Kreuzfahrt inklusive Liebe - Susan Murphy - E-Book

Kreuzfahrt inklusive Liebe E-Book

Susan Murphy

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Beschreibung

Gwendolyn könnte nicht glücklicher sein. Endlich will Angus, mit dem sie seit sechs Jahren zusammen ist, ihr den langersehnten Heiratsantrag machen. Doch alles kommt anders als gedacht. Angus macht Schluss und Gwendolyn ist am Boden zerstört. Nicht nur wegen der Trennung, sondern auch, weil sie eine gemeinsame Kreuzfahrt geplant hatte. Doch ihre Freundin Ava überredet sie dazu, diese trotz allem anzutreten. Zwei Wochen Karibikurlaub, etliche Ausflüge und Entspannung pur. Was könnte da schiefgehen? Doch Gwendolyn hat nicht mit dem äußerst attraktiven, aber sehr frechen Finn gerechnet, der sich kurzerhand als ihr Zimmergenosse entpuppt. Und dann wären da auch noch seine Freunde, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, Gwendolyn in ihrer Mitte aufzunehmen.

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Für meine Mama (und meinen Papa), die mir meine erste Kreuzfahrt vorgeschlagen hat und auch dabei war.Ich danke dir für dieses tolle Er lebnis!

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Epilog

Prolog

Freitagabend. Ich war heute spät dran. Wahrscheinlich wartete Angus schon eine gefühlte Ewigkeit mit dem Abendessen und war wieder stinksauer, weil inzwischen alles kalt war.

„Ich bin da! Tut mir leid, Schatz! Es wurde noch kurzfristig eine Besprechung angesetzt. Ich konnte dir nicht mehr Bescheid geben. Ich zieh mich schnell um, und dann können wir essen“, rief ich ihm bereits im Flur entgegen.

Ich ging ins Wohnzimmer, wo ich Angus vermutete und wollte ihn erst noch begrüßen, bevor ich mir etwas Bequemes anzog. Ich bog um die Ecke und sah ihn auf dem Sofa sitzen. Ich lächelte, doch als ich sein ernstes Gesicht sah, erstarb es sofort.

„Angus? Was ist los? Wieso schaust du so ernst?“

„Gwenny – wir müssen reden. Bitte setz dich zu mir, du brauchst dir nichts anderes anzuziehen.“ Kriege ich jetzt etwa meinen langersehnten Antrag?, schoss es mir durch den Kopf. O Mann, o Mann. Ich bekam feuchte Hände und mein Herz fing vor Freude an, schneller zu schlagen.

„Gwenny, du weißt, ich liebe dich!“, fing Angus an, schaute mir aber nicht in die Augen.

Oh, jetzt kommt es, dachte ich und wappnete mich innerlich für die Frage, auf die ich schon seit circa zwei Jahren wartete.

„Aber … das ist nicht das Leben, das ich mir wünsche.“ Angus seufzte laut auf und fuhr sich erschöpft durch die Haare. „Ich möchte gern neue Erfahrungen machen … neue Leute kennenlernen … eventuell in eine andere Stadt ziehen oder ein anderes Land, wenn es der Job zulässt …“

„Okay, gut.“ Ich schaute ihn immer noch lächelnd an, denn mein Verstand hatte noch nicht ganz begriffen, was hier vor sich ging und wartete daher auf die eine Frage.

„Gwenny, versprich mir, keine Szene anzufangen. Ich … trenne mich von dir!“ Jetzt sah mir Angus in die Augen und ich erkannte meinen fatalen Fehler.

„Wie bitte? Moment, hast du gerade gesagt, du machst Schluss mit mir? Bin ich im falschen Film?“ Ungläubig sprang ich von meiner Couch auf und starrte Angus fassungslos an. Das war das Letzte, mit dem ich gerechnet hatte.

„Gwendolyn, ich brauche etwas Neues in meinem Leben. Es kann so nicht weitergehen. Wir sind jetzt seit fünf Jahren zusammen, wir sind noch jung. Ich fühle mich eingeengt, ja, geradezu eingesperrt. Ich möchte mehr Erfahrung sammeln, mir die sprichwörtlichen Hörner abstoßen.“

Ich fing hysterisch an, zu lachen.

„Und was ist mit meinem Leben? Ich habe mir seit zwei Jahren gewünscht, dass du mit mir zusammenziehst und wir heiraten. Ich wollte Kinder mit dir und … und …“

„Ja, ich weiß, und genau das engt mich gerade so ein. Du hattest bereits alles durchgeplant, aber auf mich nicht wirklich Rücksicht genommen. Wir hatten eine tolle Zeit und bitte glaube mir, es fällt mir nicht leicht, dich loszulassen, aber ich kann nicht mehr. Das wird mir alles zu viel. Ich möchte ein anderes Leben, mein Leben.“

Mein Herz zerbarst vor meinem inneren Auge in tausend Einzelteile und Tränen begannen, meine Wangen hinabzulaufen. Ich schlang meine Arme um meinen Körper, da ich Angst hatte, er würde genauso zerspringen wie mein Herz.

„Aber … was soll ich denn jetzt machen? Wie kannst du uns nur aufgeben? Gibt es denn keine Möglichkeit, dass wir das anders regeln können?“, versuchte ich es leise, aber ich wusste, wenn sich Angus für etwas entschieden hatte, dann änderte er seine Meinung nicht mehr. Er kam zu mir, gab mir einen letzten Kuss auf die Stirn, ging dann ins Schlafzimmer, um seine wenigen Klamotten, die er in meiner Wohnung gebunkert hatte, einzupacken und verließ die Wohnung – genauso wie mein Leben.

Ich stand, die Arme immer noch fest um mich geschlungen, am Fenster im zweiten Stock und sah ihm zu, wie er seine Sachen ins Auto warf. Tränen rannen wie Bäche über mein Gesicht. Dann fuhr er los. Ich wohnte in einer verkehrsberuhigten Straße, so konnte er nicht wirklich schnell fahren.

Ein unbändiger Zwang bewog mich plötzlich dazu, aus der Wohnung zu rennen, das Treppenhaus hinunterzustürzen und auf die Straße zu hasten. Ich sah seine Rücklichter, die sich fast an der Kreuzung zur Hauptstraße befanden und fing an, zu laufen. Ich rannte hinter Angus’ Auto her und rief:

„Angus! Komm zurück! Bitte!“ Doch da bog er bereits ab und war verschwunden.

Ich sprintete, so schnell ich konnte, zur Kreuzung, aber er war schon weg. Ich sank auf meine Knie, mein Gesicht tränenüberströmt und wimmerte:

„Komm zurück! Komm zurück! Bitte, komm zurück!“

Doch Angus kam nicht mehr zurück. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich in der Dunkelheit dort auf dem Gehweg kniete und heulte, bis ich endlich dazu fähig war, zurück in meine Wohnung zu gehen.

Sie kam mir mit einem Schlag ganz anders vor.

Leer und verlassen, ja, schon fast unbewohnbar.

Auch wenn Angus nicht wirklich hier mit mir zusammen gewohnt hatte, so war es doch zu unserer kleinen Höhle geworden, denn er war öfters bei mir gewesen als ich bei ihm.

Ich ließ mich wieder aufs Sofa fallen, heulte und schrie mir die Seele aus dem Leib. Alles in ein Kissen hinein, denn ich wollte die Nachbarn nicht beunruhigen. Außerdem brauchten sie von dem Drama nichts mitbekommen. Angus hatte mich verlassen, er war meine große Liebe gewesen und ich hatte seit zwei Jahren gehofft, dass er sich endlich aus seinem bequemen Schneckenhaus heraustraute und mit mir zusammenzog, wir sogar heiraten würden.

Aus der Traum. Mein Leben, wie ich es kannte, war vorbei. Ich konnte es nicht fassen. Wie sollte mein Herz jemals heilen, wo es doch achtlos aus meiner Brust gerissen worden und es in lauter kleine Teile zersprungen war?

Ich verbrachte das Wochenende in meiner Wohnung, weinend, fluchend, am Boden zerstört. Ich kam mir vor wie in meiner eigenen Version von Bridget Jones – nur dass es nicht um meinen Geburtstag ging – und schmetterte All by Myself von Céline Dion rauf und runter.

Kapitel 1

Ein paar Monate später ging es mir, rein körperlich, wieder gut, nur mein Herz und meine Seele waren immer noch ein Trümmerhaufen.

„Komm schon, Gwen. Du hast so lange dafür gespart, wieso machst du diese Kreuzfahrt nicht einfach allein? Du könntest richtig entspannen, würdest endlich die Karibik sehen und vielleicht auch etwas unter der Sonne flirten“, versuchte Ava, mich zu überzeugen und tat dabei ganz unschuldig.

„Allein? Eine Kreuzfahrt? Hast du eine Ahnung, wie langweilig das werden würde? Außerdem wollte ich die Tour als Hochzeitsreise machen.

Mit Angus!“ Sein Name kam mir nur als Flüstern über die Lippen, denn im gleichen Moment, als ich ihn ausgesprochen hatte, musste ich mir heftig auf die Zunge und die Lippe beißen, um nicht wieder zu heulen. Ich saß hier im Reisebüro, in dem Ava, eine meiner zwei besten Freundinnen, arbeitete. Es kam sicherlich nicht gut, wenn eine vermeintliche Kundin plötzlich einen Wasserfall im Gesicht hatte.

„Gwen, wir kennen uns seit wir Kinder sind und ich weiß, was du brauchst! Du benötigst eine

Auszeit! Du musst das alles hinter dir lassen und was wäre dafür besser geeignet als ein Urlaub?

Außerdem ist jetzt Sommer, du hast also noch ein paar Monate, bis die Kreuzfahrt losgeht und dann freust du dich sicher drauf!“

Seufzend blickte ich sie mit glasigen und wahrscheinlich auch leicht rötlichen Augen an.

„Meinst du wirklich? Wieso kommst du denn dann nicht mit? Für dich kostet es doch nicht viel! Ich möchte nicht alleine fliegen und Freya hat doch kein Geld für eine Kreuzfahrt.“ Ich versuchte, einen Schmollmund zu ziehen, aber das hatte bei Ava noch nie funktioniert.

„Ich würde ja gern, aber ich bekomme Ende des Jahres keinen Urlaub, weil die meisten dann schon anfangen, den Sommerurlaub für nächstes Jahr zu planen und zu buchen und da ist bei uns immer die Hölle los.“ Sie tätschelte entschuldigend meine Hand.

„Und was ist mit deinen Eltern?“, fragte sie vorsichtig.

„Meine Eltern? Ist das dein Ernst?. Aus dem Alter bin ich mittlerweile raus. Da würde ich mir wie eine alte Jungfer vorkommen.“ Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor meiner Brust.

„Das war nicht böse gemeint, ich dachte nur, wenn du überhaupt nicht alleine fliegen willst, dann wäre das die letzte Möglichkeit?!“

„Wie teuer ist denn ein Einzelzimmer? Oder habe ich noch eine andere Wahl?“, seufzend gab ich mich geschlagen. Vermutlich hatte Ava recht und ich brauchte dringend Urlaub, um Angus endlich vergessen zu können. Aber konnte man seine große Liebe jemals vergessen? Ich war mir da nicht so sicher.

Ava klatschte leise in die Hände. Jetzt war sie voll in ihrem Element als Tourismuskauffrau.

Ihre Finger flogen über die Tastatur und sie suchte mögliche Touren und Kreuzfahrtangebote durch, um die passende für mich zu finden. Sie murmelte leise vor sich hin und plötzlich schien sie ein perfektes Angebot gefunden zu haben, denn ihr Gesicht fing an, zu leuchten und sie drehte den Monitor zu mir, damit ich mit schauen konnte, während sie mir alles erklärte.

„Das wird dir gefallen. Ich habe hier ein supertolles Angebot von Starfish Kreuzfahrten! Das ist eine relativ junge Kreuzfahrtflotte, die an das Modell der Cluburlaube anbinden möchte, nur eben auf dem Meer.

Das Klientel ist recht jung, deshalb auch super für einen Single-Urlaub geeignet.“ Sie grinste mich an und ich konnte nur die Augen verdrehen.

„Das Schiff selbst, die Starfish-Asteroidea, ist ein mittelgroßes Exemplar mit 203 m Länge und einer Passagieranzahl von ca. 1.500.“

„1.500 Menschen an Bord? Und das nennst du mittelgroß?“ Ich riss die Augen auf, für mich waren das sehr viele Leute!

„Das sind ja nur die Passagiere. Es kommen noch etwa 390 Besatzungsmitglieder dazu. Und ja, es ist mittelgroß, denn es gibt Schiffe, die umfassen 5.000 Passagiere! Da hat eine verdammte Kleinstadt drinnen Platz!

Aber zurück zu deiner Tour. Du fliegst von Dublin aus nach New York, dort musst du noch mal eine Nacht schlafen und kannst dann am nächsten Morgen in den Flieger nach Jamaika, Montego Bay einsteigen. Dort beginnt die Reise durch die Karibik. Erster Tag ist Anreise. Das Schiff legt um 20:00 Uhr Ortszeit ab und dann kannst du dich erstmal auf einen Seetag freuen, um dir das Schiff anzusehen, die Übungen mitzumachen, die übrigens Pflicht für jeden an Bord sind, und deine Zimmerkollegin kennenzulernen.“

„Moment, warte! Hast du Zimmerkollegin gesagt? Was ist aus meinem Einzelzimmer geworden?“ Ich wollte mir kein Zimmer mit einer fremden Person teilen, das ging ja gar nicht, nachher war das noch ein Flittchen wie aus dem Buche, die jede Nacht einen anderen Kerl in unser Zimmer schleppen würde. Nein danke, darauf hatte ich keine Lust.

„Nun ja, die Einzelzimmer sind schon alle vergeben. Die sind immer sehr schnell weg. Es gäbe nur noch eine Suite mit Balkon, die kostet aber ungefähr dreimal so viel. Ich habe dir hier die Vario-Variante rausgesucht.“

„Vario?“, fragte ich unsicher.

„Ja, das ist toll und super für dich. Du teilst dir mit einer anderen Person ein Doppelzimmer.

Also halbe Kosten für beide und da man auf einer Kreuzfahrt eh nur selten im Zimmer ist, ideal. Man kann ankreuzen, ob man einen Mann oder eine Frau als Zimmerpartner möchte und in welchem Alter der- oder diejenige in etwa sein sollte, damit man auch relativ gut zusammenpasst.“

Meine Zweifel standen mir sicherlich ins Gesicht geschrieben.

„Ich weiß nicht. Ich habe eigentlich keine Lust, mein Zimmer im Urlaub mit einer fremden Person teilen zu müssen. Jetzt fliege ich schon alleine und dann willst du mir so etwas auch noch antun?“

Ava lachte auf. Sie war ein aufgeschlossener, lebensfroher Mensch und hätte mit dieser Variante zu keiner Zeit ein Problem, das wusste ich. Ich hatte als Bankkauffrau zwar auch jeden Tag mit fremden, zum Teil recht unhöflichen Leuten zu tun, aber das musste doch nicht auch noch im Urlaub sein, oder?!

„Alles halb so wild!“, tat sie meine Einwände mit einer Handbewegung ab. „Wie gesagt, du bist doch eigentlich nur zum Schlafen in der Kabine. Den Rest des Tages hast du entweder Ausflüge oder Freizeit und die wirst du doch, um Himmels willen, nicht in der Kabine verbringen, oder?!“

Ich seufzte laut. „Nein, hatte ich eigentlich nicht vor, wenn ich schon eine Kreuzfahrt mache.“

„Na siehst du. Ich wette, sogar Freya würde dir zu dieser Variante raten!“

Ava und Freya waren meine besten Freundinnen und auch wenn sie sehr verschieden waren, fanden beide meist eine Lösung, die zu uns allen dreien passte. In diesem Fall musste ich mich nun ein für alle Mal geschlagen geben und Ava, wie so oft, zustimmen.

Ava und ich kannten uns schon seit unserer Kindheit und waren immer unzertrennlich gewesen. Sie war eine aufgeschlossene Schönheit mit strahlendem Lächeln, langen, blonden Haaren und hellblauen Augen. Sie war immer braun gebrannt, was ihrer schlanken 1,78 m großen Silhouette den besonderen Kick an Ausstrahlung gab. Sie liebte es, zu reisen und sich die Welt anzusehen, von daher war es nur verständlich, dass sie die Ausbildung zur Tourismuskauffrau absolviert hatte.

Freya hingegen hatte ich erst in der Berufsschule kennengelernt. Sie war im Gegensatz zu Ava recht schüchtern, aber dennoch immer freundlich und nett zu allen. Sie arbeitete in einer anderen Bank als ich und hatte trotzdem nie Geld für irgendetwas. Sie war mit 1,60 m viel kleiner als Ava und hatte rot-braune Haare und blaue Augen. Sie hatte Rundungen an den richtigen Stellen.

Anfangs gab es zwischen ihr und Ava etliche Zickerreien, denn Ava war neidisch, dass sie nicht mehr meine einzige beste Freundin war, aber mit der Zeit gewöhnten wir uns alle an die neue Situation und wuchsen zusammen.

Freya und Ava unternahmen mittlerweile auch ohne mich etwas zusammen. Wir verstanden uns wirklich gut, meistens jedenfalls.

Ich war mit so ziemlich allem genau in der Mitte der beiden. Ich war 1,69 m groß, hatte auberginefarbene Haare, meine Naturfarbe war eigentlich dunkelblond, aber ich färbte sie bereits seit ich fünfzehn war. Ich war zwar aufgeschlossen wie Ava, brauchte aber immer eine gewisse Anlaufzeit wie Freya. Auch figurtechnisch war ich in der Mitte der beiden. Ich hatte nicht so eine Topfigur wie Ava, war aber auch nicht ganz so gut gebaut wie Freya. Ich hatte eine relativ normale Figur mit einem etwas größeren Vorbau und war trotzdem immer neidisch auf Ava, denn Diäten hielt ich nie lange durch, daher versuchte ich erst gar nicht mehr, abzunehmen. Ich hielt mich mit schwimmen fit, aber war die totale Naschkatze. Bei mir drehte sich immer irgendwie alles um Süßigkeiten.

Endlich verließ ich das Reisebüro, in dem Ava arbeitete.

In sechs Monaten hieß es dann „Leinen los“. Ich konnte es noch gar nicht richtig fassen und rief auf dem Heimweg bei Freya an, um ihr die Neuigkeiten zu erzählen.

Drei Wochen später erhielt ich die Unterlagen zu meiner Kreuzfahrt. Es handelte sich um viele Informationen, wie man sich an Bord zu verhalten hatte, auf welche Kleidung in den Restaurants geachtet wurde und auch ein Heft, in welchem die gesamten Ausflüge für meine Reise standen. Ich konnte mir bereits aussuchen, welche Angebote ich wahrnehmen wollte, wie viel mich diese kosten würden und mein Gott, es waren eine Menge Angebote! Ich konnte mich gar nicht entscheiden und so langsam, aber sicher kam doch etwas Vorfreude auf. Die nächsten Wochen las ich mir immer wieder alles durch und kreuzte dann endlich ein paar Ausflüge an, die ich unbedingt machen wollte. Meine Freude wuchs und wuchs und bald waren Angus und der ganze Schmerz vergessen, na ja, beinahe. Leider vergaß ich in der Zwischenzeit auch, dass ich mir ja eine Kabine mit jemand Fremdem teilte …!

Zwei Wochen vorher fing ich an, zu packen. Dann packte ich wieder alles aus, suchte neue Klamotten, packte wieder ein und packte wieder aus. Ich konnte mich nicht entscheiden, was ich alles mitnehmen wollte oder sollte und bekam die Krise. Daher lud ich für das Wochenende die Mädels ein, damit sie mir mit Rat und Tat zur Seite stehen konnten.

Es wurde ein lustiger Abend, an dem auch das ein oder andere Glas Sekt vernichtet wurde.

„Und übrigens, meine Liebe, sollte sich an Bord ein netter, attraktiver junger Mann befinden, der vielleicht zufällig auch alleine unterwegs ist, dann möchte ich, dass du die Gelegenheit nicht verstreichen lässt!“ Ava prostete mir mit dem Sektglas zu und nahm grinsend einen Schluck.

Freya musste lachen, als sie meinen schockierten Gesichtsausdruck sah.

„Also wirklich, Ava. Du weißt ganz genau, dass ich nichts von One-Night-Stands halte. Das ist nicht mein Ding.“ Ich wackelte theatralisch mit dem Zeigefinger. Ich hatte eindeutig bereits ein Glas zu viel intus.

„Wer sagt denn, dass es bei einer Nacht bleiben muss?“, fragte Freya amüsiert und kicherte. „Du bist ja schließlich vierzehn Tage auf dem Schiff!“ Sie zwinkerte mir zu und ich war baff.

„Also, Freya, von dir hätte ich das jetzt echt nicht erwartet!“ Ich schlug ihr spielerisch auf die Schulter und sie gluckste laut.

„Wahrscheinlich färbt Ava langsam, aber sicher auf mich ab.“ Sie kicherte weiter und stieß Ava mit ihrer Schulter an. Auch sie hatte sicher schon ein oder zwei Gläser zu viel getrunken.

Und so verging das Wochenende und mein Koffer war endlich gepackt. Mittlerweile saß ich wie auf glühenden Kohlen und konnte es kaum mehr erwarten. Ich wollte endlich starten und mir die Welt ansehen, auch ohne Angus.

Am Tag vor meiner Abreise verabschiedete ich mich noch von meinen Eltern und meinen Freundinnen und versprach, ihnen ein Andenken mitzubringen und mich auch mal über das schiffseigene WLAN zu melden, damit alle wussten, dass ich nicht über Bord gegangen war. Die Nacht davor konnte ich absolut nicht schlafen, aber dafür hätte ich ja auch noch im Flieger Zeit. Es waren acht Stunden bis nach New York, und dann konnte ich bereits im Flughafenhotel weiterschlafen, bis es dann am nächsten Tag weiter nach Jamaika ging.

Kapitel 2

Mein Koffer wog gefühlte fünfzig Kilogramm, aber zum Glück hatte er gute Rollen, so konnte ich ihn super über das Flughafengelände zum Check-in-Schalter schieben. Die Dame dort war, wie zu erwarten, äußerst freundlich und gab mir einen Platz am Fenster.

„Hier ist Ihr Flugticket. Das Boarding beginnt um 12:40 Uhr im Terminal 2. Das Gate sehen Sie dann an der Infotafel. Ich wünsche Ihnen einen guten Flug.“

Sie kringelte das Terminal ein, damit ich es leichter finden konnte, lächelte mir zu und ich verabschiedete mich. Ich war supernervös, freute mich aber auch richtig auf den Urlaub meines Lebens. Ich kam zügig durch die Sicherheitskontrolle und da ich noch genügend Zeit zur Verfügung hatte, bis das Boarding begann, schlenderte ich durch den Flughafen und seine Shops.

Plötzlich hörte ich hinter mir ein Gejohle und Geschreie und schon im nächsten Moment wurde ich hart angerempelt, sodass ich fast meinen Rucksack verlor, den ich locker über die rechte Schulter hängen hatte.

„Echt jetzt? Geht’s eigentlich noch?!“, schrie ich wütend. Ich dachte, eine Gruppe Halbstarker wäre an mir vorbeigelaufen, aber bei näherem Hinsehen fiel mir auf, dass es eine Gruppe von vier Männern, circa Mitte zwanzig, war.

Der Letzte drehte sich zu mir um, schaute, ob alles in Ordnung war, zuckte dann mit den Schultern und lächelte mir entschuldigend zu.

„Tut mir leid. Meine Kumpels meinten es nicht so.“ Doch bevor ich etwas sagen konnte, schaute er sich nach den anderen um und rannte hinter ihnen her. Er schien ein kleines bisschen älter zu sein als seine Freunde. Vielleicht zwei oder drei Jahre. Doch das war in dem Moment nicht wichtig, ich war zu wütend über dieses unmögliche Verhalten der vier. So wütend, dass ich mit dem Fuß aufstampfte und ein genervtes grrr von mir gab.

Als ich mich endlich beruhigt hatte, schlenderte ich weiter. Letztendlich kam ich bei meinem Gate an, suchte mir einen Sitzplatz und wartete, bis das Boarding begann. Ich hatte noch eine gute halbe Stunde und holte mein Handy heraus, um Ava und Freya noch eine letzte WhatsApp zu schicken. Ich schrieb es in unseren Gruppenchat, damit ich nicht alles doppelt schicken musste.

Ich:

Hey Mädels, ich wollte mich noch mal melden, bevor es ins Flugzeug geht. Das Boarding beginnt in circa dreißig Minuten. Ich schicke euch gleich noch ein letztes Foto aus Irland. ;-)

Und übrigens werdet ihr es nicht glauben, aber so ’ne Gruppe von vier Typen hätte mich im Terminal fast umgerannt. Einer stieß voll gegen meine Schulter. Mir hätte es fast den Rucksack runtergerissen. Aber glaubt ihr, da wäre eine Entschuldigung oder etwas der Art gekommen? NEIN! Nichts!! Ist das zu fassen? Bin immer noch stocksauer darüber.

Ava:

Hey Süße, ja, ich freu mich schon auf das letzte Foto. *grins*

Noch nicht mal aus dem Land und schon vier Typen am Start?? *zwinker*

Nein, im Ernst. Das kann passieren, vielleicht hatten die es ja schon eilig wegen ihres Flugs. Nimm es dir nicht so zu Herzen, jetzt beginnt der Urlaub deines Lebens! Freu dich und genieß ihn. Guten Flug und melde dich, wenn du auf dem Schiff bist.

Bussi, hab dich lieb!

Ich:

Ja, du hast ja recht … Ich bin voll relaxt. Das geht mir doch am A… vorbei. Wuuuzzzaaaa. ;-)

Zum Beweis knipste ich ein Selfie, auf dem ich entspannt und freudig lächelte und schickte es im Chat. Es war ein kleines Ritual von uns geworden, mit dem Ava zufällig begonnen hatte, als sie einem ihrer Ex-Freunde ein Selfie vom Flughafen geschickt hatte – mit den Worten: das letzte Foto aus Irland –, es aber leider in unserem Chat landete. Wir zogen sie eine Weile damit auf und fanden es dann aber ganz witzig, solche „letzten Fotos“ vor dem Abflug zu verschicken.

Freya:

Awww, was für ein süßes Foto! Ich denk ganz fest an dich, während ich hier einen Brummbären nach dem anderen bedienen darf. Wieso müssen alte Leute nur so viel Geld haben? Egal, ich wünsch dir super viel Spaß und Erholung und Abenteuer und iss ein paar Köstlichkeiten für mich mit. Mach gaaaanz viele Fotos, denn ich will alles sehen, was du auch gesehen hast!

Und was die Typen angeht: Also ’ne Frechheit ist das ja schon! Und dann noch nicht mal entschuldigen!! Boah, ich wäre, glaub ich, ausgerastet. *grrrr* Aber jetzt sind sie weg und alles wird gut. Wünsch dir einen guten Flug und wie Ava schon schrieb, meld dich!

Ava:

Also jetzt übertreibt mal nicht so. Es kann doch jedem Mal passieren, dass er in Eile ist, und dann versehentlich jemanden anrempelt. Klar, ’ne Entschuldigung wäre schön gewesen, aber heutzutage ist das doch sowieso Mangelware. *mit den Augen roll*

Ich:

Na ja, also der Letzte hat sich ja umgedreht und sich mehr oder weniger für die Kumpels entschuldigt, aber das war nur so halbherzig. Das hätte mal lieber der Rempler selbst machen sollen!

Klar, melde ich mich, wenn ich auf dem Schiff und in meiner Kabine bin. Muss euch ja berichten und die ersten Eindrücke schicken. Hab schon gelesen, dass es kostenloses WLAN gibt.

So, Mädels, der Flug wurde aufgerufen. Streitet euch nicht ohne mich, ich komme in zwei Wochen wieder und will keinen Zickenzoff haben! *Finger heb*

Ava:

Als hätte es bei uns jemals Zickenzoff gegeben! *lol*

Ich muss auch weiterarbeiten, der nächste Kunde wartet schon.

Alles Gute, Süße. Und denk dran, das Abenteuer muss sich nicht nur auf Schiff und Umgebung beschränken … *zwinker zwinker*

Freya:

Ava O’Leary, ich bitte dich! Es ist nicht immer jeder auf einen One-Night-Stand aus! Und das passt auch nicht hierher, wenn Gwenny sich nur auf den Urlaub konzentrieren will, ist das ihr gutes Recht!

Ava:

Ach ja, hatte vergessen, dass wir im Gruppenchat sind und wir Frau Moralapostel auch hier haben … *Augen verdreh* Hab einfach Spaß, Gwenny. Egal, wie und mit wem!

Ich:

Mädels! Ich sagte, KEINEN Zickenkrieg!

Ava, du weißt genau, dass du Freya damit ärgerst, wenn du sie Moralapostel nennst! Also hör auf damit.

Freya, es ist mein Urlaub. Und, ja, ich steh nicht auf One-Night-Stands. Hab es auch nicht darauf abgesehen. Aber sollte ein netter Mann dabei sein, darf ich ruhig mal etwas flirten. Bin ja schließlich Single. ;-)

Also, macht es gut, ihr zwei!!

Freya:

Bye, bye, Gwenny und viel Spaß. :-D

Und ich bin keinMoralapostel!

Ava:

Bis die Tage, Gwen. Und wir erwarten deinen Statusbericht. *grins*

Ist ja gut, Freya! War doch nur ein Scherz! *Augenroll*

Ich steckte lächelnd, und noch in meine Gedanken versunken, das Handy in die Tasche und machte mich bereit, mich in der Warteschlange anzustellen. Da erst bemerkte ich den zunehmenden Lärm direkt vor mir.

„Was in Gottes Namen …“, murmelte ich und erkannte gleichzeitig die vier Randalierer, die mich schon vorhin fast umgerannt hätten. Sie standen in meiner Warteschlange vor dem Gate und grölten und feixten um die Wette. Ist ja mal wieder klar, dass die in meinem Flugzeug sitzen müssen, dachte ich mir und seufzte auf. Aber davon lasse ich mich nicht aus der Ruhe bringen. Ich stellte mich also an und stöhnte nochmals, als die Stewardess die Passagiere der ersten Klasse aufrief. Natürlich bewegten sich die vier Kerle nach vorne.

Echt jetzt?! Oh, ihr Götter! Jetzt verdrehte ich die Augen und legte meine Stirn in meine hohle Hand. Es mussten auch noch reiche Randalierer sein. Das Leben war einfach unfair.

Kopf hoch, Gwenny. Was macht es schon, wenn sie im gleichen Flieger sitzen? Das heißt noch lange nicht, dass sie auch auf der Kreuzfahrt sind und schau mal, sie sitzen in der ersten Klasse, das heißt, dass du schon mal keinen von denen als Sitznachbarn hast! Das ist doch super! Meine Gedanken kreisten noch eine Weile um die Pros und Kontras und schon war ich an der Reihe, mein Flugticket zu zeigen. Die Dame vom Bodenpersonal zog das Ticket über den Scanner und ich durfte zum Flugzeug gehen. Meine Nervosität und Vorfreude verstärkten sich gleichermaßen. Ich war kein sonderlich großer Fan vom Fliegen, wusste aber, dass es ein notwendiges Übel war. Im Flieger war ich dann recht schnell an meinem Platz, denn ich hatte einen relativ weit vorne erhalten. Leider war dieser Platz auch ziemlich nah an der ersten Klasse, was mir den Flug zusätzlich vermiesen sollte, wie sich später noch herausstellen würde.

Ich packte meinen Rucksack zwischen meine Füße, halb unter den Sitz meines Vordermannes.

Ich hatte meine Sachen lieber bei mir, denn ich wollte nicht ständig meine Sitznachbarn aufscheuchen, nur weil ich etwas aus meinem Rucksack benötigte. Außerdem würde ich sowieso die meiste Zeit schlafen, dafür hatte ich extra leichte Schlaftabletten eingepackt. Zufrieden lehnte ich mich erst einmal zurück und schaute aus dem Fenster. Dort konnte ich sehen, wie das Gepäck gebracht und verfrachtet wurde. Das Flugzeug füllte sich langsam und es gesellte sich eine weitere Dame in meine Sitzreihe. Es handelte sich um drei Sitze. Der Platz zwischen uns war noch leer und ich hoffte, dass er das auch bleiben würde, damit wir etwas mehr Platz hatten.

Die Tür wurde geschlossen, die letzten Vorbereitungen der Stewardessen folgten, es wurde noch einmal kontrolliert, ob auch jeder angeschnallt war und dann setzte sich das Flugzeug langsam in Bewegung. Es ging raus aus der Parkstellung und Richtung Startbahn.

Die Flugbegleiterinnen zeigten die Sicherheitsanweisungen und wie jedes Mal, wenn ich flog, suchte ich mit der Hand unter meinem Sitz die Schwimmweste. Als ich sie gefunden hatte, konnte ich mich wieder zurücklehnen und etwas entspannter dem Ganzen entgegensehen.

Das Flugzeug war nicht komplett ausgebucht, und meine Sitznachbarin und ich hatten Glück, der Platz in der Mitte blieb frei. Nachdem ich den Start endlich überstanden hatte, wurden die Bildschirme über den Sitzen heruntergeklappt und es lief erstmal Werbung. Die Stewardessen fingen an, Getränke auszuteilen und ich suchte nach meinen Schlaftabletten. Ich wollte so wenig wie möglich von alledem mitbekommen. Ich kramte eine Weile in meinem Rucksack, ohne Erfolg.

„Oh nein! Nein, nein, nein, nein, nein! Verdammter Mist! Fuck!“, rutschte es mir heraus.

„Entschuldigen Sie, ist alles in Ordnung?“, fragte meine Sitznachbarin beunruhigt

„Nein! Ich meine, ja. Alles okay. Na ja, zumindest fast. Ich habe wohl meine Schlaftabletten vergessen, einzupacken. Wissen Sie, ich fliege nicht sonderlich gerne und vor allem nicht so lange, daher wollte ich den Großteil verschlafen, aber so, wie es aussieht, wird daraus wohl nichts.“ Ich seufzte lange und lauter als beabsichtigt.

„Oh, ach so. Da kann ich Ihnen leider auch nicht helfen. Ich könnte Ihnen höchstens ein Buch anbieten? Oder schauen Sie sich doch einfach den Film an, der nachher gezeigt wird. Würde das nicht helfen?“

„Vielen Dank für das nette Angebot, aber ich habe ein Buch dabei. Ich werde mich schon ablenken, und wer weiß, vielleicht kann ich ja doch ein bisschen schlafen. Sie müssen sich keine Sorgen um mich machen. Das wird schon werden.“ Ich lächelte sie besänftigend an.

„Dann ist ja gut, ich bin nämlich sehr schlecht darin, Leute zu unterhalten.“ Sie lachte auf.

„Dann lese ich mal weiter und wünsche uns einen guten Flug.“ Mit einem Zwinkern und Lächeln im Gesicht wandte sie sich wieder ihrem Buch zu und ich seufze nochmals und schaute dabei aus dem Fenster. Gut, der Flug hatte erst begonnen und ich war nicht müde. Etwas Koffeinhaltiges zu bestellen, wäre daher nur noch kontraproduktiver gewesen. Ich orderte daher einen Tee und bekam noch ein Wasser dazu. Den Film kannte ich leider schon und da er nicht so toll war, holte ich mein Buch aus dem Rucksack und vernahm plötzlich einen Tumult vor uns. Man hörte Stimmengemurmel und lautes Lachen aus der ersten Klasse. Ich blickte kurz nach vorne, wo gerade eine Stewardess den Vorhang zur ersten Klasse schloss. Das dämpfte zwar die Stimmen für einen kurzen Moment, aber nicht lange. Leicht genervt versuchte ich, mich wieder auf mein Buch zu konzentrieren.

Nachdem das Gelächter und das Stimmengewirr immer mehr anschwollen, wurden auch die ersten Gäste in meiner Klasse unruhig und fragten an, was da in der ersten Klasse los sei. Die Stewardessen versuchten, alle zu beruhigen und sie auf den Film oder das Radio zu lenken. Ein paar gingen nach vorne und versuchten, die Leute dort zu besänftigen. Auch ich steckte mir inzwischen meine Ohrstöpsel in die Ohren und versuchte, Musik zu hören. Dann wurde ein Snack serviert und die ersten Menschen standen auf und vertraten sich die Beine oder gingen zu den Toiletten. Das wollte ich so lange, wie es ging, hinauszögern, ich hasste diese kleinen, engen Toiletten noch mehr als das Fliegen selbst. Ich hatte immer Angst, dass die Tür nicht mehr aufging und ich in der Falle saß. Natürlich war das Blödsinn, aber unsere Einbildungskraft war eine starke Waffe.

Nachdem die ersten Stunden vergangen waren, wurde auch die Stimmung in der ersten Klasse immer ausgelassener, sehr zu meinem Leidweisen und das anderer Reisender. Mir war tödlich langweilig, aber dieser Lärm ging mir noch mehr auf die Nerven als meine Vergesslichkeit bezüglich meiner Schlaftabletten. Als die nächste Flugbegleiterin vorbeikam, konnte ich mich nicht mehr am Riemen reißen.

„Oh, verzeihen Sie bitte. Darf ich fragen, was da in der ersten Klasse los ist? Mittlerweile ist der

‚Lärm‘ ja doch schon sehr laut und störend.“ Die Stewardess zuckte leicht mit den Schultern und schenkte mir ein entschuldigendes Lächeln.

„Meine Kolleginnen und ich versuchen schon alles, um die Männer zu beruhigen, aber leider ist das nicht so einfach und wir können sie ja nicht vor die Tür setzen. Ich entschuldige mich vielmals, dass Sie sich gestört fühlen, darf ich Ihnen vielleicht etwas zu trinken auf Kosten der Fluggesellschaft anbieten?“

„Das ist aber nett, darauf wollte ich zwar nicht hinaus, aber ich nehme sehr gerne eine Fanta, danke. Sagen Sie, kann es sein, dass es sich um vier Männer so Mitte zwanzig handelt?“, fragte ich frei heraus.

„Ja, woher wissen Sie das?“ Die Flugbegleiterin sah mich überrascht an.

„War nur eine Vermutung!“ Ich seufzte auf. War ja klar, mir blieb auch wirklich nichts erspart! „Könnten Sie bitte trotzdem noch mal versuchen, die Herrschaften etwas zur Ruhe zu bringen? Das wäre wirklich super, denn wir sind ja noch ein paar Stunden in dieser Maschine und die Leute sind, auch wenn in der ersten Klasse, nicht alleine an Bord.“

„Natürlich, ich gebe mein Bestes, aber erwarten Sie keine Wunder! Das muss ich leider so direkt sagen.“

Damit ging sie erst nach hinten zum Ende des Fliegers und holte meine Fanta, bevor sie sich wieder der „Höhle des Löwen“ zuwandte.

Nach weiteren Stunden der Langeweile, des Genervtseins und des Nichtschlafens begannen wir endlich mit dem Landeanflug. Die Machos der ersten Klasse hatten sich endlich etwas beruhigt, aber waren trotzdem nicht leise. Ich wollte nur noch raus aus dem Flugzeug und in mein Hotel für diese Nacht. Noch hoffte ich sehnlichst, dass die vier morgen nicht wiederauftauchten und vor allem nicht mit an Bord der Starfish-Asteroidea sein würden, sonst wäre mein Urlaub gelaufen. An der Gepäckausgabe sah ich die vier Ruhestörer wieder und leichter Hass keimte in mir auf. Da ich aber gut erzogen war, ging ich nicht zu ihnen herüber und las ihnen die Leviten. Nein, ich wartete brav auf meinen Koffer und hoffte, sie nie wieder sehen zu müssen.

Die Passagiere der Airline wurden in verschiedenen Hotels am Flughafen untergebracht. Ich durfte in ein kleines Hotel am westlichen Ausgang, das nur zehn Minuten zu Fuß entfernt lag. Als ich mein Zimmer betrat, wollte ich nur noch in mein Bett. Es war jetzt 21:00 Uhr Ortszeit, eigentlich zu früh für mich, denn ich ging nie vor 23:00 Uhr ins Bett, aber jetzt war ich restlos müde und kaputt. Ich ging nicht mal mehr duschen, obwohl ich das dringend nötig gehabt hätte. Ich zog mich lediglich um, putzte meine Zähne, wusch mich kurz mit dem Waschlappen und kroch förmlich ins Bett. Es dauerte keine fünf Minuten und ich war eingeschlafen.

Am nächsten Morgen fühlte ich mich wie gerädert, alles tat mir weh. Ich schleppte mich in die Dusche und stand erstmal gefühlte dreißig Minuten unter dem warmen Wasser, bis meine Muskeln endlich das machten, was ich wollte. Nach einem eher schlechten Frühstück, aber mit viel Kaffee, ging es dann zurück zum Flughafen und meinem neuen Gate. Da weit und breit kein Mensch Lärm machte, fühlte ich mich sehr erleichtert. Die Vierer-Gruppe schien nicht nach Jamaika und auf mein Schiff zu wollen. Jetzt hieß es für mich, nur die nächsten vier Stunden im Flieger zu überstehen und dann konnte ich endlich an Bord einchecken.

Der Flug war genauso langweilig wie der gestrige, aber wesentlich ruhiger. Und obwohl es erst früher Nachmittag war, als wir in Jamaika landeten, war ich schon wieder schrecklich müde und genauso sah ich auch aus.

Nachdem ich meinen Koffer endlich vom Gepäckband holen konnte, suchte ich die Dame, die mir meinen Bus zuwies, mit dem ich zum Hafen gefahren wurde. Meine Freude und meine Aufregung wuchsen und ich war schon gespannt, wie der restliche Tag verlaufen würde und ob ich seekrank werden würde. Jeder erzählte mir immer, dass man auf einem so großen Schiff den Wellengang nicht mitbekam, aber ob das stimmte? Ich war da sehr skeptisch.