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Diese Serie von der Erfolgsschriftstellerin Viola Maybach knüpft an die bereits erschienenen Dr. Laurin-Romane von Patricia Vandenberg an. Die Familiengeschichte des Klinikchefs Dr. Leon Laurin tritt in eine neue Phase, die in die heutige moderne Lebenswelt passt. Da die vier Kinder der Familie Laurin langsam heranwachsen, möchte Dr. Laurins Frau, Dr. Antonia Laurin, endlich wieder als Kinderärztin arbeiten. Somit wird Antonia in der Privatklinik ihres Mannes eine Praxis als Kinderärztin aufmachen. Damit ist der Boden bereitet für eine große, faszinierende Arztserie, die das Spektrum um den charismatischen Dr. Laurin entscheidend erweitert. »Ich kann es dir einfach nicht recht machen! Was ich auch tue: Du findest es falsch. Weißt du was, Vanessa? Ich werde ausziehen, vielleicht können wir dann endlich aufhören, uns ständig zu streiten.« Schwer atmend stand Jonathan Selbmann vor seiner Frau, er schaffte es nur mit sehr viel Selbstbeherrschung, nicht zu schreien. Aber die Zwillinge waren im Zimmer nebenan, sie bekamen von dem Unfrieden zwischen ihren Eltern schon genug mit, das musste er nicht noch schlimmer machen, indem er völlig die Beherrschung verlor. Auch so hatten sie vermutlich genug gehört, wieder einmal. Vanessa war sehr blass, aber sie blieb äußerlich ruhig. Damit brachte sie Jonathan nur noch mehr gegen sich auf, aber das ahnte sie nicht. »Ja, zieh aus!«, sagte sie leise. »Dann kannst du dich auch viel leichter mit deiner Freundin treffen und musst mir nicht ständig was vorlügen.« Einen Moment lang erstarrte er, fasste sich jedoch schnell wieder. Eigentlich war es ihm gleichgültig, ob sie von Hanna wusste oder nicht, redete er sich ein. »Willst du mir jetzt auch noch vorwerfen, dass ich eine Freundin habe?«, fragte er. Auch seine Stimme war jetzt gesenkt. »Zwischen uns läuft seit bald einem Jahr nichts mehr. Immer hattest du andere Ausflüchte, mal warst du zu müde, dann zu traurig, dann war dir nicht danach. Was hast du denn gedacht, wie ich damit umgehe?
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Seitenzahl: 115
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»Ich kann es dir einfach nicht recht machen! Was ich auch tue: Du findest es falsch. Weißt du was, Vanessa? Ich werde ausziehen, vielleicht können wir dann endlich aufhören, uns ständig zu streiten.«
Schwer atmend stand Jonathan Selbmann vor seiner Frau, er schaffte es nur mit sehr viel Selbstbeherrschung, nicht zu schreien. Aber die Zwillinge waren im Zimmer nebenan, sie bekamen von dem Unfrieden zwischen ihren Eltern schon genug mit, das musste er nicht noch schlimmer machen, indem er völlig die Beherrschung verlor. Auch so hatten sie vermutlich genug gehört, wieder einmal.
Vanessa war sehr blass, aber sie blieb äußerlich ruhig. Damit brachte sie Jonathan nur noch mehr gegen sich auf, aber das ahnte sie nicht. »Ja, zieh aus!«, sagte sie leise. »Dann kannst du dich auch viel leichter mit deiner Freundin treffen und musst mir nicht ständig was vorlügen.«
Einen Moment lang erstarrte er, fasste sich jedoch schnell wieder. Eigentlich war es ihm gleichgültig, ob sie von Hanna wusste oder nicht, redete er sich ein. »Willst du mir jetzt auch noch vorwerfen, dass ich eine Freundin habe?«, fragte er. Auch seine Stimme war jetzt gesenkt. »Zwischen uns läuft seit bald einem Jahr nichts mehr. Immer hattest du andere Ausflüchte, mal warst du zu müde, dann zu traurig, dann war dir nicht danach. Was hast du denn gedacht, wie ich damit umgehe? Und es ist ja nicht nur der Sex, um diesem Missverständnis gleich vorzubeugen – du siehst mich überhaupt nicht mehr. Es geht immer nur um Lenny, nie mehr um uns beide. Am Anfang dachte ich noch, das gibt sich wieder, irgendwann normalisiert sich das, aber das tut es nicht. Wir sind kein Paar mehr, schon lange nicht. Du willst mich ja nicht einmal mehr küssen oder auch nur meine Hand halten. Du weichst direkt vor mir zurück, wenn du das Gefühl hast, ich könnte dich anfassen. Denkst du, das lässt mich kalt? Und dachtest du, ich lebe ewig wie ein Mönch? Wenn du es genau wissen willst: Es geht mir besser, seit ich eine Freundin habe, die einfach nur nett zu mir ist und mich so nimmt, wie ich bin.«
Sie stand vor ihm, mit hängenden Armen, noch blasser als zuvor. Unter anderen Umständen hätte er sie jetzt an sich gezogen, sie gestreichelt und geküsst. Sie hätten sich versöhnt, hätten gemeinsam nach einem Ausweg aus ihrer Krise gesucht, aber aus dieser Krise gab es keinen Ausweg mehr. Sie war zu weit fortgeschritten, sie dauerte schon zu lange.
»Dann ist es also aus?«, fragte sie. »Wir trennen uns?«
Eine Trennung hatte er bislang nicht ernsthaft erwogen, trotz allem nicht, weil er ein unverbesserlicher Optimist war, der die Hoffnung einfach nicht aufgeben wollte und konnte. Dennoch fragte er angriffslustig: »Hast du eine bessere Idee? Ich nicht. Ich habe mich wirklich bemüht, unseren Kindern ein guter Vater zu sein, vor allem Lenny, aber in deinen Augen bin ich ja offenbar ein Voll-Versager. Ich habe keine Lust mehr, mir jeden Tag zehnmal sagen zu lassen, dass ich alles falsch mache.«
»Er ist schwach, er bekommt manchmal keine Luft, das weißt du doch. Da ist es nicht gut, wenn du mit ihm herumtobst«, erwiderte Vanessa mit schwacher Stimme.
»Aber er hatte Spaß!«, fuhr Jonathan sie an, die Stimme wieder erhoben. »Er hat gelacht und wenigstens mal für kurze Zeit vergessen, dass er nicht so fit ist wie andere Kinder. Er wird bald drei Jahre alt! Denkst du etwa, er merkt nicht, dass er weniger kann als andere? Das sieht er doch schon an seiner Zwillingsschwester.«
Vanessas Augen füllten sich mit Tränen. Schweigend wandte sie sich ab, aber sie verließ nicht, wie er zunächst befürchtet hatte, das Zimmer, sondern ging zum Sofa und ließ sich darauf nieder. In anderen Situationen hatte sie ihn auch schon einfach stehenlassen, das war für ihn das Schlimmste. Wenn ihm etwas auf der Seele lag, musste er darüber reden, während Vanessa lieber alles in sich hineinfraß und versuchte, die Dinge mit sich selbst auszumachen. Das war eines der Hauptprobleme ihrer Ehe, und bislang hatten sie kein Mittel gefunden, damit auf eine Weise umzugehen, die für sie beide tragbar war. Wenn er sie überrumpelte, machte sie dicht und sagte erst recht keinen Ton mehr. Und wenn sie zwei Tage lang geschwiegen hatte, wollte er nicht mehr reden.
»Wenn du ausziehst, bin ich ganz allein mit den Kindern«, sagte sie tonlos.
Er verhärtete sich gegen die Gefühle, die in ihm aufsteigen wollten. Noch vor einer Viertelstunde hatte sie ihm wieder einmal harsche Vorwürfe gemacht, weil er Lenny angeblich überanstrengt hatte, und jetzt kam sie ihm so!
»Da kannst du ja froh sein«, erwiderte er bissig, »dann ist endlich niemand mehr da, der alles falsch macht. Dann gibt es nur noch dich, und du machst ja immer alles richtig.«
Jetzt weinte sie, aber er wandte den Blick ab. Er wollte sich nicht erweichen lassen, nicht schon wieder. Hanna, seine Freundin, hatte ihn schon mehrmals gefragt, wieso er sich nicht längst von seiner Frau getrennt habe, da ihn doch offensichtlich außer den Kindern nichts mehr mit ihr verband.
Aber ganz so war es eben nicht – ganz abgesehen davon natürlich, dass die Zwillinge Lotta und Lenny ein sehr starkes Band darstellten. Aber auch zwischen Vanessa und ihm waren nicht alle Gefühle abgestorben. Das wäre ihm zwar lieber gewesen, und er redete es sich auch manchmal ein, weil es sein Leben sehr erleichtert hätte, wenn er einen Schlussstrich hätte ziehen können, aber es entsprach nun einmal nicht den Tatsachen.
Er war noch nicht lange mit Hanna zusammen, erst einige Wochen. Er hatte sie bei einem Freund kennengelernt, die gegenseitige Anziehung war sehr stark gewesen. An jenem Abend hatte er einfach vergessen, dass er Ehemann und Vater war, er hatte sich wieder jung gefühlt, wie beflügelt. Und er hatte endlich wieder einmal Sex gehabt … Hanna war eine starke Frau, die nicht klammerte und der er sofort gesagt hatte, dass er nicht frei war.
»Das habe ich mir schon gedacht«, war ihre Reaktion darauf gewesen.
Seitdem trafen sie sich zwei- oder dreimal in der Woche, ihr Verhältnis war enger geworden, seit er sich bewusst gemacht hatte, dass er lieber mit ihr zusammen war als mit Vanessa. Kein Wunder. Hanna nahm ihn, wie er war, sie kritisierte ihn nicht ständig, er empfand das als sehr erholsam.
Aber die Mutter seiner Zwillinge war Vanessa, seine Ehefrau, nach der er vor fünf Jahren, als sie geheiratet hatten, genau so verrückt gewesen war wie jetzt nach Hanna. Und wenn sie nicht so abweisend wäre …
»Ich schaffe das nicht allein«, hörte er sie sagen.
Er fing an zu lachen, erschrak aber selbst darüber, wie bitter sich dieses Lachen anhörte. »Aber du machst doch längst alles allein!«, rief er. »Was ich auch anfasse, du nimmst es mir aus der Hand, weil du es besser kannst. Es wundert mich immer, dass du mich bislang noch allein mit Lotta auf die Straße lässt. Hast du keine Angst, dass ich sie in tödliche Gefahr bringe?«
Ihr Gesicht verhärtete sich, mit einer fast zornigen Bewegung wischte sie sich über die Augen und stand auf. »Du musst immer übertreiben, Jo!«, sagte sie. »Ich gebe gerne zu, dass ich überängstlich bin wegen Lenny, aber bei Lotta habe ich diese Ängste nicht, und das lasse ich mir von dir auch nicht einreden.«
Sie hatte Recht, aber er gedachte nicht, das in dieser Situation zuzugeben.
Sie kam auf ihn zu, blieb aber ein paar Schritte von ihm entfernt stehen. »Wie soll das gehen, wenn wir uns trennen?«, fragte sie. »Ganz praktisch, meine ich jetzt?«
Er hatte über diese Einzelheiten nicht nachgedacht, er war ja nicht einmal sicher, ob er sich tatsächlich von Vanessa trennen wollte, denn jetzt erst wurde ihm bewusst, dass das natürlich auch eine Trennung von seinen Kindern bedeutete. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Vielleicht schaffen wir es ja, gemeinsam darüber nachzudenken? Oder willst du in den Kampf ziehen und mich von den Kindern fernhalten, wenn ich ausziehe?«
Sie sah ihn mit einem Blick an, der ihm durch und durch ging. »Kennst du mich wirklich so schlecht?«, fragte sie. »Es mag ja sein, dass ich eine überängstliche Nervensäge von Mutter bin, aber mir zu unterstellen, dass ich die Kinder von ihrem Vater trennen würde …« Sie schüttelte den Kopf, er meinte, neue Tränen in ihren Augen glitzern zu sehen, aber sie hatte sich schon abgewandt und ging zur Tür. Dort blieb sie noch einmal stehen. »Ich bin einverstanden«, sagte sie, ohne sich zu Jonathan umzudrehen, »lass uns gemeinsam darüber nachdenken, wie es weitergehen soll.«
Sie verließ das Zimmer, er hörte, wie sie ins Kinderzimmer ging, wo sie von Lotta mit dem Ruf empfangen wurde: »Guck mal, Mami, wie hoch mein Turm ist!«
Jetzt war er es, der sich aufs Sofa setzte, den Kopf nach hinten legte und die Augen schloss. Er fühlte sich ausgelaugt, kraftlos. Wenn er bei Hanna war, schöpfte er neue Zuversicht, konnte wieder daran glauben, dass auch für ihn wieder bessere Zeiten kommen würden. Aber hier und jetzt sah er nur Probleme und Schwierigkeiten – und nirgends ein Licht am Ende des Tunnels.
Er riss sich zusammen und stand auf, um ebenfalls ins Kinderzimmer zu gehen. Dort lag sein kleiner Sohn Lennard auf einem Sitzsack und sah seiner Schwester Lotta beim Turmbauen zu. Vanessa saß neben Lennard und kraulte ihm den Nacken.
»Papa!«, rief Lotta. »Baust du mit mir noch einen Turm?«
»Klar«, sagte Jonathan und ließ sich neben ihr auf dem Teppich nieder. Er hatte ein schlechtes Gewissen. Vanessa hatte schon Recht: Lennys Erschöpfung ging auf seine Kappe. Er hatte zu lange mit dem Jungen getobt, hatte dessen schwache Konstitution vergessen und war einfach nur froh über Lennys Freude gewesen.
»Wir sollten den Kinderarzt wechseln, eine zweite Meinung einholen«, sagte Jonathan später, als die Kinder im Bett lagen, zu Vanessa. »Dieses ewige Gerede vom ›Spätentwickler‹ – ich glaube einfach nicht mehr daran. Die Zwillinge sind jetzt fast drei, und Lotta ist ihrem Bruder so weit voraus … Gut, sie war auch bei der Geburt größer und schwerer, aber mittlerweile müssten diese Unterschiede längst ausgeglichen sein, zumindest mehr oder weniger. So haben die Ärzte das damals ja auch gesagt. Aber mir scheint, der Unterschied ist eher größer geworden.«
Vanessa nickte müde.
»Ich wollte mich darum schon längst kümmern«, sagte sie, »aber irgendwie …«
»Ich kann das machen«, bot er an.
»Du arbeitest doch!«
Jonathan arbeitete in einer Werbeagentur, dort hatte er Vanessa seinerzeit kennengelernt. Sie hatte nach der Schwangerschaft eigentlich nur ein Jahr pausieren wollen, aber dann hatten sie die Zwillinge bekommen, und Lennards Entwicklung bereitete ihnen seitdem Sorgen. Bei der Geburt war ihnen gesagt worden, es bestehe kein Grund zur Besorgnis, Lenny würde seine Schwester irgendwann einholen, was Größe und Gewicht betraf. So war es bis jetzt nicht gekommen, ganz im Gegenteil. Während Lotta wuchs und gedieh, schien Lennard klein zu bleiben, aber der Kinderarzt hatte sie bislang immer beruhigt und ihnen gesagt, sie müssten mehr Geduld haben.
»Hast du Angst, ich schaffe es nicht einmal, einen anständigen Kinderarzt zu finden?«, fragte Jonathan.
Sie zuckte zusammen, auch weil sich unversehens wieder eine gewisse Schärfe in seine Stimme geschlichen hatte. »Nein, natürlich nicht«, beteuerte sie.
»Dann überlass das mir, okay? Ich höre mich um, mache einen Termin aus, und dann kann ich ohne weiteres mal einen Tag Urlaub nehmen und mit Lenny zu einem anderen Arzt gehen. Wir hätten das wahrscheinlich längst tun sollen.«
Vanessa nickte. »Es tut mir leid«, sagte sie leise. »Dass ich so bin, wie ich bin, meine ich. Aber ich glaube, ich bin so, weil die Angst um Lenny anfängt, mich verrückt zu machen. Ich kann nicht mehr schlafen, und ich habe oft Albträume, in denen ihm etwas Schreckliches passiert. Und ich glaube Dr. Hemmerling nicht mehr. Am Anfang war ich froh, weil er mich immer beruhigt hat, und dann hat er ja auch das Herz untersucht und gesagt, dass es völlig in Ordnung ist. Aber etwas stimmt nicht bei Lenny, das spüre ich, auch wenn Dr. Hemmerling das nicht so sieht.«
Jonathan wusste nicht, was er sagen sollte. Sie waren sich schon lange nicht mehr so nahe gewesen wie in diesem Moment, und wieder dachte er, dass er sie zu anderen Zeiten einfach in die Arme genommen und an sich gedrückt hätte, um sie und auch sich selbst zu trösten. Aber das schien auch jetzt nicht möglich zu sein.
»Ich kümmere mich gleich morgen um einen Termin bei einem anderen Kinderarzt«, sagte er.
»Ist gut.«
Er hatte plötzlich Sehnsucht nach Hanna, mit der er reden und zärtlich sein konnte, wo er nicht beweisen musste, dass er ein anständiger Kerl war, weil sie das ohnehin annahm. Aber er wusste, dass er jetzt nicht einfach aufstehen und gehen konnte, wenn er die besänftigende Wirkung nicht zunichtemachen wollte, die das Gespräch auf ihn und Vanessa ausgeübt hatte.
»Du kannst ruhig gehen«, sagte sie in seine Gedanken hinein. »Ich werde versuchen, mich schon einmal daran zu gewöhnen, dass du bald nicht mehr hier wohnen wirst.«
Sie verließ die Küche, in der sie dieses Gespräch geführt hatten, er blieb erst einmal sitzen. Seltsam, eben hatte er noch unbedingt zu Hanna fahren wollen, jetzt wäre er lieber hiergeblieben, wäre Vanessa ins Schlafzimmer gefolgt, hätte vielleicht ihr Gespräch noch weitergeführt.
Er stützte den Kopf schwer in beide Hände, unsicherer denn je, was er eigentlich wollte.
*
»Wann kommen deine Schwestern jetzt eigentlich zurück aus San Francisco?«, erkundigte sich Kyra Laurin bei Simon Daume.