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William Shakespeares 'König Lear' ist ein zeitloses Meisterwerk, das die tragische Geschichte des alternden Königs Lear erzählt, der seinen Königinnen die Macht übertragen will, aber von undankbaren Töchtern betrogen wird. Mit seinem tiefen Einblick in die menschliche Natur und seinen komplexen Charakteren zeigt Shakespeare, wie Macht, Verrat und Vergebung das Schicksal einer königlichen Familie bestimmen. Der literarische Stil des Autors ist geprägt von seiner meisterhaften Verwendung von Sprache und Metaphern, die die emotionale Tiefe der Charaktere widerspiegeln. 'König Lear' ist ein klassisches Drama, das die Spannungen zwischen Familienbeziehungen und politischer Macht untersucht und den Leser in eine Welt des Chaos und der Tragödie entführt. William Shakespeare, einer der größten Dramatiker der englischen Literaturgeschichte, hat mit 'König Lear' ein Werk von zeitloser Bedeutung geschaffen. Seine Fähigkeit, die menschliche Natur zu erfassen und in seinen Werken zum Ausdruck zu bringen, macht ihn zu einem bedeutenden Autor der Renaissance. 'König Lear' ist ein Buch, das sich jedem empfiehlt, der an klassischer Literatur, Shakespeare oder der Untersuchung der menschlichen Natur interessiert ist. Die zweisprachige Ausgabe ermöglicht es Lesern, Shakespeares Originaltext und eine deutsche Übersetzung gleichzeitig zu entdecken, was ein tiefgreifendes Verständnis und eine bewegende Leseerfahrung bietet.
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Seitenzahl: 272
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Books
(german)
Inhalt
PERSONEN
ERSTER AKT
ERSTE SZENE
ZWEITE SZENE
DRITTE SZENE
VIERTE SZENE
FÜNFTE SZENE
ZWEITER AKT
ERSTE SZENE
ZWEITE SZENE
DRITTE SZENE
VIERTE SZENE
DRITTER AKT
ERSTE SZENE
ZWEITE SZENE
DRITTE SZENE
VIERTE SZENE
FÜNFTE SZENE
SECHSTE SZENE
SIEBENTE SZENE
VIERTER AKT
ERSTE SZENE
ZWEITE SZENE
DRITTE SZENE
VIERTE SZENE
FÜNFTE SZENE
SECHSTE SZENE
SIEBENTE SZENE
FÜNFTER AKT
ERSTE SZENE
ZWEITE SZENE
DRITTE SZENE
LEAR, König von Britannien
König von FRANKREICH
Herzog von BURGUND
Herzog von CORNWALL
Herzog von ALBANY
Graf von GLOSTER
Graf von KENT
EDGAR, Glosters Sohn
EDMUND, Glosters Bastard
CURAN, ein Höfling
Ein ARZT
Der NARR
Oswald, Gonerils HAUSHOFMEISTER
[EDELLEUTE, HAUPTLEUTE ]
Ein ALTER MANN, Glosters Pächter
Ein Offizier in Edmunds Diensten
Edelmann in Cordelias Gefolge
Verschiedene DIENER Cornwalls
GONERIL, Lears Töchter REGAN, Lears Töchter CORDELIA, Lears Töchter
Ritter im Gefolge des Königs, ein Herold, Boten, Offiziere, Soldaten, Gefolge
Die Szene ist in Britannien
Ein Prunksaal in König Lears Palast
Kent, Gloster und Edmund.
KENT Ich dachte, der König sei dem Herzog von Albany gewogener als dem von Cornwall.
GLOSTER So schien es uns immer; doch jetzt, bei der Teilung des Reichs, zeigt sichs nicht, welchen der beiden Herzoge er höher schätzt. Denn so gleichmäßig sind die Teile abgewogen, daß selbst die genaueste Forschung sich für keine der Hälften entscheiden könnte.
KENT Ist das nicht Euer Sohn, Mylord?
GLOSTER Seine Erziehung ist mir zur Last gefallen; ich mußte so oft erröten, ihn anzuerkennen, daß ich nun dagegen gestählt bin.
KENT Ich kann Euch nicht verstehen.
GLOSTER Dieses jungen Burschen Mutter konnte es, worauf sie einen runden Leib bekam und freilich früher einen Sohn für ihre Wiege als einen Mann für ihr Bett hatte. Merkt Ihr was von einem Fehltritt?
KENT Ich kann den Fehltritt nicht ungeschehen wünschen, da der Erfolg davon so ansehnlich ist.
GLOSTER Doch habe ich auch einen rechtmäßigen Sohn, einige Jahre älter als dieser, den ich aber darum nicht höher schätze. Obgleich dieser Schelm etwas vorwitzig in die Welt kam, eh er gerufen ward, so war doch seine Mutter schön, es ging lustig her bei seinem Entstehen, und der Bankert durfte nicht verleugnet werden. Kennst du diesen edeln Herrn, Edmund?
EDMUND Nein, Mylord.
GLOSTER Mylord von Kent; gedenke sein hinfort als meines geehrten Freundes.
EDMUND Mein Dienst sei Euer Gnaden gewidmet.
KENT Ich muß Euch lieben und bitte um Eure nähere Bekanntschaft.
EDMUND Ich werde sie zu verdienen suchen.
GLOSTER Er war neun Jahre im Auslande und soll wieder fort. Der König kommt!Man hört Trompeten. König Lear, Cornwall, Albany, Goneril, Regan, Cordelia und Gefolge treten auf.
LEAR Führt ein die Herrn von Frankreich und Burgund, Gloster!
GLOSTER Sehr wohl, mein König!Gloster und Edmund ab.
LEAR Derweil enthülln Wir den verschwiegnen Vorsatz. Die Karte dort! - Wißt, daß Wir Unser Reich Geteilt in drei. 's ist Unser fester Schluß, Von Unserm Alter Sorg und Müh zu schütteln, Sie jüngrer Kraft vertrauend, während Wir Zum Grab entbürdet wanken. Sohn von Cornwall, Und Ihr gleich sehr geliebter Sohn von Albany, Wir sind jetzund gewillt, bekanntzumachen Der Töchter festbeschiedne Mitgift, daß Wir künftgem Streite so begegnen. - Die Fürsten Frankreich und Burgund, die hohen Rivalen um der jüngsten Tochter Gunst, Verweilten lange hier in Liebeswerbung Und harrn auf Antwort. - Sagt mir, meine Töchter, Da Wir Uns jetzt entäußern der Regierung, Des Landbesitzes und der Staatsgeschäfte, Welche von euch liebt Uns nun wohl am meisten? Daß Wir die reichste Gabe spenden, wo Verdienst sie und Natur heischt. Goneril, Du Erstgeborne, sprich zuerst!
GONERIL Mein Vater, Mehr lieb ich Euch, als Worte je umfassen, Weit inniger als Licht und Luft und Freiheit, Weit mehr, als was für reich und selten gilt, Wie Schmuck des Lebens, Wohlsein, Schönheit, Ehre, Wie je ein Kind geliebt, ein Vater Liebe fand. Der Atem dünkt mich arm, die Sprache stumm, Weit mehr als alles das, lieb ich Euch noch.
CORDELIAbeiseit. Was sagt Cordelia nun? Sie liebt und schweigt.
LEAR All dies Gebiet, von dem zu jenem Strich, An schattigen Forsten und Gefilden reich, An vollen Strömen, weitgedehnten Triften, Beherrsche du; Albanys Stamm und deinem Sei dies auf ewig! - Was sagt Unsre zweite Tochter, Die teure Regan, Cornwalls Gattin? Sprich!
REGAN Ich bin vom selben Stoff wie meine Schwester, Und schätze mich ihr gleich. Mein treues Herz Fühlt, all mein Lieben hat sie Euch genannt. Nur bleibt sie noch zurück; denn ich erkläre Mich als die Feindin jeder andern Lust, Die in der Sinne reichstem Umkreis wohnt, Und fühl in Eurer teuren Hoheit Liebe Mein einzig Glück.
CORDELIAbeiseit. Arme Cordelia dann! Und doch nicht arm; denn meine Lieb, ich weiß, Wiegt schwerer als mein Wort.
LEAR Dir und den Deinen bleib als Erb auf immer Dies zweite Dritteil unsers schönen Reichs, An Umfang, Wert und Anmut minder nicht, Als was ich Goneril gab. Nun Unsre Freude, Du jüngste, nicht geringste, deren Liebe Die Weine Frankreichs und die Milch Burgunds Nachstreben, was sagst du, dir zu gewinnen Ein reichres Dritteil als die Schwestern? Sprich!
CORDELIA Nichts, gnädger Herr!
LEAR Nichts?
CORDELIA Nichts.
LEAR Aus nichts kann nichts entstehn; sprich noch einmal!
CORDELIA Ich Unglückselge, ich kann nicht mein Herz Auf meine Lippen heben; ich lieb Eur Hoheit, Wie's meiner Pflicht geziemt, nicht mehr, nicht minder.
LEAR Wie? Wie? Cordelia! Beßre deine Rede, Sonst schädigst du dein Glück.
CORDELIA Mein teurer Herr, Ihr zeugtet, pflegtet, liebtet mich; und ich Erwidr Euch diese Wohltat, wie ich muß, Gehorch Euch, lieb Euch und verehr Euch hoch. Wozu den Schwestern Männer, wenn sie sagen, Sie lieben Euch nur? Würd ich je vermählt, So folgt dem Mann, der meinen Schwur empfing, Halb meine Treu, halb meine Lieb und Pflicht. Gewiß, nie werd ich frein wie meine Schwestern, Den Vater nur allein zu lieben.
LEAR Und kommt dir das von Herzen?
CORDELIA Ja, mein Vater!
LEAR So jung und so unzärtlich?
CORDELIA So jung, mein Vater, und so wahr.
LEAR Sei's so! Nimm deine Wahrheit denn zur Mitgift, Denn bei der Sonne heilgem Strahlenkreis, Bei Hekates Mysterien und der Nacht, Bei allen Kräften der Planetenbahnen, Durch die wir leben und dem Tod verfallen, Sag ich mich los hier aller Vaterpflicht, Aller Gemeinsamkeit und Blutsverwandtschaft, Und wie ein Fremdling meiner Brust und mir Sei du von jetzt auf ewig! Der rohe Skythe, Ja der die eignen Kinder macht zum Fraß, Zu sättigen seine Gier, soll meinem Herzen So nah stehn, gleichen Trost und Mitleid finden, Als du, mein weiland Kind.
KENT Mein guter König -
LEAR Schweig, Kent! Tritt nicht dazwischen, wenn der Drache wütet! Sie war mein Liebling, und ich setzte alles Auf ihre sanfte Pflege.Zu Cordelia. Fort! Mir aus den Augen! Sei Friede so mein Grab, als ich von ihr Mein Vaterherz losreiße. - Ruft mir Frankreich! Wer rührt sich? Ruft Burgund! - Ihr, Albany und Cornwall, Zu meiner Töchter Mitgift schlagt dies Dritteil! - Stolz, den sie Gradheit nennt, vermähle sie! - Euch beide kleid ich hier in meine Macht, Vorrang der Würd und allerhöchsten Glanz, Der Majestät umgibt. Wir, nach der Monde Lauf, Mit Vorbehalt allein von hundert Rittern, Die Ihr erhaltet, wohnen dann bei Euch, Nach Ordnung wechselnd. Wir bewahren nur Den Namen und des Königs Ehrenrecht; Die Macht, Verwaltung, Rent und Staatsgewalt, Geliebte Söhn, ist Euer. Des zum Zeugnis Teilt diesen goldnen Reif!Übergibt die Krone.
KENT Erhabner Lear, Den ich als meinen König stets geehrt, Geliebt als Vater und als Herrn begleitet, Als höchsten Hort einschloß in mein Gebet -
LEAR Der Bogen ist gespannt, entflieh dem Pfeil!
KENT Laß ihn nur fliegen, ob die Spitze auch Mein Herz durchbohrt. Kent sei nur ohne Sitte, Wenn Lear so toll. Was tust du, alter Mann? Meinst du, daß Pflicht die Rede scheut, weil Macht Sich Schmeicheln fügt? Die Ehre fordert Gradheit, Wenn Könige wie Narren sind. Bleib Herrscher, Und mit der besten Überlegung hemme Die frevle Eil. Mit meinem Leben bürg ich, Die jüngste Tochter liebt dich minder nicht, Noch ist der ohne Herz, des schwacher Klang Nicht Hohlheit widertönt.
LEAR Schweig, Kent, bei deinem Leben!
KENT Mein Leben galt mir stets nur als ein Pfand, Zu wagen gegen deinen Feind; gern laß ichs Für deine Wohlfahrt.
LEAR Aus den Augen mir!
KENT Sieh besser, Lear, und laß mich immer bleiben Der Zielpunkt deines Auges.
LEAR Nun beim Apoll!
KENT Nun beim Apollo, König, Du rufst vergeblich deine Götter an.
LEAR O Knecht! Aufrührer!Legt die Hand ans Schwert.
ALBANY und CORNWALL Teurer Herr, laß ab!
KENT Tu's, töte deinen Arzt, und gib den Lohn Der schnöden Krankheit! Nimm zurück die Schenkung, Sonst, bis der Kehle Kraft versagt zu schrein, Sag ich dir, du tust Unrecht!
LEAR Höre mich, Rebell, bei deiner Lehnspflicht, höre mich! Weil du zum Wortbruch Uns verleiten wolltest, Den Wir noch nie gewagt, und stolz verwegen Dich drängtest zwischen Unsern Spruch und Thron, Was Unser Blut und Rang nicht dulden darf, Wenn Unsre Macht bewährt, nimm deinen Lohn: Fünf Tage gönnen Wir, dich zu versehn Mit Schirmung vor des Lebens Ungemach; Am sechsten kehrst du den verhaßten Rücken Dem Königreich, und weilt am zehnten Tag In Unserm Lande dein verbannter Leib, So ists dein Tod. Fort nun! Bei Jupiter, Dies widerruf ich nicht!
KENT So leb denn wohl, Fürst! Zeigst du so dich, Lear, Lebt Freiheit auswärts und Verbannung hier. -Zu Cordelia. Dir, Jungfrau, sein die Götter mächtiger Hort, Die richtig denkt und sprach das rechte Wort. -Zu Goneril und Regan. Eur breites Reden mög die Tat bewähren, Und Liebeswort willkommne Frucht gebären! -[Zu den Herzogen. ] Fahrt wohl, Kent muß zum Abschied nun sich wenden, Im neuen Land den alten Lauf vollenden.Er geht ab. Trompetenstoß. Gloster kommt zurück mit Frankreich, Burgund und Gefolge.
GLOSTER Hier sind Burgund und Frankreich, hoher Herr!
LEAR Fürst von Burgund, Zu Euch erst sprech ich, der mit diesem König Um meine Tochter warb. Was als das mindste Erwartet Ihr als Mitgift, oder steht Von Euerm Antrag ab?
BURGUND Erhabner König, Mir genügt, was Ihr freiwillig habt geboten, Und minder gebt Ihr nicht.
LEAR Mein würdiger Herzog, Als sie Uns wert war, schätzten Wir sie so; Nun ist ihr Preis gesunken. Seht, da steht sie: Wenn etwas an der kleinen, schmucken Larve Oder sie ganz mit Unserm Zorn dazu, Und weiter nichts, Eur Hoheit noch gefällt, So nehmt sie, sie ist Eur.
BURGUND Mir fehlt die Antwort.
LEAR Wollt Ihr mit allen Mängeln, die ihr eigen, Freundlos und neuverschwistert Unserm Haß, Zur Mitgift Fluch, durch Schwur von Uns entfremdet, Sie nehmen oder lassen?
BURGUND Herr, verzeiht, Mit der Bedingung endigt jede Wahl.
LEAR So laßt sie; bei der Macht, die mich erschuf, Ich nannt Euch all ihr Gut.Zu Frankreich. Ihr, großer König - So möcht ich Eure Freundschaft nicht verraten, Euch zu vermählen, wo ich hasse. Lenkt Zu besserm Ziel, ich bitt Euch, Eure Wünsche, Als auf dies Wesen, das Natur errötet Anzuerkennen.
FRANKREICH Wahrlich, dies ist seltsam, Daß sie, die eben noch Eur Kleinod war, Der Inhalt Eures Lobs, Balsam des Alters, Eur Bestes, Teuerstes, in diesem Nu So Unerhörtes tat, ganz zu zerreißen Solch reichgewebte Gunst. Ja, ihr Vergehn Muß unnatürlich, ungeheuer sein, Oder die Liebe, deren Ihr Euch rühmtet, Ist tadelnswert. So schlimm von ihr zu denken, Heischt Glauben, wie Vernunft ihn ohne Wunder Mir nimmer einimpft.
CORDELIA Herr, ich bitte doch, Mangelt mir auch die schlüpfrig glatte Kunst, Zu reden nur zum Schein - denn was ich ernstlich will, Vollbring ich, eh ichs sage -, daß Ihr zeugt, Es sei kein schnöder Makel, Mord noch Schmach, Kein zuchtlos Tun noch ehrvergeßner Schritt, Der mir geraubt hat Eure Gnad und Huld. Nur, weil mir fehlt, wodurch ich reicher bin, Ein stets begehrend Aug und eine Zunge, Die ich mit Stolz entbehr, obgleich ihr Mangel Mir Euern Beifall raubte.
LEAR Besser wärs, Du lebtest nicht, als mir zur Kränkung leben!
FRANKREICH Ist es nur das? Ein Zaudern der Natur, Das oft die Tat unausgesprochen läßt, Die es zu tun denkt? - Herzog von Burgund, Was sagt Ihr zu der Braut? Lieb ist nicht Liebe, Wenn sie vermengt mit Rücksicht, die seitab Vom wahren Ziel sich wendet. Wollt Ihr sie? Sie selbst ist ihre Mitgift.
BURGUND Hoher Lear, Gebt mir den Anteil, den Ihr selbst bestimmt, Und hier nehm ich Cordelia bei der Hand Als Herzogin Burgunds.
LEAR Nichts! Ich beschwors, ich bleibe fest.
BURGUND Dann tut mirs leid, daß Ihr zugleich den Vater Verliert und den Gemahl.
CORDELIA Fahr hin, Burgund! - Da Wunsch nur nach Besitz sein Lieben ist, Werd ich nie seine Gattin.
FRANKREICH Schönste Cordelia, du bist arm höchst reich, Verbannt höchst wert, verachtet höchst geliebt! Dich nehm ich in Besitz und deinen Wert. Gesetzlich sei's: ich nehme, was man wegwarf. Wie seltsam, Götter, meiner Liebe Glühn Und Achtung muß aus kaltem Hohn erblühn. Sie mußte Erb und Glück bei dir verlieren, Um über uns und Frankreich zu regieren. Kein Herzog von Burgunds stromreichen Auen Erkauft von mir die teuerste der Frauen! Den Harten gib ein mildes Abschiedswort, Das Hier verlierst du für ein beßres Dort.
LEAR Du hast sie, Frankreich, sie sei dein; denn nie Hatt ich solch Kind, und nimmer grüße sie Mein altes Auge mehr. - Folg deinen Wegen Ohn Unsre Lieb und Gunst, ohn Unsren Segen! - Kommt, edler Fürst Burgund!Trompetengetön. Lear, Burgund, Cornwall, Albany, Gloster und Gefolge gehen ab.
FRANKREICH Sag deinen Schwestern Lebewohl.
CORDELIA[beiseit. ] Des Vaters Edelsteinen! -[Laut. ] Nassen Blicks Verläßt Cordelia euch.[Beiseit. ] Ich kenn euch wohl, Und nenn als Schwester eure Fehler nicht Beim wahren Namen.[Laut. ] Liebt denn unsern Vater, Ich leg ihn euch ans vielberedte Herz.[Beiseit. ] Doch ach, wär ich ihm lieb noch wie vorzeiten, Wollt ich ihm einen bessern Platz bereiten.[Laut. ] So lebt denn beide wohl!
REGAN
Ein Saal im Schloß des Grafen Gloster
Edmund mit einem Briefe.
EDMUND Natur, du meine Göttin! Deiner Satzung Gehorch ich einzig. Weshalb sollt ich dulden Feindseliger Sitte Ungunst und gestatten, Daß mich der Völker enger Sinn enterbt, Weil ich ein zwölf, ein vierzehn Mond erschien Nach einem Bruder? - Was Bastard, weshalb unecht, Wenn meiner Glieder Maß so stark gefügt, Mein Sinn so kühn, so adlig meine Züge, Als einer ehrbarn Gattin Frucht? Warum Mit unecht uns brandmarken? Bastard? Unecht? Uns, die im heißen Diebstahl der Natur Mehr Stoff empfahn und kräftgern Feuergeist, Als in dem dumpfen, trägen, schalen Bett Verwandt wird auf ein ganzes Heer von Tröpfen, Halb zwischen Schlaf gezeugt und Wachen? Drum, Echtbürtiger Edgar, mein wird noch dein Land! Des Vaters Liebe hat der Bastard Edmund Wie der Echtbürtige. Schönes Wort: echtbürtig! Wohl, mein Echtbürtiger, wenn dies Brieflein wirkt Und mein Erfinden glückt, stürzt den Echtbürtgen Der Bastard Edmund. Ich gedeih, ich wachse! Nun, Götter, schirmt Bastarde!Gloster kommt.
GLOSTER Kent so verbannt! Frankreich im Zorn gegangen! Der König fort zu Nacht! Der Macht entsagt! Beschränkt auf Leibgeding! Und alles das Im Nu! - Edmund, was gibts, was hast du Neues?
EDMUNDsteckt den Brief ein. Verzeih Euer Gnaden, nichts.
GLOSTER Warum steckst du so eilig den Brief ein?
EDMUND Ich weiß nichts Neues, Mylord.
GLOSTER Was für ein Blatt lasest du da gerade?
EDMUND Nichts, Mylord.
GLOSTER Nichts? Wozu denn die schreckhafte Eile damit in deine Tasche? Ein wirkliches Nichts bedarf keiner solchen Hast, sich zu verstecken. Laß sehn! Gib! Wenn es nichts ist, brauche ich keine Brille.
EDMUND Ich bitte, Herr, verzeiht; es ist ein Brief meines Bruders, den ich noch nicht ganz durchgesehen, und soweit ich bis jetzt las, finde ich den Inhalt nicht für Eure Durchsicht geeignet.
GLOSTER Gib mir den Brief, sag ich!
EDMUND Ich werde unrecht tun, ich mag ihn geben oder behalten. Der Inhalt, soweit ich ihn verstehe, ist zu tadeln.
GLOSTER Laß sehen, laß sehn!
EDMUND Ich hoffe zu meines Bruders Rechtfertigung, er schrieb dies nur als Prüfung und Versuchung meiner Tugend.
GLOSTERliest. Dieses Herkommen, diese Ehrfurcht vor dem Alter verbittert uns die Welt für unsre besten Jahre; entzieht uns unser Vermögen, bis unsre Hinfälligkeit es nicht mehr genießen kann. Ich fange an, eine alberne, törichte Sklaverei in diesem Druck bejahrter Tyrannei zu finden, die da herrscht, nicht weil sie Macht hat, sondern weil man sie duldet. Komm zu mir, daß ich weiter hierüber rede. Wenn unser Vater schlafen wollte, bis ich ihn weckte, solltest Du für immer die Hälfte seiner Einkünfte genießen und der Liebling sein Deines Bruders Edgar. - Hum! - Verschwörung! - Schlafen wollte, bis ich ihn weckte - die Hälfte seiner Einkünfte genießen. - Mein Sohn Edgar! Hatte er eine Hand, dies zu schreiben? Ein Herz und ein Gehirn, dies auszubrüten? - Wann bekamst du dies? Wer brachte dirs?
EDMUND Es ward mir nicht gebracht, Mylord, das ist die Feinheit; ich fands durch das Fenster meines Zimmers geworfen.
GLOSTER Du erkennst deines Bruders Handschrift?
EDMUND Wäre der Inhalt gut, Mylord, so wollte ich darauf schwören; aber wenn ich auf diesen sehe, so möchte ich lieber glauben, sie sei es nicht.
GLOSTER Es ist seine Hand.
EDMUND Sie ists, Mylord, aber ich hoffe, sein Herz ist dem Inhalte fern.
GLOSTER Hat er dich nie zuvor über diesen Punkt ausgeforscht?
EDMUND Niemals, Mylord; doch habe ich ihn oft behaupten hören, wenn Söhne in reifen Jahren und die Väter auf der Neige ständen, dann sei von Rechts wegen der Vater des Sohnes Mündel und der Sohn Verwalter des Vermögens.
GLOSTER O Schurke, Schurke! - Völlig der Sinn seines Briefes! - Verruchter Bube! Unnatürlicher, abscheulicher, viehischer Schurke! Schlimmer als viehisch! - Geh gleich, such ihn auf, ich will ihn festnehmen. - Verworfener Bösewicht! - Wo ist er?
EDMUND Ich weiß es nicht genau, Mylord. Wenn es Euch gefiele, Euren Unwillen gegen meinen Bruder zurückzuhalten, bis Ihr ihm ein beßres Zeugnis seiner Absichten entlocken könnt, so würdet Ihr sichrer gehen; wollt Ihr aber gewaltsam gegen ihn verfahren, und hättet Euch in seiner Absicht geirrt, so würde es einen argen Riß in Eure Ehre machen und das Herz seines Gehorsams zertrümmern. Ich möchte mein Leben für ihn zum Pfande setzen, daß er dies geschrieben hat, um meine Ergebenheit gegen Euch, Mylord, auf die Probe zu stellen, ohne eine gefährliche Absicht.
GLOSTER Meinst du?
EDMUND Wenns Eur Gnaden genehm ist, stell ich Euch an einen Ort, wo Ihr uns darüber reden hören und Euch durch das Zeugnis Eures eignen Ohrs Gewißheit verschaffen sollt, und das ohne Verzug, noch diesen Abend.
GLOSTER Er kann nicht solch ein Ungeheuer sein -
EDMUND Und ists gewiß nicht.
GLOSTER - gegen seinen Vater, der ihn so ganz, so zärtlich liebt! Himmel und Erde! Edmund, such ihn, forsche mir ihn aus, ich bitte dich; führe das Geschäft nach deiner eigenen Klugheit; ich würde alles dafür hingeben, die gehörige Klarheit zu gewinnen.
EDMUND Ich will ihn sogleich suchen, Mylord, die Sache fördern, wie ichs vermag, und Euch von allem Nachricht geben.
GLOSTER Jene letzten Verfinsterungen an Sonne und Mond weissagen uns nichts Gutes. Mag die Wissenschaft von der Natur sie so oder anders auslegen, die Natur selbst fühlt sich geschlagen von den Wirkungen, die ihnen folgen: Liebe erkaltet, Freundschaft fällt ab, Brüder entzweien sich; in Städten Meuterei, auf dem Lande Zwietracht, in Palästen Verrat; das Band zwischen Sohn und Vater zerrissen. Dieser mein elender Bursche bestätigt die Vorzeichen: da ist Sohn gegen Vater. Der König weicht aus dem Gleise der Natur: da ist Vater gegen Kind. Wir haben das Beste unsrer Zeit gesehn: Ränke, Herzlosigkeit, Verrat und alle zerstörenden Umwälzungen folgen uns rastlos bis an unser Grab. Erforsche mir den Buben, Edmund, es soll dein Schade nicht sein; tu's mit allem Eifer. Und der edle Kent mit seinem treuen Herzen verbannt! Sein Verbrechen: Redlichkeit! - Seltsam, seltsam!Geht ab.
EDMUND Das ist die tollste Narrheit dieser Welt: Geht es einmal schlecht mit unserm Glück - oft, weil wirs zu weit getrieben haben in unsrer Lebensführung, schieben wir die Schuld an unsern Desastern auf Sonne, Mond und Sterne, als wenn wir Schurken wären durch Notwendigkeit, Narren durch himmlische Einwirkung, Schelme, Diebe und Verräter durch die Übermacht der Sphären, Trunkenbolde, Lügner und Ehebrecher durch zwingende Abhängigkeit von planetarischem Einfluß, und alles, worin wir schlecht sind, durch göttlichen Anstoß. Eine herrliche Ausflucht für den Liederlichen, seine hitzige Natur den Sternen zur Last zu legen! - Mein Vater ward mit meiner Mutter einig unterm Drachenschwanz, und meine Nativität fiel unter ursa major; und so folgt denn, ich müsse rauh und verbuhlt sein. Ei was, ich wäre geworden, was ich bin, wenn auch der jungfräulichste Stern am Firmament auf meinen Bastardsursprung geblinkt hätte. [Edgar ] -Edgar tritt auf. Und husch ist er da, wie der Schluß in der alten Komödie. Mein Stichwort ist »spitzbübische Melancholie« und ein Seufzer wie Tom aus Bedlam. - Oh, diese Verfinsterungen deuten auf diesen Zwiespalt! Fa, sol, la, mi -
EDGAR Wie gehts, Bruder Edmund? In was für tiefsinnigen Betrachtungen?
EDMUND Ich sinne, Bruder, über eine Weissagung, die ich dieser Tage las, was auf diese Verfinsterungen folgen werde!
EDGAR Gibst du dich mit solchen Dingen ab?
EDMUND Ich versichere dich, die Wirkungen, von denen er schreibt, treffen leider ein! - Unnatürlichkeit zwischen Vater und Kind, Tod, Teuerung, Auflösung alter Freundschaft, Spaltung im Staat, Drohungen und Verwünschungen gegen König und Adel, grundloses Mißtrauen, Verbannung von Freunden, Auflösung des Heers, Trennung der Ehen und was noch alles!
EDGAR Seit wann gehörst du zur astronomischen Sekte?
EDMUND Sag mal, wann sahst du meinen Vater zuletzt?
EDGAR Nun, gestern abend.
EDMUND Sprachst du mit ihm?
EDGAR Ja, zwei volle Stunden.
EDMUND Schiedet ihr in gutem Vernehmen? Bemerktest du kein Mißfallen an ihm in Worten oder Mienen?
EDGAR Durchaus nicht.
EDMUND Besinne dich, womit du ihn beleidigt haben könntest, und ich bitte dich, meide seine Gegenwart, bis eine kurze Zwischenzeit die Hitze seines Zorns abgekühlt hat, der jetzt so in ihm wütet, daß ihn kaum eine Mißhandlung an deiner Person besänftigen würde.
EDGAR Irgendein Schurke hat mich angeschwärzt!
EDMUND Das fürcht ich auch. Ich bitte dich, weiche ihm sorgfältig aus, bis die Heftigkeit seines Ingrimms nachläßt, und, wie gesagt, verbirg dich bei mir in meinem Zimmer, wo ichs einrichten will, daß du den Grafen reden hören sollst. Ich bitte dich, geh, hier ist mein Schlüssel! Wagst du dich hervor, so geh bewaffnet.
EDGAR Bewaffnet, Bruder?
EDMUND Bruder, ich rate dir dein Bestes: Geh bewaffnet! Ich will nicht ehrlich sein, wenn man Gutes gegen dich im Schilde führt. Ich habe dir nur schwach angedeutet, was ich sah und hörte; längst noch nicht, wie entsetzlich die Wirklichkeit ist. Bitte dich, fort!
EDGAR Werd ich bald von dir hören?
EDMUND Zähle auf mich in dieser Sache.
Ein Zimmer in [Vor ] dem Palast des Herzogs von Albany
Goneril und Oswald, ihr Haushofmeister.
GONERIL Hat mein Vater einen meiner Edlen geschlagen, weil er seinen Narren schalt?
HAUSHOFMEISTER Ja, gnädige Frau!
GONERIL Bei Tag und Nacht kränkt er mich! Jede Stunde Bricht er hervor mit der und jener Grobheit, Die uns verstimmt und stört; ich duld es nicht! Frech werden seine Ritter, selber schilt er Um jeden Tand. Wenn er vom Jagen kommt, Will ich ihn jetzt nicht sehn; sagt, ich sei krank. Wenn Ihr in Eurem Dienst saumselger werdet, So tut Ihr recht; die Schuld nehm ich auf mich.[Trompeten. ]
HAUSHOFMEISTER Jetzt kommt er, gnädge Frau, ich hör ihn schon.Hörner hinter der Szene.
GONERIL Zeigt ihm so träge Lässigkeit Ihr wollt, Ihr und die andern; ich wollt, es kam zur Sprache. Wenns ihm mißfällt, so zieh er hin zur Schwester, Die darin, weiß ich, einig ist mit mir Und sich nicht meistern läßt. Der greise Tor, Der immer noch die Macht behaupten will, Die er verschenkt hat! Nun, bei meinem Leben, Das Alter kehrt zur Kindheit, und es braucht Der strengen Zucht, wenn Güte ward mißbraucht. Merkt Euch, was ich gesagt.
HAUSHOFMEISTER Wohl, gnädge Frau!
GONERIL Und seinen Rittern gönnt nur kalte Blicke; Gleichviel was draus erwächst; sagt das den andern auch! Ich finde wohl dadurch Gelegenheit,
Ein Saal in Albanys Palast. [Daselbst ]
Kent tritt auf, verkleidet.
KENT Kann ich so gut nur fremde Sprache borgen, Die meine Red entstellt, so mag vielleicht Mein guter Will in vollem Maß erstreben Das Ziel, um das mein Wesen ich verhüllte. Nun, du verbannter Kent, kannst du dort dienen, Wo du verdammt bist, so geschieht es wohl, Daß dein geliebter Herr dich treu erfindet.Jagdhörner hinter der Szene; Lear, Ritter und Gefolge treten auf.
LEAR Laßt mich keinen Augenblick auf das Essen warten; geht, laßt anrichten!Einer vom Gefolge geht ab. Nun, wer bist du?
KENT Ein Mann, Herr!
LEAR Was ist dein Beruf? Was willst du von Uns?
KENT Mein Beruf ist, nicht weniger zu sein, als ich scheine, dem treu zu dienen, ders mit mir versuchen will, den zu lieben, der ehrlich ist, mit dem zu verkehren, der Verstand hat und wenig spricht, das Jüngste Gericht zu fürchten, zu fechten, wenn ichs nicht ändern kann, und keine Fische zu essen.
LEAR Wer bist du?
KENT Ein recht treuherziger Kerl und so arm als der König.
LEAR Wenn du als Untertan so arm bist wie er als König, dann bist du arm genug. Was willst du?
KENT Dienst.
LEAR Wem willst du dienen?
KENT Euch.
LEAR Kennst du mich. Alter?
KENT Nein; aber Ihr habt etwas in Euerm Wesen, das ich gern Herr nennen möchte.
LEAR Was ist das?
KENT Hoheit.
LEAR Was für Dienste kannst du tun?
KENT Ich kann rechtschaffene Dinge geheimhalten, reiten, laufen, eine hübsche Geschichte schlecht erzählen und eine deutliche Botschaft zur Not ausrichten. Wozu ein gewöhnlicher Mensch brauchbar ist, dafür tauge ich, und das beste an mir ist guter Wille.
LEAR Wie alt bist du?
KENT Nicht so jung, Herr, ein Mädchen ihres Gesanges wegen zu lieben, noch so alt, um ohne alle Ursache in sie vergafft zu sein; ich habe achtundvierzig Jahre auf dem Rücken.
LEAR Folge mir, du sollst mir dienen; wenn du mir nach dem Essen nicht schlechter gefällst, so trennen wir uns nicht so bald. - Das Essen, holla, das Essen! - Wo ist mein Bursch, mein Narr? Geh einer und ruf mir meinen Narren her!Einer aus dem Gefolge geht ab. Der Haushofmeister kommt. Ihr da! - He! - Wo ist meine Tochter?
HAUSHOFMEISTER Verzeiht mir -Er geht ab.
LEAR Was sagt der Schlingel da? Ruft den Tölpel zurück.Ein Ritter geht dem Haushofmeister nach. Wo ist mein Narr, he? - Ich glaube, die Welt liegt im Schlaf. -Der Ritter kommt zurück. Nun? Wo bleibt der Lümmel?
RITTER Er sagt, Mylord, Eurer Tochter sei nicht wohl.
LEAR Warum kam denn der Flegel nicht zurück, als ich ihn rief?
RITTER Herr, er sagte mir sehr rund heraus, er wolle nicht.
LEAR Er wolle nicht?
RITTER Mylord, ich weiß nicht, was vorgeht; aber nach meiner Ansicht begegnet man Eurer Hoheit nicht mehr mit der ehrerbietigen Aufmerksamkeit, wie man pflegte; es zeigt sich ein großes Abnehmen der Höflichkeit sowohl bei der Dienerschaft als auch beim Herzog und Eurer Tochter selbst.
LEAR Ha, meinst du?
RITTER Ich bitte Euch, verzeiht mir, Mylord, wenn ich mich irre, denn mein Diensteifer kann nicht schweigen, wenn ich Eure Hoheit beleidigt glaube.
LEAR Du erinnerst mich nur an meine eigne Wahrnehmung. Ich habe seit kurzem eine sehr kalte Vernachlässigung bemerkt, doch schob ichs mehr auf meine argwöhnische Gemütsart als auf einen wirklichen Vorsatz und absichtliche Unfreundlichkeit. Ich will genauer darauf acht geben. Aber wo ist mein Narr? Ich hab ihn in zwei Tagen nicht gesehn.
RITTER Seit der jungen Fürstin Abreise nach Frankreich, gnädiger Herr, hat sich der Narr ganz abgehärmt.
LEAR Still davon; ich hab es wohl bemerkt. Geht und sagt meiner Tochter, ich wolle sie sprechen. -Einer aus dem Gefolge geht ab. Und Ihr ruft meinen Narren!Ein weiterer aus dem Gefolge geht ab. Der Haushofmeister kommt. O Ihr, Herr, Ihr, Herr, kommt doch näher, Herr, wer bin ich, Herr?
HAUSHOFMEISTER Myladys Vater.
LEAR Myladys Vater? Mylords Schurk! Du verdammter Hund, du Lump, du Schuft!
HAUSHOFMEISTER Ich bin nichts von alledem, Mylord, ich bitte mirs aus.
LEAR Wirfst du mir Blicke zu, du Hundsfott?Er schlägt ihn.
HAUSHOFMEISTER Ich lasse mich nicht schlagen, Mylord.
KENTschlägt ihm ein Bein unter. Auch kein Bein stellen, du niederträchtiger Fußballspieler?
LEAR Ich danke dir, Bursch, du dienst mir, und ich will dich lieben.
KENT Kommt, Freund, steht auf, packt Euch! Ich will Euch Unterschiede lehren; fort, fort! Wollt Ihr Eure Flegelslänge noch einmal messen, so bleibt, sonst packt Euch! Fort! Seid Ihr klug? - So!Er stößt den Haushofmeister hinaus.
LEAR Nun, mein freundlicher Gesell, ich danke dir, hier ist Handgeld auf deinen Dienst.Er gibt Kent Geld. Der Narr kommt.
NARR Laß mich ihn auch dingen; hier ist meine Kappe.Gibt Kent seine Kappe.
LEAR Nun, mein schmuckes Bürschchen? Was machst du?
NARR Höre, Freund, du tätst am besten, meine Kappe zu nehmen.
KENT Warum, Narr?
NARR Warum? Weil du's mit einem hältst, der in Ungnade gefallen ist. Ja, wenn du nicht lächeln kannst, je nachdem der Wind kommt, so wirst du bald einen Schnupfen weghaben. Da nimm meine Kappe. Sieh, dieser Mensch da hat zwei von seinen Töchtern verbannt und der dritten wider Willen seinen Segen gegeben; wenn du dem folgen willst, mußt du notwendig meine Kappe tragen. - Nun wie stehts, Gevatter? Ich wollt, ich hätte zwei Kappen und zwei Töchter!
LEAR Warum, mein Söhnchen?
NARR Wenn ich ihnen all meine Habe geschenkt hätte, die Kappen behielt ich für mich. Ich habe meine; bettle du dir eine von deinen Töchtern.
LEAR Nimm dich in acht, du! - Die Peitsche!
NARR Wahrheit ist ein Hund, der ins Loch muß und hinausgepeitscht wird, während Madame Schoßhündin, die großmäulige Petze, am Feuer stehn und stinken darf.
LEAR Eine bittre Pille für mich!
NARR Hör, guter Freund, ich will dich einen Reim lehren.
LEAR Laß hören.
NARR Gib acht, Gevatter!
Nicht alles mußt zeigen Und manches verschweigen, Nicht alles leih her, Reit wenig, geh mehr, Glaub wenig, hör viel, Setz wenig beim Spiel, Laß Dirnen und Wein, Halt im Hause dich fein, Und aufs Schock wird dir gehn Mehr als sechs mal zehn!
LEAR Das ist nichts, Narr.
NARR