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Die 1947 verstorbene Ricarda Huch war eine wegweisende, durchaus streitbare deutsche Intellektuelle, ausgebildete Historikerin und Autorin zahlreicher Werke zur europäischen Geschichte. Zeit ihres Lebens interessierte sie sich für die Romantik und besonders für italienische Geschichte. Außerdem schrieb sie Romane, Gedichte und ein Theaterstück. Dieser Band umfasst auf knapp 300 Seiten mehr als 300 ihrer schönsten lyrischen Schöpfungen, allesamt Zeugen ihrer Schreibkunst.
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Seitenzahl: 228
Letztes Lebewohl
Meine schönsten Gedichte
RICARDA HUCH
Letztes Lebewohl – Meine schönsten Gedichte, Ricarda Huch
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
86450 Altenmünster, Loschberg 9
Deutschland
ISBN: 9783988681362
www.jazzybee-verlag.de
HERZENSGEDICHTE.. 1
UND NOCH MEHR GEDICHTE ….203
Nach einer Wolke blick’ ich, die am Himmel fuhr,
Ich sah sie leicht hin schweben, wo blieb ihre Spur?
Nicht um die kleine Wolke ist es mir so leid,
Um dich nur du verschwund'ne Unschuld meiner Kinderzeit.
Als noch das ferne Leben wie ein Paradies
Früh ausgesandte Falter vor mir schweben ließ,
Da jagt’ ich von den bunten, der mir meist gefiel,
Und dachte, immer weiter ginge so das frohe Spiel.
Wie liegt nun weit die Wiese, wo ich Blumen fand
Und gold'ne Kiesel suchte aus der Quelle Sand!
Nicht hat mich halten können treuer Warner Wort,
Es riss aus ihren Armen mächtig mich ins Weite fort.
Wie kann auch der es wissen, der im Tale wohnt,
Wie die schroffe Firne den kühnen Klett'rer lohnt,
Der sie hat erklommen aller Furcht zum Spott
Oh Berge! wie an Schmerzen war auch an Wonne ich ein Gott!
Ich hab’s gewusst beim Steigen, abwärts führt kein Pfad,
Als ich die letzte Blume hocherblüht zertrat.
Tief unter meinen Füßen liegt mein Vaterland -
Oh Erde, ich muss sterben! meine Kerze hat zu schnell gebrannt.
Es ist nicht leicht zu sterben, wie man gern auch mag.
Das todgebroch'ne Auge weckt nie mehr der Tag,
Und aller kommenden Sommer Lust und Fröhlichkeit
Kann nicht den Toten finden auf der Erde weit und breit.
Und alle lichten Wunder aus des Glückes Hand
Sie sind für den verloren, der von der Erde schwand.
Voll Segen ist die Erde, fruchtbar ist ihr Schoß,
Doch wen sie birgt darinnen, dem fiel ein traurig finst'res Los.
Die Sonne, wenn sie morgens anhebt ihren Lauf,
Weckt ihn mit ihren Strahlen nicht vom Lager auf;
Zu Ende ist’s, zu Ende, ist auf ewig aus,
Wer je verließ die Heimat, nimmer findet der zu Haus.
Da hast noch nie die Augen abends zugetan,
Du wusstest denn, von neuem fängt an der Lebenswahn.
Nie ward dem blinden Hoffen Ende noch gesetzt,
Du kannst es nicht begreifen, was es heißt: zu allerletzt.
Um dich die heiße Klage trifft nicht mehr dein Ohr,
Die dein Liebster klaget, dass er dich verlor;
Nicht ferner kannst du fühlen seiner Tränen Fall,
Und seine teure Stimme ist für dich klangloser Schall.
Und zieht die bange Sehnsucht ihn zu deinem Grab,
Dringt kein Hauch des Lebens doch zu dir hinab.
Dein Herz kann nicht mehr klopfen, naht des Freundes Schritt,
Und geht er trostlos weiter, du kannst nie mehr, nie mehr mit.
Und blüht in lauter Wonne jubelnd rings die Welt,
Von allen Tönen keiner deine Ruh’ befällt.
Dräng’ auch in deine Kammer der Geliebte ein,
Wohin soll er sich betten? Keine warme Brust wird da mehr sein. -
Du sagtest, eh das letzte Glück uns noch erblich,
Dass du niemals könntest leben ohne mich,
Sagtest, dass du niemals wieder würdest froh.
Nun bin ich fortgegangen, sieh, nun geht es doch auch so.
Man kann das Leben tragen, wenn man leben muss,
Lebend'ge Herzen fühlen gern der Freude Gruß;
Licht bringt jeder Morgen, süßen Schlaf die Nacht;
Doch wirst du nicht vergessen, an die du einst so viel gedacht.
Und ob ich auch geschwunden bin aus Zeit und Raum,
Ich werde zu dir kommen manchmal noch im Traum;
Wenn du die Augen auftust mit dem Morgentau,
Wirst du dich heimlich sehnen nach deiner jungfräulichen Frau.
Blühen Blumen hier am Wege?
Welch ein Hauch hat mich getroffen?
Meine Glieder wie so träge!
Krankt ihr noch vom Berg, dem schroffen?
Meine Augen, die gewöhnten
Firnenhoch hinaufzuklettern,
Meine Ohren, welche dröhnten
Von der Schneelawine Schmettern,
Sind bequem und matt geworden.
Dieser Fluss mit grünen Borden
Kann nicht mehr am Stein zerstieben,
Keine Gletscherlocken sträubt er –
Und wo seid denn ihr geblieben,
Hehrer Alpen weiße Häupter?
Ist denn alles umgetauscht?
Stolze Kraft in süße Ruh?
Frieden, der das Herz berauscht:
Ach Italien, das bist du!
Sind das Berge, sind es Hügel?
Ja ihr seid’s im Kranz der Vignen,
Schnell belehrend mein Geklügel,
Weltberühmte sanfte Linien!
Ihr seid’s, die das Auge trösten,
Noch den zack’gen Fels im Sinn,
Nun in Wellen, sanft gelösten,
Fließen alle Höhn dahin.
Ach und du, in dessen Armen
Die Natur der Welt entfloh,
Sanftes Auge voll Erbarmen, Schöner See Ceresio!
Lebtest du gleich Arethusen?
Woher bist du mir vertraut?
Hast du durch Gewand und Busen
Heimlich mir ins Herz geschaut?
Schon entströmt das schmerzlich große
Meiner Brust, das bitt're Weh;
Tief in deinem blauen Schoße
Lass es schlummern, holder See!
Weil ich von dir geschieden bin
Jetzt und in Ewigkeit,
Und weil ich meine Liebe doch
Nur dir allein geweiht,
Ruh’ mir am Herzen heute noch
Und teile meine Glut,
Fließt auch auf deine Wange hin
Heiß meiner Tränen Flut.
Musst du denn so ruhig gleiten,
Breiter Strom im holden Spiel,
Hast du, Tod mir zu bereiten,
Keine Welle, heil'ger Nil?
Deine Großmut, dein Verbrechen,
Raubst du meinen müden Leib,
Käme keiner je zu rächen –
Io bin ich, nur ein Weib!
Dass du je ein Weib umfingest,
Weh mein Vater Inachos!
Dass du mich als Weib empfingest,
Weh dir, meiner Mutter Schoß!
Hätt' ein Gott mit mächt'gem Spruche,
Ares selbst mit seinem Schwert
Eurer Lust, die ich verfluche,
Grausam jede Nacht gewehrt!
Aber in der Götter Herzen,
Wonne ihre einz'ge Kost,
Ist kein Raum für unsre Schmerzen,
Noch für unsre Wunden Trost.
Wo die Freude im Pokale
Ewig schäumt und nie sich leert,
Flieht das Mitleid aus dem Saale,
Von den Trunk'nen unverehrt.
Ja du selbst, umglüht vom Blitze,
Wie von meiner Liebe sonst,
Was gilt dir auf sel'gem Sitze,
Wen du strafst und wen du lohnst?
Ob beschwörend deinen Willen
Tausend arme Hoffer knien?
Deine eigne Lust zu stillen.
Ist dein einziges Bemüh'n.
An dem schönsten Sommertage
Trat er strahlend vor mich hin
Mit der sanften Liebesklage
Und entflammte meinen Sinn.
Ach, in seinen Götterblicken
Kämpften Demut und Begier,
Flehend lag, mich zu umstricken,
Der Unsterbliche vor mir.
Meer und Himmel und die Erde,
Der Gestirne feurig Band,
Schlachtenlos und Glück der Herde
Hielt ich all' in meiner Hand.
Denn ein Zucken meiner Brauen
Warf den Donn'rer vor mich hin,
Die geliebteste der Frauen,
Im Olymp Gebieterin!
Aber wer nach Liebesgaben
Schmachtet, was sind Kronen dem?
Den Geliebten wollt' ich haben
Und verwarf sein Diadem.
Seines Atems Balsamfluten,
Wenn sein Herz an meines schlug,
Wenn wir Lipp' an Lippe ruhten.
War die Krone die ich trug.
Aber du, im Schwur Verräter,
Feig vertrauend deiner Macht,
Thronend in dem reinen Äther
Wirfst du mich in tiefste Nacht.
Mit des Wahnsinns gift'gen Pfeilen
Jagt mich Heras Rachezorn:
Ach, ich möchte gern verweilen,
Doch mich treibt der wilde Sporn.
Immerhin! nicht ungenossen
Macht sie mein empfangenes Glück.
Was im Strom der Zeit verflossen,
Ruft kein Götterwort zurück.
Stolz auf meine Schultern bürd' ich
Ihre Strafe meiner Schuld;
Du nur bist des Hasses würdig,
Der geschwelgt in meiner Huld!
Nicht genug mich zu verlassen,
Aller Erdenlust beraubt,
Lenkst du noch der Gattin Hassen
Auf das einst geliebte Haupt.
Toren, Toren, kalte, denen
Nicht das Herz gefühlvoll schlägt,
Die in Dikes Händen wähnen
Eine Wage die uns wägt.
Denn von Kraft und Glück bestochen
Schwankt die feile Richterin;
Noch kein Spruch ward recht gesprochen,
Trat das Elend vor sie hin.
Eine würdelose Dirne
Gibt sie willig dem sich preis,
Der mit Gold und dreister Stirne
Sie zu überwinden weiß.
Kein Verdienst, kein heißes Ringen
Bringt die gold'ne Frucht vom Zweig;
Wer sie will herniederzwingen
Sei nur mächtig, stark und reich.
Wenn der Bessre sie auch pflückte,
Noch erschlug ihn ihre Last,
Während sorglos der Beglückte
Seinen edlen Schatz verprasst.
Warum schwingt sich froh verbunden
Alles nicht im gleichen Tanz?
Doch aus des Erschlag'nen Wunden
Flicht der Sieger seinen Kranz.
Soll die blasse Schwester steigen,
Muss Hyperion untergehn,
Und der holde Pan muss schweigen,
Wo Apollo's Haine stehn.
Ach, schon zuckt mein Eingeweide!
Rettet mich nicht dein Gebot
Von den Qualen, die ich leide,
Feiger, trügerischer Gott?
Ach, die Flamme meines Busens
Brennt noch mehr als diese Pein;
Vor dem Schreckenshaupt Medusens
Möcht ich stehn, erstarrt zu Stein!
Könnt' ich deiner Zauber walten,
Unerforschte Hekate,
Ließ ich Gäas Schoß erkalten,
Der stets neu gebiert zum Weh.
Was sie in geheimster Spalte
Liebend birgt mit Muttersinn,
Über alles Leben wallte
Lethes dunkle Welle hin!
Mein Lieb und ich, wir haben uns geschworen,
Dass wir stets treu zusammenhalten wollten.
Er hat zu seiner Gattin mich erkoren;
Dies ist der Schwur, der ihm von mir gegolten:
Auf allen steinigen und rauen Wegen
Will ich mich unter seine Füße legen,
Von ihm sei meine weiche Brust begangen,
Von mir des Weges Härte aufgefangen.
Traf ihn auf der Straße heute Morgen;
»Gott sei mit dir, Schatz, wohin so früh?
Was bedeuten diese bitter'n Sorgen?
In den Augen dein erblick ich sie.«
Früh ging ich, um früh dir zu begegnen,
Hab' nicht neue Sorgen, nur die alten:
Unsre Hände ineinander falten
Kann kein Priester und zur Eh' uns segnen.
Jüngst um Mitternacht im Bette träumt’ ich
Einen Traum, den Gott gesegnet hatte;
Du warst bei mir, sprachst: da bin ich, Liebste!
Und ich: sei willkommen, süßer Gatte.
Darauf küssten wir uns fest und lange,
Aller Kummer schwand aus unserm Sinn,
Und die Nacht ging unserm Liebesdrange
Wie ein Hauch, wie Blumendüfte hin.
»Wär' ich dein Kind doch«, sprach der liebste Mann,
»Und bärgest du mich unter deinem Herzen,
Ich wäre ganz von dir umschlossen dann,
Nie fühlten wir die bitt’ren Trennungsschmerzen.«
Ja, gerne wollt’ ich ihn so dicht umschließen,
Ich hätt’ ihn heimlich, ganz für mich alleine;
Nicht bis zum jüngsten Tag sollt’s mich verdrießen,
Wög’ er auch mehr als hundert Kieselsteine.
Mein Geliebter ist ein mächt'ger König,
Wo er hintritt, steh'n die Leut' und gaffen;
Sei der Feind auch noch so unversöhnlich,
Streckt er doch zuletzt vor ihm die Waffen.
Kenn' auch einen ehrlichen Vasallen,
Der gehuldigt ihm mit heil'gem Eid;
Auf die Knie ist er vor ihm gefallen,
Hat ihm Fleisch und Blut und Gut geweiht.
Schien das süße Mondenlicht
Über Berg und Tal hin wie Opal;
Schläft mein Leib, doch meine Seele spricht:
Nimm mich mit dir, bleicher Strahl!
In dem silberhellen Kahn
Fliegt sie lautlos durch die Nacht dahin,
Wie am Himmel zarte Wolken zieh'n,
Wie ein weiß beschwingter Schwan.
Fliegt zu meines Gatten Haus,
Wo er liegt und schläft, das schöne Bild.
»Kommt ein Traum, der meine Sehnsucht stillt?
Wie mein Liebchen sieht er aus.«
– Bin kein Traum, bin dein Gemahl;
Bin kein Traum, bin dein geliebtes Weib;
Schmiegen will ich mich an deinen Leib
Und dich küssen hundertmal.
Bergfreude, Wanderglück!
Schimmernder Morgen!
Gruß an die ganze Welt!
Die noch dem Tag gesellt,
Die schon geborgen,
Hoch preis’ ich aller Geschick!
Pochende Lebenslust!
Selig zu hoffen,
Selig zu atmen noch,
Aber am Ende doch
Tödlich getroffen,
Segnet den Frieden die Brust.
Ob schon der Pfeil gedrückt,
Dem ich erliege?
Frisch in die weite Welt,
Wie der Soldat zu Feld,
Der nach dem Kriege
Ruht, mit dem Schwerte geschmückt!
Mit dem Turm, um den die Wolken jagen,
Schaust du, alter Münster, weit ins Land;
Dürft’ ich doch nach meinem Lieb dich fragen,
Wie’s ihm geht, und ob es Ruhe fand.
Hast du auch ein irdisch Weh zu tragen,
Eingemauert in dein Steingewand?
Dunkel wird’s; kein Wörtchen mag ich wagen,
Segnend rührt mich deine Geisterhand.
Könnt' ich, Sonne, doch wie du
Untergehn im schönsten Glanze,
Ohne Prunken, voller Ruh,
Nur geschmückt mit edlem Kranze,
Ein gelass'ner Pilger hin
In das ew'ge Dunkel rücken,
Durch mich selber, wie ich bin,
Sterbend eine Welt beglücken!
Mich mahnt das rote Eichenlaub
An einen Kranz, der mich entzückte
Vor Jahren; lange ward zu Staub
Das schöne Haupt, das einst er schmückte.
Wie lächelte auf jenem Munde
Des Lebens höchste Lieblichkeit!
Und wurde doch in kurzer Stunde
Ein Traumbild der Vergangenheit.
Dunkel, dunkel sind die Mauern,
Die mich Tag und Nacht umfangen,
Kerkermauern von Toledo.
Weiß nicht, ob in Frühlingsschauern
Schon der März daher gegangen;
Seine Düfte mich nicht laben.
Oh Maria de Padilha,
Warum hast du mich begraben?
Will ja nicht den Gatten haben;
Will nicht deine Edelsteine,
Deine Schlösser von Sevilla.
Möchte nur den Himmel schauen,
Reden hören sanfte Frauen.
Denn mich trösten, wenn ich weine,
Keine Freunde, noch Gespielen.
Tränen, lauter Tränen fielen
Auf mein Brautgewand von Seide,
Da ich kniete am Altare.
Einen Kranz trug ich im Haare,
Einen Blumenstrauß am Kleide;
Welk ward er auf meinem Haupte,
Welk ward er in meinem Herzen,
Keines Gatten Hand ihn raubte
Unter süßen Liebesscherzen.
Frankreich, teure Heimaterde.
Schönes Lieblingsland der Sonne!
Könnt' ich flieh'n auf flinkem Pferde,
An den Ufern der Garonne
Trautem Wellenspiel zu lauschen,
Scheut' ich Müh' nicht, noch Beschwerde.
Träume stillen oft mein Sehnen;
Hör' ich dann den Tajo rauschen,
Fließen meine bitt'ren Tränen.
Liegst du denn da, meine Süße,
Liebliche, kalt wie Schnee?
Hebt euch, ihr marmornen Füße,
Flink wie vor eh!
Sprich, wohin bist du gegangen?
Fand ja so oft die Spur,
Trieb mich ein sehnlich Verlangen;
Sag es mir nur!
Wer gab dir ein mich zu hassen,
Einstiger Glut zum Hohn?
Sieh, wie so ganz ich verlassen,
Seit du gefloh'n.
Heut' in der Nacht, hört' ich sagen,
Blühten die Veilchen auf;
Lass mich zur Wiese dich tragen,
Ruh dich darauf.
Atme die wonnigen Düfte!
Riefest im Winter ja
Immer die sanfteren Lüfte, –
Nun sind sie da!
Will euch nicht sehen, ihr Blüten,
Schmetterling, Bienenschwarm!
Mög' euch der Himmel behüten,
Mich macht er arm.
Rufe, du einzige Stimme!
Nahm dich die Hölle mir,
Trotz' ich dem dräuenden Grimme,
Komme zu dir!
Liegt nicht so stille, ihr Hände –
Ach, warum trocknet ihr nicht,
Was ich an Tränen verschwende,
Tröstend mir vom Gesicht!
Mich freut Italiens Sonne.
Die prahlende, nicht mehr;
Weit aus dem Land der Wonne
Dass ich von hinnen war!
Meine schottischen Berge
Liegen stets mir im Sinn,
Ach kein Fährmann, kein Ferge
Fährt mich je mehr dahin.
Mein Arm ist lahm geworden
In Muße, Lust und Schmaus;
Nicht braucht der Welf zu morden
Mein unglücksel'ges Haus.
Einst bei frohem Gelage,
Wo gelacht und gezecht,
Wird man singen die Sage
Von der Stuart Geschlecht.
Ich sah in vielen Nächten
Die Freunde Mann für Mann;
Die toten, ungerächten
Erwarten noch mein Nah'n.
Meine treuen Genossen,
Nimmer kehr' ich zurück;
Euer Blut hat's begossen,
Drum verdorrte mein Glück.
Ach, flög' ich, ihr Genossen,
Mit euch, das Schwert zur Hand,
Auf schlachtenfrohen Rossen
Durch meiner Väter Land!
Seht, sie streun mir Girlanden,
Und sie beugen die Knie –
Jene Blumen verschwanden,
Und mich schmückten sie nie.
Lang rasten meine Hände,
Und ruh'n, bis ich verschied;
Der Stuart kläglich Ende
Besingt kein Heldenlied.
In den Bergen von Schottland
Blieb mein Hochsinn zurück;
In den Bergen von Schottland
Liegt mein Stolz und mein Glück.
Trüg' ich noch blonde Locken,
Und wär's der Tag der Schlacht,
Jetzt folgt' ich unerschrocken
Dem Tod in seine Nacht.
Denn auf schottischen Auen
Unter Ginster und Stein
Sargten klagende Frauen
Ihres Königs Gebein.
Heil'ge Küste von Hispanien,
Süßes Vaterland, wir scheiden,
Nimmermehr zurückzukehren,
Nimmermehr dich zu erblicken.
Nur von fern aus schneller Barke
Werden wir dich sehnend grüßen,
Nur im Traum durch deine Schluchten,
Die verlass'nen, fröhlich streifen.
Teurer Boden, teure Erde,
Mit der Väter edlem Blute
Ganz getränkt und rot gezeichnet,
Wie mit unserm Schweiß und Tränen!
Eine Witwe wirst du trauern.
Die, des Leibes Schönheit hassend,
Weil zwei Augen sie nicht schauen.
Nicht mehr pflegt die zarte Farbe
Noch der Haare glatte Wellen,
Wirst du brach darniederliegen,
Elend, elend und verlassen.
Deine Halme werden welken,
Deine Reben werden kranken,
Deine Frucht wird niemand brechen,
Deine Ähren niemand schneiden.
Geister werden dich bewohnen
Unsres Volks und dich beweinen,
Dass du Schemel der Tyrannen,
Kissen du der Christenpriester!
Unser Gott wird dich verdammen!
Eine Stunde kommt im Jahre,
Da ihr Sternbild wird erlöschen,
Da der Mordstrahl ihren Händen
Jäh entfällt, den fluchbelad'nen!
Aber uns wird er geleiten
Über Meer und Sturm und Wüste
Unversehrt zu neuen Fluren,
Wo wir deiner nicht vergessen,
Vaterland! Sieh, deine Kinder
Knieen, küssen dich mit Tränen,
Tragen deine heil'ge Erde
Mit sich fort auf ihrem Herzen,
Heimwehkrank, doch stolz und frei!
Du armer Vogel, jene Laube,
Die dir der Baum im Frühling baute,
Wird dem Novembertag zum Raube,
Der kalt und stürmisch heute graute.
Oh Tag, wie würd' ich dich ertragen,
Der mich das Herz nicht finden lässt,
Wo meine Wünsche schlummernd lagen,
Wie Vögel ruh'n im sichern Nest.
Noch dunkelt nicht am Horizonte,
An dem mein Auge sehnend hängt,
Die Küste, wo mein Geist sich sonnte,
Zu der mein Ahnen mächtig drängt.
Wie lang umrauscht das Meer den Kiel
Und trägt uns fort in dunkle Ferne;
Doch folg' ich nicht des Zufalls Spiel,
Nein, meinem Sterne.
Bin minder ich als jener Himmel,
Der mir im Auge spiegelnd liegt?
Als jenes Meer und sein Gewimmel,
Das meinem Schiff den Rücken biegt?
Kurz ist mein Tag, und doch bin ich,
Den schnell ein Sturm verschlungen hätte,
Ein Glied des Alls, und ohne mich
Zerreißt die Kette.
Denn jeder Mensch leiht seine Hände
Dem Bau der Welt nach Schicksalsschluss;
Wohin er seine Kräfte wende,
Zeigt waltend ihm sein Genius.
Mir wies er oft in heißer Nacht
Das Meer, das einst mich pfadlos däuchte,
In Schwarz gehüllt und sprach mit Macht:
Geh und erleuchte!
Was bangt ihr, meine Fahrtgenossen?
Wir wandeln auf der schwanken Bahn
Wie, der den Schlund der See verschlossen,
Der Heiland Jesus Christ getan.
Die Brücke schlagen wir voll Mut,
Um ferne Bruderhand zu fassen;
Nicht wird, bis sie in unsrer ruht,
Mein Stern erblassen!
Für meine Wahrheit bin ich Bürge;
Das Leben ruht in andrer Hand.
Doch ob sie heute mich erwürge,
Ich finde den ersehnten Strand:
Geschlossen Mund und Augen fest,
So bring' ich doch, ein bleicher Bote,
Die Kunde hin zum fernen West
Vom Morgenrote.
Großmutter, Großmutter, hast du immer
In der Hütte gewohnt?
Großmutter, sahst du den Reichtum nimmer,
Der in Prachträumen thront?
»Kind, in der Hütte war ich
All meiner Tage,
Schleppte von Jahr zu Jahr mich.
Draußen im Hage
Siehst du von frommen Lämmern
Wimmeln die Herde –
Maulwurf muss einsam dämmern
Unter der Erde.«
Großmutter, Großmutter, bleibst du stets
Gar so bitterlich arm?
Großmutter, wirst du - mein Mund erfleht’s –
Einmal satt, einmal warm?
»Kind, für dich selber bete,
Hast es vonnöten.
Frostkälte kann verschneete
Keime nicht töten.
Einst wird man warm mich decken;
Hungersbeschwerde
Kann mich dann nicht mehr wecken
Unter der Erde.«
Über Sempach liegt die Mondennacht.
Nichts Lebend'ges weit und breit,
Als ein Gast der Ewigkeit,
Winkelried, gefallen in der Schlacht.
»Oh mein Vaterland, noch stehst du stolz,
Blickst noch von der Freiheit Thron
Herrlich auf den treuen Sohn,
Dessen Fleisch der Erde längst verschmolz.
Dieser Boden trank mein rotes Blut,
Das ich gern für dich vergoss.
Mich lass sinken, Kampfgenoss',
Nicht die Freiheit, unser höchstes Gut.
Wieder wuchs ein junger grüner Halm,
Wo die heiße Schlacht gerast.
Blast, ihr Hirten, friedlich blast
Euer Alpenhorn von Alm zu Alm!
Mich vergisst ein glücklicher Geschlecht.
Doch, ob auch mein Name schwand,
Fehle dir, o Vaterland,
Nie ein Sohn, der deine Freiheit rächt!«
Den teuren Freund mit Gaben zu bedenken,
Wünsch' ich mir Perlen klar und Edelsteine.
Nicht dass ich so ihn zu beglücken meine:
Als Weihrauch nur, wie wir ihn Göttern schenken.
Schon gab ich alles, nichts ist mir geblieben:
Wie ward ich selbst zur kargen Opfergabe!
Jedoch, wie Blumenschmuck dem nackten Grabe,
Entblüht als Zierde mir die Kraft zu lieben.
Ferne, fern dem süßen Vaterlande,
Kann ich nicht das Grab der Mutter schmücken,
Nicht des Vaters; wem soll ich euch pflücken,
Blüh'nde Blumen an des Weges Rande?
Seht, ich bring' euch meinem holden Gatten,
Der mir Vater, Mutter, Heimatland:
Sel'gen gleich auf Paradiesesmatten,
Ruht die Seele mein in seiner Hand.
Meinen Liebsten zu behüten,
Bitt' ich dich, o Herr der Welt,
Der du aller Stürme Wüten
Ein gewisses Ziel gestellt.
Einen Engel wolle senden,
Dass er immer ihn umschwebe
Und mit seinen Himmelshänden
Über jeden Abgrund hebe.
»Nur weiter, mein schäumend Ross,
Sei heute mir noch gewogen;
Vorüber am winkenden Schloss,
An des Torganges gastlichem Bogen
Nach dem herrlichen Ziele geflogen!
Wir jagen ein köstlich Wild,
Die lieblichste Blume der Erden,
Des Glückes hellstrahlendes Bild!
Bald belohnt es uns alle Beschwerden,
Denn noch heut' muss dem Kühnen es werden!
Wem legte sie nicht ein Pfand,
Die Himmlische, auf die Wiege?
Weh dem, der ihr schimmernd Gewand
Nicht ergriffen im seligen Siege!
Sei behänd, mein Geselle, und fliege!
Die Krippe stell' ich dir auf,
Kam'rad, von gediegenem Golde!
Bald reich' ich für Sprung dir und Lauf,
Der mir heute gewonnen die Holde,
Deines Herzens Begehren zum Solde.
Noch hat mir des Glückes Schuld
Das Leben nicht zugewogen;
Ein Bürge mir das seiner Huld:
Auch die Sonne sinkt nicht in die Wogen,
Eh sie gipfelt am himmlischen Bogen!«
Schon fasst er das weh'nde Kleid –
Was wankt und erdröhnt die Erde?
Auf klafft die erschütterte weit,
Und der Reiter mit Schreckensgebärde
Stürzt hinab samt dem bäumenden Pferde.
»Löse, Charon, deinen styg'schen Nachen,
Und bereite dich zur dunklen Fahrt
In der Unterwelt furchtbaren Rachen.«
Doch der Alte: »Heimlich aufgespart
Hab' ich dir im Auge sich entfachen
Einen Funken Lebenslicht gewahrt.
Ungeheißen bist du eingedrungen;
Nur für Tote hat man mich gedungen.«
»Lieber, lass dich Orpheus Bitten rühren;
Ich bin tot, lebendig nur mein Weh!
Konntest du die Seele mir entführen,
Führe mich nun zu Eurydike!
Ach, erschließe die verborg'nen Türen,
Dass ich zu dem hehrsten Gotte fleh',
Mit Eurydice mir dieses Leben
Zu entreißen oder neu zu geben.«
»Freund, dich müssen wohl die Götter lieben,
Denn du hast mit deiner Stimme Laut
Jenes Nass ins Auge mir getrieben,
Das erquickend Lebende betaut.
Sieh, zum Danke führ' ich dich nach drüben,
Dass dein Auge die Geliebte schaut.
Solche Gluten kann ich nicht beneiden,
Die dich von der Erde Busen scheiden.«
Lautlos weit erklaffen nun die Tore,
Die noch keiner zweimal überschritt;
Doch geheimnisvoll jedwedem Ohre
Teilt sich schnell des Gastes Einkehr mit.
Von dem freudelosen Schattenchore
Bald umringt, verzögert er den Schritt,
Dem die Brust sich wechselnd hebt und zittert,
Von des Wiedersehens Näh' erschüttert.
Und schon sahn sie sich. Denn ohne Gleichen
War ihr Bild in seinen Sinn geprägt;
Auch gewandelt von des Todes Zeichen,
Kennt er sie, wie er sie einst gehegt.
Während seine Wangen jäh erbleichen,
Wie sein Herz an kalte Brüste schlägt,
Blüht die Stirn ihr wie die Ros' am Strauche
Von des teuren Lebens nahem Hauche.
Aber schnell hat man sie ihm entrissen,
Und ihm droht der Abgeschied'nen Schar;
Denn in diesen öden Finsternissen,
Fern vom wechselfrohen Sonnenjahr,
Ist verhasst der Klang von Liebesküssen,
Der Musik des Erdenlebens war.
Zürnend zwischen die erschrock'nen Gatten
Werfen sich die seelenlosen Schatten.
»Rache! Rache! willst du uns verhöhnen,
Du, der noch im Kranz des Lebens prangt?
Lachen, wenn der Büßende mit Stöhnen
Unter fürchterlichen Strafen bangt?
Forschen, ob uns nach den warmen, schönen
Fluren deiner Erde noch verlangt?
Keine Stätte für bachant'sches Schwärmen
Ist der Ort, wo wir uns ewig härmen.«
Orpheus sprach zu den empörten Rotten
Mit der Stimme, die Apoll ihm gab:
»Nicht um eure Qualen zu verspotten,
Drang ich frevelnd ein in euer Grab.
Doch in diese himmelsfernen Grotten
Riss der Tod Eurydike hinab,
Seht, Eurydice, die mir Vermählte,
Die mein Lied und mein Gebet beseelte.
Ach, ihr sollt mir nicht den Himmel neiden,
Nicht die Sonne, nicht die grüne Flur!
Zu der Erde tiefsten Eingeweiden
Zog mich mächtig die geliebte Spur.
Wär' ich doch für Tantalus zu leiden
Gern bereit, vergönntet ihr mir nur,
Wo Eurydice verweilt zu weilen,
Ihren Schmerz wie einst ihr Glück zu teilen.«
»Nimmer«, sprachen sie auf seine Bitte,
»Nimmer, seit die feste Erde steht,
Ging ein Atmender in unsrer Mitte,
Wie kein Toter unterm Himmel geht.«
Doch zu Hades selber lenkt die Schritte
Orpheus, wirft sich vor ihn hin und fleht:
»Oh so will ich, Ew'ger, dich beschwören:
Lass Eurydice mir neu gehören!
Wohl versteh' ich euch und euer Grollen.
Sieht des Lichtes vorgezog'ner Sohn
Ixions Rad an sich vorüberrollen
Und den Stein, der Sisyphus entfloh'n,
Lest ihr in dem Blick, dem mitleidvollen,
Des Beglücktern übermüt'gen Hohn.
Sollen wir, so sprecht ihr, den Verhassten
Seiner prahlerischen Qual entlasten?
Träumt euch hin zu den vergang'nen Tagen,
Einmal noch zurück zu Lust und Schmerz!
Legtet ihr nicht damals Wunsch und Klagen
Kindlich hoffend an der Götter Herz?
Schwebte dann auf ihrem Sonnenwagen
Die Erfüllung strahlend erdenwärts,
Oh so seid der schönen Gnadenstunde
Nun gedenk, und schließt mir meine Wunde!
Tausenden war nie ein Gott gewogen,
Eros, der den Donn'rer unterwarf.
Seine Wahl ist, wie er spannt den Bogen,
Und sein Pfeil ist wechselnd stumpf und scharf.
Doch wie Cypria aus Meereswogen
Stieg das Glück, das ich nicht halten darf,
Von der Liebe Gottheit mir beschieden
Makellos aus meines Busens Frieden.
Hab' ich es auf ewig nun verloren?
Mir an Armut ist kein Bettler gleich!
Bald hat er ein fühlend Herz beschworen,
Seinen Tränen wird ein Busen weich.
Doch verstoßen von des Todes Toren,
Flüchtig aus des Sonnengottes Reich,
Such' ich Raum nur, um aus harten Steinen
Meines Lebens Trümmer zu verweinen.
Trag' ich denn nach andrer Gut Begehren?
Hängt mein Wunsch an einem fremden Weh?
Seid ihr glücklicher, wenn ich mit leeren
Händen ungetröstet von euch geh'?
Die mir eure strengen Mienen wehren,
Mein Gemahl ist's, ist Eurydice,
Diese eine nur, ein bleicher Schatten,
Doch das ganze Leben ihrem Gatten.
Einmal bannt auch mich in eure Grüfte
Aller Menschen unergründlich Los;
Gönnt mir denn, da mir noch wehn die Lüfte,
Einen Frühling in der Liebe Schoß!
Ach, vergaßet ihr des Veilchens Düfte
Und den Kranz, der eure Stirn umschloss,
Wenn zum Tanze bei der Abendröte
Pan euch lockte mit dem Klang der Flöte?
Götter! seh' ich eure Lider zittern?
Kann des Wehs vertrauter Klagelaut
Den entschlafnen Widerhall erschüttern?
Wie, wenn wetterschwer der Himmel graut,
Und herüberrollt ein fern Gewittern,
Der Erquickung harrt das dürre Kraut:
Schmacht' ich, der am Boden welk gelegen,
Einer Träne mildem Tau entgegen!«
Da des Sängers Klage nun verklungen,
Und ein leiser Nachhall fern verschied,
Steht von Schwermut noch die Schar durchdrungen,
In sich bergend das vernomm'ne Lied,
Still, wie Niobe vom Stein bezwungen.
Aber dann von ihren Lippen flieht
Tiefes Schluchzen, wie wenn Kinder weinen,
Unerhört in diesen wüsten Hainen.
»Süße Stimme, o geliebtes Tönen,
Wie ein sel'ger Nachen schifftest du
Uns der Erdenheimat fernen, schönen,
Unvergessenen Gefilden zu.
Die Gequälten hören auf zu stöhnen,
Und die Eumenide gönnt sich Ruh;
Sisyphus lässt ab, den Stein zu wälzen.
Sieht er Hades Felsenbrust zerschmelzen.
Lebewohl! Die Gattin sei dein eigen!
Geh, dich führt ein guter Genius.
Auf zur lichten Sonne lässt dich steigen
Unversehrt der wilde Tartarus.
Durch das alte, lebenlose Schweigen
Fließt nun wiederum der Tränenfluss;
Leise nur von den beseelten Steinen
Widerhallt noch dein gesung'nes Weinen.«
Draußen fährt auf seinem Ross
Der Sturm vorbei,
Schnaubt und wiehert um mein Schloss –
Die wilde Jagd ist frei!
Ach wär' daheim mein Ehgenoss'!
Sieht ihn das wilde Heer,
Muss reiten er mit ihrem Tross
Und kommt zu mir nicht mehr!
In einer Sturmnacht dem Geschick
Entriss'nes, du mein hohes Glück,
Entreißt dich mir die Sturmnacht wieder?
Mit beiden Armen halt' ich's fest
An meine wunde Brust gepresst,
Doch noch umrauscht mich ihr Gefieder!
Kein Stern zu sehn! – Entkräftet, bang
Ahn' ich des Lebens Untergang.
Dein gedenkend, du Ferne,
Seh' ich dich wandeln am Berghang
Neben dem Wildwasser hin,
Das jung und frei – wie nicht ich,
Der jung in Ketten gebannt ist –
Sein begeistertes Lied dir rauscht
Und nach dem weh'nden Gewande,
Das den Leib meines Weibes umfängt,
Nebenbuhlerisch hascht.
Du aber schreitest weiter,
Nicht vom Stabe gestützt,
Nur ihm wandernd gesellt;
Und in die Alpenrosen
Zu deinen Füßen
Wirft die sinkende Sonne
Schmerzlich scheidend dein schlankes Bild.
Eins noch,
Duft der Blume meines Traumes,
Fühl' ich: wo du auch seist,
Bist du meiner gedenkend.
* * *
Weicher sind mir seine lieben Hände,
Als dem zarten Kind ein Bett von Daunen;
Ihm gesteh’ ich lieber Wünsch’ und Launen,
Als wenn ich vor Gott im Himmel stände.
Stieg wohl einstmals nachts aus ihrem Grabe
Meine Mutter, ist zu ihm getreten,
Hat für mich, ach für ihr Kind, gebeten,
Dass es wieder eine Mutter habe.
Könnt’ er sonst so lind das Haar mir streicheln?
Würd’ ich ihm so ganz vertrauen müssen?
Ließ’ er so von meinen dreisten
Küssen Sich die Seele aus dem Leibe schmeicheln?
* * *
Willst du, dass ich dich als Schwester hege?
Willst du, dass ich als dein Kind dich ehre?
Oder dass ich dich als Mutter pflege?
Oder dass als Weib ich dich begehre?
Deine Freundin auch wär’ ich geblieben,
Sklavin, Göttin, alles, wenn nur deine,
Willst du nur dich von mir lassen lieben –
Aber, Lieber, nur von mir alleine!
Hör an, willst du nun heißen mein Gemahl,
Die tiefgeheimsten Laute meiner Seele:
Einst war mein Lieben meinem Stolz zur Qual;
Nun sinn' ich nicht mehr, wie ich's dir verhehle,
In dessen Hand ich dieses Herz befehle.
Dein bin ich ganz. Du aber wähne nicht,
Du könntest stehn und dich beglücken lassen,
Und käm' ein neues Glück dir zu Gesicht,
So könntest du behänd auch das erfassen
Und eins ums andre frohgemut verprassen.
Mein musst du ganz sein, schwöre mir den Schwur!
Ich will dein Fühlen all und all dein Denken;
Ich will des kaum gespürten Wehes Spur;
Mir sollst du jedes Schmerzen, jedes Kränken,
Mir jede Lust aus will'gem Herzen schenken.
Ich liebe dich, du keusches Lippenpaar,
Du meiner Küsse reiner Opfergaben
Ersehnter, heil'ger, flammender Altar!
Du durst'ger Quell, der labt um sich zu laben,
In dir verström' ich, bleib in mir begraben!
Mein sollst du sein; entziehst du jemals mir
Nur einen Blick, nur einen Druck der Hände,
Dann ist's vorbei! Umsonst versuchten wir,
Dass sich der Pfad zum alten Glücke wende –
So schön es war, auf ewig ist's zu Ende.
Mein musst du ganz sein, du geliebter Mann!
Hast du der Seele tiefsten Ton vernommen?
Wenn dann die deine ihn verstehen kann,
Sag ja! Die Hochzeitfackel ist entglommen,
Und jeder Herzschlag klopft dir laut willkommen!
Deine Geige, lieber Meister,
Bin ich, spiele mich getreu!
Stumm kam ich zu dir und scheu,
Voller klang ich stets und dreister.
Lass sie liebend, tönend fliehen,
Und die Zeit bringt Kraftgewinn
Dir und deiner Harmonien
Schwärmenden Verkünderin!
Fern in stattlich hohen Räumen,
Die ich nimmer wieder schau,
Sitzt am Fenster unter Träumen
Einsam eine alte Frau.
Sieht die welken Blätter fliegen
Sturmbewegt an sich vorbei
Und am Wegesrande liegen,
Raschelnd klagen ihren Mai.
Eines Blattes mag sie denken,
Das, einst ihrem Herzen lieb,
Schon im Lenz mit vielem Kränken
Losgelöst ins Weite trieb.
Auf jener Brücke standen wir,
Mein Lieb und ich alleine,
In eins geflossen fanden wir
Die erst getrennten Rheine.
Nacht war es, und wir standen still
Auf der verlass'nen Stelle,
Der Träne gleich, die fallen will,
Bewegte sich die Welle.
Die Berge ragten groß und weit
Wie Rächer unsrer Fehle;
Vernichtend lag die Einsamkeit
Auf dein und meiner Seele.
Niemals nenn' ich deinen Namen,
Teuren Namen meiner Liebe.
Zu des Lebens Festgetriebe
Wir zwei späte Gäste kamen,
Ist kein Platz mehr frei?
Du gehst hier und ich geh' dorten,
Gehen nicht zusammen;
Unsre Herzen schlagen Flammen,
Aber sagen's nicht in Worten,
Brechen fast entzwei.
Schliefen gern aus einem Kissen,
Säßen gern auf einem Pfühle;
Doch getrennt stehn unsre Stühle,
Und uns schmeckt kein einz'ger Bissen
Von des Lebens Mahl.
Siehst du still nach mir hinüber,
Kann mich ferner keine laben
Von den zugeteilten Gaben;
Dich in Schmerzen hätt ich lieber –
Keinem ward die Wahl.
Dass wir uns einmal nicht mehr lieben könnten,
Begriffen wir's, als des Geschick's Erbarmen
Zuerst vereinigte uns lang Getrennten?
So reich, wie wähnten je wir zu verarmen!
Nun rollt die letzte Perle in den Sand,
Sie gleitet, schlüpft – wie du aus meinen Armen.
Aus jenem Abgrund, den wir Hand in Hand
Betraten, der uns Aufenthalt gewährte,
Dein glücklich leichter Fuß den Aufstieg fand.
Dir heilt die Wunde, die uns zwei verheerte,
Dem frohen Tag entgegen schreitest du,
Und tiefer sinkt dein einsamer Gefährte.
Er hört dem Schall der flücht'gen Schritte zu,
Die, nah erst, eilig, eilig dann verklingen –
Dann kommt die lange, immergleiche Ruh.
Er muss der Vögel denken wie sie singen,
Und an die Bäche, Berge, grünen Hag,
Und an die Blumen, die das Haupt umschlingen,
Das teure, das an seinem Herzen lag,
Und das ihm fern jetzt wie das Weltenende,
Und fern ihm wie des Lichtes gold'ner Tag –
Er bricht in Tränen aus und ringt die Hände.
Welch' große Stärke, Mutter,
Die beiden Arme haben,
Die Arme von Alexis,
Dem jungen Knaben!
Denn als auf öden Wegen