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Miranda Honeychurch ist ein klassischer Beziehungspechvogel. Irgendwie gerät sie immer an den Falschen. Dann trifft sie auf Noah, der ihr bei einem Brand das Leben rettet. Die Tatsache, dass er für sie sein Leben aufs Spiel setzt, lässt ihr Herz höherschlagen – doch der Feuerwehrmann würdigt sie nach dem gefährlichen Einsatz keines Blickes mehr und lässt sich sogar verleugnen. Hals über Kopf kehrt sie Chicago den Rücken, obwohl der Gedanke an Noah sie bis in ihre Träume verfolgt. Mit ihrer Freundin Emily bricht sie zu einem Roadtrip auf, bei dem sie mehr findet, als sie zu hoffen gewagt hat. Und dennoch quält sie eine Frage: Was für ein Geheimnis verbirgt Noah hinter den ozeangleichen Augen?
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Seitenzahl: 222
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Mila Summers
Küsse in luftiger Höhe
Über das Buch:
Miranda Honeychurch ist ein klassischer Beziehungspechvogel. Irgendwie gerät sie immer an den Falschen. Dann trifft sie auf Noah, der ihr bei einem Brand das Leben rettet. Die Tatsache, dass er für sie sein Leben aufs Spiel setzt, lässt ihr Herz höherschlagen – doch der Feuerwehrmann würdigt sie nach dem gefährlichen Einsatz keines Blickes mehr und lässt sich sogar verleugnen. Hals über Kopf kehrt sie Chicago den Rücken, obwohl der Gedanke an Noah sie bis in ihre Träume verfolgt. Mit ihrer Freundin Emily bricht sie zu einem Roadtrip auf, bei dem sie mehr findet, als sie zu hoffen gewagt hat. Und dennoch quält sie eine Frage: Was für ein Geheimnis verbirgt Noah hinter den ozeangleichen Augen?
Über die Autorin:
Mila Summers, geboren 1984, lebt mit ihrem Mann und der kleinen Tochter in Würzburg. Sie studierte Europäische Ethnologie, Geschichte und Öffentliches Recht. Nach einer plötzlichen Eingebung in der Schwangerschaft schreibt sie nun humorvolle Liebesromane mit Happy End und erfreut sich am regen Austausch mit ihren LeserInnen.
Küsse in luftiger Höhe ist der vierte Band der Kurzromanserie, die in Chicago spielt.
Bisher erschienen:
Küss mich wach (Band 1 der Tales of Chicago)
Vom Glück geküsst (Band 2 der Tales of Chicago)
Ein Frosch zum Küssen (Band 3 der Tales of Chicago)
Küsse in luftiger Höhe (Band 4 der Tales of Chicago)
Zum Küssen verführt (Band 5 der Tales of Chicago)
Weitere Bücher der Autorin:
Manhattan Love Stories
Irresponsible Desire (Band 1)
Irrepressible Desire (Band 2)
Vielleicht klappt es ja morgen. Liebe in (wahlweise Hamburg, Leipzig, Wien oder Würzburg)
Rettung für die Liebe (Band 4 der Sieben Sommersünden, ein Projekt mit sechs weiteren Autorinnen und Autoren)
Schneegestöber (Charitybuch für die Stiftung Bärenherz in Wiesbaden)
Alle Teile sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Allerdings gibt es ein Wiedersehen mit den Protagonisten der vorhergehenden Bücher.
MILA
SUMMERS
Küsse in luftiger Höhe
Kurzroman
Band 4
Tales of Chicago
Deutsche Erstauflage März 2016
Copyright © Mila Summers
Lektorat: Dorothea Kenneweg
Korrektorat: Martina König
Covergestaltung:Nadine Kapp
Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder teilweisen Nachdrucks in jeglicher Form, bedürfen der Einwilligung der Autorin.
Personen und Handlungen sind frei erfunden. Etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Epilog
Danksagung
Weitere Bücher der Autorin
»Du willst, dass wir Freunde bleiben?« Ich drückte das Handy in meiner Hand so heftig, dass mir bereits die Finger wehtaten.
»Ja. Freunde mit gewissen Extras, Baby.«
»Bitte was? Du spinnst ja!« Fassungslos beendete ich das Gespräch und legte das Handy mit zittrigen Händen auf die Arbeitsplatte.
Wie versteinert stand ich in der Teeküche des Museums. Meine Augen brannten und ich konnte einfach nicht glauben, dass er das gerade wirklich gesagt hatte.
Wie konnte mir Samuel nur vorschlagen, dass wir Freunde bleiben könnten? Und dann noch diese Anspielung: »… mit gewissen Extras, Baby.« Pah, dass ich nicht lache!
Anschließend hätte ich meinen Ärger am liebsten in den Untiefen eines gefüllten Schnapsglases ertränkt oder meinem Freund – oder vielmehr Exfreund – den Lack seines neuen Lamborghinis mit einem Schraubenzieher verkratzt.
Aber wer konnte mir das schon verübeln? Schließlich waren wir fast ein halbes Jahr lang ein Paar gewesen. Das war eine halbe Ewigkeit für mich. Samuel hatte sogar bereits von Heirat gesprochen. Er, wohlgemerkt, nicht ich.
Viel zu vertraut kam mir dieser Moment des Abschieds vor, wenn wieder einer meiner Partner die Biege machte und mich einfach so im Regen stehen ließ. Ich spürte diesen Druck auf der Brust, der mich kaum atmen ließ. Vergebens versuchte ich einen Schluchzer zu unterdrücken, der ohne Vorwarnung in ein lautes Husten überging.
Was brachte die Männer in meinem Leben immer wieder dazu, vor mir Reißaus zu nehmen? Lag es an meinem Parfüm oder war es mein Schuhtick? Vielleicht lag es an meinen einflussreichen Adoptiveltern? Es hatte bisher viele meiner Exfreunde eingeschüchtert, wie wohlhabend meine Familie war.
Wahrscheinlich lag es an mir. Jede Mutter liebt doch ihr Baby, oder? Aber mich hatte die Frau, die mich zur Welt gebracht hatte, wenige Stunden nach meiner Geburt in der Feuerwache in der Virginia Avenue abgegeben.
Irgendetwas musste damals bereits nicht in Ordnung mit mir gewesen sein. Anders konnte ich es mir einfach nicht erklären, dass ich immer wieder aufs Neue verlassen wurde.
Im Alter von zweiunddreißig Jahren hatte ich jetzt achtzehn – ja, diese Zahl ließ mich auch erschaudern – gescheiterte Beziehungen hinter mir. Von den zahllosen One-Night-Stands und den bindungsunfähigen Kerlen, die mich immer wieder hinhielten, gar nicht erst zu sprechen.
Was war bloß los mit mir? Ich schüttelte den Kopf, während ich mit vor Wut zittrigen Händen versuchte, das heiße Wasser in meine Tasse zu gießen. Ich spürte nicht mal, wie mir der heiße Dampf ins Gesicht stieg.
Wie in Trance nahm ich mir zwei Stücke Kandiszucker, versenkte sie in meiner Tasse und blickte dabei starr auf die vibrierende Oberfläche. Ich dachte an Samuel. Dachte an unsere gemeinsame schöne Zeit.
Bisher hatte ich mich dagegen wehren können, doch nun stiegen mir die Tränen in die Augen und liefen mir ohne Vorwarnung über die Wangen. Ein Tropfen nach dem anderen fiel auf die marmorierte Arbeitsfläche in der Teeküche des Museums.
Leise schluchzte ich auf, als ich mich daran erinnerte, wie mein Exfreund von Kindern und einem eigenen Haus gesprochen hatte. Im Gegensatz zu den Partnern meiner vorhergehenden Beziehungen standen wir, was das Finanzielle anging, auf Augenhöhe.
Samuels Vater war Großindustrieller und hatte mit dem, was er in seinem Leben erwirtschaftet hatte, bereits für zukünftige Generationen seiner Familie vorgesorgt. Samuel hätte sich die Finger gar nicht schmutzig machen müssen, dennoch war er, ehrgeizig und verbissen wie er war, in die Firma seines Daddys eingestiegen, um eigene Fußspuren zu hinterlassen.
Dieses Bedürfnis hatte ich in der Form nie verspürt. Natürlich liebte ich meinen Job im Museum und genoss es, mit wundervollen Kollegen den Tag zu verbringen. Besonders gefreut hatte ich mich, als Stacy nach der Geburt ihrer Tochter Jolie vor einigen Wochen wieder angefangen hatte zu arbeiten.
Das war es, was für mich im Leben zählte: die glücklichen Momente mit liebgewonnenen Menschen. Darin sah ich meine Erfüllung. Aber auch das war ein Grund, weshalb mir Samuel den Laufpass gegeben hatte.
Er konnte einfach nicht verstehen, dass ich mit dem, was ich tat, glücklich war und nicht die Herausforderung suchte, immer weiter, immer höher zu gelangen.
Wir waren grundverschieden. Diesen Umstand hatte ich mir früh eingestanden, aber ich fand gerade das so reizvoll an der Sache. Schließlich ergänzten wir uns doch irgendwie, oder etwa nicht?
Ich tat es schon wieder: Ich analysierte die Situation, zerbrach mir den Kopf über das Warum dabei und suchte nach einer Antwort auf meine Fragen. Samuel hatte nicht von einer Neuen berichtet oder unüberbrückbare Differenzen genannt.
Nein, er hatte es gleich auf den Punkt gebracht. Sein »Miranda, ich liebe dich nicht mehr« hallte mir noch immer dumpf durch den Schädel, während ich mechanisch den Becher an meine Lippen führte und mir sogleich an dem ersten Schluck daraus die Zunge verbrannte.
Gott, der Tag konnte gar nicht mehr schlimmer werden. War heute zufällig Freitag, der 13.? Oder weshalb sonst wurde ich gnadenlos vom Pech verfolgt? Was hatte ich nur getan, um das kosmische Gleichgewicht dermaßen ins Wanken zu bringen und derart bestraft zu werden?
Mein Kopf schwirrte. Ich brauchte dringend Ruhe, ein bisschen Zeit für mich. In naher Zukunft würde ich mir ein paar Tage freinehmen und weitab des Großstadttrubels alles hinter mir lassen; all den Ballast abstreifen, der mich zentnerschwer unter sich begrub.
Ich schloss die Augen und erinnerte mich zurück an die Urlaube in meiner Kindheit. Weitab der Großstadt im Huron-Manistee Nationalpark hatten wir unsere Abende am Lagerfeuer verbracht, während wir auf den Au Sable River blickten.
Ich sah die knisternden Funken fliegen und rief mir den Geruch nach Holz und Rauch ins Gedächtnis. Das gelang mir sogar so gut, dass ich das Gefühl hatte, es rieche wirklich verbrannt.
Doch Moment mal! Tatsächlich, es roch ganz so, als wäre etwas angebrannt. Ich blickte zu dem Ceranfeld, auf dem ich in einem Kessel das Wasser für meinen Tee erhitzt hatte, und überprüfte die Knopfleiste. Nein, ich hatte nicht vergessen, den Herd auszuschalten. Es musste einen anderen Grund für den beißenden Gestank geben.
Ein Kratzen in meinem Hals zwang mich zu husten. Ich wandte mich um und blickte zur geschlossenen Zimmertür. Unter dem Türschlitz zogen Rauchschwaden hindurch und nahmen den Raum bedrohlich ein. Meine Augen juckten und begannen neuerlich zu tränen.
Panik stieg in mir auf und Adrenalin ließ mich abrupt aufspringen. Was war hier bloß los? Hektisch stürzte ich in Richtung der Tür, um aus meinem Gefängnis zu entkommen. Schützend legte ich dabei meinen Arm vor Mund und Nase, da der beißende Qualm meine Atemwege belegte.
Ich keuchte. Innerhalb weniger Sekunden war ich kaum mehr in der Lage, die Augen geöffnet zu halten. Dennoch zwang ich mich dazu.
Todesängstlich drückte ich die Klinke der Tür herunter und eilte in den Korridor. Hier war es mir kaum mehr möglich, meine eigene Hand vor Augen zu sehen. Panisch rief ich um Hilfe, während mich die Erkenntnis wie ein Schlag traf: Feuer!
Schmerzerfüllt begann ich erneut zu husten, nachdem sich der Rauch unnachgiebig auf meine Schleimhäute legte. Mein Versuch, auf mich aufmerksam zu machen, hatte mir alles abverlangt.
Mühsam tastete ich mich an der Wand entlang Richtung Ausgang. Dabei begegnete ich keiner Menschenseele. Ich war völlig allein. Wo waren alle hin? Wieso hatten sie mich zurückgelassen? Machte sich denn keiner Sorgen um mich? War mein Fehlen womöglich nicht einmal aufgefallen?
Mittlerweile konnte ich kaum mehr atmen. Der Rauch vernebelte mir die Sinne, während mir das Feuer nach und nach den lebensnotwendigen Sauerstoff nahm. Meine Lungen brannten vor Schmerzen.
Ich konnte nicht mehr. Der Ausgang war zu weit weg, als dass ich eine Chance sah, ihn doch noch zu erreichen. Ich schaffte es einfach nicht, mich weiter voranzukämpfen. So sank ich schließlich hoffnungslos auf dem Boden zusammen, während ich spürte, wie sich die traurige Gewissheit in mir breitmachte: Ich würde es nicht überleben.
Qualvoll verrenkte sich mein Körper unter einem neuerlichen Hustenanfall, während eine Stimme aus weiter Ferne an mein Ohr drang: »Hallo? Ist hier noch jemand? Hallo?«
Nein, das konnte nicht sein. Sicherlich spielten mir meine Sinne einen Streich. Hier war niemand mehr. Ich war mutterseelenallein und würde in wenigen Minuten meinem Schöpfer gegenüberstehen.
Doch da konnte ich wieder jemanden rufen hören: »Hallo, Miranda, sind Sie noch hier drinnen?«
Mit letzter Kraft bäumte ich mich auf, während ich Mund und Nase tief in meiner Ellenbeuge vergrub. Doch ich konnte nicht antworten. Ich war einfach nicht mehr in der Lage, zu sprechen.
Der Nebel um mich herum färbte sich immer dunkler. Es war mir kaum möglich, bei dem beißenden Qualm meine Augen offen zu halten, außerdem drehte sich plötzlich alles um mich herum. Auf allen vieren versuchte ich den Korridor entlangzukriechen.
Schließlich bekam ich irgendetwas Rundes zu fassen, warf es gegen die Wand, um auf mich aufmerksam zu machen, und brach unter der Anstrengung zusammen. Jetzt würde ich sterben. Alle Hoffnung verließ mich. Aber dann wurde ich hochgehoben und kräftige Arme drückten mich an eine breite Brust.
Mit letzter Kraft öffnete ich meine Augen und blickte in das ozeangleiche Blau vor mir. Dann war da nichts mehr: keine Stimmen, kein Nebel, kein Feuer.
»Nimm deine Hand da weg!«
»Wieso denn?«
»Na, wegen dem ganzen Dings … Zeugs … Ach, weil man das einfach in einem Krankenhaus nicht macht. Muss doch alles steril bleiben.«
»Ich soll die Fernbedienung wieder hinlegen – wegen der Gefahr, Keime zu übertragen? Und das in einem Krankenhaus – der Keimproduktionsstätte schlechthin. Das ist, als wenn du mich bitten würdest, die Schuhe auszuziehen, während alle anderen ihre noch tragen. Es macht keinen Sinn.«
»Kommt schon, ihr beiden! Seid nett zueinander! Mit eurem Gezanke weckt ihr noch Miranda auf.«
»Was gar nicht mal so schlimm wäre. Schließlich hoffen wir seit dem Unfall darauf, dass sie wieder zu sich kommt.«
Ich vernahm die mir bekannten Stimmen wie aus weiter Ferne. Meine Freundinnen Stacy, Drew und Emily waren bei mir. Doch wo war ich? Was war geschehen? Hatten sie soeben von einem Krankenhaus gesprochen? Nein, das konnte nicht sein. Das ergab alles keinen Sinn. Sicher hatte ich mich verhört.
Mein Kopf dröhnte. Wo kamen diese unsagbaren Schmerzen nur her? Hatte ich einen Verkehrsunfall oder war ich gestürzt? Fieberhaft versuchte ich die Augen zu öffnen, doch etwas hinderte mich daran.
Ich spürte wieder diese Schwere über mich kommen und sank zurück in das Land der Träume. Dort war alles so leicht und ich verspürte nicht mehr dieses Hämmern in meinem Schädel. Hier würde ich bleiben. Zumindest noch für eine gewisse Zeit.
Einige Stunden später – oder waren es Tage? – erwachte mein Bewusstsein erneut, als ich jemanden sprechen hörte. Dieses Mal kannte ich die Person allerdings nicht.
»Was meinen Sie? Wird sie wieder zu sich kommen?«, fragte eine männliche Stimme leise, wie um mich nicht aufzuwecken.
»Da bin ich mir ganz sicher. Aufgrund der Schwere ihrer inneren Verletzungen war es zwingend notwendig, sie in ein künstliches Koma zu versetzen. Offensichtlich blockiert ihr Unterbewusstsein den Weg zu uns noch. Anatomisch betrachtet, kann ich nichts feststellen, was sie daran hindern könnte, in unsere Welt zurückzukehren.« Das war wohl mein behandelnder Arzt.
»Ich hab mir Vorwürfe gemacht, weil ich sie nicht gleich gefunden habe. Wenn ich nur einige Minuten früher da gewesen wäre, dann hätte ich sie schneller rausbringen können und sie hätte nicht so viel von diesem giftigen Qualm eingeatmet. Aber der Rauch war so dicht. Ich konnte kaum die eigene Hand vor Augen erkennen.«
»Ihnen macht sicher keiner einen Vorwurf. Es grenzt schier an ein Wunder, dass Sie sie überhaupt noch gefunden haben. Das Feuer hat in einer unglaublichen Geschwindigkeit um sich gegriffen. Weiß man denn schon Näheres darüber, wie es dazu kommen konnte? In einem Museum hätte ich am allerwenigsten mit solch einer Katastrophe gerechnet.«
»Nein, wir tappen noch vollkommen im Dunkeln. Es könnte vielleicht ein Kabelbrand gewesen sein. Allerdings sind wir auch darüber verwundert, wie schnell das Ganze ausgeartet ist. Wir waren wenige Minuten nach der Meldung vor Ort und da brannte der Kasten schon lichterloh. Ich bin seit einigen Jahren bei der Feuerwehr und habe schon so einiges miterlebt. Aber die Sache im Museum übersteigt alles bisher Dagewesene.«
»Nur gut, dass sich alle so schnell in Sicherheit bringen konnten. Miss Honeychurch ist soweit über den Berg und wird ohne Folgeschäden ihr weiteres – Dank Ihnen sicher langes – Leben genießen können. Mr. Bricks, aber was ist mit Ihnen? Sie sehen so erschöpft aus. Ist Ihnen nicht gut? Sie sollten mal Urlaub machen. Sie sind ja völlig überarbeitet. Damit ist wirklich nicht zu spaßen. Ich hatte schon Fälle, bei denen ...«
»Ja, da haben Sie sicher recht. Ich könnte mal wieder angeln gehen oben im Huron-Manistee Nationalpark.« Dann stockte er für einen Moment. »Honeychurch, sagten Sie? Die Honeychurches?«
»Ja, genau.«
»Ich muss jetzt gehen. Vielen Dank für Ihre Zeit, Doktor Hepburn.«
Eiligen Schrittes verließ jemand das Zimmer. Dann kratzte ein Füllfederhalter über Papier, ehe ich quietschende Clogs über den Boden wischen hörte. Ich schwebte zurück in mein ganz persönliches Nirwana. In die Welt, die ich mir selbst erschaffen hatte. Komisch, wieso sah ich denn jetzt einen Waschbären vor mir? Oder war es ein Biber? Ich näherte mich dem glitzernden Fluss und tauchte ein in das Rauschen des gleichförmig dahinströmenden Wassers. Ein wenig würde ich noch bleiben. Nur ein ganz kleines bisschen.
***
Im Krankenhausflur atmete er einmal tief durch. Zu schmerzvoll war die Erkenntnis, dass die Frau, die er gerettet hatte, ausgerechnet eine Honeychurch war. Nie wieder wollte er etwas mit dieser Familie zu tun haben. Nie wieder!
Dabei verkrampften sich seine Hände zu Fäusten. Seine Zähne pressten sich fest aufeinander und sein Kiefer begann zu mahlen. Er konnte es nicht verhindern, dass die Bilder unweigerlich in ihm aufstiegen.
Szenen, die er nie selbst gesehen hatte, von denen ihm seine Mutter aber auf ihrem Sterbebett berichtet hatte. Er konnte sich noch ganz genau daran erinnern, wie sie ihm die Geschichte seines Lebens erzählt hatte:
»Mein Junge, es ist für mich die Zeit gekommen, von dir Abschied zu nehmen. Der Tumor hat gestreut. Es gibt wenig Hoffnung auf Heilung und ich kann einfach nicht mehr. Ich werde mich meinem Schicksal ergeben, sobald ich dir erzählt habe, was mir schon lange auf der Seele brennt. Verzeih mir, mein Sohn, aber ich konnte nicht früher darüber sprechen. Allein der Gedanke daran hat mich all die Jahre unglaublich geschmerzt.«
Kurz darauf war seine Mutter für immer von ihm gegangen. Die Frau, der er alles verdankte, war gestorben und hatte ihn auf dieser Welt alleine zurückgelassen. Er schloss die Lider und erinnerte sich an die guten Zeiten. An die wenigen Nachmittage, an denen sie nicht arbeiten musste und sie in den Zoo gegangen waren.
Die Einsamkeit, die er nach dem Tod seiner alleinerziehenden Mutter als Einzelkind verspürt hatte, machte sich erneut in ihm breit. Genauso wie die Wut, die er bei dem Gedanken an das Unrecht verspürte, das seiner Mom widerfahren war.
Mit seinen achtzehn Jahren hatte er schnell lernen müssen, für sich selbst zu sorgen. An ein kostspieliges Studium war dabei nicht zu denken. Also ging er zur Feuerwehr und erfreute sich tagtäglich daran, anderen Menschen helfen zu können.
Eigentlich hatte er Arzt werden wollen, aber der Weg, den ihm das Schicksal vorgezeichnet hatte, war auch nicht schlecht. Manchmal fügte sich eins ins andere und ehe man sich’s versah, war man angekommen.
Etwas ruhiger atmete er erneut tief durch und setzte sich wieder in Bewegung. Seit dem Tag, an dem seine Mom nahezu mittellos gestorben war, hatte er bittere Rache geschworen.
Wenn sie das Geld gehabt hätten, dann – davon war er überzeugt – hätte seine Mutter diese teuflische Krankheit besiegt und er wäre nicht zur Vollwaise geworden. An diesem ungewöhnlich kalten Tag im Mai vor fünfzehn Jahren war ihm ohne Vorwarnung der Boden unter den Füßen weggezogen worden. Und er wusste ganz genau, wer dafür die Verantwortung trug.
Der Hass auf den Menschen schnürte ihm die Kehle zu. Er musste hier raus. Brauchte dringend frische Luft. Nichts wie weg von hier. Nichts wie weg von ihr.
***
»Mom? Dad?«
»Ja, mein Kind. Oh, Gott sei Dank. Du bist wach.« Die Stimme meiner Mutter brach, während sie noch versuchte die Fassung zu bewahren. Doch schließlich konnte sie ihre Tränen nicht zurückhalten und weinte so sehr, dass ich am liebsten aufgesprungen wäre und sie in den Arm genommen hätte. Doch etwas in mir hielt mich davon ab.
Ich blickte an mir herunter. Auf meinem Körper verliefen Schläuche und Kabel, die an mehreren Geräten angeschlossen waren. Es roch so eigenartig, irgendwie steril. Was war nur geschehen?
»Dad, wo bin ich?«
»Du bist im Krankenhaus, Liebes. Du hattest einen Unfall. Im Museum hat es gebrannt. Kannst du dich denn an irgendetwas erinnern? Die Polizei und die Feuerwehr sind noch immer auf der Suche nach einer Erklärung für diesen furchtbaren Brand.«
»Ein Feuer? Im Museum? Nein, ich weiß nicht, was passiert ist. Das Letzte, woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich in der Teeküche stand. Danach ist alles weg.«
»Ach, du nun wieder. Lass das Kind doch erstmal zu Atem kommen und freu dich darüber, dass sie wieder bei uns ist, anstatt gleich wie der Sheriff nach Antworten zu suchen.«
»Entschuldige bitte, Liebes. Deine Mutter hat natürlich vollkommen recht. Können wir etwas für dich tun? Möchtest du etwas essen oder trinken? Soll ich den Arzt rufen? Dann könnten wir gleich fragen, wie es denn nun weitergeht.« Mom und ich nickten ihm zu und Dad verließ das Zimmer.
Ich wusste gar nicht so recht, wie mir geschah. Eben hatte ich noch geträumt und war so weit weg von allem und jedem. Und nun prasselten die Geräusche und Stimmen ungebremst auf mich nieder.
»Miranda, du darfst das deinem Vater nicht übel nehmen. Er versucht nur zu klären, was vorgefallen ist, und möchte die Verbrecher dingfest machen, die seinem kleinen Mädchen das angetan haben. Er sorgt sich mindestens genauso um dich wie ich. Nur kann er es nicht immer so zeigen.«
»Mom, du brauchst mir nichts erklären. Ich kenne Dad schon mein ganzes Leben. Jede andere Reaktion hätte mich verwundert. So ist Dad nun mal.« Meine Adoptivmutter nickte mir verständnisvoll zu, während sie sachte über meinen Arm strich. Immer darum bemüht, keinen der Schläuche zu berühren.
Meine drogenabhängige Mutter – Oder sollte ich besser von der Frau sprechen, die mich auf die Welt gebracht und sich dann aus dem Staub gemacht hatte? – hatte mich wenige Stunden nach meiner Geburt abgegeben. Danach hatten sich Carol und Jeffrey Honeychurch meiner angenommen. Okay, ich hätte es schlechter treffen können … Immerhin konnte ich so in einem wohlhabenden Elternhaus aufwachsen; all die Privilegien einer Tochter aus gutem Hause genießen.
»Miss Honeychurch, willkommen zurück! Ich bin Ihr behandelnder Arzt, Dr. Hepburn. Es freut mich außerordentlich, dass Sie wieder bei uns sind. Wir haben uns zwischenzeitlich ganz schön Sorgen um Sie gemacht. Vor allem nachdem es jetzt doch länger gedauert hat als erhofft.«
»Hallo, Dr. Hepburn, ich danke Ihnen. Wenn es Sie beruhigt, ich werde so schnell nicht wieder dorthin gehen, wo ich herkomme. Obwohl ich die Ruhe schon sehr genossen habe.« Dabei hatte ich Mühe, meine Augen daran zu hindern, sich wieder zu schließen.
»Na, Ihren Humor haben Sie anscheinend nicht verloren. Das lässt hoffen und trägt bestimmt zu einer baldigen Genesung bei. Leider muss ich Ihre Vorfreude noch etwas bremsen. Sie werden noch einige Tage bei uns im Krankenhaus verbringen müssen. Wir werden Sie nochmal komplett durchchecken und damit sicherstellen, dass Sie den Eingriff und das künstliche Koma gut überstanden haben. Wenn Sie weiter keine Fragen an mich haben, dann überlasse ich Sie wieder Ihren Eltern und schaue später nach Ihnen.«
»Bis später«, verabschiedete ich mich von dem schlaksig wirkenden Arzt. Seine winzige Nickelbrille saß gänzlich unpassend in dem großen, mondförmigen Gesicht. Dafür hatte er dieses einnehmende Lächeln, das einem versicherte, dass alles gut werden würde.
»Könntet ihr mir bei Gelegenheit vielleicht ein paar Klamotten von zu Hause mitbringen? Hab’ ich noch so etwas wie ein Handy oder ist das in den Flammen verbrannt?«
»Natürlich, wir holen dir, was immer du möchtest. Ein paar Dinge habe ich dir bereits zurechtgelegt. Soll ich dir noch etwas Bestimmtes einpacken? Dein Handy war nicht bei dir, als du hier eingeliefert wurdest. Vielleicht hast du es zu Hause vergessen? Wenn nicht, dann kaufen wir dir einfach ein neues. Das sollte wirklich unsere kleinste Sorge sein.«
Ja, Geld war noch nie ein Problem gewesen. Denn davon hatten meine Adoptiveltern im Überfluss. Seit ich mein Studium beendet hatte, versuchte ich auf eigenen Beinen zu stehen, auch finanziell.
Allerdings konnten es die beiden einfach nicht lassen, mir immer wieder etwas zu schenken oder Geld zuzustecken, das ich überhaupt nicht wollte. Manchmal kam es mir so vor, als würden sie sich meine Liebe erkaufen wollen. Dabei meinten sie es sicher immer nur gut.
Es brach mir das Herz, sie so zurückzuweisen, aber ich konnte einfach nicht aus meiner Haut. Tagein, tagaus hatte ich das Gefühl, nicht dazuzugehören, kein rechtmäßiges Familienmitglied zu sein. Ich wollte einfach meinen eigenen Platz in der Welt finden.
Dennoch musste ich Mom recht geben. Wenn ich es richtig verstand, dann war ich nur knapp mit dem Leben davongekommen. Und ich machte mir gerade allen Ernstes Gedanken über mein Smartphone! Wieso war mir das kleine Gerät bloß in den Sinn gekommen? Irgendetwas verband ich damit.
»Mom, wo ist Samuel?«
»Oje, ich wusste, dass du uns das fragen würdest. Liebes, ich habe keine Ahnung. Er hat sich nicht bei uns gemeldet und wir konnten ihn nicht kontaktieren, weil wir keine Nummer von ihm hatten. Es scheint ganz so, als hätte er gar nicht mitbekommen, was vorgefallen ist. Obwohl es wirklich in jeder Tageszeitung stand und sogar im Fernsehen davon berichtet wurde. So etwas passiert schließlich auch in Chicago nicht alle Tage.«
Merkwürdig. Wenn Samuel mich nicht erreicht hatte, dann hätte er doch sicher versucht, mich im Museum anzutreffen, oder er hätte meine Freundinnen oder meine Eltern nach mir gefragt. Wenn er gewollt hätte, dann hätte es zig Möglichkeiten gegeben, mich zu finden.
Schließlich wusste er ja auch, wo meine Eltern lebten. Nein, irgendetwas war vorgefallen. Ich zermarterte mir das Hirn, kam aber einfach zu keinem schlüssigen Ergebnis.
Komischerweise stellte sich bei mir urplötzlich das dringende Bedürfnis ein, den Lack eines Wagens mit einem Schraubenzieher zu bearbeiten. Wirklich merkwürdig. Ich neigte für gewöhnlich nicht dazu, Dinge mutwillig zu beschädigen.
Vielleicht sollte ich Dr. Hepburn bei Gelegenheit fragen, ob das Komplikationen im Zusammenhang mit meiner Behandlung sein konnten. Erklären konnte ich mir das Ganze beim besten Willen nicht.
»So, Liebes, wir werden jetzt gehen und dir noch etwas Ruhe gönnen. Deine Freundinnen kommen dich am späten Nachmittag besuchen. Sie sind so dankbar, dass du wieder bei uns bist, und können es kaum abwarten, dich zu sehen.« Mom küsste mich behutsam auf die Stirn, während sie ihre Hände ganz sanft auf meine Wangen legte. Sie hatte Tränen in den Augen und dieses dankbare Lächeln auf den Lippen. Dad tat es ihr gleich und beide verließen wenig später den Raum.
Dann war ich wieder allein. Nur das monotone Rattern der Geräte um mich herum war noch zu hören. Was sollte ich nun tun? Die Zeit mit Löcher-in-die-Luft-Starren totschlagen und hoffen, dass mich bald wieder jemand besuchen kam?
Ich schnappte mir die Fernbedienung, nachdem ich es mir nicht vorstellen konnte, noch einen Moment länger diese Stille zu ertragen, und zappte wahllos die Sender hoch und runter. Das meiste war belangloses Zeug. Das leichte Schwindelgefühl nahm ich billigend in Kauf, solange ich mich nur nicht länger so einsam fühlen musste.
Das Gefühl der Einsamkeit war, kurz nachdem ich meine Lider wieder aufgeschlagen hatte, so präsent wie eh und je. Egal, wie sehr sich meine Eltern auch bemühten, ich fühlte mich nach all den Jahren noch immer wie ein Störfaktor in dem fast perfekten Familienidyll.
Da die beiden keine eigenen Kinder bekommen konnten, entschieden sie sich dazu, einem Waisenkind die Chance auf ein besseres Leben zu geben. Ich hatte alles, was man mit Geld kaufen konnte, musste nie darum betteln, wenn es neue Spielsachen gab. Nein, ich bekam die Dinge meist, noch ehe ich selbst etwas davon gehört hatte.
Tonnen an Kunststoff, später dann an lackiertem Blech, vermochten aber nie diese Leere tief in mir zu füllen. Die Einsamkeit, die sich in mir breitmachte, sobald ich meine Augen schloss, war uferlos.