an, eine alberne, törichte Sklaverei in diesem Druck bejahrter Tyrannei zu finden, die da herrscht, nicht weil sie Macht hat, sondern weil man sie duldet. Komm zu mir, daß ich weiter hierüber rede! Wenn unser Vater schlafen wollte, bis ich ihn weckte, solltest du für immer die Hälfte seiner Einkünfte genießen und der Liebling sein deines Bruders Edgar.« – Hum! – Verschwörung! – »Schlafen wollte, bis ich ihn weckte, – die Hälfte seiner Einkünfte genießen,« – mein Sohn Edgar! Hatte er eine Hand, dies zu schreiben? ein Herz und ein Gehirn, dies auszubrüten? Wann bekamst du dies? Wer brachte dir’s?

EDMUND

Es ward mir nicht gebracht, Mylord, das ist die Feinheit ; ich fand’s durch das Fenster meines Zimmers geworfen.

GLOSTER

Du erkennst deines Bruders Handschrift?

EDMUND

Wäre der Inhalt gut, Mylord, so wollte ich darauf schwören; aber, wenn ich auf diesen sehe, so möchte ich lieber glauben, sie sei es nicht.

GLOSTER

Es ist seine Hand.

EDMUND

Sie ist’s, Mylord, aber ich hoffe, sein Herz ist dem Inhalte fern.

GLOSTER

Hat er dich nie zuvor über diesen Punkt ausgeforscht?

EDMUND