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3 humorvolle Kreuzfahrt Romane im Sammelband: Kribbeln an Bord / Prickeln an Bord / Ein Mistkerl an Bord Urlaubsfeeling und nach einigen Irrungen und Wirrungen die große Liebe ______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Impressum
Tina Keller
Kribbeln an Bord
3 in 1
Kribbeln an Bord
Lustiger Urlaubsroman
Eine Seefahrt, die ist lustig .... Von wegen! Maja kollabiert fast, als sie auf ihrer lang ersehnten Kreuzfahrt ausgerechnet auf ihren Boss trifft. Genau diesen Sklaventreiber wollte sie eine Woche lang nicht sehen! Sie wollte sich zusammen mit ihrer schrägen Familie beim Wellenschaukeln erholen. Doch daraus wird nichts. Thorsten residiert in der Kabine neben ihr und hält sich ungefragt überall auf, wo Maja auch ist.
Die Fetzen fliegen ordentlich zwischen den beiden Streithähnen, doch wie sagt man so schön? Was sich liebt, das neckt sich. Warum ist Thorsten überhaupt hier? Ist das wirklich nur Zufall, wie er behauptet? Oder steckt etwas ganz anderes dahinter? Aber was? Die Auflösung ist äußerst prickelnd und verursacht mehr als ein Kribbeln bei allen Beteiligten ....
Ein lustiger Urlaubsroman mit schrägen Gestalten und knisternden Momenten auf hoher See
Ich wünsche Ihnen einen erholsamen Urlaub, Frau Bergmann.“
Mein Chef, der ohne Weiteres als Model hätte durchgehen können, lächelte mich strahlend an. Wenn man ihn so sah, konnte man glatt Schnappatmung bekommen: Er war groß, hatte breite Schultern, dunkle Haare, ein überaus markantes, männliches Gesicht, wunderschöne Augen und war richtig gut durchtrainiert.
Ja, mein Boss war ein sehr attraktiver Mann und der absolute Hingucker. Und es guckten auch alle weiblichen Angestellten seines Verlags hin und schmachteten ihn an. Jede von ihnen wäre wohl gern mit ihm ins Bett gegangen. Er sah absolut umwerfend aus.
Leider war das aber auch schon alles. Wahrscheinlich dachte Thorsten Lauterbach, sein fantastisches Aussehen sei Geschenk genug an die Außenwelt und er müsse zusätzlich nicht noch höflich und nett sein. Denn das war er nicht, zumindest nicht zu mir.
Er scheuchte mich von morgens bis abends herum und ich kam kaum zum Luftholen. Dabei hatte er beim Vorstellungsgespräch einen äußerst sympathischen Eindruck gemacht. Aber vielleicht hatte ich mich von seinem Aussehen blenden lassen. Oder er war tatsächlich ausnahmsweise nett gewesen – bis er mich in seinen Fängen beziehungsweise seinem Vorzimmer hatte.
Natürlich war mir klar gewesen, dass die Sekretärin des zweitobersten Bosses eines Verlags eine Menge zu tun hatte, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass ich alles im Laufschritt würde erledigen müssen. Manchmal kamen mir fast die Tränen vor lauter Anstrengung und Überforderung.
Nichts konnte ich ihm recht machen, dauernd schnauzte er mich an. In seiner Gegenwart fühlte ich mich dumm, unzulänglich und wie eine totale Versagerin. Nie lobte er mich, immer kritisierte er nur an mir herum und warf mir finstere Blicke zu.
Er war ein echter Arsch und ich überlegte immer häufiger, ob ich mich nicht anderweitig bewerben sollte. Leider war ich jedoch abends und am Wochenende so kaputt, dass ich mich nicht dazu aufraffen konnte, mir irgendwelche Stellenanzeigen anzuschauen. Und bei einem Bewerbungsgespräch wäre ich wahrscheinlich vor lauter Müdigkeit eingeschlafen.
„Vielen Dank, Herr Lauterbach“, sagte ich artig und schluckte die Bemerkung hinunter, dass ich mindestens drei Monate brauchen würde, um mich von diesem Sklaventreiber zu erholen. Ich hatte aber nur eine einzige Woche, um mich etwas zu regenerieren.
Mein Lieblingsonkel hatte mir nämlich zu meinem 33. Geburtstag eine Kreuzfahrt durch das Mittelmeer geschenkt und ließ es sich nicht nehmen, mich auf dieser Reise zu begleiten. Spontan hatte sich seine langjährige Verehrerin Margit angeschlossen sowie meine Cousine Barbara und Dieter, der um etliche Ecken mit uns verwandt war – wenn sich auch niemand mehr erinnern konnte, wie genau.
Ich freute mich schon seit Wochen auf diesen Urlaub und konnte es gar nicht mehr erwarten. Endlich würde ich die herrische Stimme meines Chefs nicht mehr hören und jedes Mal zusammenzucken, wenn er hinter mir stand. Überhaupt hatte ich den ganzen Tag Angst, dass ich irgendetwas falsch gemacht oder vergessen haben könnte. Seit einem halben Jahr durchlitt ich nun schon dieses Martyrium und ich wusste, es musste etwas geschehen. Auf die Dauer konnte es so nicht weitergehen.
Doch zunächst einmal wollte ich nur noch abschalten und diesen Feldmarschall im Körper eines Models für eine Weile vergessen.
Gut gelaunt stieg ich am nächsten Morgen in meinen knallroten Smart und machte mich auf den langen Weg nach Genua. Mein Onkel hatte sich geweigert, in so einem „fahrbaren Hindernis“ die weite Reise von Berlin nach Italien anzutreten, weil er Angst hatte, mein Auto würde im Windzug eines LKWs von der Autobahn gefegt werden. Also hatte er beschlossen, zusammen mit Margit mit dem Bus zu fahren. Das war im Übrigen auch billiger.
Natürlich wäre es mit dem Flugzeug weitaus schneller gegangen, doch Onkel Burkhard hatte sich so über seine Idee mit der Kreuzfahrt gefreut, dass er doch glatt vergessen hatte, die dazugehörigen Flüge zu reservieren. Als er mir mein Geschenk in Form eines Gutscheins überreichte, waren alle Flüge längst ausgebucht. Da ich mit meinem Ex-Freund jedoch oft mit dem Auto nach Italien gefahren war, war ich diese lange Strecke gewohnt.
Barbara und Dieter reisten mit dem Flugzeug an, denn sie hatte Burkhard rechtzeitig von der Reise unterrichtet. Mich hingegen hatte er an meinem Geburtstag überraschen wollen.
Am ersten Tag fuhr ich unglaubliche tausend Kilometer bis Bardolino, übernachtete dort und hatte am nächsten Tag weitere dreihundert Kilometer vor mir.
Nach dreieinhalb Stunden Fahrt erreichte ich Genua, stellte mein Auto in der vorbestellten Tiefgarage ab und wurde von einem Shuttlebus zur Check In Halle gefahren.
Heerscharen von Menschen wuselten mit viel zu großen und viel zu vielen Koffern herum, blickten sich suchend um und schienen alle sehr aufgeregt zu sein. Kein Wunder, schließlich begann jetzt die schönste Zeit des Jahres, nämlich der wohlverdiente Urlaub. Und ich hatte mir ihn wirklich sowas von verdient!
„Hallo, mein Mädchen, da bist du ja“, hörte ich eine bekannte Stimme hinter mir und drehte mich um. Da stand er in fescher Cargohose, farbenfrohem T-Shirt, Sonnenbrille und glitzerndem Käppi: mein Onkel Burkhard.
„Onkel Burkhard!“
Ich freute mich riesig, ihn zu sehen und fiel ihm um den Hals. Obwohl wir beide in Berlin wohnten, trafen wir uns nicht oft. Es sei denn, ich verirrte mich ins Strandbad Wannsee, wo Burkhard den gesamten Sommer verbrachte.
Burkhard war 72, fühlte sich jedoch wie 42 und war stets freundlich zu jedermann, besonders zu Frauen unterhalb seines gefühlten Alters. Er war ein echter Gentleman und trug den Frauen, die manchmal halb so alt waren wie er, im Strandbad gerne Liegen und Taschen kilometerweit hinterher.
Außerdem hatte er fast immer gute Laune, was auch daran lag, dass man ihn meistens mit einer Flasche Wein antraf. Margit, die ebenfalls im Strandbad zu wohnen schien, hatte schon seit Jahren ein Auge auf Burkhard geworfen, lag jedoch mit Anfang Sechzig weit über dem für Burkhard zumutbaren Alter.
Mein Onkel lachte fröhlich und drückte mich fest an sich. Hinter ihm tauchte Margit auf, die etwas angespannt wirkte, was nach der langen Busreise kein Wunder war.
„Hallo, Margit“, begrüßte ich Burkhards Verehrerin. „Schön, dass ihr da seid. Wann seid ihr denn angekommen?“
„Gerade eben“, gab Margit Auskunft.
Sie war eine resolute, bodenständige Frau mit dem Herzen am rechten Fleck. Ich verstand überhaupt nicht, dass Burkhard ihr keine Chance geben wollte.
„Wie habt ihr denn die anstrengende Busfahrt überlebt?“, wollte ich wissen. „War das nicht total stressig?“
Burkhard hatte offenbar die meiste Zeit geschlafen und war in seinen kurzen Wachphasen von Margit mit selbstgebackenem Kuchen und belegten Broten versorgt worden. Ansonsten hatten die beiden die eine oder andere Flasche Wein getrunken, so dass die lange Fahrt dann doch noch erträglich geworden war.
„Dass du in deinem halben Auto rechtzeitig hier ankommst, hätte ich nicht für möglich gehalten“, gab Margit zu. „Burkhard hatte die ganze Zeit Angst um dich. Du hättest doch auch mit uns mit dem Bus fahren können.“
Ich winkte ab.
„Nein, danke, dieses Geschaukel finde ich furchtbar. Ich fahre gerne Auto, und ich kenne die Strecke bis Italien.“
„Na, immerhin hattest du dein Gepäck bei dir, da kannst du froh sein. Ach, war das schwierig, bis die uns mal unsere Koffer aus dem Bus gegeben haben, du liebe Zeit.“
Margit verdrehte die Augen und schüttelte missbilligend den Kopf.
„Das war alles ganz schlecht organisiert“, maulte sie.
„Wie sollen die das denn sonst organisieren?“, fragte Burkhard und rückte sein Käppi mit dem silbernen Totenkopf zurecht. Er ging gern mit der Zeit.
„Jeder muss doch an seinen Koffer kommen.“
„Dann müssen die das eben irgendwie sortieren.“
Margit hatte eine dicke Zornesfalte zwischen den Augenbrauen.
„Dann müssen sich die Leute in der Reihenfolge anstellen, in der sie auch im Bus sitzen. Das muss doch möglich sein. Dann kriegen die zuerst ihren Koffer, die hinten sitzen oder umgekehrt. Aber doch nicht so. Die haben alle ewig nach ihren Koffern gesucht. Ist ja auch kein Wunder, wenn alle nur braune oder schwarze Koffer haben.“
„Wieso sollen die Koffer, die hinten sitzen, hinten im Bus sein?“
Onkel Burkhard hatte offenbar schon wieder das eine oder andere Glas Wein intus und zwinkerte mir vergnügt zu.
„Das geht gar nicht. Die Leute werden doch von verschiedenen Stellen abgeholt. Wie soll das gehen, Margit?“
„Das weiß ich auch nicht.“ Margits Lippen wurden schmal. „Bin ich etwa der Reiseveranstalter? Jedenfalls muss man das anders machen.“
Na, das fing ja gut an. Margit war offenbar in bester Urlaubslaune.
Ich warf wieder einen Blick auf die vorbeieilenden Passagiere und erstarrte plötzlich. Der große, überaus attraktive Mann, der mit energischen Schritten seinen Koffer hinter sich herzog und auf einen Schalter zuging, kam mir erschreckend bekannt vor.
Die dunklen Haare, die athletische Figur, dieser ganz spezielle Gang, die breiten Schultern, die gestählten Arme - das kannte ich doch alles.
Mein Herz schlug ein paar Takte schneller. War ich schon so überarbeitet, dass ich eine Fata Morgana hatte? Jeder Mensch hatte schließlich mindestens einen Doppelgänger. Nein, das konnte nicht sein. Ich musste mich irren.
„Ist das alles Ihr Gepäck?“, hörten wir eine fremde Stimme hinter uns in tadelndem Ton sagen.
„Das geht aber nicht. Sie dürfen nur einen Koffer mitnehmen.“
Ich drehte mich um und erblickte ein blutjunges Mädchen in einem bauchfreien Top, das den Tränen nahe war.
„Wo soll ich denn meine Sachen lassen? Ich habe doch so viel mitgenommen“, rief sie mit schriller Stimme.
Nun schritt mein Onkel ein, dessen Gesicht sich beim Anblick eines so hübschen Mädchens schlagartig aufhellte.
„Das kriegen wir schon hin“, wandte er sich dem Mädchen zu und lächelte charmant. Margit wurde vor lauter Ärger ganz grün im Gesicht.
„Wir machen das folgendermaßen.“ Burkhard wusste wie immer Rat. „Jeder darf ein Stück Handgepäck mitnehmen. Der Koffer von Margit ist klein. Den kann sie als Handgepäck nehmen. Dann kann sie den Koffer von der jungen Dame aufgeben.“
Margits Zornesfalte wurde gleich noch drei Zentimeter tiefer.
„Ich soll was machen? Wieso das denn? Was habe ich damit zu tun?“, nölte sie.
„Warum denn nicht?“, sagte Burkhard gereizt. „Warum kannst du nicht den Koffer von dem Fräulein aufgeben? Das kann man doch mal machen, oder?“
Er schüttelte den Kopf und gab unwillige Laute von sich.
„Bitte“, sagte das Mädchen und sah ganz unglücklich aus. „Ich möchte Sie auf keinen Fall belästigen.“
Margit verschränkte ihre Arme vor der Brust und sah das Mädchen drohend an.
„Warum soll ich irgendwelche Koffer aufgeben? Die gehören mir doch gar nicht. Was habe ich mit diesem Mädel zu tun? Nein, das mache ich nicht. Mach du das doch selbst.“
Burkhard rollte mit den Augen. Na, so machte sich Margit aber nicht gerade bei ihm beliebt.
„Mein Koffer ist zu groß“, stellte Burkhard ärgerlich fest.
Ich kniff die Augen zusammen. Jeder mochte vielleicht einen oder mehrere Doppelgänger auf der Welt haben, aber hatten die auch denselben Gang und kratzten sich genauso am Ohr, wie das ein bestimmter Mann tat, der mich jeden Tag zur Weißglut brachte? Oder halluzinierte ich jetzt schon?
Der Doppelgänger meines Chefs wuchtete seinen Koffer auf ein Band und nahm seine Sonnenbrille ab. Jetzt drehte er den Kopf ein Stück zur Seite – und mein Herz blieb stehen. Er sah mir direkt in die Augen. Mit genau diesem Blick, mit dem er mich ansah, wenn ich seiner Meinung nach wieder etwas nicht schnell genug erledigt hatte.
Das konnte nicht wahr sein! Ich musste wirklich träumen.
„Entschuldigt mich einen Moment“, sagte ich kurzatmig. „Ich sehe dort die ganze Zeit einen Mann, der aussieht wie mein Chef. Aber das kann einfach nicht sein. Ich gehe mal kurz rüber und checke das, okay?“
Ich wartete die Reaktionen gar nicht erst ab, sondern rannte los. Ich wollte der Sache jetzt sofort auf den Grund gehen und nicht dauernd Angst haben müssen, dass mein Chef plötzlich vor mir stand.
Je näher ich ihm kam, desto heftiger klopfte mein Herz.
Je näher ich ihm kam, umso inständiger betete ich, er möge es nicht sein.
Je näher ich ihm kam, desto sicherer war ich mir jedoch, dass er es war.
Und als ich dann direkt vor ihm stand, war kein Zweifel mehr möglich. Sein zugegebenermaßen betörendes Parfüm kitzelte in meiner Nase, wie immer, wenn er im Büro etwas zu dicht bei mir stand und ich deshalb schon Schweißausbrüche bekam. Denn so sehr ich ihn wegen seiner Sklaventreiberei auch hasste, als Frau fühlte ich mich auf eine unerklärliche Art und Weise fast magisch zu ihm hingezogen, wenn ich das auch meist verdrängte und nicht wahrhaben wollte.
Und jetzt, wo er ganz lässig in Jeans und T-Shirt vor mir stand, anstatt, wie sonst üblich, in Anzug und Krawatte, und ich seine muskulösen Oberarme bewundern konnte, wurde mir wieder einmal bewusst, wie verdammt attraktiv dieser Mann war.
Wir starrten uns beide mit weit aufgerissenen Augen an.
„Was machen Sie denn hier?“, riefen wir wie aus einem Mund. Dann schwiegen wir entsetzt und starrten weiter.
„Warum rennst du einfach weg? Wir kommen doch mit“, hörte ich Burkhards Stimme wie aus weiter Ferne hinter mir.
„Wieso sind Sie hier?“, fand ich als erste meine Sprache wieder. „Sie haben kein Wort davon gesagt, dass Sie Urlaub machen werden. Halten Sie es nicht für angebracht, Ihre Sekretärin darüber zu informieren?“
Auch mein schöner Chef konnte auf einmal wieder sprechen.
„Erstens: Wenn meine Sekretärin selbst Urlaub macht, kann es ihr egal sein, ob ich da bin oder nicht“, erklärte er unwirsch und zog seine perfekten Augenbrauen hoch.
„Zweitens: Ich bin Ihnen keinerlei Rechenschaft schuldig. Drittens: Ich mache keinen Urlaub, sondern habe geschäftliche Termine, die sich rein zufällig mit der Route der Kreuzfahrt decken. Dass es sich um die Kreuzfahrt handelt, die Sie antreten, konnte ich nicht wissen. Aber ich denke, bei viertausend Passagieren und zweitausend Angestellten werden wir uns ganz sicher nicht zufällig über den Weg laufen. Es sei denn, wir legen es darauf an, aber das dürfte wohl kaum der Fall sein. In diesem Sinne: Schiff ahoi, Frau Bergmann. Ich wünsche Ihnen noch einmal einen erholsamen Urlaub. Guten Tag.“
Damit drehte er sich schwungvoll um und verschwand in der Menge.
„Das ist dein Chef?“, krähte das Mädchen, dessen Koffer Burkhard transportieren wollte. „Der sieht ja megahot aus.“
Ich schluckte. Hatte Thorsten Lauterbach das absichtlich eingefädelt? Aber das war Blödsinn, warum sollte er das tun? Er hegte sicherlich keinerlei Ambitionen, seine Sekretärin auf seiner Urlaubsreise – Pardon, Geschäftsreise! – um sich zu haben. Andererseits konnte es nicht mit rechten Dingen zugehen, dass er auf demselben Schiff gelandet war wie ich.
Ich schüttelte den Kopf. Aber er hatte doch gar nicht gewusst, was für eine Kreuzfahrt ich machte! Natürlich hatte er sich nicht im Geringsten dafür interessiert und mich nie danach gefragt. Er hatte es gar nicht wissen können.
Aber wieso war er dann hier? Das war kein Zufall, das war eine Vorsehung und verdarb mir den ganzen Urlaub. Ich hatte mich so sehr darauf gefreut, diesen Mistkerl eine Woche lang nicht zu sehen, und jetzt war er doch tatsächlich auch auf diesem Schiff.
Ich spürte, wie mir die Tränen kamen. Wurde ich diesen Arsch denn überhaupt nicht mehr los?
„Na, na, Kindchen, jetzt weine mal nicht, dazu gibt es gar keinen Grund“, versuchte Burkhard mich zu trösten und legte den Arm um mich.
„Den sehen wir ganz bestimmt nicht wieder, das Schiff ist groß genug. Mach dir keine Sorgen.“
„Das ist aber wirklich ein sehr fescher Mann“, stellte Margit bewundernd fest. „Der sieht ja aus wie ein richtiges Model. Es ist sicher sehr angenehm, für so einen Chef zu arbeiten. Da hast du den ganzen Tag etwas Schönes zum Angucken.“
„Er ist ein Scheusal“, erwiderte ich mit erstickter Stimme. „Den ganzen Tag jagt er mich durch alle Abteilungen. Nichts geht ihm schnell genug. Ich komme mir vor wie auf der Flucht. Es ist die Hölle, für ihn zu arbeiten. Da kann er noch so gut aussehen.“
„Na, na, übertreibst du nicht ein bisschen?“
Burkhard drückte mich liebevoll an sich.
„Nein.“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich kann nur hoffen, dass ich ihm auf dem Schiff nicht über den Weg laufe. Der verdirbt mir noch meinen ganzen Urlaub.“
„Das wirst du schon nicht“, glaubte Burkhard. „Du wirst ihn bestimmt die ganze Woche lang kein einziges Mal sehen.“
Aber irgendetwas in mir sagte mir, dass ich meinen Boss noch öfter zu Gesicht bekommen würde, als mir lieb war.
Guck mal, da ist Barbara“, schreckte mich Burkhard aus meinen düsteren Überlegungen auf.
Ich überlegte mir gerade all die Dinge, die ich auf dem Schiff nicht mehr tun konnte, weil er da war. Auf keinen Fall würde ich in die Sauna gehen, das war schon mal klar. Nicht auszudenken, wenn mein Chef dort im Adamskostüm sitzen würde! Allein bei dem Gedanken wurde mir heiß und kalt zugleich. Obwohl – wenn ich ehrlich war, interessierte es mich ja schon, wie er denn so ohne Klamotten aussah. Ich verscheuchte diesen Gedanken sofort wieder und ermahnte mich zu einem professionellen Verhalten. Er war mein Boss. Seinen Boss stellte man sich nicht nackt vor. Niemals.
Ich drehte mich um und erblickte eine missmutige Barbara mit Dieter im Schlepptau. In Urlaubsstimmung war jetzt offenbar keiner mehr von uns.
„Stellt euch vor, die haben mir auf dem Flughafen die Flasche mit der Kontaktlinsenflüssigkeit weggenommen!“, schrie Barbara anstelle einer Begrüßung.
„Mann, die brauche ich doch dringend! Die ganze Zeit musste ich mit brennenden Augen dasitzen und konnte die Linsen nicht rausnehmen und saubermachen, weil die mir diese verdammte Flasche weggenommen haben. Was mache ich denn jetzt?“
„Wieso haben sie dir die Flasche weggenommen?“, schaltete Burkhard sich ein.
Es war wohl sein größter Albtraum, dass ihm jemand die Weinflasche wegnahm.
„Weil zu viel Flüssigkeit drin war. Man darf nur hundert Milliliter mitnehmen.“ Barbara weinte fast.
„Das ist aber wenig“, fand Burkhard. „Da sitzt man aber ganz schön auf dem Trockenen.“
Barbara runzelte die Stirn.
„Burkhard, es geht hier nicht um Alkohol. Die haben Angst, dass man aus der Flüssigkeit Bomben baut. Darum darf jeder nur hundert Milliliter mitnehmen.“
„Was natürlich Quatsch ist. Da können doch mehrere Leute hundert Milliliter mitnehmen und das dann zusammen mischen.“ Dieter schüttelte den Kopf. „So eine bescheuerte Vorschrift.“
„Wusstest du das nicht?“, wandte ich mich an Barbara.
„Doch, natürlich.“ Barbara verdrehte genervt die Augen.
„In meiner Flasche waren auch garantiert nicht mehr drin als diese beknackten hundert Milliliter, aber da es eine größere Flasche ist, kann man das schlecht abschätzen. Da haben sie sie vorsichtshalber gleich eingesackt, diese Arschgesichter. Und ich stehe jetzt ohne meine Kontaktlinsenflüssigkeit da.“
„Auf dem Schiff kann man sicher welche kaufen“, beruhigte Dieter sie. Ich vermutete, dass er diesen Satz heute nicht zum ersten Mal sprach.
„Wenn nicht, ist die Kreuzfahrt für mich gelaufen“, murrte Barbara. „Ich sehe ohne Linsen gar nichts.“
„Hast du keine Brille?“, fragte ich.
Barbara tippte sich gegen die Stirn.
„Spinnst du? Ich laufe doch nicht als Brillenschlange rum.“
„Stell dir vor, Majas Chef ist auch an Bord“, verkündete Burkhard die frohe Botschaft.
„Das ist ein ganz heißer Feger“, warf Margit ein und schien zum ersten Mal an diesem Morgen gute Laune zu haben.
„Müsst ihr mich daran erinnern?“, stöhnte ich. „Ja, Onkel Burkhard, mein Boss sieht verdammt gut aus, aber das ist auch alles. Sonst hat er nichts an sich, das man als positiv bezeichnen könnte.“
Burkhard runzelte die Stirn.
„Nenn mich nicht ‚Onkel‘, das ist ja furchtbar. Ich weiß selbst, in welchem verwandtschaftlichen Verhältnis wir zueinander stehen. Rede ich dich etwa mit ‚Nichte Maja‘ an?“
Barbara grinste. „Du kannst ‚Cousine Barbara‘ zu mir sagen. Bei Dieter wird es schwierig. Sind wir eigentlich richtig miteinander verwandt?“
„Nur über diverse Ecken“, gab Dieter Auskunft. „Wie genau, weiß ich auch nicht mehr. Wow, guckt euch mal das Schiff an.“
Das Schiff war gigantisch. Es war schwer vorstellbar, dass sich dieses riesige Hotel auf dem Wasser bewegen konnte.
„Wahnsinn“, meinte ich. „Kaum zu glauben, dass sechstausend Leute an Bord sind, oder?“
„Wieso sechstausend?“, schaltete sich eine Frau in einem geblümten Kleid ein. „Es passen doch nur viertausend Leute drauf.“
„Und die Crew“, ergänzte ich.
Die Frau rückte ihren Strohhut zurecht.
„Die Crew schläft auch an Bord?“
Wir starrten die Frau perplex an. Sie meinte die Frage offenbar ernst.
Barbara brach in schallendes Gelächter aus.
„Gute Frau, wo soll die Crew denn sonst schlafen?“, schrie sie, plötzlich sehr erheitert. „Glauben Sie, die schwimmt nachts neben dem Schiff her, oder was?“
„Ich dachte, die gehen nach der Arbeit nach Hause“, murmelte die Frau.
Ihr Gatte, ein hagerer Lulatsch, verdrehte die Augen.
„Ich meine, dass sie, wenn das Schiff anlegt, an Land gehen.“
Die Blumenfrau hatte inzwischen einen knallroten Kopf, der farblich exakt zu den Rosen auf ihrem Kleid passte.
„Ja, aber sie kommen doch wieder“, erklärte Barbara. „Sie werden auf dem Schiff gebraucht. Die schlafen in den unteren Decks, quasi im Wasser. Sie liegen in mehrstöckigen Feldbetten in dreckigen Kabinen ohne Tageslicht.“
Die Frau sah Barbara erschrocken an.
„So schlimm ist es nicht.“ Dieter schüttelte den Kopf. „Es sind meistens Zweibettkabinen und so schlecht sieht es da gar nicht aus.“
Barbara gluckste immer noch.
„Schläft die Crew auch an Bord?“, wiederholte sie und konnte sich kaum beruhigen. „Oh Mann, so bescheuert möchte ich auch mal sein. Wenn Dummheit rollen würde, müsste die noch bergauf die Bremse ziehen, hahaha.“
„Jetzt ist es mal gut“, sagte Burkhard ungewöhnlich streng. „Die Frau war sicher nur aufgeregt gewesen. Jeder hat mal einen Aussetzer.“
Burkhard sprach gerne in der vollendeten Vergangenheit, genauso wie Heidi Klum. Wahrscheinlich hatte er zu viele Folgen von „Germany’s next Topmodel“ mit all den hübschen, jungen Mädchen gesehen. Wer gut aussah, musste die deutsche Sprache nicht zwingend beherrschen.
Nachdem wir geschlagene zwei Stunden in der brütend heißen Halle gewartet hatten und unsere Nummern immer noch nicht angesagt worden waren, lagen unsere Nerven blank.
„Ich suche mal die Toilette“, verkündete ich und trabte los. Mir war schon ganz schwummerig vor lauter Hitze.
Es dauerte eine Ewigkeit, bis ich das WC endlich gefunden hatte. Wie üblich standen etwa fünfzig wartende Frauen vor der Tür. Ich stöhnte auf. Schon oft hatte ich mich gefragt, was die Frauen eigentlich auf der Toilette veranstalteten, dass das immer so lange dauerte. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn.
„Wenn Sie hier warten, können Sie gleich ein Zelt aufschlagen“, hörte ich eine bekannte Stimme hinter mir, die ich hier eigentlich nicht mehr hatte hören wollen. Ich brauchte mich gar nicht erst umzudrehen, um zu wissen, wer da sprach.
„Geht Sie das irgendwas an?“, fauchte ich. „Wollen Sie mir ein Zelt leihen?“
Nun drehte ich mich doch um. Ein offenbar bestens gelaunter Thorsten Lauterbach prostete mir mit einem Sektglas zu. Er zuckte mit den Schultern.
„Na gut, dann eben nicht. Ich wollte nur nett sein.“
„Seit wann das denn?“, entgegnete ich spöttisch. „Das wäre das erste Mal.“
Thorsten, so nannte ich ihn heimlich längst, lachte.
„Es gibt für alles ein erstes Mal, nicht wahr?“
„Bei Ihnen ist das kein erstes Mal, sondern ein Wunder.“
„Auch Wunder passieren immer wieder. Wenn Sie nicht stundenlang hier anstehen wollen, nehme ich Sie gerne mit zum VIP-Bereich. Dort können Sie sofort Platz auf der Schüssel nehmen.“
Anzüglich war er also auch noch.
„Es gibt einen VIP-Bereich?“, erkundigte ich mich.
Thorsten nickte.
„Selbstverständlich. Und selbstverständlich halte ich mich dort auf.“
„Selbstverständlich. Wo sonst?“
Dass er ein VIP war, durfte ich jeden Tag am eigenen Leib erfahren. Er konnte sich keinen verdammten Kaffee selbst holen, seine Jalousien nicht selbst hochziehen und die Tastatur seines Telefons nicht bedienen – ganz egal, ob ich in Arbeit erstickte oder nicht.
Auch, wenn ich gerade den Telefonhörer zwischen die Schultern geklemmt hatte und hektisch ein Dokument suchte – wenn Thorsten Lauterbach nach einem stillen Wässerchen verlangte, war ich es, die ihm das holen musste. Obwohl er perfekt durchtrainiert war, trugen ihn seine Füße partout nicht in die nur wenige Meter entfernte Küche. Da hatte er seine Prinzipien.
„In diesen VIP-Bereich kommen Sie natürlich nicht einfach so hinein, nur mit einer entsprechenden Erlaubnis.“
„Die ich nicht habe.“
„Aber ich. Ich werde ein gutes Wort für Sie einlegen. Lassen Sie mich nur machen.“
„Warum wollen Sie das tun? Soll ich Ihnen ein Wasser holen oder vielleicht doch lieber einen Cappuccino?“
Thorsten lächelte milde.
„Nein, bemühen Sie sich nicht. Sie sind ja im Urlaub.“
Das hatte ich bei seinem Anblick glatt vergessen.
Ich warf einen Blick auf die lange Schlange der Frauen, bei der sich überhaupt nichts rührte. Wahrscheinlich würde ich noch heute Abend mit schmerzender Blase hier stehen. Und warum sollte ich es nicht ausnutzen, dass mein Boss offensichtlich in bester Ferienstimmung war?
„Dann machen Sie mal“, erwiderte ich gnädig. „Und ich kann diesen Tag rot im Kalender anstreichen, weil mein Chef das erste Mal nett zu mir war.“
Thorsten lachte unpassenderweise.
„So schlimm bin ich doch gar nicht“, schätzte er sich völlig falsch ein. „Ich finde, Sie haben es nicht schlecht mit mir getroffen, oder?“
Ich verzog mein Gesicht. Meinte er das jetzt wirklich ernst? Reflektion war offenbar nicht seine Stärke.
„Ich habe das ganz große Los mit Ihnen gezogen“, entgegnete ich und war mir nicht sicher, ob er die Ironie verstehen würde. Wahrscheinlich hielt er sich wirklich für den Vorgesetzten des Jahrzehnts.
„Folgen Sie mir unauffällig“, wies er mich an und ging trotz Sektglas mit schnellen Schritten voraus. Ich musste laufen, um ihn nicht zu verlieren. Das war mal wieder typisch für ihn. Bloß keine Rücksicht nehmen.
Vor einem abgetrennten Bereich, vor dem zwei Security-Wächter standen, blieb er so abrupt stehen, dass ich ihm fast in die Hacken gelaufen wäre. Er wechselte ein paar Worte mit den bulligen Männern und winkte mich dann durch die Absperrung.
Perplex blieb ich stehen. Während wir in einer völlig überhitzten Halle standen und seit zwei Stunden darauf warteten, dass unsere Nummern aufgerufen wurden, befand ich mich hier in einer exklusiven, klimatisierten Lounge.
Gemütlich aussehende Sessel standen überall herum, auf denen sich elegant gekleidete Menschen räkelten. Natürlich nicht so viele, wie auf den Sesseln Platz gehabt hätten, denn es waren noch etliche frei. Bei uns hingegen gab es überhaupt keine Sitzgelegenheiten. Der Pöbel musste sich die Beine in den Bauch stehen.
An einer Seite war ein riesiges Buffet aufgebaut, an dem man sich offenbar nach Herzenslust bedienen konnte. Mir lief beim Anblick der Köstlichkeiten das Wasser im Mund zusammen, während ich an meine aufgeweichten Stullen dachte. So war das also, wenn man Geld hatte. Und mein Chef hatte sicher genug davon.
Er machte eine galante Handbewegung in Richtung einer Tür. Das war offenbar das, wozu ich ursprünglich hergekommen war. Ich nickte ihm zu und verschwand auf dem WC, das picobello in Ordnung und selbstverständlich völlig leer war.
Als ich wieder auftauchte, kam mein Chef mit einem Teller voller kulinarischer Köstlichkeiten auf mich zu.
„Wollen Sie sich erst mal stärken?“, fragte er doch glatt und hielt mir den Teller hin. Misstrauisch blickte ich ihn an.
„Was ist mit Ihnen los, warum sind Sie so nett zu mir?“, fragte ich argwöhnisch und schaute auf den Teller.
„Keine Angst, ich habe nichts vergiftet“, grinste Thorsten. „Warum behaupten Sie eigentlich dauernd, dass ich sonst nicht nett zu Ihnen bin?“
„Vielleicht, weil es stimmt?“, schlug ich vor.
Thorsten kratzte sich am Kopf.
„Im Verlag ist es oft recht stressig“, gab er bekannt. „Da muss man schon mal die Beine in die Hand nehmen. Das schadet doch auch nichts. Möchten Sie etwa einen langweiligen Job haben, bei dem Sie fast einschlafen?“
„Manchmal schon. Es wäre ein schönes Kontrastprogramm“, gab ich zu. „Sind Sie wirklich zufällig hier?“
„Was denken Sie denn? Dass ich Ihnen nachreise? Warum sollte ich das tun? Die Mühe kann ich mir sparen. Sie sind doch jeden Tag im Büro.“
„Es ist aber schon ein merkwürdiger Zufall, dass wir beide hier sind, finden Sie nicht?“
Ich griff nach dem Teller und stopfte mir hungrig eine Mini-Frikadelle in den Mund.
Thorsten nickte.
„Das stimmt allerdings. So richtig kann ich es mir auch nicht erklären. Aber es gibt solche Zufälle. Seien Sie doch froh. Sie bekommen etwas zu essen und können auf die Toilette gehen, ohne stundenlang warten zu müssen. Außerdem erleben Sie mich zum ersten Mal als netten Menschen, wie Sie behaupten. Das hat sich doch schon gelohnt, oder?“
„Auf jeden Fall“, erwiderte ich sarkastisch. „Besonders letzteres.“
Jetzt, wo er nicht mein Chef war, nahm ich ihn noch intensiver als Mann wahr. Er sah wirklich verdammt heiß aus, roch unverschämt gut, und in seiner Gegenwart war ich total nervös, bemühte mich aber, es mir nicht anmerken zu lassen. In meinem Job hatte ich vor lauter Arbeit gar keine Zeit, in seiner Anwesenheit nervös zu werden. Aber ich war mir seiner Wirkung auf mich schon sehr bewusst. Wenn er nicht mein Boss gewesen wäre, hätte er mich extrem gereizt.
Aber so war er für mich natürlich tabu.
Das ist ganz schlecht organisiert“, meckerte Barbara los, als ich wieder bei meiner buckligen Verwandtschaft angekommen war.
„Wieso müssen wir so lange warten? Wieso können alle anderen vor uns aufs Schiff? Ich fühle mich extrem ungerecht behandelt.“
„Die anderen waren früher da“, erläuterte Dieter und verspeiste Stulle Nummer Fünf innerhalb kürzester Zeit.
„Da wird eben die Reihenfolge eingehalten. Da musst du dich nicht ungerecht behandelt fühlen.“
„Stellt euch vor, ich bin eben wieder meinem Chef begegnet“, teilte ich meiner weitläufigen Familie mit.
„Ich durfte mit ihm in den VIP-Bereich und konnte mich essensmäßig stärken und auf eine völlig leere Toilette gehen.“
„Na, da ist er aber doch ganz nett“, fand Margit und nickte anerkennend. „So ein schöner Mann! Der sieht ja aus wie gemalt. Unglaublich, dass er auch noch klug ist, denn sonst wäre er ja nicht ein Chef. Ist er verheiratet?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Hat er eine Freundin?“, wollte Barbara wissen.
Ich zuckte mit den Schultern.
„Keine Ahnung. Mitgekriegt habe ich davon nichts, aber das will nichts heißen.“
„Das hättest du sicher mitgekriegt“, entgegnete Barbara. „Die würde doch mal anrufen oder vorbeikommen. Also ist er Single. Und, bist du an ihm interessiert? Klar bist du an ihm interessiert. Welche Frau wäre das bei so einem Hot Guy nicht?“
„Aussehen ist nicht alles“, gab ich zu Protokoll. „Er ist ein Sklaventreiber.“
„Vielleicht im Büro, aber privat ist er bestimmt ganz anders. Obwohl es sicher auch was für sich hat, wenn dir ein Mann sagt, wo es langgeht.“
Barbara begann zu kichern.
Ich runzelte die Stirn.
„Wie meinst du das?“
„Wie meine ich das wohl?“ Barbara verdrehte die Augen.
„Im Bett natürlich. Da ist es doch toll, wenn der Mann der Bestimmer ist und dich so richtig rannimmt.“
Burkhard blickte Barbara interessiert an. Jetzt wusste er wenigstens, worauf seine Angebetete stand. Die beiden waren nicht wirklich miteinander verwandt, da Burkhard nur ein angeheirateter Onkel war. Die Ehe bestand zwar schon lange nicht mehr, aber trotzdem war er immer noch mein Lieblingsonkel.
Endlich wurden unsere Nummern aufgerufen. Wir betraten eine Art Containerzelt, durchquerten eine Halle und fuhren mit einer Rolltreppe nach oben. Es sah aus wie auf einem Flughafen. Leider war es auch genauso voll. Überall standen Trauben von Menschen mit und ohne Gepäck herum. Es war ein wahnsinniges Gewusel.
„Allein ist man jedenfalls nicht“, stellte Burkhard fest und sah sich wachsam um. Wahrscheinlich hielt er schon wieder nach jungen Mädchen Ausschau. In seinem Fall waren das Damen um die Vierzig, höchstens Fünfzig.
„Wo müssen wir jetzt hin?“, wollte ich wissen.
„Zum Schalter. Mir nach.“
Mit forschen Schritten rannte Burkhard vor uns her. Dann blieb er so abrupt stehen, dass ich ihm in die Hacken trat.
„Hier ist der Check In“, verkündete Burkhard stolz und strahlte.
Kein Wunder, denn ihm gegenüber stand ein blutjunges Mädchen in Uniform. Da war Burkhard gleich in seinem Element.
„Guten Tag, junge Frau, wir möchten einchecken“, sagte er galant und entblößte sein perfektes Gebiss. In jungen Jahren war der gute Burkhard sicher der totale Frauenschwarm gewesen – und in seinen Augen war er das noch immer.
„Herzlich willkommen“, sagte das ausnehmend hübsche Mädchen und lächelte. „Wenn Sie mir bitte Ihre Unterlagen geben würden?“
„Aber sicher doch.“ Burkhard schob ein Blatt Papier über den Tresen. „Das ist für mich und meine … äh … für Margit.“
„Vielen Dank. Die Koffer kommen auf das Fließband“, wies das Mädchen an.
Burkhard stellte seinen Koffer sowie den Koffer des Mädchens namens Susi gehorsam auf das Fließband.
„Das hier ist mein Handgepäck“, sagte Margit mit einem bösen Blick auf Burkhard. „Und der Koffer da auf dem Band ist ...“ Sie holte tief Luft.
„Ich sehe schon, den wollen Sie aufgeben.“ Die Bord-Stewardess nickte. „Er ist zwar ein bisschen schwer, aber das ist auf dem Schiff kein Problem. Auf dem Flughafen hätten Sie ordentlich was an Übergepäck zahlen müssen.“
Sie lächelte Margit freundlich an.
„Man nimmt sowieso immer viel zu viel mit. Das meiste braucht man dann gar nicht.“
Margit presste ihre Lippen fest zusammen. Ich sah ihr an, dass es sie große Mühe kostete, nicht zu sagen, dass das keinesfalls ihr eigener Koffer war, sondern der Koffer eines nervigen Mädchens.
„Das ist doch totaler Quatsch“, hörten wir plötzlich eine schrille Stimme neben uns. „Wieso soll ich den Koffer hier abgeben, wenn ich jetzt sowieso aufs Schiff gehe? Da kann ich ihn doch gleich mitnehmen. Da habe ich ihn wenigstens bei mir. Sonst geht er womöglich noch verloren. Bestenfalls warte ich ein paar Stunden darauf. Nein, nein, ich gebe Ihnen den Koffer nicht. Ich trage ihn selbst.“
Das war unverkennbar Cousine Barbara.
„Es tut mir sehr leid, aber das sind die Bestimmungen“, sagte ein asiastisch aussehendes Mädchen. „Sie müssen den Koffer hier aufgeben.“
„Nein, das werde ich nicht tun. Und vorschreiben lasse ich mir sowieso nichts“, blaffte Barbara.
„Sie bekommen den Koffer zeitnah zurück“, sagte die Asiatin. „In ein paar Stunden haben Sie ihn wieder.“
Barbara schüttelte stoisch den Kopf.
„Nein, ich gebe meinen Koffer nicht her.“
„Was hast du denn da drin?“ Burkhard tippte ihr auf die Schulter. „Waffen, Drogen, eine Bombe?“
Die Asiatin zog ihre Augenbrauen nach oben.
„Aber du bist doch geflogen, da musstest du deinen Koffer doch auch abgeben“, mischte ich mich ein.
„Quatsch“, blaffte Barbara mich an. „Ich habe ihn natürlich als Handgepäck mit ins Flugzeug genommen. Darum musste ich ja auch meine Kontaktflüssigkeit abgeben. Hätte ich die im Koffer gehabt und den aufgegeben, hätten sie sie mir ja nicht wegnehmen können. Hörst du mir eigentlich nie zu?“
Meine Cousine stand offenbar kurz vor einer Explosion.
„Können Sie nicht eine Ausnahme machen, wenn die junge Dame so an ihrem Koffer hängt?“
Burkhard versuchte es auf die charmante Art.
„Nein.“ Die Asiatin blieb stur. „Tut mir leid. Die Passagiere geben alle ihre Koffer ab.“
„Aber wenn er im Flugzeug als Handgepäck durchgegangen ist, dann müsste das hier doch auch möglich sein.“
Da kam ich nicht ganz mit.
„Eben“, zischte Barbara. „Das ist total ungerecht. Die kann mich nur nicht leiden und will mich fertigmachen. Die will nur ihre Macht ausspielen, weil sie sonst ein kleines Licht ist.“
Die Lippen der Asiatin wurden so schmal wie ihre Augen. Jetzt hatte Barbara gar keine Chance mehr. Wahrscheinlich wurde der Koffer vom Fließband direkt im Meer versenkt.
Dieter legte beschwichtigend seine Hand auf Barbaras Arm.
„Du kannst die wichtigsten Sachen in meine große Einkaufstasche packen. Die geht auf jeden Fall als Handgepäck durch. Reg dich nicht so auf, Barbara. Dein Kortisolspiegel ist sowieso schon viel zu hoch.“
Erstaunt sah ich Dieter an. Da hatten Barbara und er auf der gemeinsamen Reise wohl das eine oder andere Geheimnis miteinander geteilt.
Unter großem Murren und vielen Flüchen ließ Barbara das Schloss ihres pinkfarbenen Koffers aufschnappen. Dann stopfte sie den Inhalt in eine große Nylontasche, die Dieter ihr hilfsbereit hinhielt. Margit stand kopfschüttelnd neben den beiden.
„Du machst mich ganz nervös“, herrschte Barbara Margit an. „Dauernd trippelst du um mich rum. Warum geht ihr nicht schon aufs Schiff? Sind wir hier bei Big Brother? Müsst ihr alles beobachten?“
„Du hast wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank“, giftete Margit und wandte sich zum Gehen.
Barbara war schon allein deshalb ihre Erzfeindin, weil sie Burkhards heimliche Liebe war. Heimlich allerdings nur deshalb, weil Burkhard glaubte, es wisse niemand. Natürlich wussten es alle.
„Nein, das müssen wir nicht. Wir müssen dich nicht beobachten. So schön bist du nun auch wieder nicht.“ Gebieterisch packte Margit Burkhard am Arm und zog ihn hinter sich her.
„Auf Wiedersehen. Das muss aber nicht mehr heute sein.“
Wie meine Verwandtschaft war auch Margit immer für klare, offene Worte. Verbal hatten wir alle nicht unbedingt die Freundlichkeit gepachtet, obwohl wir im Grunde unseres Herzens äußerst liebreizend waren. Wer bei einem etwas schrofferen Ton in Tränen ausbrach, der hatte bei unserem Clan nichts verloren. Doch wir meinten es meistens gar nicht so. Wir waren hart, aber herzlich.
Mit Blicken, die töten konnten, schob Barbara schließlich einen völlig leeren Koffer auf das Fließband.
„Zufrieden?“, fuhr sie die Asiatin an, die in aller Ruhe ein Etikett auf den Koffer klebte. Die Asiatin zuckte mit den Schultern.
„So was Bescheuertes“, regte sich Barbara auf. „Jetzt schieben die einen völlig leeren Koffer durch die Gegend. Und ich trage die Sachen in einem Beutel herum.“
„Dafür hast du sie bei dir“, erinnerte Dieter sie. „So kann nichts verloren gehen.“
Barbara wirkte etwas besänftigt, doch nicht lange.
Ein aufgeregter Südländer winkte uns zu sich heran. Wir hatten keine Ahnung, was er von uns wollte, folgten ihm aber brav. Und schon standen wir auf einer Art Bühne vor dem Bild eines Kreuzfahrtschiffes.
„Smile, say cheese“, rief uns jemand zu, und erst jetzt kapierten wir, dass wir offenbar als Fotomodelle agierten.
„Das gibt’s ja wohl nicht!“, schrie Barbara los. „Die locken uns hierher, sagen überhaupt nicht, was sie mit uns vorhaben – und dann werden hinterhältig Fotos geschossen! So eine Frechheit! Und dafür sollen wir dann nachher Unsummen bezahlen. Da mache ich nicht mit. Von wegen Fotos. Ich werde euch jetzt erst mal eure Scheiß-Fotos verderben. Haha.“
Sie begann, wie eine Irre hin und her zu laufen, schnitt Grimassen und wedelte wild mit den Armen herum, so dass es dem Fotografen nicht möglich war, ein halbwegs normales Foto zu schießen.
„Get out of the picture!“, schrie der Fotograf sie an, doch Barbara tänzelte unbeirrt weiter – bis sie schließlich stolperte und von der Bühne fiel. Wir sahen uns entsetzt an – und es machte klick.
Jetzt hatte es mit dem Foto doch noch geklappt.
Irgendwann war es tatsächlich soweit und wir durften auf das Schiff. Ich stand in einer riesigen Halle und war geblendet von all dem Luxus. Säulen aus Marmor, ein Gewölbe mit Tausenden von Lämpchen, die aussahen wie ein Sternenhimmel, edle Teppiche, funkelnde Treppen, viel Gold und glitzernde Verzierungen – ich war hin und weg. Auch die anderen standen mit offenen Mündern da.
„Könnt ihr mal weitergehen oder seid ihr festgewachsen?“, schnauzte uns ein beleibter Mann in einem bunten Hawaii Hemd an. „Andere wollen auch noch aufs Schiff. Ihr seid nicht die Einzigen. Da gibt es noch 3.995 andere.“
„Entschuldigung.“
Burkhard klappte seinen Mund wieder zu und trat ein Stück zur Seite.
„Na, bitte, geht doch.“
Der Dicke zwängte sich an uns vorbei.
„Was machen wir jetzt?“, wollte Margit wissen. „Wir dürfen ja noch nicht in unsere Kabinen.“
Da die bisherigen Gäste heute ab- und die neuen Passagiere anreisten, war die Crew damit beschäftigt, die Kabinen auf Vordermann zu bringen. Die scheidenden Passagiere mussten die Kabinen bis 11 Uhr räumen, die neuen konnten ihr Domizil ab 16 Uhr beziehen. Jetzt war es 13 Uhr. Wir mussten uns also drei Stunden lang irgendwo herumdrücken.
„Ich schlage vor, wir gehen erst mal was essen.“
Dieter strich über seinen imposanten Bauch.
„Du hast vor nicht mal einer Stunde fünf Stullen verdrückt“, erinnerte Barbara ihn.
Dieter wurde ganz rot vor lauter Zorn.
„Kontrollierst du mich oder was? Ich kann essen, soviel ich will. Und wenn ich jede Stunde zehn Stullen esse – das geht dich gar nichts an.“
„Schaut mal, da sind die Fahrstühle“, versuchte Burkhard abzulenken.
„Wow, sind die schick“, begeisterte ich mich.
Wir rannten los. Die eindrucksvolle Halle war gigantisch hoch und man konnte dabei zusehen, wie der gläserne Fahrstuhl Deck für Deck erklomm. Zusammen mit einem Pulk anderer Menschen bauten wir uns vor drei silbernen Aufzügen mit funkelnden Lichtern auf und warteten. Und warteten.
Entweder die Aufzüge hielten erst gar nicht oder es stieg niemand aus – wahrscheinlich wollten alle ins Restaurant – oder es stiegen zwei Leute aus und drei wieder ein. Und die drei Leute waren nicht wir. Nach zehn Minuten standen wir immer noch da und unsere Laune verschlechterte sich zusehends.
„Wir können doch nicht acht Decks zu Fuß gehen.“ Missmutig starrte Dieter den Aufzug an.
„Das ist doch echt ein Unding. Das ist hier aber ganz schlecht organisiert. Die haben viel zu wenige Aufzüge eingebaut.“
„Es gibt bestimmt noch woanders welche“, vermutete Burkhard. „Sollen wir mal suchen?“
Wir sahen ihn finster an.
„Wieso? Willst du kilometerweit laufen – nur, um vor einem anderen beschissenen Aufzug zu stehen?“
Dieters Stimme klang unheilvoll. Er musste großen Hunger haben, denn normalerweise war er nicht so unleidlich. Was für Burkhard der Alkohol war, war für Dieter das Essen. So lange er genug zu essen hatte, war er friedlich. Aber wehe, wenn nicht.
„Wir könnten zwei Decks runtergehen“, hatte Margit einen Geistesblitz. „Da stehen bestimmt nicht so viele Leute. Da sind wir die einzigen, versteht ihr?“
Unsere Mienen hellten sich schlagartig auf.
„Du bist ja echt clever.“ Dieter sah sie anerkennend an.
„Also los! Auf zu Deck 2.“
Was für eine grandiose Idee! Auf Deck 2 stand nämlich niemand vor den Aufzügen. Mann, waren wir pfiffig! Darauf musste man erst mal kommen! Wir strahlten uns an und lobten Margit in den höchsten Tönen.
Tja, der Bergmann-Clan wusste sich zu helfen. Der stand nicht belämmert vor irgendwelchen Aufzügen herum. Der hatte Ideen, auf die sonst niemand kam.
Wenige Minuten später wussten wir allerdings auch, warum niemand vor den Aufzügen stand: Sie hielten schlichtweg nicht auf Deck 2. Hier hatte offenbar nur die Crew ihre Kabinen, und die benutzte ihre eigenen Aufzüge. Die Passagiere hatten hier nichts zu suchen, darum hielten auch die Passagier-Aufzüge hier nicht. Eigentlich ganz logisch.
„Jetzt sind es zehn Decks bis zum Restaurant.“ Dieter schlug wütend gegen die Aufzugtür und jaulte dann auf. „Das haben wir wirklich super hingekriegt.“
Burkhard schüttelte den Kopf.
„Das war keine gute Idee gewesen.“
Margit sah verbissen zur Treppe und Barbara trat zornig vor eine Säule. Aber es half alles nichts. Wir waren jetzt Reinhold Messner.
Wir schleppten uns mit letzter Kraft stöhnend auf das dritte Deck. Als wir auf Deck 4 ankamen, sahen wir, wie sich etwa zehn Leute in den Aufzug zwängten, der frappierenderweise völlig leer war.
„Ich bringe die alle um“, keuchte Dieter, der schon nach einem Deck nach Luft schnappte.
„Ich helfe dir.“ Barbara krallte sich am Treppengeländer fest.
„Nur noch acht Decks“, sagte Margit dumpf.
Als wir gefühlt Stunden später völlig erschöpft auf Deck 12 angekommen waren, war unsere Laune weit unter dem Nullpunkt. Und als sich just in diesem Moment die Aufzugtür öffnete und eine ganze Karawane von Menschen lachend ausstieg, sah ich in den Blicken der anderen meinen eigenen überbordenden Hass. Oje, das fing ja wirklich gut an.
Mit etwa tausend anderen hungrigen Passagieren bogen wir um die Ecke – und schlagartig waren wir wieder obenauf. Wir waren Reinhold Messner und hatten soeben den Gipfel erklommen. Und dieser Gipfel bedeutete: Essen bis zum Abwinken.
Überall und endlos waren Schüsseln und Teller mit allem aufgestellt, was das Herz begehrte: Pizza, Pasta, Salate, Pommes Frites, Hamburger – alles, was die Fast Food Karte hergab, lag in Massen vor uns. Ich wusste gar nicht, wo ich zuerst hingucken sollte. Es erschlug mich förmlich. Wonach sollte ich zuerst greifen? Richtig, nach einem Tablett!
Dieter griff sich gleich zwei Tabletts und sabberte ungeniert. Er zwängte sich rücksichtslos an den Mitreisenden vorbei und häufte sich in beeindruckender Geschwindigkeit zwei riesige Teller voll. Das mit den zwei Tabletts klappte aber zu seinem Ärger nicht, denn eins fiel zu Boden. Dieter beachtete es nicht, sondern rannte zu den Törtchen. Auf einmal konnte er wieder recht schnell laufen, nachdem er gerade noch bei jeder neuen Stufe fast zusammen gebrochen war.
So viele kulinarische Köstlichkeiten, und ich mittendrin! Alles gehörte mir, ich konnte alles haben. Ich befand mich völlig im Taumel, in einer Art Trancezustand, getrieben von einer unsäglichen Gier. Alles war umsonst, ich musste nichts bezahlen. Je mehr ich aß, umso mehr lohnte es sich. Umso mehr würde ich sparen.
Ich kollabierte fast. Ja, alles war für mich da, ich konnte alles haben. Nur: Es gab keinen Platz, wo ich es essen konnte. Ich hatte keinen Platz, um das Tablett abzustellen. Ich hatte keinen Platz, wo ich mich niederlassen konnte. Es gab hier alles, nur eins nicht: Platz. Das ganze Restaurant war vollgestopft mit hungrigen, gierigen, nervösen Menschen, die wie aufgescheucht herumrannten.
„Mir nach!“, schrie Dieter und stürzte zum Ausgang. Dann hörten wir einen lauten Knall. Dieter war vor eine Glaswand gerannt. Dem übervollen Tablett war aber seltsamerweise nichts passiert. Nur Dieter sah etwas benommen aus.
„Was ist denn das für ein Scheiß?“, rief er. „Das ist aber ganz, ganz schlecht gemacht. Wie kann man ausgerechnet hier so eine bescheuerte Tür hinsetzen? Mit dem Architekten möchte ich aber auch mal ein Wörtchen reden. Der war ja wohl besoffen, was? So ein Arschitekt.“
Barbara wies stumm auf ein großes Schild, auf dem in verschiedenen Sprachen „Achtung, Glastür“ stand. Aber das konnte man in seiner Gier schon mal übersehen.
Dieter taumelte etwas, fing sich dann aber wieder und spurtete erstaunlich schnell auf einen großen runden Tisch zu, an dem gerade sechs Leute aufstanden.
„Weg da, hier sitzen wir jetzt!“, herrschte er die erschrockenen Menschen an und knallte sein Tablett auf den Tisch.
Höflichkeit war in Zeiten großer Hungersnot nicht angesagt. Dieter zog einem Mann, der aussah wie Jesus, einfach den Stuhl weg und quetschte sich hinein. Dann begann er, wie ein Wilder alles gleichzeitig in sich hineinzuschaufeln. Die Gruppe suchte erschrocken das Weite.
Ich fand es zwar schrecklich, aber wir folgten seinem Beispiel. Niemand sah den anderen an, niemand sprach ein Wort. Man hörte nur Schmatzen und ab und zu ein wohliges Seufzen. Ein gepflegtes Dinner sah wirklich anders aus. Ich blickte mich kurz um. Waren die anderen genauso?
Die Tabletts der anderen Passagiere waren genauso übervoll wie unsere. Alle schienen große Angst zu haben, dass am nächsten Tag sämtliche Lebensmittel von Bord verschwanden. Die Leute aßen, als sei es ihre letzte Mahlzeit vor einer langen Diät. Was relativ unwahrscheinlich war, denn in der nächsten Woche würde hier ganz sicher niemand Diät halten. Alle schaufelten in sich hinein, was hinein ging. Ein bisschen abstoßend war es ja schon.
Mir blieb fast der Bissen im Hals stecken, als ein höchst attraktiver Mann schnurstracks auf uns zukam. Sein Tablett war das einzige, das nicht überquoll und auf dem sich kein Fast Food türmte. Mein Boss hatte etwas Fisch mit Salat gewählt und ein Wasser. Natürlich. Seine Muskeln bekam er sicher nicht dadurch, dass er sich – wie gewisse andere Passagiere – mit Pommes Frites, Hamburger und Cola vollstopfte. Von wegen „Bei viertausend Passagieren laufen wir uns bestimmt nicht über den Weg“. Warum musste er ausgerechnet jetzt an dieser Stelle sein? Und warum lief er nicht einfach weiter? Niemand zwang ihn, an unserem Tisch stehenzubleiben.
Thorsten zog seine Augenbrauen mahnend in die Höhe, als er unser Fressgelage erblickte. Im Moment zeichneten wir uns weiß Gott nicht durch besonders gute Tischmanieren aus, sondern hingen fast mit den Köpfen in unseren Tellern. Schließlich mussten wir den lauwarmen Fraß ja noch essen, bevor er gänzlich kalt geworden war.
„Eigentlich möchte ich das nicht fragen, aber da einige Passagiere ihr Essen schon im Stehen hinunter schlingen und kein einziger Platz mehr frei ist: Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich den letzten freien Sitz hier in diesem Etablissement einnehme?“, fragte er geschwollen.
„Zufälligerweise befindet er sich an Ihrem Tisch.“
„Was für ein dämlicher Zufall“, nuschelte ich mit vollem Mund. „Aber wir können Ihnen nicht verbieten, sich zu uns zu setzen.“
„Doch, eigentlich schon“, widersprach Thorsten und blieb abwartend mit seinem fast leeren Tablett vor uns stehen.
„Wieso? Wir haben den Tisch doch nicht gemietet.“
Es machte einfach Spaß, meinem Boss endlich mal zu widersprechen, und sei es auch noch so eine alberne Bemerkung.
„Nun setzen Sie sich schon hin, sonst rennt Sie noch jemand über den Haufen“, hatte Margit ein Einsehen und winkte Thorsten zu sich heran.
„Vielen Dank“, sagte Thorsten artig und nahm schräg gegenüber von mir Platz. Mist, jetzt konnte ich die Pommes Frites nicht mehr mit den Fingern essen. Thorsten sah aus, als würde er selbst ein belegtes Brot mit Messer und Gabel verspeisen. Er wirkte richtig vornehm und stach damit enorm aus der Masse heraus.
„Schmeckt es denn?“, erkundigte er sich scheinheilig und blickte uns reihum an. Ich wollte lieber gar nicht erst wissen, was er jetzt über uns dachte.
„Bestens“, antwortete ich. „Und Ihnen auch einen guten Appetit.“
„Herzlichen Dank, Frau Bergmann.“
Mein Chef zwinkerte mir zu und nahm einen Schluck von seinem Mineralwasser. Er kam sich offenbar vor wie der absolute King. Blödmann!
Das Einzige, was blöd ist, sind die Ausflüge“, sagte Dieter mit vollem Mund, der nur Augen für sein Essen hatte und Thorsten kaum wahrnahm.
„Wenn man den ganzen Tag weg ist, kann man das kostenlose Essen gar nicht nutzen. Und ich würde sehr ungern draußen mein Geld dafür ausgeben, wenn es hier auf dem Schiff umsonst ist.“
„Du kannst dir ein Lunchpaket mitnehmen.“
Burkhard wusste wie immer Rat.
Dieter machte eine wegwerfende Handbewegung.
„Nee, das weicht alles auf und wird ganz unappetitlich. Da vergeht einem ja der Appetit.“
„Das wäre bei dir nicht das Schlechteste“, murmelte Margit so leise, dass Dieter es nicht hören konnte.
„Dann bleib doch auf dem Schiff und schaufel dir von morgens bis abends das Essen rein.“ Barbara war sichtlich genervt.
„Willst du was von der Welt sehen oder dich den ganzen Tag vollfressen? Tschuldigung, aber ist doch so. Dazu sind wir schließlich nicht hier.“
„Wozu ich hier bin, entscheide ich schon selber“, sagte Dieter ungewohnt bissig.
„Verhungern werden wir hier jedenfalls nicht“, stellte ich fest. „Man kann rund um die Uhr essen.“
„Nein, kann man eben nicht.“
Dieter blickte zum ersten Mal von seinem Teller auf. Sein Mund war in verschiedenen Farben beschmiert. Unwillkürlich griff ich zu meiner Serviette und tupfte mir den Mund ab. Sah ich genauso aus? Und wenn ja, was sollte mein Boss von mir denken? Der führte gerade in Zeitlupe seinen ersten Bissen Salat zum Mund. Übertrieb er es nicht ein bisschen mit dem Zelebrieren der Mahlzeit?
„Zwischen vier und fünf Uhr gibt es nur Sandwiches und von drei bis fünf Uhr morgens ist das Restaurant sogar ganz geschlossen. Ich finde das einen Skandal“, jammerte Dieter.
Thorsten nickte zustimmend.
„Da haben Sie völlig recht. Das geht gar nicht“, sagte er, ohne mit der Wimper zu zucken.
„Ich würde mich bei der obersten Instanz beschweren.“
Anklagend sah Dieter sich um.
„Was ist denn, wenn ich nachts um drei plötzlich wach werde und Hunger habe? Zu Hause gehe ich dann an den Kühlschrank, aber hier? Soll ich da etwa verhungern?“
Wir starrten ihn an. Meinte er das im Ernst?
Ja. Dieter sah so aus, als meine er es bitterernst.
„Relativ unwahrscheinlich. Du kannst ja von deinen kümmerlichen Reserven zehren“, sage Barbara süffisant. „Da wäre noch die eine oder andere übrig.“
„Darum geht es nicht“, schnauzte Dieter Barbara an.
„Was ist denn das für ein schlechter Service? Man kann die Leute doch nicht aushungern. Soll ich mir vorschreiben lassen, wann ich essen darf?“
„Zwischen drei und fünf schläft man und frisst nicht den Kühlschrank leer“, beharrte Barbara. „Du musst doch nicht rund um die Uhr essen.“
„Du verstehst es einfach nicht.“ Dieter rollte mit den Augen. „Ich will flexibel sein und spontan essen können. Auch nachts um drei. Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich weiß, dass mir das Essen versagt wird. Es macht mich aggressiv.“
„Du hast wirklich Probleme.“
Barbara schüttelte den Kopf. Dabei hatte sie selbst geschlungen, als ob es kein Morgen gäbe.
„Sie könnten sich etwas mit aufs Zimmer nehmen“, hatte Thorsten die rettende Idee und verkniff sich offenbar nur mit Mühe ein Lachen.
Dieters Gesicht hellte sich schlagartig auf.
„Echt? Meinen Sie?“
„Aber sicher doch.“
Thorsten, der immer noch nicht mehr als zwei Bissen gegessen hatte, machte eine großzügige Handbewegung.
„Wieso denn nicht? Sie stellen es in Ihren Kühlschrank und haben somit immer eine Notration. Auch nachts zwischen drei und fünf. So laufen Sie nicht Gefahr, dass Sie verhungern müssen.“
Natürlich veralberte er den armen Dieter, doch der merkte das gar nicht.
„Das ist wirklich eine tolle Idee.“ Bewundernd sah er Thorsten an. „Machen Sie das etwa auch?“ Sein Blick wanderte verlangend zu den Törtchen.
„Ich muss leider auf mein Gewicht achten“, bedauerte Thorsten. „Ich kann mir das nicht leisten.“
Autsch, das war aber gemein. Jetzt hatte Dieter auch begriffen, dass Thorsten ihm mitnichten einen gutgemeinten Ratschlag hatte geben wollen, sondern einfach nur fies war. Und diesem Arsch hatten wir den letzten Platz überlassen!
„Habt ihr gesehen, was das billige Wasser aus den Plastikflaschen kostet?“, regte sich Margit auf. „2,30 Euro. Voll der Wucher. Dabei ist Wasser aus Plastikflaschen total ungesund. Das trinke ich nicht.“
„Aber Glasflaschen sind hier verboten, damit du damit nicht jemandem die Rübe einschlagen kannst“, erklärte ich und warf Thorsten einen bösen Blick zu. Hätte ich jetzt eine Glasflasche zur Hand gehabt, hätte ich für nichts garantieren können.
„Muss man in den richtigen Restaurants immer was zu trinken zu den Mahlzeiten bestellen?“, erkundigte Sparfuchs Burkhard sich.
„Es sieht schon merkwürdig aus, wenn du zwei Stunden herumsitzt und bei fünf Gängen nichts trinkst“, mutmaßte ich.
Burkhard winkte ab.
„Mich betrifft das nicht. Ich habe meinen Suff. Äh, ich meine, ich habe mein Getränkepaket ‚Beer and Wine, feeling fine.‘“
„Das hört sich interessant an“, schaltete sich Thorsten ein, der immer noch nicht über seine zwei Bissen hinausgekommen war. Meine Güte, wenn er nichts essen wollte, warum saß er dann hier und nervte uns?
„Würden Sie mir sagen, wie das funktioniert?“
„Das ist nichts für Sie“, schmetterte ich ihn sofort ab. „Da müssten Sie den ganzen Tag Unmengen von Alkohol trinken, damit sich das lohnt. Und so wenig, wie Sie essen, können Sie gar nicht viel Alkohol trinken, sonst wären Sie stockbesoffen.“
„Aber für Sie rentiert sich das?“, wandte sich Thorsten an Burkhard. „Das heißt, Sie trinken viel Alkohol?“
Burkhard wurde plötzlich ganz still und verlegen.
„Das geht Sie ja mal so gar nichts an“, blaffte ich. „Trinken Sie mal schön Ihr Wässerchen und verschlucken Sie sich bloß nicht an einer Gräte.“
Ich regte mich über meinen Chef schon wieder genauso auf wie im Büro. Er war einfach nicht nett. Er war ein Mistkerl. Wir sollten ihn über Bord werfen.
„Und was trinken wir?“ Margit griff nach der Getränkekarte.
„Also, die nehmen es ja auch von den Lebenden“, empörte sie sich. „Eine Cola kostet drei Euro! Da kriege ich bei Lidl ja drei Liter für.“
„Zu den drei Euro kommen noch 15 Prozent Trinkgeld hinzu“, informierte Thorsten sie.
„Waaas?“ Margit fiel fast die Karte aus den Händen. „Das sind ja dann …. äh ….“
„3,45 Euro“, half Thorsten ihr und führte eine fast leere Gabel zu seinem Mund. Übertrieb er es nicht ein bisschen? Wieso aß und trank er eigentlich nichts? Dann hätte er sich auch nicht zu uns setzen müssen, wenn er uns nur beleidigen und uns das Essen vermiesen wollte.
„3,45 Euro für 330 Milliliter. Da würdest du im Laden für eine Flasche Cola über zehn Euro bezahlen“, rechnete Dieter schnell aus, der sich wieder gefangen hatte.
„Über zehn Euro“, flüsterte Margit fassungslos. „Das ist eine Frechheit. Das sind voll die Abzocker hier. Nein, das zahle ich nicht. Lieber verdurste ich.“
„Wir könnten auf Burkhards Getränkepaket mittrinken“, schlug ich kühn vor. „Es kann ihm niemand vorschreiben, dass er nicht mehrere Getränke zu einer Mahlzeit konsumiert. Und wir trinken einfach alle heimlich mit.“
Alle außer Burkhard johlten und nickten begeistert.
„Ja, das machen wir.“
„Wir können uns aber auch kostenlos an der Wasserstation dort bedienen.“
Triumphierend blickte ich zu einer Getränkestation, an der es Wasser, Kaffee und Tee gab.
„Das ist eine gute Idee“, lobte mein Boss mich. „Das habe ich auch gerade getan.“
Ich zog die Augenbrauen hoch.
„Das war mir klar, dass Sie sich kein Mineralwasser für drei Euro leisten können, Sie armer Verlagschef.“
„Warum sollte ich das tun, wenn ich es umsonst haben kann?“, erwiderte Thorsten.
Ich hatte gar nicht gewusst, dass mein Chef so kleinlich war. Er wurde mir immer unsympathischer, sofern das überhaupt noch möglich war.
„Das stimmt natürlich“, stimmte ich ihm höhnisch zu. „Alles, was umsonst ist, ist natürlich besser.“
„Nein, aber wenn es dasselbe ist, warum sollte ich dann das wählen, das etwas kostet?“
„Müssen Sie eigentlich immer das letzte Wort haben?“
„Ja, natürlich.“
Oh Mann, ich gab es auf. Hoffentlich war es wirklich sein letztes Wort für diesen Tag.
„Ich habe eine Super-Idee.“ Margit wurde ganz aufgeregt. „Jeder kauft sich eine Flasche Wasser. Okay, das sind 2,30 Euro, aber ...“
„2,30 Euro plus 15 Prozent“, korrigierte Barbara mit mahnendem Blick.
Margit winkte ab.
„Lass mich doch mal ausreden. Immer musst du dazwischen quatschen. Also, jeder kauft sich eine Flasche von diesem teuren Wasser. Aber dann ...“ Sie setzte eine geheimnisvolle Miene auf.
„Dann füllen wir immer hier nach und brauchen die ganze Kreuzfahrt lang nichts mehr zu kaufen. Und wenn wir doch mal was Besonderes trinken wollen, also eine Cola oder so, dann tun wir das auf Burkhards Paket, nicht wahr?“
Margit war selbst ganz begeistert von ihrer tollen Idee.
„Ja“, sagte Burkhard völlig überrumpelt.
„So kommen wir billig durch die Woche.“
Zufrieden lehnte Margit sich zurück.
Thorsten prostete ihr anerkennend mit seinem kostenlosen Wasser zu. Er sollte sich echt zum Teufel scheren. War da hinten in der Ecke neben den Toiletten nicht gerade ein Platz frei geworden? Den konnte er besetzen. Bei uns war er jedenfalls überflüssig. Er verdarb uns nur unsere erste Mahlzeit auf dem Schiff.
„Es reicht ja schon, dass man hier zwangsweise Trinkgeld geben muss“, murrte Barbara. „8,50 Euro pro Tag, eine Unverschämtheit.“
„Das ist seit Anfang des Jahres nicht mehr so, das wurde abgeschafft“, erklärte ich.
„Da irren Sie sich.“ Thorsten wackelte mit dem Kopf.
„Offiziell schon, aber die 8,50 Euro werden automatisch abgezogen. Wenn Sie sie nicht zahlen wollen, müssen Sie am Ende der Reise zur Rezeption gehen und explizit darauf hinweisen. Aber wer macht das schon? Die Leute wollen nicht als geizig gelten. Auch, wenn sie es sind.“
„Sie machen da sicher keine Ausnahme“, griff ich ihn an. „Sie sind auch geizig.“
„Nein, das würde ich nicht sagen“, widersprach mein Boss. „Eigentlich bin ich sehr großzügig.“
Ich beherrschte mich gerade noch, ihm nicht einen Vogel zu zeigen. Wie kam er denn auf diese Idee?
„Das ist ja unglaublich“, wetterte Barbara los. „Das Trinkgeld ist abgeschafft, aber es wird dir trotzdem abgezogen? Das widerspricht sich ja wohl überhaupt nicht. Sind die eigentlich bescheuert? Also, ich werde ganz sicher am Ende der Kreuzfahrt klarmachen, dass ich das nicht zahle. Schon aus Prinzip nicht. Dann bin ich eben geizig, na und? Ist mir doch egal, was die von mir denken. Die sehen mich sowieso nie wieder.“
„Und das Reinigungspersonal erwartet ebenfalls ein angemessenes Trinkgeld“, malte Thorsten ein weiteres Schreckensszenario an die Wand. „Gleich am ersten Tag, damit Sie bevorzugt werden.“
Barbara tippte sich an die Stirn.
„Ich gebe gar nichts. Das ist doch total ungerecht. Wer gibt denn dem Personal in der Küche was? Die schuften am meisten. Warum sollen die einen was kriegen und die anderen nicht?“
„Wenn jeder Gast 20 Euro gibt“, begann Burkhard zu rechnen. „Und die haben, sagen wir mal, 20 Kabinen. Da sind das nach einer Woche Kreuzfahrt ….“
Er nahm seine Finger zu Hilfe.
„Das sind dann 400 Euro.“ Burkhard starrte geschockt auf seine gespreizten Finger.
Thorsten erhob sich.