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Sein Name war Lautloser Wolf…bis zu dem Tag, als seine Kai-Ordensbrüder durch einen heimtückischen Überfall ermordet wurden. Lautloser Wolf überlebte als einziger. Während die Armeen der Finsternis über die Landesgrenzen schwärmen, macht sich der junge Ordensschüler auf die gefährlicher Reise zur Hauptstadt, um König Ulnar vor dem drohenden Untergang zu warnen. Seine einzigen Verbündeten sind der Magierlehrling Banedon und ein rätselhaftes Geschöpf namens Alyss. Der junge Kai darf nicht scheitern, denn er ist der letzte seines Ordens. Er trägt seitdem einen neuen Namen: Einsamer Wolf. TOR DER FINSTERNIS ist der zweite Band der Romanserie von John Grant, basierend auf den weltberühmten Fantasy-Spielbüchern "Einsamer Wolf" von Joe Dever.
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Seitenzahl: 364
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John Grant & Joe Dever
TOR DER FINSTERNIS
John Grant & Joe Dever
Aus dem Englischen von Daniel Mayer
Roman
Titel der englischen Originalausgabe:THE DARK DOOR OPENS
Deutsche Erstauflage
1. AuflageVeröffentlicht durch den MANTIKORE-VERLAGNICOLAI BONCZYKFrankfurt am Main 2015www.mantikore-verlag.de
Copyright © der deutschsprachigen AusgabeMANTIKORE-VERLAG NICOLAI BONCZYKText © John Grant & Joe Dever 1989
Titelbild: Alberto Dal LagoDeutschsprachige Übersetzung: Daniel MayerLektorat: Julian KöckSatz: Matthias LückCovergestaltung: Kostandinos Lagos
ISBN 978-3-945493-31-1
»Wir sollten besser in den Schutz der Bäume zurückkehren«, sagte Banedon nervös. »Überall treiben sich Kraan herum.«
»Geh ruhig. Ich komme nach. Ich muss zuerst noch etwas erledigen.«
Während er über das Gras spurtete, pries er den Umstand, dass seine grüne Tunika und der Umhang ihm eine gewisse Tarnung boten. Neben den Überresten eines Giaks lag sein bösartig aussehendes, schwarzes, zackiges Schwert. Er bewegte sich so schnell, wie er nur konnte, nahm das Schwert am Griff auf und huschte zurück zu Banedons Versteck.
»Du brauchst eine Waffe«, keuchte er. »Ein Giak-Schwert ist vielleicht nicht genau das, was du ausgesucht hättest, aber etwas besseres kann ich gerade nicht bieten. Hier, nimm es.«
Zögerlich streckte der Magier die Hand aus, um die Waffe entgegenzunehmen, doch sobald er seine Finger um den Griff legte, schoss eine Abscheu durch ihn, die so stark war, dass sie ihm körperliche Schmerzen zufügte. Es fühlte sich an, als sei das Schwert ein Behältnis voller passiver Leblosigkeit und aktiver, gieriger Tödlichkeit zugleich. Er würgte heftig und warf die Waffe zurück auf das Gras der Lichtung.
»Es tut mir leid. Ich kann dein Geschenk nicht annehmen.«
Einsamer Wolf war erstaunt und verärgert.
»Sei nicht dumm. Wenn du von einem Kraan angegriffen wirst, dann bist du so gut wie tot, aber mit einer Waffe hast du wenigstens einen Hauch von Hoffnung.« Er ging los, um das Schwert zurückzuholen.
»Nein! Lass es!«, rief Banedon. Sein dünnes, fahles Gesicht war nass vor Schweiß und auch sein gelbes Haar war sichtlich feucht. »Verstehst du nicht? Ich kann dieses … dieses Ding nicht berühren.«
»Oh, bei der Liebe Kais …«, begann Einsamer Wolf ungeduldig, doch der Zauberer unterbrach ihn.
»Spürst du es nicht?«
»Was spüren?«
»Die Seele in diesem Schwert. Es ist böse. Es ist grausam. Es ist …«
Banedons stolpernde Worte verklangen. Er begriff, wie wenig sie das ausdrückten, was er sagen wollte. Er versuchte es erneut. »Ich … ich glaube, dass meine Seele auch so werden würde, wenn ich dieses Schwert mit mir führe.«
»Ich habe nichts gespürt. Es ist nur eine Waffe, mehr nicht.« Einsamer Wolf zuckte mit den Schultern.
»Es ist keine mundane? Waffe.«
»Davon bin ich auch nicht ausgegangen. Giaks sind keine Sterblichen. Sie sind Bruten. Sie haben keine Seele.«
»Nun, egal was es war, was ich …«
Banedon wusste, dass es keinen Sinn ergab, noch weiter zu sprechen. »Es nützt nichts. Ich kann es dir nicht erklären. Aber ich kann es auf keinen Fall anfassen.«
Das Bersten der Zweige über ihnen erschreckte sie beide. Und sie beide reagierten auf die ihnen eigene Art. Einsamer Wolf ging augenblicklich in die Hocke, umfasst seine zweischneidige Axt mit beiden Händen und war bereit für den Kampf. Banedon sprang hinter einen Busch und machte sich auf das Schlimmste gefasst. Er kannte die Gestalt der Gedanken, die er brauchte, um zischende Energie zu schleudern und seinen Feind zu töten, doch seine Reserven des Widerstands waren durch den köstlichen Schmerz der Magie vollständig aufgebraucht. Die höheren Adepten der Bruderschaft des Kristallsterns waren dazu imstande, solche Schmerzen für längere Zeit zu unterdrücken, aber er gehörte dem niedrigsten Initiationsgrad an.
Die Geräusche waren von einem Kraan verursacht worden. Die große, fledermausartige Kreatur mit ihren messerscharfen Krallen und ihrem langen, grausamen Schnabel war mit einer ihrer Schwingen in den Zweigen hängen geblieben und versuchte nun sich zu befreien. Mit starrsinniger Wildheit kratzte sie nach dem Ast. Als das keinen Erfolg hatte, begann das Geschöpf, seine eigene Schwinge zu zerfleischen. Tropfen von grünlich-grauem Sekret regneten um sie herum zu Boden.
»Schnell!«, bellte Einsamer Wolf. »Die Bestie hat uns vielleicht gesehen. Wenn sie es hat, und sie sich befreit, dann wird sie berichten, wo wir sind. Wir müssen schnell los.«
Banedon reagierte nur langsam.
»Beweg dich!«
Einsamer Wolf schleppte ihn am Arm tiefer zwischen die Bäume. Endlich begann Banedons Körper den Befehlen zu gehorchen. Die beiden stolperten durch das dichte Unterholz. Sie machten einen ordentlichen Lärm, doch Einsamer Wolf hatte keine Zeit, sich darum zu sorgen – mit Glück würde das Geräusch von dem Wüten des feststeckenden Kraan übertönt werden.
Es war ihnen unmöglich zu sagen, wie viel Zeit vergangen war, als Banedon auf den moosigen, braunen Boden fiel, keuchend und seine Seite haltend.
»Es nützt nichts.« Er weinte fast. »Geh ohne mich weiter.«
Einsamer Wolf lehnte sich auf den Stiel seiner Axt und blickte auf die sichtlich erschöpfte Gestalt seines Gefährten herab. »Ich glaube, wir sind weit genug geflohen. Und um ehrlich zu sein, ich bin auch ziemlich erschöpft. Wir können uns aber nicht lange ausruhen. Wir müssen in Bewegung bleiben.«
Weit über ihnen konnten sie das Gemecker von Hunderten von kreisenden Kraan und das Kreischen von Schwärmen von desorientierten Vögeln hören, die der Schreck der morgendlichen Invasion aus den Nestern getrieben hatte. In der Entfernung konnten sie die Schmerzensschreie von Menschen vernehmen. Zagarnas Truppen hatten wohl noch andere Flüchtlinge im Wald entdeckt. Aber soweit Einsamer Wolf sagen konnte,waren keine Giaks in ihrer Nähe.
»Was sind deine Pläne, Magier?«, fragte er. Er versuchte, seine Stimme ruhig zu halten.
»Ich denke … Ich denke, ich muss zurück nach Toran. Wenn die Truppen der Finsteren Länder die Abtei zerstört haben, dann ist gewiss die Auslöschung unserer Bruderschaft ihr nächstes Ziel.« Banedons Worte kamen in keuchenden, kleinen Zuckungen aus ihm heraus, doch schien sein Verstand wieder klar zu sein. »Ich bin sicherlich kein großer Magier, Einsamer Wolf, und ich bin erst recht kein Kämpfer. Aber ich würde mir nie verzeihen, wenn ich sie auf die Art sterben lassen würde, wie ihr Kai abgeschlachtet wurdet.«
Einsamer Wolf sah Rot.
»Es war nicht meine Schuld, dass ich nicht gegen Zagarnas Horden kämpfen konnte«, sagte er. Seine Lippen waren zusammengepresst, seine Stimme leise. »Ich schlug mit dem Kopf gegen einen Ast, als ich los lief, um meinen Gefährten zu helfen, und wurde dabei ohnmächtig. Es war, als hätte mir jemand den Ast in den Weg gestellt.«
Dann begriff er, wie dürftig seine Erklärung klang, doch zu seiner Überraschung nickte Banedon.
Der Zauberlehrling hatte aus einem Grund, den er selbst nicht verstand, sofort an Alyss denken müssen. Das klang nach der Art, wie sie handeln würde. Ihre Macht war gewaltig, doch sie war alles andere als allmächtig. Sie war keine Göttin – er wusste nicht genau, was sie war. Dass sie sich gegen die Mächte der Dunkelheit gestellt hatte, wusste er sicher. Es schien ihm, als habe sie keine kleine Rolle darin gespielt, Einsamer Wolf vor dem Gemetzel zu retten. Der Gedanke munterte ihn ein wenig auf. Wenn sie eingreifen konnte, um Einsamer Wolf zu retten, dann würde sie vielleicht auch ihm helfen. Sie hatte etwas Derartiges gesagt, als sie sich das erste Mal getroffen hatten. Vielleicht würde er am Ende doch überleben.
Einsamer Wolf konnte einen Teil von Banedons Gedanken aus dem Gesichtsausdruck des Zauberers herauslesen.
»Du scheinst etwas zu wissen, dass ich nicht weiß«, sagte er.
»Ich habe dir von meiner Freundin erzählt«, sagte Banedon und setzte sich in eine kniende Haltung auf. »Du weißt schon, Alyss. Ich glaube sie hilft uns – dir und mir.«
Ich dachte schon, du kommst nie darauf, Banedon, sagte eine Stimme in ihrer beider Verstand. Banedon erkannte sie sofort und hieß sie warm willkommen.
Hallo, ließ er seinen Geist antworten.
Und auch dir hallo, aber ich habe nicht viel Zeit für eitles Geschwätz. Ich werde tun, was ich kann, aber ich kann nichts versprechen. Dein bester Weg ist der nach Toran. Einsamer Wolf hat andere Dinge zu erledigen. Ihr werdet euch, wenn alles gut verläuft, noch viele Male in der Zukunft treffen. Übrigens siehst du ziemlich albern aus. Dein Haar ist ein richtiges Krähennest.
Ihre Stimme war verschwunden.
Einsamer Wolf taumelte zurück.
Stärke schien Banedon zu erfüllen, als er langsam aufstand.
»Ja«, sagte der Magier, »das ist es, was ich tun muss. Ich muss nach Toran zurückkehren und meiner Gilde helfen, wie ich kann.«
Einsamer Wolfs Herz wurde von Hoffnung erfüllt, doch er gab sich Mühe, es zu verbergen. Ein Gefährte war eine Sache, aber die Last eines unfähigen Anhängsels war eine andere. Und doch war es Teil seiner Lehren gewesen, dass es seine Pflicht als Kai war, die Schwachen mit all seinem Mut und all seinem Können zu beschützen. Also wiederholte er: »Wenn du willst, können wir zusammen reisen – aber ich muss nach Holmgard gehen. Ich muss den König warnen. Wenn wir Holmgard erreicht haben, kann ich darum bitten, dich nach Toran schicken zu lassen, mit einer Eskorte aus Kriegern des Königs.«
»Das ist nicht notwendig«, sagte Banedon.
»Aber du bist wehrlos!«
»Nicht ganz. Ich habe meine Magie, die mir hilft.«
Einsamer Wolf lachte. Das Geräusch war so mitteilsam wie jedes Wort.
»Oh«, sagte Banedon und lächelte. Jede Spur der Angst schien verflogen zu sein. »Ich denke, meine Magie wird ausreichen, um mich zu schützen. Gerade ausreichen, wenn ich Alyss kenne. Ich muss natürlich vorsichtig sein, aber … nun, mach dir keine Sorgen um mich.«
Einsamer Wolf konnte nicht glauben, welche Verwandlung der Magier durchlaufen hatte. Der bebende junge Mann, der bis gerade eben eine Last zu sein schien, gewann nun fast sichtbar an Format.
»Was ist los?«, fragte er.
»Ich habe dir von Alyss erzählt …«
»Gestatte mir, dir nicht zu glauben«, sagte Einsamer Wolf etwas umständlich. Doch war er bei weitem nicht so abfällig, wie er tat. Etwas – jemand? – hatte Banedon vollständig verändert. Da war diese Stimme in seinem Geist gewesen. Entweder gab es wirklich diese »Freundin« namens Alyss oder Banedon bildete sie sich nur ein. Aber allein dieser Glaube an seine Freundin füllte ihn sichtlich mit Zuversicht. Was es auch war, es war egal. Einsamer Wolf hatte sein Bestes getan, Banedon zu überzeugen, mit ihm zu kommen. Der Magier hatte das Angebot abgelehnt.
»Dann trennen sich hier unsere Wege«, sagte er.
»Aber nicht für lange.« Der Magier kämpfte sich aus seiner bunten Robe und drehte sie auf Links. Die Innenseite war graubraun, nicht unähnlich der Brauntöne der sie umgebenden Büsche.
»Was meinst du?«
»Nur«, sagte Banedon, während er einen langen Grashalm ausriss und in den Mund steckte, »dass ich weiß, dass unsere Leben von hier an ineinander verwoben sein werden.« Er zog seine Robe wieder an und war nun nur noch schwer im Wald zu erkennen.
»Diese ‚Alyss‘ von der du redest, hat dir das gesagt, vermute ich?«
»Ganz genau.«
Einsamer Wolf prustete.
Banedon fuhr fort und ignorierte Einsamer Wolfs Unglauben. »Ehe ich mich nach Toran aufmache, gibt es da noch etwas, das ich dir geben will. Ein Zeichen unseres Bündnisses.«
Ohne Worte und voller Ehrfurcht löste er eine goldene Kette an seinem Hals, an der ein Anhänger in Form des Kristallsterns hing. Er funkelte im unbehaglichen Sonnenlicht, das durch die Bäume fiel und drehte sich, als er an der Kette baumelte. Der Anhänger hatte etwas leicht Unnatürliches an sich, doch Einsamer Wolf konnte nicht sagen, was es war. Es war, als ob er das kleine Artefakt nicht richtig sehen konnte, egal wie sehr er die Augen zusammen kniff. Er blinzelte.
»Nimm es«, sagte Banedon. »Es gibt keine größere Gabe, die ein Anhänger der Bruderschaft des Kristallsterns geben kann Sie steht für die Tatsache, dass wir Gefährten sind – nicht nur jetzt, sondern auch in der Zukunft. Und vielleicht bringt es dir Glück, wenn du in Not bist.«
»Komm schon«, fügte er hinzu, als Einsamer Wolf zögerlich schaute. »Nimm es.«
Der Kai nahm das Geschenk an und legte verlegen die Kette um den Hals.
»Bis zum nächsten Mal, wenn wir uns treffen«, sagte der Magier. Er streckte ihm die Hand entgegen. Einsamer Wolf schüttelte sie stumm.
Banedon verschwand zwischen den Bäumen und bewegte sich fast lautlos.
Vonotar schoss in die Ruinen der Kai-Abtei herab. Seine Augen verschafften sich einen Überblick über das Gemetzel, doch er empfand überhaupt nichts. Seine Gedanken waren immer noch von dem betäubt, was Alyss ihm während ihres langen Gefechts in den Wolken angetan hatte. Vor dem Duell war er ein starker Mann in seinen frühen Dreißigern gewesen und dank der Verbindung der Magie der Linken Hand des Kristallsterns und der Magie der Rechten Hand von Zagarnas Nadziranim, die in ihm ruhte, hatte er die Macht besessen, seine Jugend fast ewig zu behalten. Und doch hatte Alyss ihm das Alter aufgezwungen: Er war noch immer ein so gut wie unsterbliches Wesen, doch würde er für den Rest seines Lebens ein gebeugter alter Mann sein, mit dünnem weißen Haar und faltiger Haut, mit Augen, die über den knochig gespannten Wangen tief in ihre Höhlen gesunken waren. Sein Rücken war verkrümmt, als sei er knorrig vom Verstreichen der Jahrzehnte.
Er humpelte auf die Ruine zu. Das Sonnenlicht war rötlich braun verfärbt, hier in der Nähe der springenden Flammen und des Turms aus dickem, fettigem Rauch.
Die Fliegen versammelten sich zu Millionen, angelockt vom Blut und den zerschmetterten Leibern. Die Leichen der Kai-Krieger – Männer, Frauen, sogar kleine Kinder – lagen zwischen den zerfleischten Gestalten der Kraan, Zlanbestien, Kryptenbruten und Giaks.
Er erinnerte sich dunkel daran, dass er noch vor einigen Tagen von dem Anblick und dem durchdringenden Gestank von vergossenem Blut und Sekret, verbranntem Fleisch und versengtem Haar abgestoßen gewesen wäre. Aber das war zuvor gewesen – in einem früheren Leben. Auch wenn er noch immer die blaue, mit Sternen verzierte Robe eines Anhängers der Bruderschaft des Kristallsterns trug, betrachtete er sich nicht mehr als Teil dieser Gilde. Jetzt war er Zagarnas Waffenbruder. Er hatte ganz Aon durch die Augen des Schwarzen Lords gesehen und er hatte mit Naar, dem König der Dunkelheit, gesprochen. Er hatte zugelassen, dass er mit der wahnsinnigen, rasenden Freude des Bösen erfüllt wurde.
Er humpelte mit Schwierigkeiten über die zerborstenen Steine und die zerschmetterten menschlichen Leiber. Er hätte natürlich über sie fliegen können, doch suchte er nach Beute.
Während ihres Duells – als Alyss sie zwischen den Wolken von Trugbild zu Trugbild transportiert hatte – hatte er ihre Macht erkannt und verstanden, dass sie der seinen mindestens ebenbürtig war. Ehe einer von beiden allerdings einen tödlichen Schlag hätte ausführen können, hatte sie plötzlich verkündet, dass sie die Siegerin sei und dass die Schlacht vorüber war. Er besann sich auf die Worte, die sie gesprochen hatte.
… du hast mir ein sehr nützliches Geschenk gemacht. Nur ein bisschen Zeit. Wie ich gesagt habe, kann ich die Zukunft nicht sehr viel verändern, aber mit deiner Hilfe – und egal ob du weißt, dass du mir geholfen hast oder nicht – kann ich sie nun ein klein bisschen mehr verändern. Genug, um dafür zu sorgen, dass zu dem Zeitpunkt, in dem du in die Realität zurückkehrst, die zu Magnamund gehört, es zu spät sein wird, so dass du nichts mehr tun kannst, was ich nicht will.
Vonotars Gedanken hatten geschrien: Was?
Alyss‘ Antwort war gelassen gewesen. Ein Leben zu nehmen – ein sehr wichtiges Leben.
Und wessen Leben könnte das sein?
Das Leben eines Jungen.
Welcher Junge?
Ich denke, ich habe dir genug gesagt …
Ihr geistiger Austausch hing ihm noch immer nach. Vielleicht hatte er trotz ihrer Aufschneiderei noch die Zeit, diesen Jungen zu finden und zu vernichten? Wenn das Leben des Jungen für Alyss so wichtig war, dann konnte es gewiss nur bedeuten, dass er zwischen Zagarna und der Eroberung Sommerlunds stand. Vonotar hatte wenige Illusionen über den Charakter seines Verbündeten: Zagarna war zu den besten Zeiten gefährlich, doch wenn er selbst von der geringsten Störung aufgehalten wurde, dann brachte er jene in seiner Umgebung wahllos um. Vonotar hatte Zuversicht in seine magische Macht und glaubte, dass sie ausreichen würde, um jeden Angriff abzuwehren, den der Schwarze Lord ausführen könnte, doch verspürte er noch nicht den Wunsch, das Risiko einzugehen. Seit er seinen Geist freiwillig mit Zagarnas verbunden hatte, war er sich der Möglichkeit bewusst, dass vielleicht ein Teil seiner eigenen Macht in den Schwarzen Lord geflossen war. Außerdem wusste er, dass im Kern von Zagarnas Gehirn – seinem Intellekt – nichts vom Schwarzen Lord war, nur eine Tasche aus der reinen Substanz, die Naar, König der Dunkelheit war. Vonotar wollte sich nicht zu sehr schmeicheln und annehmen, dass seine Fähigkeiten der fast unvorstellbaren Macht Naars gewachsen wären.
Er nahm eine Bewegung zwischen den Ruinen wahr.
Vonotars Augen bewegten sich so schnell wie die Zunge einer Schlange. Die Bewegung war von dort drüben gekommen, rechts von ihm, ungefähr hundert Schritt weit entfernt.
Eine schlanke Gestalt – wie die eines Jungen – bewegte sich von Leiche zu Leiche, griff in die Taschen und riss Verzierungen von den Tuniken. Wer er auch sein mochte, er war vollständig auf seine Aufgabe konzentriert und hatte das Näherkommen des Zauberers nicht bemerkt. Offensichtlich war er sich sicher, dass er ungestört sein würde, und arbeitete entsprechend methodisch. Es wirkte fast sanft, wie er den Kopf einer Frau hob, um das Schmuckstück abzunehmen, das um ihren Hals hing.
Und er war in die Uniform der Kai gekleidet.
Das musste der Junge sein, dessen Leben Alyss hatte retten wollen! Noch immer sammelte er Talismane, die ihm bei seinem Plan unterstützen sollten, dem Zorn des Schwarzen Lords zu entgehen.
Vonotar erlaubte sich ein frostiges inneres Lächeln. Sein kalter Verstand bewegte sich schnell, um einen Nadziranim-Gedanken zu formen. Er modellierte ihn sorgfältig und genoss die Empfindung.
Alyss hatte also gehofft, seine Pläne zu durchkreuzen, nicht wahr? Wie unverschämt sie war!
Er zielte mit seinem Gedanken auf die schlanke Gestalt.
Der Plünderer explodierte in einem Sturzbach aus gefräßigen Ratten, die sich schnell über das gequälte Fleisch hermachten, das sie umgab.
Mit dem Gefühl, gute Arbeit geleistet zu haben, schoss Vonotar in den Himmel zurück. Er warf sich selbst hoch über die gepeinigte Landschaft, erfreute sich am Anblick des Rauchs von tausend Feuern, den herabschießenden Scharen von Kraan und den unzähligen Todesqualen der Menschen, die er spüren konnte. Der Anblick war eine sichtbare Manifestation der Folgen des Zorns des Schwarzen Lords und Vonotar frohlockte.
Er fühlte ein Kichern in seinem Geist, doch er ignorierte es.
Er würde sich erst später daran erinnern, als Zagarna sich laut fragte, was wohl mit dem Drakkar geschehen war, dem er befohlen hatte, auszuziehen und die Talismane der abgeschlachteten Kai zu sammeln …
Einsamer Wolf drang tiefer in den Wald vor. Sein Vorankommen wurde langsamer und langsamer, als das Unterholz dichter und dichter wurde. Jedes Mal, wenn er auf eine Lichtung kam, warf er einen prüfenden Blick in den Himmel. Er suchte nach Zeichen dafür, ob Kraan nach ihm Ausschau hielten. Wenn es keine zu geben schien, sprang er ins Offene und orientierte sich, so schnell er vermochte, an der Sonne, um seine weitere Route zu planen Es war sein Ziel, so gut es ging nach Südosten in Richtung Holmgard zu ziehen. Oft musste er dabei jedoch feststellen, dass er im gedämpften Licht unter den gewaltigen Bäumen vom Weg abgekommen war; einmal musste er gar entdecken, dass er die vergangene halbe Stunde nach Norden gegangen war. Er hatte einige Male geflucht und seinen Weg angepasst.
Die Düsternis war irgendwie beruhigend. Es war ihm immer natürlich vorgekommen, durch den Wald zu wandern, als teilte er eine direkte Gemeinschaft mit den Bäumen. Selbst wenn er sich – wie es oft nötig war – mit seiner Axt durch ein Dickicht schnitt, hatte er das Gefühl, dass die Bäume irgendwie verstünden, dass er es tun musste. Er sah die bleichen Blumen, die hier im schwachen Licht wuchsen. Er kräuselte seine Lippen in eines seiner seltenen Lächeln, als ein kleines Waldgeschöpf aus dem Boden aufschreckte und schnell in ein privates Versteck schoss. Er hörte die Zweige über ihm rascheln. Das Geräusch vermischte sich mit den verstohlenen Klängen der Waldtiere, die ihn umgaben. Er fühlte sich, als sei auch er ein wildes Tier – wahrlich der Wolf, dessen Namen er trug.
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