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Auf den Urlaub in der einsamen Blockhütte hat Lena Null Bock. Doch als der geheimnisvolle Kranich am Moorsee auftaucht, nehmen die Ereignisse eine völlig unerwartete Wendung. Plötzlich steht Lena im Mittelpunkt eines magischen Schauspiels am Wasser der Weisheit. Dort erhält sie auf Geheiß der Sternschnuppe Besuch von der seltsamen Zeitfee. Die großen Fragen des Kranichs führen Lena zur Hüterin der Zeit. Im Zauberspiegel ihrer Fantasie erreicht Lena die magische Zeitschwelle, an der sich die Lösung des Rätsels offenbart. Diese Begegnung verändert ihr Leben für immer und legt den Grundstein für eine große Liebe...
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Seitenzahl: 106
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Kapitel 1: Das einsame Blockhaus
Kapitel 2: Die erste Begegnung
Kapitel 3: Der Aufbruch zur Suche
Kapitel 4: Die Ankunft am Moorsee
Kapitel 5: Das magische Konzert
Kapitel 6: Die unerwartete Wendung
Kapitel 7: Das Unwetter
Kapitel 8: Die Ahnung und das Warten
Kapitel 9: Die Zeitfee
Kapitel 10: Die großen Fragen
Kapitel 11: Der Zauberspiegel der Ideen
Kapitel 12: Die schleichende Macht
Kapitel 13: Die magische Zeitschwelle
Kapitel 14: Die Schattengestalt
Die Sonne hatte den ganzen Tag mit all ihrer Kraft die warme Sommerluft aufgeheizt. Jetzt brach die Dämmerung herein und legte sich wie ein zarter Schleier behutsam auf den kleinen Moorsee. Das hektische Treiben der unzähligen Moorbewohner beruhigte sich langsam und alle noch umher eilenden Kreaturen verkrochen sich hastig in ihre Höhlen und Nester. Die meisten Tiere hatten ihren Platz für die Nacht schon gefunden. Nur ein paar unruhige Geister irrten noch aufgeregt umher. So auch der Mückenschwarm, der auf der Suche nach einem Schlupfloch im abrupten Zickzack knapp über dem Wasser umherschwirrte. Und der große, grüne Frosch, der wie erstarrt mit einem leisen Blobb bewegungslos ins Wasser gleitete. Der Gesang der Moorvögel war schon verklungen und auch das Zirpen der Grillen wurde immer leiser. An dem verträumten Weiher mitten im Wald breitete sich eine geheimnisvolle, trügerische Ruhe aus.
An jenem Abend begann diese wundersame Geschichte. Natürlich konnte Lena zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen, was sie an diesem magischen Ort erwartete. Wenn es nach Lena gegangen wäre, hätte die Familie auch in diesem Jahr den Urlaub wieder auf Gran Canaria verbracht. Lena liebte die coole, quirlige Ferieninsel im Atlantik mit ihren unzähligen Vergnügungs- und Freizeitmöglichkeiten und dem milden Klima des ewigen Frühlings.
Von der Idee ihrer Eltern, diesmal auf das Flugzeug zu verzichten und stattdessen mit dem Auto in das nur knapp eine Fahrstunde entfernte, sehr einsam gelegene Ferienhaus im Schwarzwald zu fahren, war Lena alles andere als begeistert. Lenas Vater hatte den Tipp mit dem Blockhaus von einem Arbeitskollegen bekommen, der dort regelmäßig Urlaub machte und von der Ruhe mitten in der Natur und der kurzen, kostengünstigen Anreise ganz angetan war. Auch Lenas Mutter hatte sich von der Begeisterung ihres Mannes schnell anstecken lassen und freute sich auf Ferientage, an denen die Familie unter sich war und endlich wieder einmal ausgiebig Zeit miteinander verbringen konnte.
Lena sah das ganz anders. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, die wertvollsten Tage des Jahres an einem solch trostlosen Ort zu verbringen. Weitab vom geliebten Ferientrubel der spanischen Inselküste, ohne Meer, ohne Sandstrand, ohne Swimmingpool, ohne Wellenreiten auf dem verrückten Speed-Banana-Boat, ohne Go-Cart-Bahn, ohne Shoppingtour in den Strandläden und – was das schlimmste war – ohne Urlaubsflirts in der Jugenddisco.
Die Vorfreude auf ihren fünfzehnten Geburtstag, der für den nächsten Tag im Kalender stand, war verflogen. Dabei hatte sich Lena in ihren Gedanken schon ganz genau die abgefahrene Fete mit coolen Drinks und fetziger Hip Hop Musik ausgemalt. In ihrem neuen, engen Sommerkleid wollte sie die Tanzfläche rocken und die Blicke der Jungs auf sich ziehen. Es sollte eine richtig geile Geburtstagsfete werden mit allem, was dazu gehört. Doch dieser Traum war geplatzt wie eine Seifenblase.
Stattdessen ätzend langweilige Ruhe in dem abgeschiedenen Blockhaus ohne eine gleichaltrige Menschenseele weit und breit, niemand aus ihrer Schulclique und kein einziges neues Gesicht zum Kennen lernen. Trostlose Aussichten, die Lenas Vorfreude auf diesen besonderen Tag in einer lustlosen Gleichgültigkeit erstickten.
Lenas Eltern hatten sich trotz heftiger Proteste und der inständigen Bitte ihrer Tochter nicht umstimmen lassen. Ihre Entscheidung für den Schwarzwald stand unverrückbar fest.
Die Familie reiste zum ersten Mal an einen solch ungewöhnlichen, entlegenen Urlaubsort. Im Gegensatz zu ihrer Tochter waren Lenas Eltern fest davon überzeugt, dass allen drei Familienmitgliedern die Ruhe dort draußen im Wald, fernab von der Hektik des Alltags, guttun würde.
„Endlich mal raus aus dem Dauerstress und dem ständigen Gehetze“, schwärmte Lenas Vater während der Anreise. „Einfach ein paar Tage die Füße hochlegen ohne ewig lange Autofahrt oder einen anstrengenden Flug und den Herrgott einen guten Mann sein lassen – herrlich, ich kann es kaum erwarten!“
Der Schönrederei ihres Vaters überdrüssig zog Lena zickig die Augenbrauen hoch und starrte durch die Seitenscheibe wortlos hinaus ins Leere.
Am späten Nachmittag bog das Auto der Familie in den schmalen Schotterweg ein, der zum Blockhaus führte. Als Lena bei der Ankunft das einsame Ferienhaus zum ersten Mal sah, stieg in ihr neben der Langeweile noch eine fast panische Angst auf. Hier draußen würde wohl nicht einmal ihr Handy und der Laptop funktionieren. Dadurch war sie wahrscheinlich völlig von der Außenwelt abgeschnitten - ein entsetzlicher Gedanke.
Lena geriet immer mehr in Weltuntergangsstimmung. Die üble Laune stand ihr ins Gesicht geschrieben und blieb auch ihren Eltern nicht verborgen. Ihr Vater unternahm nochmals einen Versuch, die Gemütslage seiner Tochter zu erhellen.
„Wir sind da,“ verkündete er mit spürbar aufgesetzter Fröhlichkeit und ließ nicht locker: „Komm Lena, schau nicht so sauer. Wir laden jetzt erst mal das Gepäck aus und ziehen in unser neues Zuhause ein!“
Auch Lenas Mutter hatte natürlich die gedrückte Stimmung und die versteinerte Miene ihrer Tochter bemerkt und versuchte, dem Vater zu Hilfe zu kommen.
„Lena, lass dich nicht so runterziehen. Du wirst sehen, wenn wir uns alle etwas Mühe geben, können es hier draußen auch für dich richtig tolle Urlaubstage werden.“
Das alles überzeugte Lena nicht. Missmutig und widerwillig half sie ihren Eltern beim Ausladen des Gepäcks.
Lenas Vater gab nicht auf: „Mein Arbeitskollege hat mir gesagt, dass es hier ganz nah am Haus einen wunderschönen kleinen Moorsee gibt, in dem man sogar baden kann. Geh doch mal auf Entdeckungsreise. Du wirst bestimmt was Tolles finden.“
Lena ging das ganze Gerede und die aufgesetzte Ferienlaune ihrer Eltern gehörig auf die Nerven. Demonstrativ missgelaunt maulte sie: „Ihr glaubt aber nicht im Ernst, dass ich es hier am Arsch der Welt eine ganze Woche allein aushalte?“
Einen solch ruppigen Ton kannten Lenas Eltern nicht von ihrer Tochter. So hatten sie den Teenager noch nie erlebt. Sie tauschten einen ratlosen Blick aus, bevor Lenas Vater mit hörbar gespielter Empörung fortfuhr: „Also bitte, du bist doch hier nicht allein! Sind wir denn niemand? Reiß dich jetzt bitte mal zusammen!“
Lena wandte sich wortlos ab und kramte im Auto nach dem Laptop. Dann schob sie ihr Handy zusammen mit den dazugehörigen, kabellosen Mini-Kopfhörern in die Hosentasche ihrer Jeans und verschwand im Blockhaus auf ihrem Zimmer. Das Einzige, was sie im Moment wirklich interessierte, war, ob ihr Smartphone hier in der Pampas eine Verbindung aufbauen konnte.
Sie hatte sich bereits darauf eingestellt, dass auf dem Display gleich die Anzeige mit dem grauen Balken und dem Text „kein Netz“ erschien. Doch das war ein Irrtum. Das Mobilnetz funktionierte an diesem entlegenen Ort besser als erwartet und das Säulendiagramm, das die Signalstärke auf ihrem Handy anzeigte, stieg auf etwa 30%. Das reichte, um mit ihren Freunden über WhatsApp Kontakt zu halten. Durch den digitalen Kurzmitteilungsdienst war sie immer in Verbindung mit ihrer Community und auf dem neuesten Stand darüber, was gerade abging. Doch noch bevor sie WhatsApp öffnen konnte, vibrierte ihr Handy und zeigte einen eingehenden Anruf an. Lena blickte gespannt auf das Display.
„Oh nein,“ schoss es ihr beim Lesen der angezeigten Handynummer durch den Kopf, „das brauch ich jetzt nicht!“ Sie ließ den Anrufer warten und hoffte, dass er bald von sich aus die Verbindung beenden würde. Aber der Störenfried gab nicht auf. Immer wieder ertönte der surrende, monotone Rufton, bis Lena schließlich genervt das Gespräch annahm.
“High, was gibt´s denn so Dringendes, dass du mich so penetrant piesackst?“
Aus dem Smartphone antwortete scherzhaft eine männliche Teenagerstimme, die Lena gut kannte. Es war Vincent. Ein Junge aus ihrer Klasse, den Lena - immer etwas ironisch - als ihren „besten Freund“ bezeichnete. In diesem doppeldeutigen Kosenamen vereinten sich die widersprüchlichen Gefühle, die Lena Vincent entgegenbrachte.
„Na endlich, hallöchen popöchen! Dachte schon, du lässt mich hier am Telefon verfaulen.“
Lena mochte den speziellen Humor von Vincent und amüsierte sich köstlich, wenn Vincent den schrägen Sprücheklopfer gab und sie mit seinen albernen Blödeleien aufheiterte.
Insgeheim bewunderte Lena Vincent manchmal sogar, weil er durch seinen eigenwilligen Kleidungsstil, der sich nicht um die Erwartungen anderer scherte, etwas Besonderes an sich hatte.
Über diese Gedanken sprach Lena nicht mit Vincent. Lena hütete sie vor ihm wie ein Staatsgeheimnis, denn sie wollte Vincent keine falschen Hoffnungen machen. Stattdessen frotzelte sie mit einem schnippischen Grinsen:
„Dich am Handy verfaulen lassen? Keine schlechte Idee.“ Nach einer kurzen Pause fragte sie streng: „Aber jetzt mal im Ernst: Was ist los? Was willst du“
„Holla die Waldfee, heute sind wir aber kurz angebunden! Also, wenn du es so eilig hast – dann nichts wie zur Sache Schätzchen!“
Vincents Sprechblasengenerator war wieder mal in Hochform, und das gefiel Lena. Es änderte aber nichts an der Reserviertheit und den gemischten Gefühlen, die sie Vincent gegenüber hatte.
Einerseits fand Lena den nicht allzu groß gewachsenen, etwas übergewichtigen und ziemlich unsportlichen Teenager äußerlich ziemlich uncool. In dem grauen Overall, den Vincent meistens trug und mit seinen langen blonden Haaren, die in wilden, zerzausten Locken um seinen Kopf wedelten und so lang waren, dass sie im Gesicht einen Teil der roten Sommersprossen bedeckten, war Vincent nicht gerade ein Mädchenschwarm und entsprach überhaupt nicht Lenas Beuteschema. Da gab es in ihrer Klasse wesentlich attraktivere Exemplare des anderen Geschlechts. Manchmal genierte sie sich sogar ein wenig, wenn Klassenkameraden sie in Begleitung von Vincent in seinem einfallslosen Outfit sahen.
Anderseits hatte Vincent auch etwas an sich, was Lena mochte. Sein trockener Humor, mit dem er sie oft zum Lachen brachte und seine Unerschrockenheit, mit der er ätzenden Mitschülern und Lehrern begegnete, beeindruckten Lena. Sein sehr individueller Klamottenstyle gefiel Lena zwar überhaupt nicht, aber dennoch imponierte der Teenagerin, dass sich Vincent trotz der häufigen Ablästerungen von Gleichaltrigen nicht verbiegen ließ und seiner speziellen Art, sich zu kleiden, immer treu blieb. Das dafür notwendige Selbstbewusstsein verlieh ihm eine natürliche Autorität.
So war Lena Vincent gegenüber hin und hergerissen. Als ihr fester Freund, mit dem sie sich zeigen konnte und um den sie ihre Freundinnen beneidet hätten, kam Vincent nicht in Frage. Er musste sich mit der undankbaren Rolle des „besten Freundes“ zufriedengeben. Zu mehr reichte es bei Lena nicht. Das spürte Vincent und es wurmte ihn wahnsinnig. Er wünschte sich so sehr, dass Lena irgendwann auch seine männliche Zuneigung erwidern würde.
Doch Lena hatte, was ihren zukünftigen Freund anging, ganz andere Vorstellungen. Sie träumte von einem smarten Jungen, der äußerlich richtig was hermachte - ein echt cooles Luxusexemplar, das obendrein auch treu und intelligent sein und es ehrlich mit ihr meinen sollte.
Lena selbst war ein bildhübsches Mädchen und hatte die Figur eines Models. Mit ihren langen, dunkelbraunen und naturgelockten Haaren, die sie oft zu einem Pferdeschwanz zusammenband, mit ihren großen, dunkelbraunen Augen, die wie Edelsteine leuchteten und mit ihrer sportlichen Art, sich sexy zu bewegen, war es für sie ein Kinderspiel, Jungs auf sich aufmerksam zu machen und ihnen den Kopf zu verdrehen. Das hatte die Teenagerin schon unzählige Male auf dem Schulhof erfolgreich ausprobiert. Aber der Traumprinz, der Lenas hochgesteckte Erwartungen erfüllte, war noch nicht dabei gewesen. Die richtig gut aussehenden Herren der Schöpfung waren fast immer arrogante Modeltypen mit Playboy-Allüren. Das Gegenstück dazu war die Kontrastausführung der schüchternen, braven Langweiler, die Lena kalt ließen.
Vincent passte in kein solches Raster. Seine äußerlichen Defizite machte er durch Witz und Schlagfertigkeit mehr als wett. Er hatte in jeder Lage einen coolen Spruch auf Lager und sorgte mit seinen vorlauten Zwischenrufen in den Schulstunden regelmäßig für herzhaftes Gelächter in der Klasse. Mit diesen Einlagen demonstrierte er gleichzeitig auch witzig verpackt seine charakterliche Unverbiegbarkeit.
Aber das alles konnte bei Lena - trotz aller Sympathie – nicht die Glut ihrer weiblichen Zuneigung entfachen und so musste es Vincent ertragen, dass Lena ihre Chancen als junge, attraktive Frau anderweitig auslotete.
Lenas Flirterei mit anderen Jungs brachte Vincent innerlich jedes Mal vor Eifersucht auf die Palme. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und konsequent auf seine Chance zu lauern. Aber auch wenn sich Lena ihm gegenüber nach außen freundlich und kameradschaftlich gab, spürte er die innere Reserviertheit, mit der sie ihn auf Abstand hielt. Trotzdem ließ er keine Gelegenheit aus, immer wieder neue Anbandelungsversuche zu starten, wann immer sich die Gelegenheit bot. So auch heute.
Lena setzte zur Retourkutsche auf Vincents dreiste Begrüßung an: „Was heißt hier `zur Sache Schätzchen`, hast du heute zu gut…“, da öffnete sich die Zimmertür. Lenas Vater brachte den Beutel mit den Badesachen herein, den sie zuvor beim Entladen des Autos übersehen hatte und polterte in das Telefonat hinein:
„Das gibt´s doch nicht! Jetzt sind wir gerade erst angekommen und du hängst schon wieder am Handy. Schalt das scheiß Ding doch endlich mal ab und leg es weit weg!“