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Medizinische Früherkennung ist dazu da, Symptome rechtzeitig zu erkennen, um dadurch Krankheiten besser heilen zu können. Diese Vorstellung ist weit verbreitet, doch sie ist naiv. Vor allem in der Krebsmedizin werden durch Früherkennung zu häufig Frühstadien von Krebs entdeckt, die den Betroffenen niemals Probleme bereitet hätten. Inzwischen belegen seriöse Studien, dass durch das Brustkrebs-Screening für ein durch das Screening gerettetes Leben bis zu zehn Frauen unnötigerweise einer Chemotherapie, Bestrahlung oder Operation ausgesetzt werden. Auch der allgemeine Gesundheitstest beim Arzt, hierzulande als »Check-up 35« bekannt, erscheint sinnlos, denn Studien mit über 150 000 Teilnehmern haben gezeigt, dass solche Check-ups keinerlei Einfluss auf die Sterblichkeit haben. Allerdings erzeugen sie mehr »Kranke«. Schließlich fahnden Mediziner dabei nach überschrittenen Grenzwerten, etwa beim Blutzucker, dem Blutdruck und dem Cholesterin. Doch genau diese Grenzwerte sind von den industrienahen medizinischen Fachgesellschaften in den vergangenen Jahren immer weiter gesenkt worden. In diesem Buch spricht der mehrfach ausgezeichnete Wissenschaftsjournalist und Bestsellerautor Frank Wittig über Sinn und Unsinn aller einschlägigen Screening-Maßnahmen, von der Mammografie über die Hautkrebs-Früherkennung bis zur Darmspiegelung. Er berichtet von absurden, komischen und bewegenden Erlebnissen im Zuge seiner Recherchen und belegt, dass die medizinische Früherkennung ein profitgetriebener Industriezweig ist, der in erster Linie den Ärzten und der Pharmaindustrie nutzt und nicht unbedingt die Patienten gesünder macht.
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Seitenzahl: 263
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Zeit:6 Std. 51 min
Veröffentlichungsjahr: 2015
»Ich schwöre und rufe Apollon, den Arzt, und Asklepios und Hygeia und Panakeia und alle Götter und Göttinnen zu Zeugen an, dass ich diesen Eid und diesen Vertrag nach meiner Fähigkeit und nach meiner Einsicht erfüllen werde. […]
Ich werde ärztliche Verordnungen treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und meinem Urteil, hüten aber werde ich mich davor, sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden. […]
In alle Häuser, in die ich komme, werde ich zum Nutzen der Kranken hineingehen, frei von jedem bewussten Unrecht und jeder Übeltat […]
Wenn ich diesen Eid erfülle und nicht breche, so sei mir beschieden, in meinem Leben und in meiner Kunst voranzukommen, indem ich Ansehen bei allen Menschen für alle Zeit gewinne; wenn ich ihn aber übertrete und breche, so geschehe mir das Gegenteil.«
Gewidmet:
meiner Frau Christiane und meinen Kindern Lion und Mira
Im Jahr 2014 habe ich die Dokumentation Krank durch Früherkennung für die Reportage-Reihe Betrifft für das SWR-Fernsehen produziert. Der leitende Redakteur der Sendung hatte mein Exposé angenommen und mir damit im Prinzip grünes Licht für mein Projekt gegeben. Schließlich hatte ich darin auf die wissenschaftlichen Studien hingewiesen, die diverse medizinische Früherkennungsmaßnahmen als wirkungslos oder gar als gefährlich entlarvt hatten. Aus Gesprächen mit dem Redakteur wusste ich aber, dass er dennoch »Bauchschmerzen« dabei hatte. Früherkennung so sehr infrage zu stellen – war das nicht doch gefährlich? Am Ende wären wir womöglich dafür verantwortlich, dass Menschen krank werden oder gar sterben, denen dieses Schicksal durch Früherkennung vielleicht erspart geblieben wäre. Zunächst einmal ist es ja auch wirklich schwer zu verstehen, warum Früherkennung nicht das sein sollte, als das wir sie ständig von der Ärzteschaft »verkauft« bekommen: ein Segen. Ganz nach dem Motto: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt.
Am 4. Juni stand die Abnahme an. Die Abnahme ist ein wichtiger Termin, bei dem der Autor dem Redakteur erstmals den Film zeigt und dazu den Entwurf für den Sprechertext vorliest. Ich hatte mich auf eine schwierige Abnahme gefasst gemacht. Darauf, dass ich jede Menge Details und Formulierungen würde diskutieren müssen, die dem Verantwortlichen für diesen Programmplatz zu gewagt erscheinen würden. Aber es kam anders. Der Redakteur kam gut gelaunt und völlig entspannt in den Schnittraum und es gab kaum inhaltliche Diskussionen. Was war passiert?
Der Redakteur hatte am Abend zuvor Nachrichten gesehen. Und da hatte Ärztepräsident Dr. Frank Ulrich Montgomery öffentlich Kritik an den Screenings zur Früherkennung von Krankheiten geübt. Auch er verwies auf Wissenschaftler, die gezeigt hatten, dass sich die Zahl der Todesfälle durch solche Screenings – wenn überhaupt – nur marginal senken ließ. Und das bei einer gleichzeitig gravierenden Erhöhung des Risikos, durch sinnlose medizinische Vorsorge Schaden zu erleiden. Dr. Frank Ulrich Montgomery forderte, alle Früherkennungsprogramme auf den Prüfstand zu stellen. Sowohl die zur Früherkennung von Krebs als auch die allgemeinen Gesundheits-Check-ups. Dieser Vorstoß des Ärztepräsidenten war ein Geschenk für mich.
Nur: An der medizinischen Praxis hat sich seither nichts geändert. Montgomerys Forderung ist über ein Jahr alt und Früherkennung wird in Deutschland genauso offensiv propagiert wie all die Jahre zuvor. Mich wundert das allerdings nicht wirklich, denn Früherkennung führt zu einer Ausweitung des medizinischen Geschäfts. Weil man sich mit Früherkennungsmedizin endlich nicht mehr nur auf die Behandlung von Kranken beschränken muss. Nein, Früherkennung macht auch die Gesunden zu Kunden der Medizin. Die verantwortlichen Fachgesellschaften werden daher auch weiter alles dafür tun, dass Früherkennung in Deutschland groß geschrieben wird, denn sie fördert die Bedeutung der beteiligten Mediziner und ihren Umsatz. Und wer wollte darauf schon verzichten?
Für Sie – liebe Leserin, lieber Leser – hat das eine wichtige Konsequenz: Wenn die Ärzteschaft nicht bereit ist, Früherkennung kritisch unter die Lupe zu nehmen, müssen Sie es tun. Und dabei soll Ihnen dieses Buch helfen. Für die wichtigsten Früherkennungsprogramme habe ich die wissenschaftliche Datenlage aufbereitet und zu einer – wie ich hoffe lesbaren – Übersicht zusammengestellt. Es geht immer darum, den möglichen Nutzen einer Früherkennungsmaßnahme dem möglichen Schaden gegenüberzustellen. Man könnte auch sagen, wir beleuchten Chancen und Risiken von Früherkennung. Damit Sie eine gut informierte Entscheidung treffen können.
Krank durch Früherkennung? Im ersten Moment mag sich das widersinnig anhören. Bei Früherkennung – sei es bei der Krebs-Früherkennung oder beim allgemeinen Gesundheitscheck, der hierzulande unter dem Titel »Check-up 35« vermarktet wird – versuchen Ärzte, Krankheiten in Vor- oder Frühstadien zu entdecken. Und sie versprechen uns, dass man diese Frühstadien besser heilen kann. Oder bei entdeckten Vorstadien sogar den Ausbruch der Krankheit verhindern kann. Das klingt durchaus überzeugend. Was könnte auch sinnvoller sein? Wie sollte eine solche Früherkennung zu einer Krankheit führen?
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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