Lederstrumpf - James Fenimore Cooper - E-Book

Lederstrumpf E-Book

James Fenimore Cooper

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Beschreibung

Komplett überarbeite Fassung in Neuer Deutsche Rechtschreibung Viele, die diese Geschichten nur aus den entschärften Jugendbüchern kennen, werden ob der Detailtiefe und Spannung dieser historischen Geschichten überrascht sein. Die Hauptfigur Nathaniel (Natty) Bumppo lebt als Pfadfinder und Wildtöter in Nord-Amerika. Seine Abenteuer beschreiben die Erschließung des amerikanischen Westens durch weiße Scouts, Trapper und Siedler, aber auch die allmähliche Zurückdrängung und Vernichtung der indianischen Kultur. Coopers Romane gelten als erste historische Romane überhaupt und waren bereits zu Lebzeiten des Autors sehr erfolgreich. Der Schriftsteller hatte erfolgreich das amerikanische Nationalgefühl seiner Zeit aufgegriffen und beschloss, Themen aus der Geschichte seines Landes aufzugreifen. Die Lederstrumpf-Romane waren ursprünglich nicht als Serie geplant. Erst durch die außerordentlich gute Aufnahme der Romane bei den Lesern schrieb Cooper die einzelnen Fortsetzungen. Die Romane spielen, wie aus den historischen Bezügen und Coopers Hinweisen ersichtlich, in verschiedenen Epochen. Die Dauer der Handlung beträgt etwa 60 Jahre. Vor dem Hintergrund heftiger Kämpfe um die Vorherrschaft im Nordosten Amerikas erzählt diese Abenteuergeschichte von Flucht, Verrat und Verantwortung und schafft so des historischen Abenteuerromans. Null Papier Verlag

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James Fenimore Cooper

Lederstrumpf

Alle fünf Bände

James Fenimore Cooper

Lederstrumpf

Alle fünf Bände

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]Übersetzung: Richard Zoozmann, Carl Friedrich Meurer, Dr. Leonhard Tafel, Carl Kolb, Gustav Pfizer 2. Auflage, ISBN 978-3-962813-44-4

null-papier.de/angebote

Inhaltsverzeichnis

Der Wildtö­ter

Der letz­te Mo­hi­ka­ner

Der Pfad­fin­der

Die An­sied­ler

Die Step­pe

In­dex

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie sich für ein E-Book aus mei­nem Ver­lag ent­schie­den ha­ben.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

Ihr Jür­gen Schul­ze

Klas­si­ker bei Null Pa­pier

Ali­ce im Wun­der­land

Anna Ka­re­ni­na

Der Graf von Mon­te Chri­sto

Die Schat­zin­sel

Ivan­hoe

Oli­ver Twist oder Der Weg ei­nes Für­sor­ge­zög­lings

Ro­bin­son Cru­soe

Das Got­tes­le­hen

Meis­ter­no­vel­len

Eine Weih­nachts­ge­schich­te

und wei­te­re …

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Der Wildtöter

Vorrede.

Die­ses Buch wur­de nicht ohne man­che Be­sorg­nis­se we­gen sei­ner mut­maß­li­chen Auf­nah­me ge­schrie­ben. Ei­nen und den­sel­ben Cha­rak­ter durch fünf ver­schie­de­ne Wer­ke hin­durch­füh­ren, konn­te als all­zu­ke­cke Zu­mu­tung an die Gut­mü­tig­keit des Pub­li­kums er­schei­nen, und Man­che möch­ten mit Grund dies als ein Un­ter­fan­gen an­se­hen, das an sich schon zur Miss­bil­li­gung her­aus­for­de­re. Auf die­sen sehr na­tür­li­chen Vor­wurf kann der Ver­fas­ser nur er­wi­dern, dass, wenn er in die­sem Fal­le einen schwe­ren Feh­ler be­gan­gen, sei­ne Le­ser selbst ei­ni­ger­ma­ßen die Verant­wor­tung da­für auf sich ha­ben. Die güns­ti­ge Auf­nah­me, wel­che den spä­te­ren Schick­sa­len und dem Tode Le­der­strumpfs zu Teil wur­de, hat der See­le des Ver­fas­sers we­nigs­tens es zu ei­ner Art von Not­wen­dig­keit ge­macht, auch von sei­nen jün­ge­ren Jah­ren Nach­richt zu ge­ben. Kurz, die Ge­mäl­de sei­nes Le­bens, wie sie nun ein­mal sind, wa­ren schon so voll­stän­dig, dass sie wohl ei­ni­ges Ver­lan­gen er­we­cken konn­ten, die Ge­samt­zeich­nung zu se­hen, nach wel­cher sie alle ge­malt wur­den.

Die »Le­der­strump­fer­zäh­lun­gen« bil­den jetzt eine Art von fün­fak­ti­gem Dra­ma, voll­stän­dig, was den In­halt und den Plan be­trifft, wenn auch ver­mut­lich sehr man­gel­haft in der Aus­füh­rung. So wie sie sind, hat sie die Le­se­welt vor sich. Der Ver­fas­ser hofft, sie wer­de, ent­schie­de sie auch da­hin, dass der hier vor­lie­gen­de Akt, der letz­te in der Aus­füh­rung, ob­wohl der ers­te in der na­tür­li­chen Ord­nung der Lek­tü­re, nicht der bes­te der gan­zen Rei­he­fol­ge sei, doch das Ur­teil fäl­len, dass er auch nicht eben der schlech­tes­te sei. Mehr als ein­mal hat er sich ver­sucht ge­fühlt, sein Ma­nu­skript zu ver­bren­nen und sich zu ei­nem an­de­ren Ge­gen­stand zu wen­den, ob­wohl er im Ver­lau­fe sei­ner Ar­beit eine Auf­mun­te­rung von so ei­gen­tüm­li­cher Art er­hielt, dass es sich ver­lohnt, sie zu er­wäh­nen. Ein an­ony­mer Brief aus Eng­land, von der Hand ei­ner Dame, wie ihn däucht, kam ihm zu, worin er drin­gend auf­ge­for­dert wur­de, un­ge­fähr eben das zu tun, was er schon mehr als halb aus­ge­führt hat­te, – ein Wunsch, den er sehr ger­ne als ein Zei­chen deu­tet, dass sein Ver­such teil­wei­se wer­de ver­zie­hen, wo nicht ent­schie­den ge­bil­ligt wer­den.

We­nig braucht er über die Cha­rak­tere und die Sze­ne­rie die­ser Er­zäh­lung zu sa­gen. Jene sind na­tür­lich Werk der Dich­tung; die­se aber ist der Na­tur so treu, als nur im­mer die ver­trau­te Be­kannt­schaft mit dem jet­zi­gen Aus­se­hen der ge­schil­der­ten Ge­gend, und Ver­mu­tun­gen über ih­ren frü­he­ren Cha­rak­ter, so wahr­schein­lich als die Ein­bil­dungs­kraft sie an die Hand gab, den Ver­fas­ser in Stand setz­ten, sie zu schil­dern. See, Ber­ge, Tal und Wald sind ins­ge­samt, wie er glaubt, ge­nau ge­nug dar­ge­stellt, wäh­rend Fluss, Fels und Küs­te treue Ab­zeich­nun­gen der Na­tur sind. Selbst die ein­zel­nen vor­sprin­gen­den Punk­te exis­tie­ren, et­was ver­än­dert durch die Zi­vi­li­sa­ti­on, aber doch so ent­spre­chend den Schil­de­run­gen, dass je­der, der mit der Sze­ne­rie der frag­li­chen Ge­gend ver­traut ist, sie leicht er­kennt.

Was die his­to­ri­sche Treue bei den Er­eig­nis­sen die­ser Er­zäh­lung im Gan­zen und im Ein­zel­nen be­trifft, so ist der Ver­fas­ser ge­son­nen, hier auf sei­nem Recht zu be­ste­hen, und dar­über nicht mehr zu sa­gen, als was er für not­wen­dig er­ach­tet. Bei dem großen Streit um Wahr­heit, der zwi­schen Ge­schich­te und Fik­ti­on wal­tet, ist der Vor­teil so oft auf der Sei­te der letz­te­ren, dass er sehr ge­neigt ist, den Le­ser auf sei­ne ei­ge­nen For­schun­gen zu ver­wei­sen, um über die­sen Punkt ins Rei­ne zu kom­men. Soll­te es sich bei ge­nau­er Un­ter­su­chung zei­gen, dass ein an­er­kann­ter His­to­ri­ker, dass öf­fent­li­che Ur­kun­den oder auch Lo­kal­tra­di­tio­nen den An­ga­ben die­ses Buchs wi­der­spre­chen, so ist der Ver­fas­ser be­reit, zu­zu­ge­ste­hen, dass der Um­stand sei­ner Auf­merk­sam­keit gänz­lich ent­ging, und sei­ne Un­wis­sen­heit zu be­ken­nen. An­de­rer­seits, soll­te sich’s fin­den, dass die An­na­len Ame­ri­ka’s nicht eine Sil­be ent­hal­ten, die dem, was hier der Welt vor­ge­legt wird, wi­der­sprä­che, – wie er denn fest glaubt, dass die For­schung dies aus­wei­sen wer­de – so wird er für sei­ne Er­zäh­lung ge­nau so viel Glaub­wür­dig­keit in An­spruch neh­men, als sie ver­dient.

Es gibt eine an­sehn­li­che Klas­se von Ro­man­le­sern – an­sehn­lich eben­so we­gen ih­rer Zahl als in je­dem an­de­ren Be­tracht, – die man oft mit dem Mann ver­gli­chen hat, der »singt, wenn er liest, und liest, wenn er singt«. Die­se Leu­te sind über die Ma­ßen fan­ta­sie­reich in al­lem Tat­säch­li­chen, und so buch­stäb­lich pe­dan­tisch, wie die Über­set­zung ei­nes Schul­kna­ben, in al­lem, was zur Poe­sie ge­hört. Zum Nutz und From­men al­ler sol­cher Leu­te wird hie­mit aus­drück­lich er­klärt, dass Ju­dith Hut­ter eben Ju­dith Hut­ter ist, und kei­ne an­de­re Ju­dith; und über­haupt, dass, wenn ir­gend­wo bei ei­nem Tauf­na­men oder bei der Far­be des Haa­res eine Ähn­lich­keit, ein Zu­sam­men­tref­fen sich fin­det, nichts wei­ter ge­meint ist, als was für den Un­be­fan­ge­nen in der Gleich­heit des Tauf­na­mens oder der Haar­far­be liegt. Lan­ge Er­fah­rung hat den Ver­fas­ser be­lehrt, dass die­ser Teil sei­ner Le­ser der bei wei­tem am schwers­ten zu be­frie­di­gen­de ist, und er möch­te ih­nen, zum Bes­ten bei­der Par­tei­en, den ehr­er­bie­ti­gen Rat ge­ben, den Ver­such zu ma­chen und Wer­ke der Ein­bil­dungs­kraft so zu le­sen, als wä­ren es Er­zäh­lun­gen po­si­ti­ver Tat­sa­chen. Ein sol­ches Ver­fah­ren könn­te sie viel­leicht in Stand set­zen, an die Mög­lich­keit der Dich­tung zu glau­ben.

Erstes Kapitel.

O wel­che Lust im Wald, pfad­los, ver­schlun­gen! O welch Ent­zücken am ent­leg’­nen Strand! Dort ist Ge­sell­schaft, die nicht auf­ge­drun­gen, Am Meer, in des­sen Sturm Mu­sik ich fand! Den Men­schen lie­b’ ich, doch noch mehr ver­stand Ich die Na­tur; mit ihr, will ich nicht fra­gen Was ich wohl könn­te sein, einst war! Ver­wandt Durch sie dem All, fühl’ ich, was aus­zu­sa­gen Ich nicht ver­mag, noch ganz mit Schwei­gen kann er­tra­gen.

Chil­de Ha­rold.

Er­eig­nis­se ha­ben für die mensch­li­che Vor­stel­lung die Wir­kun­gen der Zeit. So kann sich, wer weit ge­reist ist und Viel ge­se­hen hat, leicht ein­bil­den, lan­ge ge­lebt zu ha­ben, und die­je­ni­ge Ge­schich­te, wel­che am reichs­ten ist an wich­ti­gen Be­ge­ben­hei­ten, nimmt am frü­he­s­ten den Cha­rak­ter und Schein ei­nes weit zu­rück­rei­chen­den Al­ters an. Auf kei­ne an­de­re Wei­se ver­mö­gen wir uns das Ge­prä­ge von Ehr­wür­dig­keit zu er­klä­ren, das schon den An­na­len Ame­ri­kas an­haf­tet. Wenn der Geist zu­rück­schaut in die frü­he­s­ten Tage der Ge­schich­te der Ko­lo­ni­en, so scheint jene Pe­ri­ode fern und dun­kel, da die tau­send Wech­sel­fäl­le, wel­che an die Ket­ten­glie­der der Erin­ne­rung sich he­randrän­gen, den Ur­sprung der Na­ti­on in eine Fer­ne rück­wärts schie­ben, die schein­bar im Ne­bel un­vor­denk­li­cher Zeit liegt, und doch wür­den vier Men­schen­al­ter von ge­wöhn­li­cher Le­bens­dau­er hin­rei­chen, um von Mund zu Mund, in der Ge­stalt der Tra­di­ti­on, al­les zu über­lie­fern, was zi­vi­li­sier­te Men­schen im Be­reich der Re­pu­blik ge­leis­tet ha­ben. Ob­gleich Neu-York al­lein eine Be­völ­ke­rung be­sitzt, grö­ßer in Wahr­heit, als die der vier kleins­ten Kö­nig­rei­che Eu­ro­pa’s, oder auch als die der ge­sam­ten Schwei­ze­ri­schen Eid­ge­nos­sen­schaft, ist es doch erst We­nig mehr, als zwei Jahr­hun­der­te her, seit die Hol­län­der ihre Nie­der­las­sun­gen be­gan­nen und das Land aus dem wil­den Zu­stand em­por­ho­ben. So wird, was durch die Häu­fung von wech­seln­den Er­eig­nis­sen den ehr­wür­di­gen Schein des Al­ters an­nimmt, zu ver­trau­te­rer Ge­wöhn­lich­keit zu­rück­ge­führt, wenn wir es ernst und nüch­tern nur in sei­nem Zeit­ver­hält­nis ins Auge fas­sen.

Die­ser Blick auf die Per­spec­ti­ve der Ver­gan­gen­heit wird den Le­ser vor­be­rei­ten, dass er die Ge­mäl­de, die wir zu ent­wer­fen im Be­grif­fe ste­hen, mit we­ni­ger Über­ra­schung be­trach­tet, als er viel­leicht sonst emp­fun­den hät­te, und ei­ni­ge wei­te­re Er­läu­te­run­gen füh­ren viel­leicht sei­ne Ein­bil­dungs­kraft zu­rück zur ge­nau­ern und deut­li­chern An­schau­ung des­je­ni­gen Ge­sell­schafts­zu­stan­des, den wir zu schil­dern wün­schen. Es ist eine ge­schicht­li­che Tat­sa­che, dass die Nie­der­las­sun­gen an den öst­li­chen Ufern des Hud­son, wie Cla­ve­rack, Kin­der­hook und selbst Pough­keep­sie vor hun­dert Jah­ren als nicht si­cher vor Ein­fäl­len der In­dia­ner gal­ten, und noch steht an den Ufer­hö­hen des ge­nann­ten Flus­ses, nur einen Mus­ke­ten­schuss weit von den Ca­jen von Al­ba­ny, ein Schloss ei­nes jün­gern Zwei­ges der Van Rens­se­laers mit Schieß­schar­ten zur Ver­tei­di­gung ge­gen eben je­nen schlau­en Feind, ob­gleich es aus ei­ner kaum so fer­nen Zeit stammt. An­de­re ähn­li­che Erin­ne­run­gen und Ur­kun­den von der großen Ju­gend des Lan­des fin­det man hin und wie­der selbst in den Ge­gen­den, die als der ei­gent­li­che Mit­tel­punkt ame­ri­ka­ni­scher Zi­vi­li­sa­ti­on be­trach­tet wer­den, – zum klars­ten Be­wei­se, dass alle un­se­re Si­cher­heit vor Ein­fäl­len und feind­li­cher Ge­walt­tat die Frucht ei­ner nicht viel län­gern Zeit ist, als wel­che nicht sel­ten Ein Men­schen­le­ben um­fasst.

Die Be­ge­ben­hei­ten die­ser Er­zäh­lung fal­len zwi­schen die Jah­re 1740 und 1745, wo die mit Nie­der­las­sun­gen be­setz­ten Stri­che der Ko­lo­nie Neu-York sich auf die vier At­lan­ti­schen Be­zir­ke, einen schma­len Land­gür­tel auf je­der Sei­te des Hud­sons, von des­sen Mün­dung bis zu den Fäl­len in der Nähe sei­nes Ur­sprungs, und auf ei­ni­ge we­ni­ge vor­ge­schob­ne »Nach­bar­schaf­ten« am Mo­hawk und Scho­ha­rie be­schränk­ten. Brei­te Gür­tel der Ur­wild­nis reich­ten nicht nur bis an die Ufer des ers­ten Stro­mes, son­dern kreuz­ten ihn so­gar, in­dem sie nach Neu-Eng­land hin sich fort­setz­ten und mit ih­ren Wäl­dern Schutz und Ver­steck bo­ten dem ge­räusch­lo­sen Moc­ca­sin des ein­ge­bor­nen Krie­gers, wenn er auf dem ver­bor­gnen und blu­ti­gen Kriegs­pfad da­her­schlich. Ein Blick aus der Vo­gel­per­spek­ti­ve auf die gan­ze Ge­gend öst­lich vom Mis­sis­sip­pi muss­te da­mals eine un­er­mess­li­che Aus­deh­nung von Wäl­dern zei­gen, ab­wech­selnd mit ei­nem ver­glei­chungs­wei­se schma­len Saum an­ge­bau­ten Lan­des der See ent­lang, punk­tiert gleich­sam durch die schim­mern­den Spie­gel der Seen, und durch­schnit­ten von den be­weg­ten Li­ni­en der Strö­me. In ei­nem so un­ge­heu­ern Bil­de fei­er­lich erns­ter Ein­sam­keit ver­liert sich der Land­strich, des­sen Schil­de­rung wir be­ab­sich­ti­gen, fast in Un­be­deu­ten­heit, doch füh­len wir uns er­mu­tigt, zur Aus­füh­rung zu schrei­ten, durch die Über­zeu­gung, dass, leich­te und un­we­sent­li­che Un­ter­schie­de ab­ge­rech­net, der­je­ni­ge, dem eine ge­naue An­schau­ung ei­nes Teils die­ser wil­den Ge­gend zu ver­schaf­fen ge­lingt, not­wen­dig auch einen ziem­lich rich­ti­gen Be­griff vom Gan­zen dem Le­ser ge­ben muss.

Wel­che Ver­än­de­run­gen und Ver­wand­lun­gen auch durch die Men­schen­hand mö­gen be­wirkt wor­den sein, der ewi­ge Kreis der Jah­res­zei­ten ist nicht zer­ris­sen wor­den. Som­mer und Win­ter, Saat- und Ern­te-Zeit keh­ren mit er­ha­be­ner Ge­nau­ig­keit im­mer wie­der in der ih­nen ge­setz­ten Ord­nung, und bie­ten dem Men­schen eine der al­le­re­dels­ten und ge­nuss­reichs­ten Ge­le­gen­hei­ten, die hohe Macht sei­nes weit­rei­chen­den Geis­tes zu be­stä­ti­gen, in­dem er die Ge­set­ze er­fasst, wel­che ihre stren­ge Gleich­för­mig­keit be­herr­schen, und ihre nie en­den­den Um­krei­sun­gen be­rech­net. Hun­der­te von Som­mer­son­nen hat­ten die Wip­fel der ed­len Ei­chen und Fich­ten er­wärmt, und ihre Glut selbst bis in die zä­hen Wur­zeln hin­ab­ge­sen­det, als man Stim­men ein­an­der ru­fen hör­te in den Tie­fen ei­nes Wal­des, des­sen laubrei­che Höhe in dem glän­zen­den Licht ei­nes wol­ken­lo­sen Ju­ni­us­ta­ges schwamm, wäh­rend die Stäm­me der Bäu­me in dem Schat­ten un­ten in düst­rer Grö­ße sich er­ho­ben. Die An­ru­fun­gen wa­ren von ver­schie­de­nem Ton, und rühr­ten un­ver­kenn­bar von zwei Män­nern her, die den Weg ver­lo­ren hat­ten, und jetzt in ver­schie­de­nen Rich­tun­gen den rech­ten Pfad wie­der such­ten. End­lich zeug­te ein jauch­zen­der Schrei von glück­li­chem Er­folg und im Au­gen­blick dar­auf brach ein Mann her­vor aus dem ver­wor­re­nen La­by­rinth ei­nes klei­nen Sump­fes und trat in eine Lich­tung, wel­che teils durch die Ver­hee­run­gen des Win­des, teils durch die des Feu­ers ent­stan­den zu sein schi­en. Die­ser klei­ne, of­fe­ne Platz, der eine freie An­sicht des Him­mels ge­stat­te­te, ob­gleich er ziem­lich an­ge­füllt war mit ge­fall­nen Bäu­men, lag ne­ben ei­nem der ho­hen Hü­gel oder nie­dern Ber­ge, aus wel­chen bei­na­he die gan­ze Ober­flä­che der be­nach­bar­ten Ge­gend be­stand.

»Hier ist ein Platz zum Atem­schöp­fen!« rief der be­frei­te Wald­mann, so­bald er sich un­ter blau­em Him­mel be­fand, und schüt­tel­te sei­nen ge­wal­ti­gen Kör­per, wie ein Spür­hund, der eben ei­ner Schnee­we­he ent­ron­nen ist: »Hur­rah! Wildtö­ter; hier ist we­nigs­tens Ta­ges­licht und dort der See!«

Die­se Wor­te wa­ren kaum ge­spro­chen, als der zwei­te Wald­mann bei dem Buschwer­ke des Sump­fes her­vortauch­te und auf dem frei­en Plat­ze er­schi­en. Nach­dem er in der Eile sei­ne Waf­fen und sei­ne in Un­ord­nung ge­kom­me­ne Klei­dung wie­der zu­recht ge­macht, kam er zu sei­nem Ge­nos­sen her­an, der schon An­stal­ten zu ei­nem Auf­ent­halt mach­te.

»Kennt Ihr die­se Stel­le?« frag­te der als ›Wildtö­ter‹ An­ge­ru­fe­ne, »oder habt ihr so ge­jauchzt bei dem An­blick der Son­ne?«

»Bei­des, Jun­ge, bei­des; ich ken­ne die Stel­le und es tut mir nicht leid, einen so nütz­li­chen Freund zu er­bli­cken, als die Son­ne ist. Jetzt ha­ben wir doch wie­der die Rich­tun­gen des Com­pas­ses im Kopf, und es ist jetzt un­ser eig­ner Feh­ler, wenn wir sie uns wie­der durch ir­gend Et­was kun­ter­bunt durch­ein­an­der wer­fen las­sen, wie uns vor­hin ge­sch­ah. Mein Name ist nicht Hur­ry Har­ry, wenn dies nicht der Platz ist, wo die Land-Jä­ger im letz­ten Som­mer la­ger­ten und eine Wo­che zu­brach­ten. Seht, dort sind die ab­ge­stor­be­nen Bü­sche von ih­rem Zelt, und hier ist die Quel­le. So sehr ich die Son­ne lie­be, Jun­ge, so brau­che ich mir doch jetzt nicht von ihr sa­gen zu las­sen, dass es Mit­tag ist; die­ser mein Ma­gen ist ein so gu­ter Zeit­mes­ser, als es nur im­mer in der Ko­lo­nie gibt, und er weist schon auf halb ein Uhr. So öff­net denn den Qu­er­sack, da­mit wir uns wie­der auf­zie­hen, um wei­te­re sechs Stun­den zu ge­hen.«

Auf die­sen Vor­schlag mach­ten sich bei­de dar­an, die nö­ti­gen Vor­be­rei­tun­gen zu ih­rem ge­wöhn­li­chen fru­ga­len, aber herz­haf­ten Mah­le zu ma­chen. Wir wol­len die­se Un­ter­bre­chung des Ge­sprächs be­nüt­zen, dem Le­ser einen Be­griff von der äu­ßern Er­schei­nung der Män­ner zu ge­ben, wel­che bei­de be­stimmt sind, eine nicht un­be­deu­ten­de Rol­le in un­se­rer Er­zäh­lung zu spie­len. Es wäre nicht leicht ge­we­sen, ein ed­le­res Bild kraft­vol­ler Männ­lich­keit zu fin­den, als wel­ches in der Per­son des­je­ni­gen sich dar­bot, der sich selbst Hur­ry Har­ry nann­te. Sein wah­rer Name war Hen­ry March; aber die Grenz­män­ner ha­ben von den In­dia­nern die Sit­te an­ge­nom­men, so­bri­quets (Spitz­na­men) zu ge­ben, und so wur­de die Be­zeich­nung: »Hur­ry« weit öf­ter ge­braucht, als sein ei­gent­li­cher Name und nicht sel­ten wur­de er Hur­ry Skur­ry1 ge­nannt, ein Spitz­na­me, den er we­gen sei­nes fah­ri­gen, rück­sichts­lo­sen, kurz­an­ge­bun­de­nen We­sens be­kom­men hat­te, und we­gen ei­ner phy­si­schen Rast­lo­sig­keit, die ihn in so be­stän­di­ger Be­we­gung er­hielt, dass er auf der gan­zen Li­nie der zwi­schen der Pro­vinz und den Ca­na­da’s zer­streu­ten Woh­nun­gen be­kannt war. Die Sta­tur Hur­ry Har­ry’s be­trug über sechs Fuß einen Zoll, und da er un­ge­mein wohl ge­baut war, ent­sprach sei­ne Stär­ke voll­kom­men den Be­grif­fen, die sein rie­sen­haf­ter Kör­per er­weck­te. Das Ge­sicht pass­te gar nicht übel zu dem üb­ri­gen Man­ne, denn es war gut­mü­tig und hübsch. Sein We­sen war frei und of­fen, und ob­gleich sein Be­neh­men und sei­ne Art not­wen­dig von der Roh­heit des Grenz­ler­le­bens Et­was an­neh­men muss­ten, ver­hü­te­te doch die ei­ner so ed­len Na­tur an­ge­bor­ne Groß­ar­tig­keit, dass er nie ganz ge­mein wer­den konn­te.

Wildtö­ter, wie Hur­ry sei­nen Beglei­ter nann­te, war sei­nem Äu­ßern wie sei­nem Cha­rak­ter nach, ein ganz and­rer Mensch. Was den Wuchs be­trifft, so maß er wohl ge­gen sechs Fuß in sei­nen Moc­cas­ins, aber sein Kör­per war ver­glei­chungs­wei­se leicht und schlank, zeig­te je­doch Mus­keln, die, wo nicht un­ge­wöhn­li­che Stär­ke, doch un­ge­wöhn­li­che Ge­wandt­heit ver­rie­ten. Sein Ant­litz hät­te we­nig Emp­feh­len­des ge­habt, au­ßer der Ju­gend­lich­keit, wäre nicht dar­in ein Aus­druck ge­we­sen, der sel­ten sei­nes ge­win­nen­den Ein­drucks bei Al­len ver­fehl­te, die Ge­le­gen­heit hat­ten, es ge­nau­er zu prü­fen, und dem Ge­füh­le des Ver­trau­ens, das es ein­flö­ßte, sich zu über­las­sen. Die­ser Aus­druck war ein­fach der: arg­lo­ser Wahr­haf­tig­keit, ge­paart mit ei­nem Ernst des Wil­lens und ei­ner Lau­ter­keit des Ge­fühls, die man sonst nicht leicht sah. Zu Zei­ten er­schi­en dies Ge­prä­ge von auf­rich­ti­ger Red­lich­keit in sol­cher Ein­falt, dass es auf den Ver­dacht brin­gen konn­te, es feh­le ihm an der Fä­hig­keit, zwi­schen Trug und Wahr­heit zu un­ter­schei­den; aber We­ni­ge ka­men in nä­he­re, in­ni­ge­re Berüh­rung mit dem Man­ne, ohne dies Miss­trau­en ge­gen sei­ne Ein­sich­ten und Be­weg­grün­de zu ver­lie­ren.

Bei­de Grenz­män­ner wa­ren noch jung, denn Hur­ry Har­ry hat­te erst das sechs- oder acht­und­zwan­zigs­te Jahr er­reicht, und Wildtö­ter zähl­te noch ei­ni­ge Jah­re we­ni­ger. Ihr An­zug be­darf kei­ner ge­nau­en Be­schrei­bung, nur so viel mag er­wähnt wer­den, dass er zu ei­nem nicht klei­nen Tei­le aus zu­ge­rich­te­ten Hirsch­häu­ten be­stand, und die ge­wöhn­li­chen Spu­ren an sich trug, wel­che ver­rie­ten, dass er Män­nern ge­hör­te, die ihr Le­ben auf der Gren­ze zwi­schen der zi­vi­li­sier­ten Ge­sell­schaft und den end­lo­sen Wäl­dern zu­brach­ten. Den­noch be­merk­te man ei­ni­ge Auf­merk­sam­keit und ein Be­stre­ben, sich pro­per und ma­le­risch zu zei­gen in Wildtö­ters An­zug, und ganz be­son­ders im Punkt sei­ner Waf­fen und sei­nes Jagd­zeu­ges. Sei­ne Büch­se war im voll­kom­mens­ten Stand, der Hand­griff sei­nes Waid­mes­sers war zier­lich ge­schnitzt, sein Pul­ver­horn mit pas­sen­den Sinn­bil­dern, leicht ein­ge­schnit­ten in den Stoff, wor­aus es be­stand, ver­ziert, und sei­ne Jagd­ta­sche mit Wam­pum ge­schmückt. Da­ge­gen trug Hur­ry Har­ry, sei es nun aus na­tür­li­cher Gleich­gül­tig­keit, oder im ge­hei­men Be­wusst­sein, wie we­nig sei­ne äu­ße­re Er­schei­nung ei­ner künst­li­chen Nach­hil­fe be­durf­te, al­les in nach­läs­si­ger, lie­der­li­cher­wei­se an sich, als füh­le er eine edle Ver­ach­tung ge­gen die ärm­li­chen Ne­ben­din­ge, wie Klei­dung und Schmuck. Vi­el­leicht wur­de der ei­gen­tüm­li­che Ein­druck, den sein ho­her Wuchs und sei­ne schö­ne Ge­stalt mach­ten, durch die­se un­stu­dier­te, hoch­mü­ti­ge Gleich­gül­tig­keit in sei­ner äu­ße­ren Er­schei­nung, eher ver­stärkt als ver­min­dert.

»Kommt, Wildtö­ter, haut ein, und be­weist, dass Ihr einen De­la­wa­ren-Ma­gen habt, wie Ihr nach Eu­rer Be­haup­tung eine De­la­wa­ren-Er­zie­hung ge­habt!« rief Hur­ry, der mit gu­tem Bei­spiel vor­an­ging, und den Mund auf­riss, um ein Stück kal­ten Wild­prets auf­zu­neh­men, das für einen eu­ro­päi­schen Bau­ern eine gan­ze Mahl­zeit ge­we­sen wäre, »haut ein, Bur­sche, und zeigt Eure Mann­haf­tig­keit an die­sem ar­men Teu­fel von Dam­tier mit Eu­ern Zäh­nen, wie Ihr es schon ge­tan mit Eu­rer Büch­se.«

»Nein, nein, Hur­ry, dar­an ist nicht viel Mann­haf­tig­keit, ein ar­mes Tier zu tö­ten, und dazu noch au­ßer der rech­ten Zeit, wohl aber mag es eine sein, eine Unze oder einen Pan­ther zu fäl­len«, ver­setz­te der an­de­re, sich an­schi­ckend, der Auf­for­de­rung zu fol­gen. »Die De­la­wa­ren ha­ben mir mei­nen Na­men ge­ge­ben nicht so wohl in Be­tracht ei­nes küh­nen Her­zens, als viel­mehr ei­nes schar­fen Au­ges und ei­nes flin­ken Fu­ßes. Es mag nichts Fei­ges dar­an sein, ein Tier zu fäl­len, aber ge­wiss ist es kei­ne große Tap­fer­keit.«

»Die De­la­wa­ren selbst sind kei­ne Hel­den«, mur­mel­te Hur­ry zwi­schen den Zäh­nen, da er den Mund zu voll hat­te, um ihn ganz auf­tun zu kön­nen, »sonst hät­ten sie sich nim­mer­mehr von den lum­pi­gen Va­ga­bun­den, den Min­go’s, zu Wei­bern ma­chen las­sen.«

»Die Sa­che ist nicht recht be­kannt – ist nie recht er­klärt wor­den«, ver­setz­te Wildtö­ter ernst, denn er war ein eben so eif­ri­ger Freund, wie sein Beglei­ter als Feind ge­fähr­lich war, »die Min­go’s fül­len die Wäl­der mit ih­ren Lü­gen, und miss­deu­ten Wor­te und Ver­trä­ge. Ich lebe jetzt zehn Jah­re un­ter den De­la­wa­ren, und ken­ne sie als so mann­haft wie jede and­re Na­ti­on, wenn die rech­te Zeit zum Schla­gen kommt.«

»Hört, Meis­ter Wildtö­ter, weil wir ein­mal bei dem Ge­gen­stand sind, kön­nen wir wohl un­ser Herz ge­gen­ein­an­der öff­nen, wie es sich un­ter Män­nern ziemt; ant­wor­tet mir auf eine Fra­ge: Ihr habt so viel Glück ge­habt mit dem Wild, dass Ihr da­von einen Ehren­ti­tel führt, wie es scheint, aber habt Ihr je eine mensch­li­che oder ver­nünf­ti­ge Crea­tur ge­trof­fen? – habt Ihr je ab­ge­drückt auf einen Feind, der im­stan­de war, auch auf Euch ab­zu­drücken?«

Die­se Fra­ge er­zeug­te in der Brust des Jüng­lings eine ei­gen­tüm­li­che Col­li­si­on zwi­schen Krän­kung und rich­ti­gem Ge­fühl, die sich leicht im Mie­nen­spiel sei­nes red­li­chen Ge­sichts le­sen ließ. Der Kampf war je­doch kurz; die Auf­rich­tig­keit des Her­zens ge­wann bald die Ober­hand über falschen Stolz und die Prahl­sucht des Grenz­manns.

»Die Wahr­heit zu ge­ste­hen, nie­mals«, ant­wor­te­te Wildtö­ter, »aus dem Grun­de, weil sich nie eine ge­eig­ne­te Ge­le­gen­heit zeig­te. Die De­la­wa­ren sind fried­lich ge­we­sen die gan­ze Zeit mei­nes Auf­ent­hal­tes un­ter ih­nen, und ich hal­te es für un­recht, ei­nem Men­schen das Le­ben zu neh­men an­ders als in of­fe­nem, ehr­li­chem Krie­ge.«

»Was! habt Ihr nie einen Kerl be­trof­fen, der die­bisch un­ter Eu­ren Fal­len und Häu­ten her­um­schlich, und habt an ihm mit eig­ner Hand das Ge­setz exe­quirt, um den Be­hör­den die Mühe zu er­spa­ren in den An­sied­lun­gen, und dem Bur­schen selbst die Kos­ten des Pro­zes­ses?«

»Ich bin kein Fal­len­jä­ger, Hur­ry«, er­wi­der­te der jun­ge Mann stolz: »ich lebe von der Büch­se, ei­ner Waf­fe, in de­ren Hand­ha­bung ich kei­nem Man­ne von mei­nen Jah­ren nach­ste­hen will zwi­schen dem Hud­son und dem St. La­wrence. Ich bie­te nie eine Haut zum Ver­kauf, die nicht ein Loch am Kopf hat ne­ben de­nen, wel­che die Na­tur dort ge­macht hat zum Se­hen und zum At­men.«

»Ja, ja, das ist al­les recht gut mit den Tie­ren, aber es macht doch eine arm­se­li­ge Fi­gur ne­ben Skal­pen und Hin­ter­hal­ten. Ei­nen In­dia­ner aus ei­nem Hin­ter­halt nie­der­schie­ßen, heißt nur nach sei­nen eig­nen Grund­sät­zen han­deln, und jetzt, da wir einen recht­mä­ßi­gen Krieg ha­ben, wie Ihr es nennt, wird, je eher Ihr die­se Schmach von Eu­rem Ge­wis­sen wischt, umso ge­sün­der Euer Schlaf sein, wenn auch nur da­durch, dass Ihr wisst, es schleicht und heult Ein Feind we­ni­ger in den Wäl­dern. Ich wer­de nicht lan­ge Eure Ge­sell­schaft su­chen und he­gen, Freund Nat­ty, wenn Ihr den Sinn nicht hö­her tragt, als Eure Büch­se ge­gen vier­fü­ßi­ge Crea­tu­ren zu ge­brau­chen.«

»Uns­re Rei­se ist bei­na­he zu Ende, wie Ihr sagt, Meis­ter March, und wir kön­nen heu­te Nacht uns tren­nen, wenn es Euch ge­le­gen scheint. Ich habe einen Freund, der auf mich war­tet, und der es für kei­ne Schan­de hal­ten wird, mit ei­nem Mit­menschen um­zu­ge­hen, der noch kei­nen sei­ner Gat­tung er­schla­gen hat.«

»Ich möch­te wohl wis­sen, was den schlei­chen­den De­la­wa­ren in die­se Ge­gend des Lan­des ge­führt hat, so früh in der Jah­res­zeit«, mur­mel­te Hur­ry vor sich hin in ei­ner Wei­se, die eben­so sehr Miss­trau­en zeig­te, als auch Gleich­gül­tig­keit da­ge­gen, ob er es ver­ra­te. »Wo sagt Ihr, dass der jun­ge Häupt­ling Euch zu tref­fen ver­ab­re­det habe?«

»Auf ei­nem klei­nen, run­den Fel­sen, un­ten am See, wo, wie man mir sagt, die Stäm­me ihre Ver­trä­ge zu ma­chen und ihre Strei­täx­te zu be­gra­ben pfle­gen. Die­sen Fel­sen habe ich oft von den De­la­wa­ren nen­nen hö­ren, ob­gleich See und Fels mir gleich un­be­kannt sind. Der Land­strich wird von den Min­go’s und von den Mo­hi­ka­nern in An­spruch ge­nom­men, und ist in Frie­dens­zeit eine Art von ge­mein­sa­mem Grund und Bo­den zum Fi­schen und Ja­gen; was es aber in Kriegs­zei­ten wer­den mag, weiß der Him­mel al­lein!«

»Ge­mein­sa­mer Grund und Bo­den!« rief Hur­ry, laut la­chend. »Ich möch­te wohl wis­sen, was Floa­ting Tom Hut­ter dazu sa­gen wür­de. Er spricht den See als sein Ei­gen­tum an, in Kraft fünf­zehn­jäh­ri­gen Be­sit­zes, und wird ihn schwer­lich we­der den Min­go’s noch den De­la­wa­ren ab­tre­ten, ohne dar­um zu kämp­fen.«

»Und was wird die Ko­lo­nie sa­gen zu ei­nem sol­chen Streit? die­se gan­ze Ge­gend muss einen Ei­gen­tü­mer ha­ben, da die Her­ren­leu­te ihre Be­gehr­lich­keit selbst bis in die Wild­nis aus­deh­nen, auch da wo sie nicht das Herz ha­ben, in eig­ner Per­son sich dar­in um­zu­se­hen.«

»Das mag in an­de­ren Tei­len der Ko­lo­nie an­ge­hen, Wildtö­ter, aber hier nicht. Kein mensch­li­ches We­sen, den Herrn aus­ge­nom­men, hat einen Fuß­breit Bo­den in die­ser Ge­gend des Lan­des als sein an­zu­spre­chen. Nie ward eine Fe­der ein­ge­taucht, Et­was zu Pa­pier zu brin­gen in Be­treff des Hü­gels oder des Ta­les hier her­um, wie ich den al­ten Tom oft und viel habe sa­gen hö­ren, und so hat er den bes­ten An­spruch dar­auf un­ter al­len Men­schen die at­men; und was Tom an­spricht, das wird er wohl auch be­haup­ten.«

»Nach dem, was ich von Euch ge­hört habe, Hur­ry, muss die­ser Floa­ting Tom ein au­ßer­ge­wöhn­li­cher Sterb­li­cher sein; we­der Min­go, noch De­la­wa­re, noch Bleich­ge­sicht. Auch sein Be­sitz wäre, nach Eu­rem Sa­gen, schon alt, und weit äl­ter als die Grenzan­sied­lun­gen. Was ist des Man­nes Ge­schich­te und We­sen?«

»Ha, was des al­ten Tom’s mensch­li­che Na­tur an­langt, so gleicht die we­nig an­de­rer Leu­te mensch­li­cher Na­tur, son­dern mehr der mensch­li­chen Na­tur ei­ner Bi­sam­rat­ze, an­ge­se­hen dass er mehr die Art die­ses Tie­res, als die Art an­de­rer Mit­ge­schöp­fe hat. Ei­ni­ge glau­ben, er sei in sei­ner Ju­gend Frei­beu­ter auf dem Salz­was­ser ge­we­sen, und der Ge­nos­se ei­nes ge­wis­sen Kidd, der we­gen See­räu­be­rei ge­hängt wur­de, lang ehe Ihr und ich ge­bo­ren oder be­kannt wur­den, und er sei in die­se Ge­gend ge­kom­men in der Hoff­nung, des Kö­nigs Kreu­zer wür­den nie über die Ber­ge her­über kom­men, und er kön­ne sich in den Wäl­dern im Frie­den des Rau­bes er­freu­en.«

»Dann war er im Irr­tum, Hur­ry, sehr im Irr­tum. Des Rau­bes kann sich ein Mensch nir­gends im Frie­den er­freu­en.«

»Das ist, je nach­dem er eine Ge­müts­art hat. Ich habe Sol­che ge­kannt, die sich des­sen gar nicht an­ders er­freu­en konn­ten, als in wil­der Lust­bar­keit, und wie­der And­re, die ihn am bes­ten ge­nos­sen in ei­nem ein­sa­men Win­kel. Man­che Men­schen ha­ben kei­nen Frie­den und Ruhe, wenn sie kei­nen Raub fin­den, und And­re nicht, wenn es ih­nen ge­lingt. Die mensch­li­che Na­tur ist ku­ri­os in die­sen Din­gen. Der alte Tom scheint zu kei­ner von bei­den Ar­ten zu ge­hö­ren, denn er ge­nießt sei­nen Raub, wenn er das Sei­ni­ge wirk­lich so er­wor­ben, sehr ru­hig und be­hag­lich mit sei­nen Töch­tern, und wünscht nicht mehr.«

»Ja, er hat auch zwei Töch­ter; ich habe die De­la­wa­ren, die in der Ge­gend her­um jag­ten, ihre Ge­schich­ten von die­sen jun­gen Wei­bern er­zäh­len hö­ren. Ist kei­ne Mut­ter da, Hur­ry?«

»Es war eine da, wie na­tür­lich, aber sie ist jetzt gute zwei Jah­re tot und ver­senkt.«

»Ha, wie!« sag­te Wildtö­ter, sei­nen Beglei­ter mit ei­ni­gem Er­stau­nen an­schau­end.

»Totund ver­senkt, sag’ ich, und ich den­ke, das ist gut und klar ge­sagt. Der alte Kerl ver­senk­te sein Weib in den See, als er von ihr schei­den muss­te, wie ich als Au­gen­zeu­ge der Ce­re­mo­nie ver­si­chern kann; aber ob Tom dies ge­tan, um sich das Gra­ben zu er­spa­ren, was kein Spaß ist un­ter Wur­zeln, oder in der Ein­bil­dung, dass Was­ser die Sün­de eher ab­wa­sche als Erde, ist mehr als ich sa­gen kann.«

»War das arme Weib eine un­ge­wöhn­li­che Sün­de­rin, dass sich ihr Gat­te so viel Mühe mit ih­rem Leich­nam gab?«

»Kei­ne au­ßer­or­dent­li­che, ob­gleich sie wohl ihre Feh­ler hat­te. Ich den­ke, dass Ju­dith Hut­ter ein so christ­li­ches und ei­nes gu­ten En­des so wür­di­ges Weib war, als nur ir­gend eine, die so lang au­ßer dem Be­reich des Läu­tens von Kir­chen­glo­cken leb­te; und ich mei­ne, der alte Tom ver­senk­te sie wohl fast eher, um sich Mühe zu er­spa­ren, als dass er sich wel­che ge­macht hät­te. Es war frei­lich ein we­nig Stahl in ih­rem Tem­pe­ra­ment, und da der alte Hut­ter ein ziem­li­cher Flin­ten­stein ist, so gab es wohl hin und wie­der Fun­ken zwi­schen ih­nen, aber im Gan­zen konn­te man sa­gen, dass sie sich freund­schaft­lich ver­tru­gen. Wenn sie Feu­er fin­gen, so wur­den den Zu­hö­rern sol­che Bli­cke in ihr frü­he­res Le­ben zu Teil, wie man sie etwa in den dunk­le­ren Tei­len der Wäl­der be­kommt, wenn ein ver­irr­ter Son­nen­strahl, bis her­ab zu den Wur­zeln der Bäu­me dringt. Aber ich wer­de Ju­dith im­mer wert schät­zen, da es im­mer Lob und Emp­feh­lung ge­nug für ein Weib ist, die Mut­ter ei­nes sol­chen Ge­schöpfs, wie ihre Toch­ter, Ju­dith Hut­ter, zu sein.«

»Ja, Ju­dith war der Name, den die De­la­wa­ren nann­ten, ob­gleich sie ihn auf ihre Wei­se aus­spra­chen. Nach ih­ren Ge­sprä­chen soll­te ich nicht mei­nen, dass das Mäd­chen sehr nach mei­nem Ge­schmack wäre.«

»Nach dei­nem Ge­schmack!« rief March, eben­so über der Gleich­gül­tig­keit als über der An­ma­ßung sei­nes Ge­nos­sen Feu­er fan­gend, »was Teu­fels habt Ihr da von Eu­rem Ge­schmack zu schwat­zen, und dazu noch, wenn es ein Weib, wie Ju­dith, be­trifft? Ihr seid nur erst ein Kna­be – ein Schöß­ling, der kaum Wur­zeln ge­schla­gen. Ju­dith hat Män­ner un­ter ih­ren An­be­tern ge­zählt, seit sie ihr fünf­zehn­tes Jahr zu­rück­ge­legt hat, was jetzt bei­na­he fünf Jah­re her ist, und wird nicht Lust ha­ben, auch nur einen Blick auf ein halb­ge­wach­se­nes Bür­sch­chen zu wer­fen, wie Ihr seid.«

»Es ist Ju­ni­us, und kein Wölk­chen zwi­schen uns und der Son­ne, Hur­ry, und so­mit braucht es all die­se Hit­ze nicht«, ver­setz­te der an­de­re, im min­des­ten nicht aus der Fas­sung ge­bracht, »und je­der darf sei­nen Ge­schmack ha­ben, und ein Eich­hörn­chen hat das Recht, sich sein Ur­teil über einen Pan­ther zu bil­den.«

»Ja, aber es möch­te nicht im­mer klug sein, es den Pan­ther wis­sen zu las­sen«, brumm­te March. »Aber Ihr seid jung und ge­dan­ken­los, und ich will Eure Un­wis­sen­heit über­se­hen. Kommt, Wildtö­ter«, fuhr er mit gut­mü­ti­gem La­chen fort, nach­dem er eine Wei­le nach­denk­lich ge­schwie­gen, »kommt, Wildtö­ter, wir sind ge­schwo­re­ne Freun­de, und wol­len nicht ha­dern um ein leicht­sin­ni­ges, ge­fall­süch­ti­ges Weibs­bild, weil es zu­fäl­lig schön ist, – zu­mal da Ihr sie noch gar nie ge­se­hen. Ju­dith ist nur für einen Mann, der voll­kom­men ab­ge­zahnt hat, und es ist tö­richt, einen Kna­ben zu fürch­ten. Was ha­ben denn die De­la­wa­ren von der Hexe ge­sagt? denn ein In­dia­ner hat am Ende doch auch sei­ne Be­grif­fe vom Weibs­volk, so gut als ein wei­ßer Mann.«

»Sie sag­ten, sie sei schön an­zu­se­hen, und ge­fäl­lig im Ge­spräch; aber zu sehr Be­wun­de­rern sich hin­ge­bend und leicht­sin­nig.«

»Das sind ein­ge­fleisch­te Teu­fel! Wel­cher Schul­meis­ter und Ge­lehr­te ist am Ende ei­nem In­dia­ner ge­wach­sen, was den Blick in die Na­tur be­trifft? Man­che Leu­te mei­nen, sie sei­en nur gut auf der Fähr­te des Wil­des oder auf dem Kriegs­pfad, aber ich sage: es sind Phi­lo­so­phen, und sie ver­ste­hen sich auf einen Mann so gut wie auf einen Bi­ber, und auf ein Weib so gut wie auf bei­de. Nun, das ist wirk­lich Ju­dith’s Cha­rak­ter auf ein Tüp­fel­chen! Euch die Wahr­heit zu ge­ste­hen, Wildtö­ter, ich hät­te das Mäd­chen schon vor zwei Jah­ren ge­hei­ra­tet, wä­ren nicht zwei ganz be­son­de­re Um­stän­de, – und der eine ist eben ihr Leicht­sinn.«

»Und was mag der an­de­re sein?« frag­te der Jä­ger, der fort aß, wie ei­ner, der sich eben nicht sehr für den Ge­gen­stand in­ter­es­sier­te.

»Der and­re Um­stand war die Un­ge­wiss­heit, ob sie mich näh­me. Das Mä­del ist schön, und das weiß sie. Kna­be, kein Baum, der auf die­sen Hü­geln wächst, ist ge­ra­der, oder schwankt mit leich­te­rer Beu­gung im Win­de, und nie habt Ihr das hüp­fen­de Reh in na­tür­li­che­rer Be­weg­lich­keit ge­se­hen. Wenn das al­les wäre, wür­de jede Zun­ge ihr Lob ver­kün­di­gen; aber sie hat sol­che Män­gel, dass ich es schwie­rig fin­de, sie zu über­se­hen, und manch­mal schwö­re ich, nie wie­der den See zu be­su­chen.«

»Und was ist der Grund, dass Ihr im­mer wie­der kommt? Nichts wur­de je da­durch si­che­rer, dass man dar­über schwur.«

»Ach, Wildtö­ter, Ihr seid in die­sen An­ge­le­gen­hei­ten ein Neu­ling; Ihr klebt so an Eu­rer frü­hern Er­zie­hung, als hät­tet Ihr nie die An­sied­lun­gen ver­las­sen. Bei mir ist es ein and­rer Fall, und nie emp­fin­de ich das Be­dürf­nis, eine Idee fest­zu­hal­ten, dass ich nicht auch Lust füh­le, dar­über zu schwö­ren. Wenn Ihr in Be­treff Ju­dith’s al­les wüss­tet, was ich weiß, wür­det Ihr ein we­nig Ver­flu­chen wohl ge­recht­fer­tigt fin­den. Nun, die Of­fi­zie­re strei­fen manch­mal hin­über an den See, von den Forts am Mo­hawk, um zu fi­schen und zu ja­gen, und dann scheint die Krea­tur ganz au­ßer sich! Ihr könnt das se­hen an der Art, wie sie ihre Schmuck­sa­chen trägt, und dem vor­neh­men We­sen, das sie bei den ga­lan­ten Herrn an­nimmt.«

»Das ist un­pas­send bei ei­nes ar­men Manns Toch­ter«, ver­setz­te Wildtö­ter ernst, »die Of­fi­zie­re sind alle vor­neh­me Leu­te, und kön­nen ein Mäd­chen wie Ju­dith nur mit bö­sen Ab­sich­ten an­se­hen.«

»Das ist die Un­ge­wiss­heit und der Dämp­fer! Ich habe mei­ne Be­sorg­nis­se we­gen ei­nes ge­wis­sen Ka­pi­tains, und Ju­dith hat nur ihre eig­ne Tor­heit an­zu­kla­gen, wenn ich Un­recht habe. Über­haupt wünsch­te ich, sie als sitt­sam und an­stän­dig an­se­hen zu dür­fen, und doch sind die Wol­ken, die an die­sen Ber­gen her­um­trei­ben, nicht un­sich­rer und un­zu­ver­läs­si­ger. Nicht ein Dut­zend Wei­ße ha­ben seit ih­rer Kind­heit sie mit Au­gen an­ge­se­hen, und doch das Be­neh­men, das sie ge­gen zwei oder drei die­ser Of­fi­zie­re zeigt, löscht mei­ne Flam­men!«

»Ich wür­de nicht mehr an ein sol­ches Weib den­ken, son­dern mei­nen Sinn ganz dem Wal­de zu­wen­den; der wird Euch nie täu­schen, be­herrscht und be­meis­tert von ei­ner Hand, die nie bebt.«

»Wenn Ihr Ju­dith kenn­tet, wür­det Ihr se­hen, wie viel leich­ter dies zu sa­gen als zu tun ist. Könn­te ich mein Ge­müt be­ru­hi­gen we­gen der Of­fi­zie­re, so wür­de ich das Mäd­chen mit Ge­walt an den Mo­hawk ent­füh­ren, sie zwin­gen mich zu hei­ra­ten, trotz ih­rem flat­ter­haf­ten Geis­te, und den al­ten Tom der Sor­ge Het­ty­’s, sei­ner an­de­ren Toch­ter, über­las­sen, die, wenn nicht so schön, noch von so schnel­lem Witz wie ihre Schwes­ter, doch bei wei­tem die pflicht­ge­treue­re ist.«

»Ist denn noch ein Vo­gel in dem­sel­ben Nest?« frag­te Wildtö­ter, sein Auge mit ei­ner Art halb­er­wach­ter Neu­gier em­por­he­bend, – »die De­la­wa­ren spra­chen mir nur von ei­ner!«

»Das ist ganz na­tür­lich, wenn es sich von Ju­dith Hut­ter und Het­ty Hut­ter han­delt. Het­ty ist nur hübsch, wäh­rend ihre Schwes­ter, das sag’ ich dir, Kna­be, ein Ge­schöpf ist, wie man es nicht mehr fin­det zwi­schen hier und der See; Ju­dith ist so voll Witz, Be­red­sam­keit und Schlau­heit, wie ein al­ter in­dia­ni­scher Red­ner, wäh­rend die arme Het­ty im bes­ten Fall nur einen gu­ten Wil­len, aber einen schwa­chen Ver­stand hat;2 sie steht, möch­te ich sa­gen, auf der Grenz­schei­de der Un­wis­sen­heit und manch­mal tau­melt sie auf die eine, manch­mal auf die and­re Sei­te hin­über.«

»Das sind Ge­schöp­fe, die Gott in sei­ne be­son­de­re Ob­hut, nimmt«, sag­te Wildtö­ter fei­er­lich, »denn er sieht mit Sorg­falt auf alle her­ab, die um ihr be­schei­den Teil Ver­nunft zu kurz kom­men. Die Rot­häu­te eh­ren und ach­ten die so be­schränkt Be­gab­ten, weil sie wis­sen, dass der schlim­me Geist es mehr liebt, in ei­nem schlau­en We­sen zu woh­nen, als in ei­nem, das kei­nen tie­fen Ver­stand hat, auf den er wir­ken kann.«

»Dann will ich da­für bür­gen, dass er nicht lan­ge hau­sen wird bei der ar­men Het­ty, denn das Kind ist, wie ge­sagt, gar ein­fäl­ti­gen Geis­tes. Der alte Tom hat ein Ge­fühl für das Mäd­chen, und so auch Ju­dith, so präch­tig und ra­schen Wit­zes sie auch selbst ist; sonst möch­te ich nicht da­für ste­hen, dass sie ganz si­cher wäre un­ter der Art von Män­nern, wie manch­mal an das Ufer des See’s kom­men.«

»Ich dach­te, das Was­ser sei ein un­be­kann­ter und we­nig be­such­ter Platz«, be­merk­te der Wildtö­ter, dem es sicht­lich un­be­hag­lich ward beim Ge­dan­ken, der Welt zu nahe zu sein.

»So ist es auch ganz, mein Jun­ge; nicht die Au­gen von zwan­zig wei­ßen Män­nern ha­ben ihn er­blickt; aber doch kön­nen zwan­zig Grenz­män­ner von ech­tem Schrot und Korn, – Jä­ger und Fal­len­stel­ler und Kund­schaf­ter und der­glei­chen – ge­nug Un­heil an­rich­ten, wenn sie den Ver­such ma­chen. Es wäre mir et­was Ent­setz­li­ches, Wildtö­ter, wenn ich nach ei­ner Ab­we­sen­heit von sechs Mo­na­ten Ju­dith ver­hei­ra­tet fän­de!«

»Habt Ihr des Mäd­chens Wort und Zu­sa­ge, die Euch zu bes­se­rer Hoff­nung be­rech­ti­gen?«

»Ganz und gar nicht. Ich weiß nicht, was es ist. Ich sehe gut ge­nug aus, Jun­ge! so viel kann ich in je­der Quel­le se­hen, wor­auf die Son­ne scheint, – und doch konn­te ich die klei­ne Hexe nie zu ei­ner Zu­sa­ge oder auch nur zu ei­nem herz­lich­ge­mein­ten Lä­cheln brin­gen, ob­gleich sie oft Stun­den lang lacht. Wenn sie ge­wagt hat, in mei­ner Ab­we­sen­heit zu hei­ra­ten, wird sie wohl die Sü­ßig­keit des Witt­wen­stan­des zu kos­ten be­kom­men, noch ehe sie zwan­zig Jah­re alt ist!«

»Ihr wür­det doch dem Mann, den sie ge­wählt, Nichts zu Leid tun, Hur­ry, bloß dar­um, weil sie ihn mehr nach ih­rem Ge­schmack ge­fun­den, als Euch?«

»Wa­rum nicht? Wenn ein Feind mei­nen Weg durch­kreuzt, soll­te ich ihn nicht hin­aus­schla­gen? Seht mich an – bin ich ein Mann, dem es gleich sieht, dass er von ir­gend ei­nem krie­chen­den, schlei­chen­den Haut­krä­mer sich den Rang ab­lau­fen lie­ße in ei­ner Sa­che, die mich so nahe an­geht als die Zärt­lich­keit der Ju­dith Hut­ter? Zu­dem, wenn wir au­ßer dem Be­reich des Ge­set­zes le­ben, müs­sen wir uns selbst Rich­ter und Voll­stre­cker sein. Und wenn auch ein Mann in den Wäl­dern tot ge­fun­den wür­de: Wer soll­te auf­tre­ten und sa­gen, Wer ihn er­schla­gen, selbst den Fall ge­setzt, dass die Ko­lo­nie die Sa­che auf­näh­me und Lärm dar­über schlü­ge?«

»Wenn der Mann der Ju­dith Hut­ter Gat­te sein soll­te, so könn­te ich, nach dem was vor­ge­gan­gen, we­nigs­tens ge­nug sa­gen, um die Ko­lo­nie auf die Spur zu lei­ten.«

»Ihr! – ein halb­ge­wach­se­ner Wild­bret­schütz und jun­ger Laf­fe! Ihr wagt es, dar­an zu den­ken, als An­klä­ger auf­zu­tre­ten ge­gen Hur­ry Har­ry, und wenn es auch nur eine Wald­tau­be be­trä­fe oder einen Il­tiß?«

»Ich wür­de wa­gen die Wahr­heit zu re­den, Hur­ry, be­trä­fe es Euch oder ir­gend einen Sterb­li­chen.«

March starr­te einen Au­gen­blick sei­nen Beglei­ter in stum­mem Stau­nen an; dann fass­te er ihn mit bei­den Hän­den an der Keh­le und schüt­tel­te den ver­glei­chungs­wei­se Zart­ge­bau­ten mit ei­ner Hef­tig­keit, die ei­ni­ge Kno­chen zu ver­ren­ken droh­te. Auch ge­sch­ah dies nicht im Scherz, denn Zorn flamm­te aus den Au­gen des Rie­sen, und ge­wis­se Zei­chen schie­nen weit mehr Ernst an­zu­kün­di­gen, als der vor­lie­gen­de Fall dem An­schein nach er­heisch­te oder recht­fer­tig­te. Was im­mer Mar­ch’s ei­gent­li­che Ab­sicht sein moch­te – und wahr­schein­lich hat­te er selbst kei­ne be­stimm­te und klar­be­wuss­te – ge­wiss ist, dass er un­ge­wöhn­lich auf­ge­bracht war; und wohl die Meis­ten, die sich von ei­nem sol­chen Gi­gan­ten, in sol­cher Ge­müts­auf­re­gung und in ei­ner so tie­fen, hilflo­sen Ein­sam­keit so ge­würgt ge­se­hen hät­ten, wür­den ein­ge­schüch­tert und ver­sucht wor­den sein, selbst in ge­rech­ter Sa­che nach­zu­ge­ben. Nicht so Wildtö­ter. Sein Ge­sicht blieb un­be­wegt; sei­ne Hand zit­ter­te nicht, und er gab sei­ne Ant­wort in ei­nem Tone, der nicht ein­mal zu dem künst­li­chen Mit­tel ei­ner er­höh­ten, lau­tern Stim­me griff, um we­nigs­tens die Ent­schlos­sen­heit der See­le kund zu ge­ben.

»Ihr könnt mich schüt­teln, Hur­ry, bis Ihr den Berg ein­fal­len macht«, sag­te er ru­hig, »aber Nichts als die Wahr­heit wer­det Ihr aus mir her­aus schüt­teln. Wahr­schein­lich hat Ju­dith Hut­ter kei­nen Gat­ten zum Er­schla­gen, und Ihr kei­nen An­lass, ei­nem auf­zu­pas­sen, sonst wür­de ich ihm von Eu­rer Dro­hung sa­gen in der ers­ten Un­ter­re­dung, die ich mit dem Mäd­chen habe.«

March ließ sei­ne Hän­de los, und saß da, den an­de­ren mit schwei­gen­dem Stau­nen be­trach­tend.

»Ich dach­te, wir sei­en Freun­de«, sag­te er end­lich, »aber Ihr habt das letz­te Ge­heim­nis von mir ge­hört, das in Euer Ohr kom­men soll.«

»Ich ver­lan­ge auch kei­ne mehr, wenn sie die­sem glei­chen soll­ten. Ich weiß, wir le­ben in den Wäl­dern, Hur­ry, und man nimmt an, dass wir au­ßer dem Be­reich mensch­li­cher Ge­set­ze sei­en – und viel­leicht sind wir es wirk­lich der Tat nach, wenn es auch dem Rech­te nach an­ders sich ver­hält – aber es gibt ein Ge­setz und einen Ge­setz­ge­ber, die über den gan­zen Con­ti­nent wal­ten und herr­schen. Wer je­nes oder die­sen ins An­ge­sicht schlägt, darf mich nicht sei­nen Freund nen­nen.«

»Ich will ver­dammt sein, Wildtö­ter, wenn ich nicht glau­be, dass Ihr im Her­zen ein Mäh­ri­scher Bru­der seid, und kein wohl­ge­sinn­ter, treu­her­zi­ger Jä­ger, wie Ihr zu sein vor­ge­ge­ben.«

»Wohl­ge­sinnt oder nicht, Hur­ry, Ihr wer­det mich so treu­her­zig und ge­ra­de in Wer­ken fin­den, wie in Wor­ten. Aber dies Auf­lo­dern in plötz­li­chem Zor­ne ist tö­richt, und zeigt, wie we­nig Ihr mit den ro­ten Män­nern ge­lebt. Ju­dith Hut­ter ist ohne Zwei­fel noch le­dig, und Ihr schwatz­tet nur wie die Zun­ge lief, nicht wie das Herz emp­fand. Hier ist mei­ne Hand, und wir wol­len nicht mehr da­von spre­chen noch dar­an den­ken.«

Hur­ry schi­en noch ver­blüff­ter als je zu­vor; dann brach er in ein lau­tes, gut­mü­ti­ges La­chen aus, das ihm die Trä­nen in die Au­gen trieb. Da­rauf er­griff er die dar­ge­bo­te­ne Hand und die Freun­de ver­söhn­ten sich.

»Es wäre när­risch ge­we­sen, um eine blo­ße Idee zu ha­dern«, rief March, in­dem er wie­der zu es­sen an­fing, »und ziem­te eher den Rechts­män­nern in den Städ­ten, als ver­nünf­ti­gen Men­schen in den Wäl­dern. Man sagt mir, Wildtö­ter, viel bö­ses Blut kom­me von Vor­stel­lun­gen und Ide­en un­ter den Leu­ten in den un­tern Be­zir­ken, und sie er­hit­zen sich dar­über manch­mal bis zum Äu­ßers­ten.«

»Das tun sie – das tun sie; und über an­de­re Din­ge, die man bes­ser sich selbst über­lie­ße. Ich habe von den Mäh­ri­schen Brü­dern sa­gen hö­ren, es gebe Län­der, wo die Men­schen so­gar über ihre Re­li­gi­on ha­dern; und wenn sie sich über einen sol­chen Ge­gen­stand er­hit­zen kön­nen, Hur­ry, so habe der Herr Er­bar­men mit ih­nen! Wir je­doch ha­ben kei­nen An­lass, ih­rem Bei­spiel zu fol­gen, zu­mal nicht über einen Gat­ten, den die­se Ju­dith Hut­ter viel­leicht nie sieht oder zu se­hen wünscht. Ich mei­nes Teils füh­le mehr Neu­gier­de hin­sicht­lich der schwach­sin­ni­gen Schwes­ter, als Eu­rer ge­prie­se­nen Schön­heit. Es ist Et­was, das die Ge­füh­le ei­nes Man­nes an­spricht und rührt, wenn er ei­nem Mit­ge­schöpf be­geg­net, das ganz das äu­ße­re We­sen ei­nes zu­rech­nungs­fä­hi­gen Sterb­li­chen hat, und das doch nicht ist, was es scheint, nur we­gen ei­nes Man­gels an Ver­nunft. Das ist schlimm ge­nug bei ei­nem Man­ne, aber wenn es ei­nem Wei­be ge­schieht, und es ist ein jun­ges und viel­leicht ein­neh­men­des Ge­schöpf, so regt es alle Ge­füh­le von Barm­her­zig­keit und Mit­leid auf, die in sei­ner Na­tur lie­gen. Gott weiß, Hur­ry, sol­che arme We­sen sind schutz­los ge­nug mit samt all ih­rem Witz; aber ein grau­sa­mes Ge­schick ist es, wenn die­ser große Be­schüt­zer und Füh­rer ih­nen fehlt.«

»Hört, Wildtö­ter – Ihr wisst, was die Jä­ger und Fal­len­stel­ler und Pelz­wer­kleu­te über­haupt für Men­schen sind; und ihre bes­ten Freun­de wer­den nicht leug­nen, dass es hit­zi­ge und ei­gen­wil­li­ge Men­schen sind, die nicht viel nach And­rer Rech­ten und Ge­füh­len fra­gen – und doch, glaub’ ich, fän­de sich in die­ser gan­zen Ge­gend kein Mann, der Het­ty Hut­ter ein Leid täte, wenn er auch könn­te; nein, nicht ein­mal eine Rot­haut!«

»Hie­rin, Freund Hur­ry, lasst Ihr den De­la­wa­ren we­nigs­tens und all den ih­nen ver­bün­de­ten Stäm­men nur Ge­rech­tig­keit wi­der­fah­ren, denn eine Rot­haut sieht ein so von Got­tes Macht heim­ge­such­tes We­sen als Ge­gen­stand sei­ner be­son­dern Ob­hut an. Ich freue mich in­des­sen zu hö­ren, was Ihr sagt, ich freue mich, es zu hö­ren, aber da die Son­ne jetzt ge­gen den Nach­mit­tags­him­mel hin sich wen­det, tä­ten wir nicht bes­ser, die Fähr­te wie­der zu ver­fol­gen und wei­ter zu zie­hen, da­mit wir Ge­le­gen­heit be­kom­men, die­se wun­der­ba­ren Schwes­tern zu se­hen?«

Hur­ry March gab freu­dig sei­ne Zu­stim­mung; die Über­bleib­sel der Mahl­zeit wa­ren bald ge­sam­melt; dann schul­ter­ten die Wan­de­rer ihre Ta­schen, nah­men ihre Waf­fen auf, ver­lie­ßen die klei­ne Lich­tung, und be­gru­ben sich wie­der in den tie­fen Schat­ten des Wal­des.

etwa das pro­vin­zi­el­le: Rau­sche Bau­sche.  <<<

Hur­ry macht hier einen, we­gen des Wort­spiels mit ›­kom­pass meant us‹ und ›­kom­pos men­tis‹ un­über­setz­ba­ren Witz.  <<<

Zweites Kapitel.

Weg musst vom See, dem grü­nen, du ziehn, Und weg von des Jä­gers Herd; Den Som­mer hin­durch, wo die Blu­men glühn. Ist zu blei­ben dir, Toch­ter, ver­wehrt.

Erin­ne­run­gen des Wei­bes.

Uns­re zwei Aben­teu­rer hat­ten nicht weit zu ge­hen. Hur­ry wuss­te die Rich­tung, so­bald er den of­fe­nen Platz und die Quel­le ge­fun­den hat­te, und er ging jetzt vor­an mit dem zu­ver­sicht­li­chen Schritt ei­nes Man­nes, der sei­ner Sa­che ge­wiss ist. Der Wald war, wie na­tür­lich, dun­kel, aber nicht mehr durch Busch­werk un­weg­sam, und der Bo­den war fest und tro­cken. Nach­dem sie etwa eine Mei­le zu­rück­ge­legt, blieb March ste­hen, und be­gann for­schen­de Bli­cke um sich zu wer­fen; in­dem er die ver­schied­nen Ge­gen­stän­de sorg­fäl­tig prüf­te, und ge­le­gent­lich sein Auge auf die Stäm­me der ge­fall­nen Bäu­me rich­te­te, mit wel­chen der Bo­den ziem­lich be­sä­et war, wie dies ge­wöhn­lich der Fall ist in ei­nem ame­ri­ka­ni­schen Wald, zu­mal in den Ge­gen­den des Lan­des, wo das Bau­holz noch kei­nen Wert hat.

»Das muss der Platz sein, Wildtö­ter«, be­merk­te end­lich March, »hier ist eine Bu­che ne­ben ei­ner Schier­ling­s­tan­ne und drei Fich­ten in der Nähe, und dort ist eine wei­ße Bir­ke mit ge­bro­che­nem Wip­fel; und doch sehe ich kei­nen Fel­sen und kei­ne her­ab­ge­bo­gnen Zwei­ge, wie ich Euch ge­sagt, dass wir fin­den wür­den.«

»Ge­bro­che­ne Zwei­ge sind un­ge­schick­te Merk­zei­chen, da der Uner­fah­rens­te weiß, dass Zwei­ge nicht oft von selbst bre­chen«, ver­setz­te der an­de­re, »und sie füh­ren auch leicht zu Arg­wohn und Ent­de­ckung. Die De­la­wa­ren ver­las­sen sich nie auf ge­knick­te Zwei­ge, au­ßer in Frie­dens­zei­ten und auf of­fe­ner Fähr­te. Was die Bu­chen und Fich­ten und Schier­ling­s­tan­nen be­trifft, ha, die sind auf al­len Sei­ten um uns her zu se­hen, nicht bloß zu zwei­en oder drei­en, son­dern zu vier­zi­gen, fünf­zi­gen und hun­der­ten.«

»Sehr wahr, Wildtö­ter, aber Ihr er­wägt nicht die Stel­lung. Hier ist eine Bu­che und eine Schier­ling­s­tan­ne –«

»Ja, und dort ist wie­der eine Bu­che und eine Schier­ling­s­tan­ne, so lie­be­voll wie zwei Brü­der, oder, was das be­trifft, lie­be­vol­ler als man­che Brü­der, und dort sind wie­der wel­che, denn bei­de Bäu­me sind in die­sen Wäl­dern kei­ne Sel­ten­heit, Ich fürch­te, Hur­ry, Ihr ver­steht Euch bes­ser dar­auf, Bi­ber zu fan­gen und Bä­ren zu schie­ßen, als eine schwie­ri­ge Fähr­te auf­zu­spü­ren. Ha! dort ist aber nun doch, was Ihr zu fin­den wünscht!«

»Ei, Wildtö­ter, das ist eine von Eu­ern de­la­wa­ri­schen An­ma­ßun­gen, denn ich will mich hän­gen las­sen, wenn ich et­was Andres sehe, als die­se Bäu­me, wel­che in der un­er­klär­lichs­ten und ver­wir­rends­ten Wei­se um uns her em­por­ra­gen.«

»Schaut dort­hin, Hur­ry – so, in ei­ner Li­nie mit der schwar­zen Ei­che – seht Ihr nicht das ge­krümm­te Bäum­chen, das her­auf­ge­zo­gen ist zu den Zwei­gen der Lin­de da­ne­ben? Nun, dies Bäum­chen war ein­mal von Schnee be­deckt, und wur­de von des­sen Wucht nie­der­ge­drückt; aber es hat sich nicht selbst wie­der auf­ge­rich­tet, und so wie Ihr es jetzt seht, an die Lin­den­zwei­ge an­ge­lehnt. Die Hand ei­nes Men­schen hat ihm die­sen Lie­bes­dienst ge­leis­tet.«

»Das war mei­ne Hand!« rief Hur­ry: »ich fand das schwa­che, jun­ge Ding auf die Erde ge­drückt, wie ein un­glück­li­ches Ge­schöpf vom Miss­ge­schick nie­der­ge­beugt, und rich­te­te es so auf, wie Ihr seht. Am Ende, Wildtö­ter, muss ich doch ge­ste­hen, dass Ihr nach­ge­ra­de ein un­ge­mein gu­tes Auge für die Wäl­der be­kommt.«

»Es bes­sert sich, Hur­ry – es bes­sert sich, muss ich ge­ste­hen; aber es ist erst das Auge ei­nes Kin­des, ver­gli­chen mit dem von an­de­ren, die ich ken­ne. Da ist jetzt Ta­menund, ob­wohl ein Mann so alt, dass We­ni­ge sich sei­ner kräf­ti­gen Jah­re er­in­nern. Ta­menund lässt Nichts sei­ner Beo­b­ach­tung ent­ge­hen, die mehr der Wit­te­rung ei­nes Hun­des als dem Blick ei­nes Au­ges gleicht. Dann Un­kas, der Va­ter von Ching­ach­gook, und der recht­mä­ßi­ge Häupt­ling der Mo­hi­ka­ner, ist auch ei­ner, des­sen Blick bei­na­he un­mög­lich et­was ent­ge­hen kann. Ich kom­me wei­ter, ich will es ge­ste­hen, ich kom­me wei­ter, aber bin bis jetzt noch weit von der Voll­kom­men­heit ent­fernt.«

»Und wer ist denn die­ser Ching­ach­gook, von dem Ihr so Viel schwatzt, Wildtö­ter?« frag­te Hur­ry, in­dem er in der Rich­tung auf das auf­ge­rich­te­te Bäum­chen zu wei­ter schritt, »eine schlei­chen­de Rot­haut, im bes­ten Fall, nach der ich Nichts fra­ge.«

»Nicht so, Hur­ry, son­dern der Bes­te un­ter den schlei­chen­den Rot­häu­ten, wie Ihr sie nennt. Wenn er sei­ne Rech­te hät­te, so wäre er ein großer Häupt­ling; aber so ist er nur ein mu­ti­ger und red­li­cher De­la­wa­re; ge­ach­tet zwar, und dem man auch in man­chen Din­gen ge­horcht, aber von ei­nem ge­fal­le­nen Ge­schlecht, und ei­nem ge­fal­le­nen Vol­ke an­ge­hö­rend. Ach, Hur­ry March, es wür­de Euch das Herz im Lei­be warm ma­chen, in ih­ren Hüt­ten zu sit­zen in ei­ner Win­ter­nacht, und den Er­zäh­lun­gen und Über­lie­fe­run­gen von der al­ten Grö­ße und Macht der Mo­hi­ka­ner zu­zu­hö­ren.«

»Hört, Freund Na­tha­niel«, sag­te Hur­ry, in­dem er ste­hen blieb und sei­nem Beglei­ter ins Ge­sicht schau­te, um sei­nen Wor­ten de­sto mehr Nach­druck zu ge­ben, »wenn ein Mann al­les glaub­te, was an­de­ren Leu­ten zu ih­ren Guns­ten zu sa­gen be­liebt, so wür­de er wohl eine zu große Mei­nung von ih­nen, und eine zu klei­ne Mei­nung von sich selbst be­kom­men. Die­se Rot­häu­te sind merk­wür­di­ge Prah­ler, und ich be­haup­te, mehr als die Hälf­te ih­rer Über­lie­fe­run­gen sind rei­ne Er­dich­tun­gen.«

»Es ist et­was Wah­res in dem, was Ihr sagt, Hur­ry, ich will es nicht leug­nen, denn ich habe es ge­se­hen und glau­be es. Ja, sie prah­len, aber das ist eben eine Gabe der Na­tur, und es ist sünd­haft, na­tür­li­che Ga­ben zu un­ter­drücken. Seht, das ist der Platz, den Ihr ge­sucht.«

Die­se Be­mer­kung schnitt das Ge­spräch ab, und bei­de Män­ner rich­te­ten jetzt ihre gan­ze Auf­merk­sam­keit auf das un­mit­tel­bar vor ih­nen Lie­gen­de. Wildtö­ter deu­te­te sei­nem Beglei­ter auf den Stamm ei­ner un­ge­heu­ern Lin­de, wel­che ihre Zeit er­füllt hat­te, und un­ter ih­rer eig­nen Wucht nie­der­ge­stürzt war. Die­ser Baum lag, wie Mil­lio­nen sei­ner Brü­der, wo er ge­fal­len, und ver­mo­der­te un­ter dem lang­sam aber si­cher wir­ken­den Ein­fluss der Jah­res­zei­ten. Der Ver­fall hat­te je­doch sei­nen Mit­tel­punkt an­ge­grif­fen, als er noch auf­recht, in der Pracht sei­ner Ve­ge­ta­ti­on da­stand, und sein Herz aus­ge­höhlt, wie oft Krank­heit die edels­ten Or­ga­ne des tie­ri­schen Le­bens zer­stört, wäh­rend den Beo­b­ach­ter eine blü­hen­de Au­ßen­sei­te täuscht. Wie der Stamm so in ei­ner Län­ge von etwa hun­dert Fuß am Bo­den lag, ent­deck­te das ra­sche Auge des Jä­gers die­se Ei­gen­tüm­lich­keit, und aus die­sem und an­de­ren Um­stän­den schloss er, dass es der Baum sei, den March su­che.

»Ja, hier ha­ben wir, was wir brau­chen«, rief Hur­ry, an dem di­cke­ren Ende der Lin­de hin­ein­schau­end, »Al­les ist so säu­ber­lich, als wäre es in ei­nes al­ten Wei­bes Wand­schrank auf­be­wahrt ge­we­sen. Kommt, geht mir an die Hand, Wildtö­ter, und wir sind in ei­ner hal­b­en Stun­de auf dem Was­ser.«

Auf die­se Auf­for­de­rung kam der Jä­ger zu sei­nem Beglei­ter her­an, und bei­de mach­ten sich mit gu­tem Be­dacht und nach al­len Re­geln an’s Werk, als Män­ner, wel­che an die­se Art von Trei­ben und Ge­schäft ge­wohnt wa­ren. Zu­erst ent­fern­te Hur­ry ei­ni­ge Stücke Rin­de, wel­che vor der großen Öff­nung an dem Baum la­gen, und von wel­chen der an­de­re be­haup­te­te, sie sei­en so ge­legt, dass sie eher die Auf­merk­sam­keit auf sich ge­zo­gen, als die Höh­lung ver­steckt hät­ten, wenn ein Wan­de­rer des We­ges ge­kom­men wäre. Dann zo­gen die bei­den ein Ca­noe her­aus mit sei­nen Sit­zen, Ru­dern und an­derm Zu­ge­hör, bis auf An­gel­schnü­re und Ru­ten hin­aus. Dies Fahr­zeug war gar nicht klein; aber so groß war sei­ne ver­hält­nis­mä­ßi­ge Leich­tig­keit, und so rie­sen­haft Hur­ry’s Stär­ke, dass die­ser es an­schei­nend ohne alle Mühe auf die Schul­ter nahm, und al­len Bei­stand ab­lehn­te, selbst wäh­rend er es in die schwie­ri­ge­re Lage, in wel­cher er es zu tra­gen ge­nö­tigt war, em­por­hob.

»Geht vor­an, Wildtö­ter«, sag­te March, »und öff­net das Ge­büsch, das Üb­ri­ge kann ich al­lein tun.« Der And­re ge­horch­te, und die Män­ner ver­lie­ßen den Platz, in­dem Wildtö­ter den Weg für sei­nen Beglei­ter lich­te­te, und sich je nach des­sen An­wei­sung bald rechts bald links wand­te. Nach un­ge­fähr zehn Mi­nu­ten tra­ten sie bei­de plötz­lich in das glän­zen­de Licht der Son­ne, auf einen nie­dern Kies­platz, der wohl zur Hälf­te sei­nes Sau­mes vom Was­ser be­spühlt wur­de.

Ein Aus­ruf des Er­stau­nens ent­fuhr den Lip­pen Wildtö­ters – ein Aus­ruf, der je­doch lei­se und vor­sich­tig war, denn sei­ne Wei­se war viel be­son­ne­ner und ge­re­gel­ter als die des rück­sichts­lo­sen Hur­ry – als er, den Rand des See’s er­rei­chend, das Schau­spiel sah, das sich ganz un­er­war­tet sei­nen Bli­cken dar­bot. Es war in der Tat so er­grei­fend, dass es wohl eine kur­ze Be­schrei­bung ver­dient. In glei­cher Li­nie mit dem Kies­platz lag ein brei­ter Was­ser­spie­gel, so fried­lich und durch­sich­tig, dass er aus­sah wie ein Bett der rei­nen Ge­birg­sat­mo­sphä­re, ein­ge­fugt zwi­schen ei­ner Ein­fas­sung von Hü­geln und Wäl­dern, Sei­ne Län­ge be­trug etwa drei Stun­den, in der Brei­te war er un­re­gel­mä­ßig, denn er er­wei­ter­te sich dem Plat­ze ge­gen­über bis zu ei­ner hal­b­en Mei­le oder mehr, und zog sich mehr süd­lich bis zur Hälf­te die­ser Aus­deh­nung und noch en­ger zu­sam­men. Die Küs­te war na­tür­lich un­re­gel­mä­ßig, un­ter­bro­chen durch Buch­ten, und durch vor­sprin­gen­de, nie­de­re Land­aus­läu­fer. Am nörd­li­chen, nächs­ten Ende war er be­grenzt durch einen ein­zel­nen Berg, wäh­rend öst­lich und west­lich das Land min­der steil ab­fiel, in ge­fäl­lig ab­wech­seln­dem Schwun­ge der Li­ni­en. Doch war der Cha­rak­ter der Ge­gend ge­bir­gig; hohe Hü­gel, oder nie­de­re Ber­ge stie­gen auf neun Zehn­tei­len des Um­krei­ses steil am Was­ser hin­an. Die Aus­nah­men dienten in der Tat nur, der Sze­ne ei­ni­ge Ab­wechs­lung zu ge­ben; und auch über die ver­glei­chungs­wei­se nied­ri­gen Tei­le des Ufers hin­aus war der Hin­ter­grund hoch, wenn auch ent­fern­ter.

Die auf­fallends­ten Ei­gen­tüm­lich­kei­ten die­ser Sze­ne aber wa­ren die fei­er­li­che Ein­sam­keit und die süße Ruhe. Nach al­len Sei­ten, wo­hin das Auge sich wand­te, fiel es auf nichts als die spie­gel­glei­che Flä­che des See’s, die fried­vol­le Wöl­bung des Him­mels und den dich­ten Kranz der Wäl­der. So reich und üp­pig wa­ren die Um­ris­se des Wal­des, dass man kaum eine Öff­nung ge­wahr­te, und al­les sicht­ba­re Land, von dem run­den Berg­gip­fel bis an den Saum des Was­sers bot eine, sich gleich blei­ben­de Far­be un­un­ter­bro­che­nen Grüns dar. Als wäre die Ve­ge­ta­ti­on noch nicht zu­frie­den mit ei­nem so voll­stän­di­gen Tri­umph, be­deck­ten die Bäu­me auch noch den See selbst, und ran­gen sich von un­ten ge­gen das Licht hin­aus; und mei­len­lan­ge Stre­cken wa­ren an sei­nem öst­li­chen Ufer, wo ein Boot un­ter den Zwei­gen dunk­ler, an Rem­brandt er­in­nern­der Schier­ling­s­tan­nen, zit­tern­der Es­pen und schwer­mü­ti­ger Fich­ten hät­te hin­glei­ten kön­nen. Mit ei­nem Wort, die Hand des Men­schen hat­te noch nie ir­gend et­was ent­stellt oder ver­un­stal­tet an die­ser Ur­sze­ne, die im Son­nen­licht schwamm, ein pracht­vol­les Bild über­schwäng­lich groß­ar­ti­ger Wald­herr­lich­keit, ge­dämpft durch den wei­chen Hauch des Ju­ni­us, und ge­ho­ben durch die schö­ne Ab­wechs­lung ver­mö­ge der Nähe ei­ner so weit­ge­dehn­ten Was­ser­mas­se.

»Das ist groß! – das ist er­he­bend! – das ist eine Bil­dung der See­le, wenn man nur hin­sieht!« rief Wildtö­ter, wie er auf sei­ne Büch­se ge­lehnt da­stand, und rechts und links, nach Nor­den und Sü­den, auf­wärts und ab­wärts schau­te, in wel­cher Rich­tung nur im­mer sein Auge zu schwei­fen ver­moch­te, »kein Baum zer­stört auch nur durch eine Rot­haut­hand, so viel ich ent­de­cken kann, son­dern al­les treu ge­blie­ben der Ord­nung des Herrn, um zu le­ben und zu ster­ben nach sei­nem Wil­len und Ge­setz! Hur­ry, Eure Ju­dith muss ein sitt­li­ches und wohl­ge­ar­te­tes jun­ges Weib sein, wenn sie nur die Hälf­te der von Euch an­ge­ge­be­nen Zeit im Mit­tel­punkt ei­nes so be­güns­tig­ten Plat­zes ver­lebt hat.«

»Das ist eine nack­te Wahr­heit, und doch hat das Mäd­chen so un­s­te­te Ge­dan­ken und Gril­len. All ihre Zeit hat sie je­doch nicht hier ver­lebt, denn der alte Tom hat­te, eh’ ich ihn kann­te, die Ge­wohn­heit, die Win­ter in der Nach­bar­schaft der An­sied­ler oder un­ter den Ka­no­nen der Forts zu­zu­brin­gen. Nein, nein, Ju­dith hat mehr als ihr gut ist, von den An­sied­lern an­ge­nom­men, und be­son­ders von den ga­lan­ten Of­fi­zie­ren.«

»Wenn auch, wenn auch, Hur­ry, dies ist eine Schu­le, ihr den Kopf wie­der zu­recht zu set­zen. Aber was ist denn das, was ich dort, ge­ra­de uns ge­gen­über sehe, was zu klein scheint für eine In­sel und zu groß für ein Boot, ob­gleich es mit­ten im Was­ser steht?«

»Ha, das ist was die tap­fern und ga­lan­ten Her­ren von den Forts Mus­krat Cas­tell nen­nen; und der alte Tom selbst pflegt zu grin­sen bei dem Na­men, ob­gleich er sei­ne Art und sei­nen Cha­rak­ter hart an­tas­tet. Es ist das fest­ste­hen­de Haus; denn es sind zwei; die­ses, das nicht von der Stel­le rückt, und das an­de­re, wel­ches schwimmt, und bald in die­sem bald in je­nem Tei­le des See’s sich be­fin­det. Das letz­te ist be­kannt un­ter dem Na­men der Ar­che, ob­gleich es über mein Ver­mö­gen geht, zu sa­gen, was die Be­deu­tung des Wor­tes ist.«

»Es muss von den Mis­sio­nären her­kom­men, Hur­ry, die ich von ei­nem sol­chen Ding habe re­den und le­sen hö­ren. Sie sa­gen, die Erde sei ein­mal mit Was­ser be­deckt ge­we­sen, und Noah sei mit sei­nen Kin­dern vom Er­trin­ken da­durch ge­ret­tet wor­den, dass er ein Fahr­zeug er­bau­te, das man Ar­che hieß, worin er sich zu rech­ter Zeit ein­schiff­te. Man­che von den De­la­wa­ren glau­ben die­se Über­lie­fe­rung, und man­che leug­nen sie; aber Euch und mir, als ge­bor­nen wei­ßen Män­nern, ziemt es, an ihre Wahr­heit zu glau­ben. Seht Ihr et­was von die­ser Ar­che?«

»Sie ist wei­ter süd­lich, ohne Zwei­fel, oder liegt in ei­ner der Buch­ten vor An­ker. Aber das Ca­noe ist be­reit, und fünf­zehn Mi­nu­ten wer­den ge­nü­gen, zwei sol­che Ru­de­rer wie Euch und mich nach dem Cas­tell zu brin­gen.«

Auf die­se Auf­for­de­rung half Wildtö­ter sei­nem Ge­nos­sen die ver­schie­de­nen Sa­chen in das Ca­noe zu brin­gen, das schon auf dem Was­ser schwamm. So­bald dies ge­sche­hen, schiff­ten sich die bei­den Grenz­män­ner ein und trie­ben mit ei­nem kraft­vol­len Stoß die leich­te Bar­ke acht oder zehn Ru­ten weit von der Küs­te weg. Jetzt nahm Hur­ry den Sitz im Hin­ter­teil ein, wäh­rend Wildtö­ter sich vorn hin­pflanz­te, und un­ter ge­mäch­li­chen aber ste­ti­gen Ru­der­schlä­gen glitt das Ca­noe über den fried­li­chen Was­ser­spie­gel hin, dem ganz selt­sam aus­se­hen­den Bau zu, wel­chen der Ers­te­re Mus­krat-Cas­tell ge­nannt hat­te. Manch­mal hiel­ten die Män­ner im Ru­dern inne und be­schau­ten sich die Sze­ne, wenn sich auf den ent­fern­te­ren Punk­ten neue Aus­sich­ten er­öff­ne­ten, die sie wei­ter den See hin­ab schau­en lie­ßen, oder einen um­fas­sen­de­ren An­blick der be­wal­de­ten Ber­ge ge­währ­ten. Die ein­zi­gen Ab­wechs­lun­gen je­doch be­stan­den in neu­en For­ma­tio­nen der Hü­gel, man­nig­fal­ti­gen Krüm­mun­gen der Buch­ten und wei­te­rer Aus­deh­nung des Ta­les nach Sü­den; al­les Land war dem An­schein nach in höchs­te Laub­ga­la ge­klei­det.

»Das ist ein An­blick, der das Herz er­wärmt!« rief Wildtö­ter, als sie so zum vier­ten oder fünf­ten Mal hiel­ten, »der See scheint ganz ge­macht, um uns recht in das In­ne­re der ed­len Wal­dun­gen hin­ein­se­hen zu las­sen, und Land und Was­ser ste­hen gleich herr­lich da in der Schön­heit der Vor­se­hung Got­tes! Ihr be­haup­tet, Hur­ry, es gebe kei­nen Mann, der sich recht­mä­ßi­gen Ei­gen­tü­mer all die­ser Herr­lich­keit nen­ne?«

»Kei­nen, als den Kö­nig, mein Jun­ge. Er mag ei­ni­ges Recht auf die­se Na­tur gel­tend ma­chen, aber er ist so weit ent­fernt, dass sei­ne An­sprü­che den al­ten Tom Hut­ter nie an­fech­ten wer­den, der ein­mal Be­sitz ge­nom­men hat, und die­sen wohl auch be­haup­ten wird, so lan­ge sein Le­ben dau­ert. Tom ist kein Squat­ter, da er nicht auf dem Land lebt, aber ich nen­ne ihn einen Floa­ter.«1

»Ich be­nei­de die­sen Mann! – Ich weiß, es ist Un­recht, und ich kämp­fe ge­gen dies Ge­fühl, aber ich be­nei­de die­sen Mann! denkt nicht, Hur­ry, ich brü­te über ei­nem Plan, mich in sei­ne Schu­he zu stel­len, denn ein sol­cher Ge­dan­ke hat kei­nen Raum in mei­ner See­le; aber ein we­nig Neid kann ich nicht un­ter­drücken! Es ist ein na­tür­li­ches Ge­fühl, und die Bes­ten un­ter uns sind eben doch am Ende na­tür­li­che Men­schen, und ge­ben zu Zei­ten sol­chen Emp­fin­dun­gen Raum.«

»Ihr dürft nur Het­ty hei­ra­ten, um das hal­be Be­sitz­tum zu er­ben«, rief Hur­ry la­chend, »das Mäd­chen ist hübsch; ja, wenn nicht ih­rer Schwes­ter Schön­heit wäre, so wäre sie so­gar schön; und dann ist ihr Witz so klein, dass Ihr sie leicht zu Eu­rer Denk­wei­se in al­len Din­gen be­keh­ren könnt. Nehmt Ihr Het­ty aus des al­ten Bur­schen Hän­den, und ich ste­he Euch da­für, er gibt Euch ein Recht auf je­des Tier, das Ihr fäl­len könnt auf fünf Mei­len im Um­kreis von sei­nem See.«

»Ist viel Wild da?« frag­te plötz­lich der an­de­re, der nur we­nig auf Marchs Scherz ach­te­te.

»Es hat die gan­ze Ge­gend für sich. Kaum wird je ein Ge­wehr dar­auf ab­ge­drückt, und was die Fal­len­stel­ler be­trifft, so ist das kei­ne Ge­gend, die sie stark be­su­chen. Ich selbst soll­te nicht so viel hier sein, aber Ju­dith zieht mich hier­hin, wäh­rend der Bi­ber dort­hin zieht. Mehr als hun­dert spa­ni­sche Dol­lars hat mich die Crea­tur die bei­den letz­ten Jah­re ge­kos­tet, und doch konn­te ich dem Wunsch nicht ent­sa­gen, ihr An­ge­sicht wie­der zu se­hen.«

»Be­su­chen die ro­ten Män­ner oft die­sen See, Hur­ry?« frag­te Wildtö­ter wei­ter, sei­ne eig­ne Ge­dan­ken­rei­he ver­fol­gend.

»Ha, sie kom­men und ge­hen; manch­mal in Trup­pen und manch­mal ein­zeln. Der Strich scheint kei­nem ein­ge­bor­nen Stamm ins­be­son­de­re zu ge­hö­ren; und so ist er in die Hän­de des Hut­ter-Stam­mes ge­fal­len. Der alte Mann er­zählt mir, ei­ni­ge Schlau­köp­fe hät­ten den Mo­hawks eine in­dia­ni­sche Ur­kun­de ab­zu­schwat­zen und ab­zu­schmei­cheln ge­sucht, um bei der Ko­lo­nie einen Be­sitz­ti­tel aus­zu­wir­ken; aber es ist nichts er­folgt, weil noch kei­ner, der ei­nem sol­chen Han­del ge­wach­sen wäre, sich mit der Sa­che be­fasst hat. Die Jä­ger ha­ben zur Zeit noch ein gu­tes Frei­lehen an die­ser Wild­nis.«

»Umso bes­ser – umso bes­ser, Hur­ry. Wenn ich Kö­nig von Eng­land wäre, der Mann, der einen von die­sen Bäu­men fäll­te, ohne eine gute Ge­le­gen­heit zur Benüt­zung des Hol­zes, müss­te mir in ein ödes und un­wirt­ba­res Land ver­bannt wer­den, das nie ein vier­fü­ßi­ges Tier be­trat. Recht froh bin ich, dass Ching­ach­gook den Ort uns­res Zu­sam­men­tref­fens bei die­sem See be­stimm­te, denn bis­her hat mein Auge noch kein so herr­li­ches Schau­spiel ge­se­hen.«

»Und das deß­we­gen, weil Ihr Euch so viel un­ter den De­la­wa­ren um­ge­trie­ben, in de­ren Land es kei­ne Seen gibt. Wei­ter nörd­lich und wei­ter west­lich gibt es sol­che klei­ne Was­ser ge­nug; und Ihr seid jung und er­lebt es wohl noch, sie zu se­hen. Aber wenn es auch and­re Seen gibt, Wildtö­ter, so gibt es doch kei­ne and­re Ju­dith Hut­ter!«

Auf die­se Be­mer­kung lä­chel­te sein Beglei­ter, und dann senk­te er sei­ne Ru­der­schau­fel ins Was­ser, als be­rück­sich­tig­te er die Hast ei­nes Lie­ben­den. Bei­de ru­der­ten jetzt kräf­tig, bis sie sich auf hun­dert Schrit­te dem »Cas­tell« nä­her­ten, wie Hur­ry ver­trau­lich das Haus Hut­ter’s nann­te, wo sie wie­der mit Ru­dern inne hiel­ten; und der An­be­ter Ju­dith’s zü­gel­te sei­ne Un­ge­duld umso leich­ter, als er be­merk­te, dass das Ge­bäu­de im Au­gen­blick von Be­woh­nern leer war. Die­se neue Pau­se soll­te Wildtö­ter in Stand set­zen, das son­der­ba­re Ge­bäu­de zu be­trach­ten, des­sen Bau­art so neu war, dass sie eine ei­ge­ne Be­schrei­bung ver­dient.

Mus­krat-Cas­tell, wie das Haus wit­zig be­nannt wor­den war von ei­nem mut­wil­li­gen Of­fi­zier, stand im of­fe­nen See, eine vol­le Vier­tel­mei­le vom nächs­ten Punkt des Ufers ent­fernt. Auf den bei­den an­de­ren Sei­ten er­streck­te sich das Was­ser viel wei­ter, denn die Ent­fer­nung von dem nörd­li­chen Ende des Sees be­trug etwa zwei Mei­len, und von dem öst­li­chen Ufer bei­na­he, wo nicht ganz, eine Mei­le. Da nicht das Min­des­te von ei­ner In­sel zu se­hen war, son­dern das Haus auf Pfei­lern stand, das Was­ser dar­un­ter durch­floss und Wildtö­ter schon ent­deckt hat­te, dass die Tie­fe des See’s be­trächt­lich war, frag­te er be­gie­rig nach ei­ner Er­klä­rung die­ses son­der­ba­ren Um­stan­des. Hur­ry lös­te ihm das Räth­sel, in­dem er ihn be­lehr­te, dass auf die­ser Stel­le al­lein eine lan­ge schma­le Sand­bank, die sich nörd­lich und süd­lich ei­ni­ge hun­dert Schrit­te weit er­streck­te, sich bis auf sechs oder acht Fuß un­ter dem Spie­gel des See’s er­he­be, und dass Hut­ter hier Pfäh­le ein­ge­schla­gen und dar­auf, der Si­cher­heit we­gen, sei­ne Woh­nung sich er­baut habe.