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32 Kurzgeschichten, 32 Gedichte, 64 Ansätze zur Schärfung des Blicks auf die Gegenwart und zur Durchdringung des menschlichen Kosmos, unterhaltend, überraschend, eben Lesevergnügen.
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Seitenzahl: 66
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Für Friederike
Dieses kleine Buch ist eine Sammlung von zweiunddreißig Kurzgeschichten und Gedichten gleicher Zahl, geordnet in zeitlicher Folge aber ohne inhaltlichen Bezug, die einen Einblick in meine Gedankenwelt gewährt, meinen subjektiven und eingeschränkten Kosmos des Menschlichen.
Esens, im Juli 2024
Karl Hackelbusch
1
Kurzgeschichten
1.1 Ein Deutsches Märchen nach Friedrich Wolf
1.2 Die erste Generation
1.3 Radtour
1.4 Überfahrt
1.5 33 Jahre
1.6 Der Aufenthalt
1.7 Zu viel Schönheit
1.8 Hunger
1.9 Typisch
1.10 Schulpflicht
1.11 Fotoalbum
1.12 Gummistiefel
1.13 Buchvorstellung
1.14 Bello
1.15 Mobile
1.16 Modellbahn
1.17 Bahnhof
1.18 Gott schuf die Evolution
1.19 Frühstück
1.20 Zeitenwende
1.21 Wien
1.22 Büro
1.23 Gewohnheitsrecht
1.24 Alte Liebe
1.25 Dr. Wus letzte Reise
1.26 Lottogewinn
1.27 Onkel Albert
1.28 Synthetic Human
1.29 Treuenbrietzen
1.30 Kunst
1.31 Regen
1.32 Opa Karl
2
Gedichte
2.1 Vaterfreude
2.2 Der Glaube
2.3 Selbstbestimmung
2.4 Kalenderblatt
2.5 Die Religion
2.6 Manager
2.7 Bullrun
2.8 Klimawandel
2.9 Überwachungsstaat
2.10 Banker
2.11 Das Schwein
2.12 Oxytocin
2.13 Abstammung
2.14 Kein Abkommen
2.15 Die Krähen
2.16 Jagdszenen
2.17 ZDF-Talk
2.18 Affekt
2.19 Eine Hälfte
2.20 Seitensprung
2.21 Der Leopard
2.22 Am Ende der Kette
2.23 Der Verschluss
2.24 Frühlingsmorgen
2.25 Famoses vom Moos
2.26 Der Besuch
2.27 Prostitution
2.28 Dauerrätsel
2.29 Schneckenplage
2.30 Geschäftsgebaren
2.31 Kriegsgefahr
2.32 Das Vorbild
Die Geschichte von der Weihnachtsgans Auguste werden die meisten bereits einmal gehört haben. Sie spielt zu einer Zeit, als in bürgerlichen Häusern noch Personal angestellt und Ehefrauen Gattinnen waren. Zusammengefasst hat sie folgende Handlung:
Der Hausherr erwirbt lange vor dem Weihnachtsfest ohne Wissen seiner Gattin eine lebende Gans. Den Kindern kann nicht vermittelt werden, dass die gefiederte Schönheit in den Ofen muss und niemand aus dem Haushalt ist in der Lage, sie zu schlachten. Selbst eine Vergiftung des Tiers scheitert und der bereits gerupfte Vogel wird schließlich als Familienmitglied aufgenommen und bekommt zum Fest eine Strickjacke.
Diese rührselige Erzählung ist nicht mehr zeitgemäß. Deshalb hier die Neufassung:
Nach der Generalprobe mit anschließendem Umtrunk erwarb Opernsänger Luitpold Löwenhaupt auf dem Wochenmarkt eine fünf Kilo schwere Gans. In seiner Weinlaune stellte er sich duftenden Braten mit saftigem Rotkraut und herzhaften Knödeln vor. Ihm lief das Wasser im Munde zusammen. Luitpold war zu Fuß und hatte mit dem zappelnden Federvieh große Mühe. Die Arme wurden ihm lahm.
Zuhause angekommen sah er reichlich mitgenommen aus und neben dem Geschnatter der rebellischen Gans musste er sich in gleicher Lautstärke die Vorhaltungen seiner Frau gefallen lassen: Was er sich dabei gedacht habe, so lange vor dem Fest eine lebende Gans zu kaufen? Wo solle die bleiben? Wer schlachte sie? Wie würden die Kinder damit umgehen?
Diese waren inzwischen wegen des Lärms zur Stelle und quengelten, dass man die schöne, liebe Gans doch nicht töten könne. Sie wollten niemals Weihnachtsbraten. Spaghetti schmeckten ohnehin viel besser.
Und schließlich erschien auch noch Theres, das Hausmädchen, schlug die Hände über dem Kopf zusammen, weil der Vogel unter sich gemacht hatte, und beklagte, jetzt wieder alles reinigen zu müssen. Als beste Lösung schien allen, die Gans vorerst in den Keller zu sperren, wohin der Vogel trotz heftigsten Widerstands gezerrt wurde. Die Kellertür schloss sich und Ruhe kehrte ein.
Nach dem Essen gingen die Eltern in den Salon, Theres nahm ein Bad, denn sie wollte noch zum Arzt, und beide Kinder wurden auf ihr Zimmer geschickt. Diese plagte allerdings das schlechte Gewissen. Hatte die arme Gans ausreichend Licht? Musste sie nicht Futter und Wasser bekommen? Sie schlichen zum Keller, um nach der Gans zu sehen. Kaum hatten sie die Tür einen Spalt breit geöffnet, stürmte der Vogel kreischend nach oben, flatterte in den
Salon und stieß auf seiner Flucht das Goldfischglas vom Buffet, dessen Inhalt sich über die Chaiselongue sowie die darauf liegende Hausherrin ergoss. Mit spitzem Schrei sprang die hoch, glitschte auf dem Fisch aus und knallte vornüber in die Vitrine, aus der das Porzellan auf den Boden klirrte. Luitpold musste dem Spuk entschlossen ein Ende bereiten!
Rasch öffnete er die Haustür, um den Vogel auf die Straße zu scheuchen. Doch draußen lief der greise Jäger Karl mit seinem Hund. Der Weimaraner witterte die Gans, riss sich los und stürzte ins Haus, verfing sich mit der Leine am Spazierstock des Hausherren und beide prallten mit voller Wucht gegen die Badezimmertür. Die brach auf. Schreckensbleich starrte Theres auf die Reißzähne im Maul des Hundes und die Flinte in Karls Hand. Sie sprang aus der Wanne. Panisch floh sie an Luitpold vorbei, der, von ihrer Nacktheit benommen, zu keiner Handlung fähig, sinnierte, nichts davon gewusst zu haben, dass sein Dienstmädchen herrschaftlichere Proportionen als seine Gattin hatte. Theres hetzte auf die Straße, wo sie auf einer gefrorenen Pfütze ausrutschte und fast zu Boden fiel. Schneeflocken schmolzen auf ihrer vom Bad geröteten Haut. Ein Autofahrer wurde abgelenkt, kam in den Gegenverkehr und mit lautem Geschepper stießen die Wagen zusammen. Karl schoss auf den Vogel und traf die Badewanne. Ihr Inhalt plätscherte in den Raum. Schon bildete sich eine Menschentraube vor dem Haus und die Gans nutzte die Gelegenheit zur Flucht.
Als sie am Graben bei den Enten ankam, hörte sie noch in der Ferne das Lalülala eines Krankenwagens.
7. Dezember 2009
***
Januar 2014: Die Organovo Holdings Inc. in San Diego stellt Gewebe für medizinische Zwecke mit dem NovoGen MMX Bioprinter her.
Januar 2015: Das Hasso Plattner Institut in Potsdam zersägt, fotografiert und digitalisiert in einem MakerBot 3D-Drucker leblose physikalische Objekte und übermittelt die gewonnenen Daten einem zweiten MakerBot, in welchem es mit den zerstörten identische Objekte im 3D-Druck erzeugt.
Im vierten Stock eines betongrauen Hauses am Hafen wurde ich erwartet. Lautlos öffnete sich die schlichte Tür am
Ende des Laubenganges, von dem die Masse der vertäuten Kriegsschiffe überblickt werden konnte. Mit kühlen Augen betrachtete eine Wissenschaftsoffizierin die Vorgänge auf dem Wasser, während sie, die Klinke in der Hand, auf meinen Eintritt drängte. Ein leichtes Zucken ihres rechten Mundwinkels verriet die Anspannung, unter der sie mich sofort anwies, auf dem Podest mitten im Raum entkleidet den Abschluss des Scanvorgangs möglichst bewegungslos abzuwarten und mir die von ihr währenddessen vorgetragenen Anweisungen zu merken; sie seien lebenswichtig.
Nach meiner Wiederbelebung in einem Harzer Bergwerk hätte ich diese als die jüngsten meiner nur bis zum Abschluss der heutigen Datenaufnahme reichenden Erinnerungen sofort präsent und müsse sie nutzen, um zusammen mit vier Männern und fünf Frauen aus den weiteren Replikatoren den Weg zur Erdoberfläche zu finden und für das Überleben der menschlichen Art zu sorgen. Erste Nahrung, Kleidung und Werkzeuge stelle ein elfter der 3D-Drucker zur Verfügung, zu deren Anwendungsprogrammen ein Passwort, bestehend aus meinem rückwärts gelesenen Nachnamen, mir Zugang gestatte. Es sei sichergestellt, dass die Brennstoffzellen nach so vielen Jahren die erforderliche Energie lieferten und die Grundstoffe der Biomasse für das organische Gewebe in uneingeschränkter Qualität zur Verfügung stünden. Wie weit diese Ressourcen letztlich auch für die Menschen der zweiten Generation reichten, deren Daten ebenfalls auf den die Drucker steuernden Computern, sortiert nach Erfahrung und Geschlecht, gespeichert seien, könne nicht abgeschätzt werden, so dass unabhängig davon die Neubevölkerung auf natürliche Weise in Gang gesetzt werden müsse.
Inzwischen hatte sie den Transfer des von mir gefertigten digitalen Abbildes erfolgreich ausgeführt und unterrichtete mich über meine unabhängig von weiteren Nuklearschlägen in genau hundert Jahren beginnende Reproduktion, die für mich, sollte ich den Krieg überleben, zeitlich so stark versetzt, ein Begegnen mit meinem Doppelgänger ausschloss. Und dann wünschte sie uns, kaum war ich in meine Uniform gestiegen, mit einem betont langen Hän