Little Women. Vier Schwestern finden ihren Weg (Bd. 2) - Louisa May Alcott - E-Book

Little Women. Vier Schwestern finden ihren Weg (Bd. 2) E-Book

Louisa May Alcott

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Beschreibung

Über etliche Generationen hinweg eroberten Louisa May Alcotts Protagonistinnen die Herzen von unzähligen Leser*innen und machten ›Little Women‹ zu einem der erfolgreichsten amerikanischen Klassiker aller Zeiten. Der zweite Teil erzählt, wie die vier unterschiedlichen Mädchen zu jungen Frauen heranwachsen, ihre eigenen Wege finden und dabei, jede auf ihre Art, gegen die ihnen vorgegebenen gesellschaftlichen Konventionen ankämpfen.

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Louisa May Alcott

Little Women

Vier Schwestern finden ihren Weg

Roman

Aus dem Englischen von Bettina Münch

EINSGeplauder

Um den Faden wieder aufzunehmen und uns mit frischem Sinn auf Megs Hochzeit zu begeben, will ich zunächst ein wenig über die Familie March plaudern. Und ich schicke gleich voraus: Falls von den Älteren jemand auf die Idee kommt, der Geschichte zu viel »Liebelei« anzukreiden, was ich befürchte (von den Jüngeren wird vermutlich niemand etwas dagegen haben), so kann ich nur mit Mrs. March sagen: »Was soll man anderes erwarten, wenn man vier fröhliche Mädchen im Haus hat und einen flotten jungen Nachbarn gegenüber?«

In den drei Jahren, die seither vergangen sind, hat sich in der bescheidenen Familie vieles verändert. Der Krieg ist vorüber und Mr. March wieder wohlbehalten zu Hause, wo er sich mit seinen Büchern beschäftigt und mit der kleinen Pfarrgemeinde, die in ihm einen geborenen Pastor gefunden hat: einen ruhigen, wissbegierigen Mann voller Weisheit, die weit über Erlerntes hinausgeht; voller Nächstenliebe, die in allen Menschen »Brüder und Schwestern« sieht; und von jener Frömmigkeit, die einen guten Charakter formt und ihn groß und liebenswert macht.

Obwohl seine Armut und seine strengen Prinzipien ihm weltliche Erfolge verwehrten, fühlten sich viele bedeutende Persönlichkeiten von Mr. Marchs Eigenschaften ebenso selbstverständlich angezogen wie Bienen von süßen Kräutern. Und ebenso selbstverständlich schenkte er ihnen den begehrten Honig, dem auch die harten Erfahrungen seiner fünfzig Lebensjahre keinen Tropfen Bitterkeit hinzugefügt hatten. Ernsthafte junge Männer stellten fest, dass der grauhaarige Gelehrte ein ebenso junges Herz besaß wie sie selbst. Nachdenkliche oder bekümmerte junge Frauen vertrauten ihm ihre Zweifel an, weil sie sicher sein konnten, bei ihm zartes Mitgefühl und klugen Rat zu finden. Sünder beichteten dem edelmütigen Mann ihr Fehlverhalten und fanden Vergebung und Erlösung. Begabte Männer entdeckten in ihm einen Gefährten, zielstrebige erhielten Einblicke in ein edleres Streben als ihr eigenes, und selbst »weltliche Geister« gestanden ein, dass seine Ansichten schön und wahr seien, auch wenn sie sich »nicht bezahlt machten«.

Außenstehenden schienen die fünf energischen Frauen im Haus das Sagen zu haben, und in vielerlei Hinsicht traf das auch zu. Trotzdem war der stille Gelehrte, der dort bei seinen Büchern saß, nach wie vor das Oberhaupt der Familie, ihr Gewissen, ihr Anker und ihr Trost. Er war es, an den sich die besorgten Frauen in schwierigen Zeiten wandten und in dem sie, im wahrsten Sinne des Wortes, einen Ehemann und Vater fanden.

Die Mädchen vertrauten ihr Herz der Mutter und ihre Seele dem Vater an, und sie schenkten beiden Eltern, die so treu für sie lebten und arbeiteten, eine Liebe, die mit ihnen wuchs und sie durch ein Band vereinte, welches das Leben versüßt und den Tod überdauert.

Mrs. March ist noch ebenso lebhaft und fröhlich, wenn auch ein wenig grauer, als wir sie zuletzt gesehen haben, und im Augenblick so sehr mit Megs Angelegenheiten beschäftigt, dass die Hospitäler und Häuser, die immer noch voller verwundeter »Jungen« und Soldatenwitwen sind, die Besuche der mütterlichen Helferin sehr vermissen.

John Brooke tat ein Jahr lang tapfer seine Pflicht, wurde verwundet und nach Hause geschickt, aber nicht mehr an die Front zurückbeordert. Er erhielt weder Orden noch Auszeichnungen, obwohl er sie verdient hätte, denn er hatte tapfer alles aufs Spiel gesetzt, was er besaß, obwohl doch Leben und Liebe so kostbare Güter sind, wenn sie in voller Blüte stehen. Zufrieden mit seiner Entlassung, widmete er sich seiner Genesung, seinen geschäftlichen Vorbereitungen und dem Erwerb eines Heims für Meg. Mit der ihm eigenen Vernunft und unbeirrbaren Eigenständigkeit lehnte er Mr. Laurence’ großzügige Angebote ab und nahm die Stelle eines Buchhalters an, denn er wollte lieber mit einem bescheidenen, aber ehrlich verdienten Gehalt anfangen als mit geliehenem Geld Risiken eingehen.

Meg hatte die Zeit mit Arbeiten und Warten verbracht, sie war weiblicher geworden in ihrer Art, erfahrener im Haushalt und hübscher als je zuvor, denn nichts verschönt uns so sehr wie die Liebe. Ihre mädchenhaften Ambitionen und Hoffnungen hegte sie allerdings noch immer, daher war sie ein wenig enttäuscht über die bescheidene Art, auf die ihr neues Leben beginnen sollte. Ned Moffat und Sallie Gardiner hatten gerade geheiratet, und Meg konnte nicht anders, als die schöne Villa und die Kutsche des jungen Paares, die vielen Geschenke und ihre prächtige Ausstattung mit ihren eigenen Besitztümern zu vergleichen und sich insgeheim dasselbe zu wünschen. Doch wenn sie an die geduldige Liebe und Mühe dachte, die John in ihr kleines Heim investierte, verschwanden der Neid und die Unzufriedenheit; und wenn sie in der Abenddämmerung zusammensaßen und sich über ihre bescheidenen Pläne unterhielten, erschien ihr die Zukunft so schön und hell, dass sie Sallies Reichtum vergaß und sich für das reichste und glücklichste Mädchen der Welt hielt.

Jo kehrte nicht zu Tante March zurück, denn die alte Dame fand solchen Gefallen an Amy, dass sie diese mit dem Angebot bestach, ihr Zeichenstunden bei einem hervorragenden Lehrer zu finanzieren. Und dafür hätte sich Amy auch einer noch viel strengeren Herrin unterworfen. Also widmete sie ihre Vormittage der Pflicht und die Nachmittage dem Vergnügen und entwickelte sich prächtig. Jo konzentrierte sich in der Zwischenzeit ganz auf die Literatur und auf Beth, deren Gesundheit schwach blieb, auch wenn das Fieber längst der Vergangenheit angehörte. Sie war nicht richtig krank, wurde aber nie wieder das rosige, gesunde Geschöpf von früher. Trotzdem blieb sie stets positiv, heiter und gelassen, verrichtete die ruhigen Aufgaben, die sie so liebte, war jedermanns Freundin und der Engel des Hauses, lange bevor es jenen, die sie am meisten liebten, bewusst wurde.

Solange man Jo bei der Zeitung einen Dollar pro Spalte für ihren »Unsinn« bezahlte, wie sie es nannte, fühlte sie sich als wohlhabende Frau und schrieb fleißig weiter ihre kleinen Romanzen. Doch ruhelos und ehrgeizig, wie sie war, keimten in ihrem Kopf große Pläne, und der alte Blechkasten auf dem Dachboden enthielt einen immer größer werdenden Stapel vollgekritzelter Manuskriptseiten, die dem Namen March eines Tages zu höchstem Ruhm verhelfen sollten.

Laurie besuchte seinem Großvater zuliebe pflichtbewusst das College und schlug sich dort auf angenehmste Art und Weise durch. Mit Geld, guten Manieren, viel Talent und dem gütigsten Herzen gesegnet, das jemals seinen Besitzer in die Bredouille gebracht hatte, weil er anderen Leuten aus ihr heraushelfen wollte, war er jedermanns Liebling und in größter Gefahr, ein ganz und gar verwöhnter Bursche zu werden. Wahrscheinlich wäre es ihm tatsächlich ergangen wie so manchem anderen vielversprechenden jungen Mann, hätte er nicht einen Talisman gegen das Böse besessen: den Gedanken an den gütigen alten Mann, der an seinem Erfolg so großen Anteil hatte, an die mütterliche Freundin, die über ihn wachte, als wäre er ihr eigener Sohn, und zu guter Letzt das Wissen, dass vier unschuldige Mädchen ihn liebten, bewunderten und an ihn glaubten.

Als »Prachtstück von einem Jungen« trieb er seine Scherze und flirtete, was das Zeug hielt, gab sich dandyhaft, sentimental oder sportlich, was immer die Collegemode gerade verlangte, er schikanierte und wurde schikaniert, drückte sich unflätig aus und kam einer Beurlaubung oder gar einem Rauswurf mehr als einmal gefährlich nah. Da diese Streiche jedoch immer seinem Übermut und der Freude am Vergnügen entsprangen, gelang es ihm stets, sich durch ein aufrichtiges Geständnis, eine ehrliche Abbitte oder seine unwiderstehliche Überzeugungskraft aus der Affäre zu ziehen. Er war sogar stolz auf die überstandenen Gefahren und begeisterte die Mädchen gern mit anschaulichen Schilderungen seiner Triumphe über wütende Tutoren, würdige Professoren und besiegte Feinde. In den Augen der Mädchen waren »die Burschen aus meiner Klasse« Helden; sie wurden nicht müde, von den Großtaten »meiner Kumpel« zu hören, und durften sich häufig in den Blicken dieser Prachtkerle sonnen, wenn Laurie sie mit nach Hause brachte.

Amy kam besonders häufig in den Genuss dieser Ehre, denn sie wuchs allmählich zu einer richtigen Schönheit heran, und die junge Dame lernte früh, ihre faszinierende Ausstrahlung einzusetzen. Meg war viel zu sehr mit ihren eigenen Angelegenheiten, vor allem aber mit »ihrem John« beschäftigt, um sich um andere Herren der Schöpfung zu scheren, und Beth zu schüchtern, um mehr als scheu zu ihnen hinüberzulinsen und sich zu fragen, wie Amy sie nur so herumkommandieren konnte. Jo hingegen war ganz in ihrem Element und konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, die Posen, Phrasen und Großtaten der jungen Herren nachzuahmen, was ihr leichterzufallen schien als das anständige Benehmen, das die Etikette für junge Damen vorsah. Alle mochten Jo, aber keiner verliebte sich in sie, während nur wenige dem Schicksal entkamen, bei Amys Anblick den einen oder anderen sentimentalen Seufzer auszustoßen. Und da wir gerade bei Sentimentalitäten sind, will ich nun geschickt zum »Taubenschlag« überleiten.

Das war der Name des kleinen braunen Häuschens, das Mr. Brooke als erstes eigenes Heim für Meg herrichtete. Laurie hatte es so getauft, weil er fand, der Name passe wunderbar zu dem zärtlichen Liebespaar, das sich benahm »wie zwei Turteltauben, die ständig gurrten und schnäbelten«. Das Häuschen war winzig, mit einem kleinen Garten dahinter und einem taschentuchgroßen Garten davor. Meg wünschte sich darin einen Springbrunnen, hohe Sträucher und eine Fülle wunderschöner Blumen, doch im Augenblick wurde der Springbrunnen noch von einem verwitterten alten Blumentopf vertreten, der höchstwahrscheinlich ein ausrangierter Nachttopf war; die Sträucher bestanden aus einigen jungen Lärchen, die sich noch nicht zwischen Leben und Tod entschieden hatten; und die Fülle von Blumen nur aus Scharen von Stöckchen, die anzeigten, wo die Samen gepflanzt worden waren. Im Innern des Häuschens hingegen war es ausgesprochen reizend, und die junge Braut fand vom Dachboden bis zum Keller nichts zu beanstanden. Zwar war die Eingangsdiele so schmal, dass man von Glück sagen konnte, dass sie kein Klavier besaßen, weil man es niemals im Ganzen hineinbekommen hätte. Das Esszimmer war so klein, dass nur mit Mühe sechs Personen hineinpassten, und die Stufen zur Küche schienen dem alleinigen Zweck zu dienen, Bedienstete samt Porzellan kopfüber in den Kohlenverschlag zu befördern. Doch an solche kleinen Makel gewöhnte man sich, und das Häuschen hätte nicht perfekter sein können. Man hatte es mit Vernunft und Geschmack eingerichtet, und das Ergebnis war mehr als befriedigend. In der kleinen Wohnstube gab es keine Marmortische, keine großen Spiegel oder seidenen Vorhänge, sondern schlichte Möbel, jede Menge Bücher, ein oder zwei gute Gemälde, eine Blumensäule im Erkerfenster und überall verstreut die hübschen Geschenke, die das Paar von freundlicher Hand erhalten hatte und die durch die lieben Grüße, die sie begleiteten, noch schöner wurden.

Ich glaube nicht, dass die Statue von Amor und Psyche, die Laurie ihnen geschenkt hatte, etwas von ihrer Schönheit einbüßte, nur weil John das Wandbord, auf dem sie stand, selbst angebracht hatte. Oder dass irgendein Dekorateur die schlichten Musselinvorhänge geschickter drapiert hätte als Amy mit ihren begabten Händen. Oder dass je eine Kammer mit mehr guten Wünschen, fröhlichen Worten und hochfliegenden Hoffnungen ausgestattet worden war als jene, in der Jo und ihre Mutter Megs wenige Kisten, Schachteln und Bündel verstaut hatten. Und ich bin zutiefst überzeugt, dass die nagelneue Küche niemals so sauber und gemütlich geworden wäre, hätte nicht Hannah jeden Topf und jede Pfanne ein Dutzend Mal hin und her geräumt und die Feuerstelle fix und fertig vorbereitet, damit sie angezündet werden konnte, sobald »Ms. Brooke« hier Einzug hielt. Ich bezweifle auch, dass jemals eine junge Hausfrau ihr Leben mit einem so üppigen Vorrat an Staubtüchern, Beuteln und Lumpensäckchen begonnen hatte, denn Beth hatte genug davon angefertigt, dass Meg bis zur Silberhochzeit damit auskommen würde, und zudem drei verschiedene Arten von Tellertüchern für die Behandlung des Tafelgeschirrs erfunden.

Leute, die andere für jeden Handschlag bezahlen, wissen gar nicht, was ihnen entgeht, denn selbst die einfachsten Tätigkeiten werden verschönert, wenn sie mit Liebe erledigt werden, und Meg fand dafür so viele Beweise, dass alles in ihrem kleinen Nest, vom Nudelholz bis zur silbernen Vase auf dem neuen Wohnzimmertisch, von Liebe und zärtlicher Voraussicht kündete.

Sie verbrachten eine wunderbare Zeit damit, Pläne zu schmieden, unternahmen feierliche Einkaufstouren, machten die lustigsten Fehler und schrien vor Lachen über Lauries lächerliche Anschaffungen. Was seine Vorliebe für Scherze anging, war der junge Herr, auch wenn er das College fast beendet hatte, noch der gleiche Lausbub wie früher. Sein jüngster Spleen bestand darin, der jungen Ehefrau bei jedem seiner wöchentlichen Besuche irgendeinen neuen, nützlichen und genialen Haushaltsartikel mitzubringen. Hier eine Tüte mit hervorragenden Wäscheklammern; dort eine wunderbare Muskatmühle, die beim ersten Gebrauch auseinanderfiel; einen Messerreiniger, der sämtliche Messer ruinierte; oder einen Teppichkehrer, der den Teppichflor mitnahm, den Dreck aber liegen ließ; eine praktische Seife, die einem die Haut von den Händen löste; den perfekten Fensterkitt, der an nichts haften blieb außer an den Fingern des getäuschten Käufers; und allerlei Blechgeschirr, angefangen mit einer Spielzeugbank als Sparbüchse für übrig gebliebene Pennys bis zu einem wunderbaren Siedekessel, der Dinge im eigenen Dampf wusch und dabei ständig Gefahr lief, zu explodieren.

Meg flehte Laurie vergeblich an, damit aufzuhören. John lachte ihn aus, und Jo nannte ihn einen »Schatzsucher«. Er war besessen von der Genialität des neuenglischen Erfindergeistes und schleppte im Bestreben, seine Freunde entsprechend auszustatten, jede Woche eine neue absurde Überraschung an.

Schließlich war alles getan, selbst Amy hatte irgendwann sämtliche Räume mit Seifenstücken in der passenden Farbe ausgestattet und Beth den Tisch für die erste Mahlzeit gedeckt.

»Bist du zufrieden? Kommt es dir wie ein Zuhause vor, und hast du das Gefühl, dass du hier glücklich sein kannst?«, fragte Mrs. March, als sie mit ihrer Tochter Arm in Arm durch das neue Reich ging, denn die beiden schienen in dieser Zeit zärtlicher aneinander zu hängen als je zuvor.

»Ja, Marmee, vollkommen. Vielen Dank. Ich bin so glücklich, dass ich es gar nicht ausdrücken kann«, erwiderte Meg mit einem Blick, der mehr sagte als alle Worte.

»Wenn sie nur ein oder zwei Bedienstete hätte, wäre alles gut«, sagte Amy, als sie aus der Wohnstube kam, wo sie sich den Kopf darüber zerbrochen hatte, ob der bronzene Merkur besser auf dem Bücherregal stehen sollte oder auf dem Kaminsims.

»Marmee und ich haben darüber gesprochen, und ich habe mich entschieden, es zuerst auf ihre Art zu versuchen. Es gibt so wenig zu tun. Und wenn Lotti die Botengänge für mich erledigt und mir hier und da zur Hand geht, bleibt gerade noch genug übrig, dass mir nicht langweilig wird oder ich Heimweh bekomme«, erwiderte Meg gelassen.

»Sallie Moffat hat vier«, wandte Amy ein.

»Wenn Meg vier Angestellte hätte, würden gar nicht alle ins Haus passen, und die Hausherren müssten im Garten kampieren«, warf Jo ein, die mit einer großen blauen Schürze über dem Kleid die Türgriffe auf Hochglanz polierte.

»Sallie ist mit keinem armen Mann verheiratet und braucht viele Bedienstete für ihr vornehmes Haus. Meg und John fangen bescheiden an, aber ich habe das Gefühl, dass in diesem kleinen Haus ebenso viel Glück wohnen wird wie in jenem großen. Es ist nicht gut, wenn junge Mädchen wie Meg nicht mehr zu tun haben, als sich hübsch zu machen, Anweisungen zu erteilen und zu schwatzen. Als ich frisch verheiratet war, sehnte ich mich danach, dass meine neuen Kleider schadhaft wurden oder ich mir einen Riss zuzog, damit ich sie wieder stopfen und herrichten konnte, so satt hatte ich die Stickereien und Taschentuchbordüren.«

»Warum bist du nicht in die Küche gegangen und hast ein paar gute Speisen zubereitet, wie Sallie es zum Vergnügen macht, auch wenn sie alles verdirbt und die Bediensteten sie auslachen?«, fragte Meg.

»Das habe ich nach einer Weile tatsächlich getan, aber nicht, um etwas ›zu verderben‹, sondern um von Hannah zu lernen, wie man es richtig macht, damit meine Bediensteten mich nicht auslachen. Damals war es ein Zeitvertreib, aber dann kam der Moment, als ich von Herzen froh war, dass ich nicht nur den Willen, sondern auch die Fähigkeit besaß, meinen kleinen Mädchen gesundes Essen zuzubereiten und mir selbst zu helfen, weil ich mir keine Hausangestellten mehr leisten konnte. Du fängst am anderen Ende an, Meg, mein Liebes, aber das, was du jetzt lernst, wird dir auch später nützlich sein, wenn John wohlhabender ist. Wenn die Herrin eines Hauses, so prächtig es auch sein mag, gut bedient werden will, sollte sie wissen, wie die Arbeit getan werden muss.«

»Ja, Mutter, das verstehe ich«, sagte Meg, die sich die kleine Lektion respektvoll anhörte, denn jede Frau ist mit Eifer dabei, wenn es um das fesselnde Thema der Haushaltsführung geht. »Weißt du, dieses Zimmer ist mir in meinem Häuschen das liebste von allen«, fügte sie kurz darauf hinzu, als sie nach oben gingen und in ihr gut gefülltes Wäschekabinett schauten.

Dort stand Beth, sortierte die schneeweißen Wäschestapel in die Fächer und freute sich an der schönen Ordnung. Bei Megs Worten lachten alle drei, denn das Wäschekabinett war Gegenstand eines familieninternen Scherzes. Weil sie Meg erklärt hatte, dass sie keinen Penny von ihr erben würde, wenn sie »diesen Brooke« heiraten sollte, befand sich Tante March in einer rechten Zwickmühle, nachdem ihr Zorn verraucht war und sie ihren Schwur bereute. Da sie stets zu ihrem Wort stand, bereitete es ihr mächtiges Kopfzerbrechen, wie sich die Sache umgehen ließ, bis sie schließlich einen Plan entwarf, der sie zufriedenstellte. Mrs. Carrol, die Mutter von Cousine Florence, wurde beauftragt, einen stattlichen Vorrat an Haus- und Tischwäsche zu kaufen, diesen mit einem Monogramm versehen zu lassen und Meg als ihr Geschenk hinüberzuschicken. Alles wurde ordentlich ausgeführt, aber das Geheimnis sickerte dennoch durch und bereitete der Familie großes Vergnügen, denn Tante March bemühte sich nach Kräften, vollkommen ahnungslos dreinzuschauen, und beteuerte, nichts anderes geben zu können als die altmodische Perlenkette, die sie der ersten Braut versprochen hatte.

»Diese hier sind ganz nach meinem Geschmack, muss ich sagen. Ich hatte eine Freundin, die ihren Haushalt mit sechs Leinentischtüchern begann, aber da sie dazu auch Fingerschalen hatte, war sie zufrieden«, erzählte Mrs. March, während sie mit weiblicher Freude an Qualität über die feinen Damast-Tischdecken strich.

»Ich besitze keine einzige Fingerschale, aber diese Garnitur wird für mein ganzes Leben reichen, meint Hannah.« Meg sah so zufrieden drein, wie sie nur konnte.

»Der Schatzsucher kommt«, rief Jo von unten, und alle gingen hinab, um Laurie zu begrüßen, dessen allwöchentliche Besuche in ihrem ruhigen Leben ein wichtiges Ereignis waren.

Ein hochgewachsener, breitschultriger junger Bursche mit kurz geschnittenen Haaren und einem Filzdeckel als Hut kam schnellen Schrittes und mit flatterndem Mantel den Weg entlang und stieg, ohne das Tor aufzumachen, über den niedrigen Zaun. Mit ausgestreckten Händen ging er auf Mrs. March zu und rief dabei sehr herzlich:

»Hier bin ich, Mutter! Es ist alles in Ordnung!«

Die letzten Worte waren die Antwort auf den freundlich-fragenden Blick, mit dem Mrs. March ihm entgegensah und den die schönen Augen so unbefangen erwiderten, dass das kleine Ritual wie immer mit einem mütterlichen Kuss endete.

»Für Mrs. John Brooke, mit den herzlichsten Glückwünschen und Empfehlungen des Herstellers. Sei gegrüßt, Beth! Was für ein erfrischender Anblick du bist, Jo! Und Amy, du wirst langsam viel zu hübsch für eine alleinstehende junge Dame.«

Mit diesen Worten reichte Laurie Meg ein in braunes Papier eingeschlagenes Päckchen, zog an Beths Haarband, starrte Jos riesige Schürze an und ging mit gespielter Begeisterung vor Amy in die Knie. Dann schüttelte er reihum die Hände, und alle begannen durcheinanderzureden.

»Wo ist John?«, fragte Meg unruhig.

»Er holt die Genehmigung für morgen ab, Ma’am.«

»Wer hat das letzte Spiel gewonnen, Teddy?«, erkundigte sich Jo, die trotz ihrer neunzehn Jahre weiter darauf bestand, sich für männliche Sportarten zu interessieren.

»Wir natürlich. Ich wünschte, du hättest es gesehen.«

»Wie geht es deiner reizenden Bekannten, Miss Randal?«, fragte Amy mit einem anzüglichen Lächeln.

»Sie ist grausamer denn je. Siehst du nicht, wie ich mich vor Gram verzehre?« Laurie schlug sich auf die Brust und stieß einen melodramatischen Seufzer aus.

»Was gibt es heute Lustiges? Mach das Päckchen auf und schau nach, Meg«, sagte Beth, die das unförmige Päckchen neugierig beäugte.

»Es ist ein nützliches Ding, das man unbedingt im Haus haben sollte, falls es brennt oder Diebe kommen«, erklärte Laurie fest, als unter dem schallenden Gelächter der Mädchen die Ratsche eines Nachtwächters zum Vorschein kam.

»Wenn John fort ist und du Angst bekommst, Mrs. Meg, knatterst du damit einfach aus dem Vorderfenster, dann weiß die Nachbarschaft im Nu Bescheid. Tolles Ding, oder?« Damit gab Laurie ihnen eine Kostprobe der Ratsche, dass sie sich die Ohren zuhielten.

»Ist das euer Dank? Aber apropos Dank, ihr solltet euch bei Hannah bedanken, dass sie die Hochzeitstorte gerettet hat. Sie wurde gerade ins Haus gebracht, als ich vorbeikam, und hätte Hannah sie nicht so tapfer verteidigt, wäre ich darüber hergefallen, so köstlich sah sie aus.«

»Ich frage mich, ob du wohl jemals erwachsen werden wirst, Laurie«, sagte Meg in tantenhaftem Ton.

»Ich tue mein Bestes, Ma’am, aber höher als einen guten Meter achtzig kann ein Mann in diesen verkommenen Zeiten nicht wachsen«, erwiderte der junge Gentleman, dessen Kopf sich etwa auf einer Höhe mit dem kleinen Kronleuchter befand. »Ich nehme an, es käme einer Entweihung gleich, in diesem blitzblanken Häuschen etwas essen zu wollen, und da ich am Verhungern bin, schlage ich einen Umzug vor«, fügte er dann hinzu.

»Mutter und ich werden auf John warten. Es gibt noch ein paar letzte Dinge zu klären«, sagte Meg, bevor sie eilig davonging.

»Beth und ich wollen zu Kitty Bryant hinüber, um für morgen noch mehr Blumen zu holen«, sagte Amy, die einen hübschen Hut auf ihre hübschen Locken setzte und das Ergebnis ebenso genoss wie alle anderen.

»Komm, Jo, lass deinen alten Freund nicht hängen. Ich bin so erschöpft, dass ich es ohne Hilfe nicht nach Hause schaffe. Aber lass bloß die Schürze an, sie kleidet dich ungemein«, sagte Laurie, als Jo den Gegenstand seiner Belustigung in ihrer geräumigen Tasche verstaute und ihm den Arm reichte, um den vom Hunger geschwächten Freund zu stützen.

»Und jetzt, Teddy, will ich ernsthaft mit dir über morgen reden«, sagte Jo, als sie zusammen davonschlenderten. »Du musst mir versprechen, dich anständig zu benehmen, keine Streiche zu spielen und unsere Planung nicht über den Haufen zu werfen.«

»Keine Streiche.«

»Und sag nichts Lustiges, wenn wir eigentlich ernst sein müssen.«

»Das tue ich nie. Dafür bist du zuständig.«

»Und sieh mich während der Trauung bitte nicht an. Sonst muss ich bestimmt lachen.«

»Du wirst mich überhaupt nicht sehen, sondern so heftig weinen, dass der Tränenschleier vor deinen Augen dir die Sicht nimmt.«

»Ich weine nie, nur wenn ich ganz großen Kummer habe.«

»Zum Beispiel, wenn ein Freund fortzieht, um aufs College zu gehen, stimmt’s?«, bemerkte Laurie mit einem anzüglichen Lachen.

»Sei nicht so eitel. Ich habe nur ein kleines bisschen rumgejammert, um mit den Mädchen mitzuhalten.«

»Stimmt. Sag mal, Jo, wie geht es Großvater diese Woche? Ist er freundlich gestimmt?«

»Sehr. Warum? Steckst du in der Klemme und willst wissen, wie er es aufnehmen wird?«, fragte Jo in strengem Ton.

Laurie blieb beleidigt stehen. »Hör mal, Jo, glaubst du, ich würde deiner Mutter ins Gesicht sehen und sagen, dass alles in Ordnung ist, wenn es nicht so wäre?«

»Nein, tu ich nicht.«

»Dann sei nicht so misstrauisch. Ich brauche nur etwas Geld«, sagte Laurie, der, zufrieden über ihren versöhnlichen Ton, weiterging.

»Davon gibst du ziemlich viel aus, Teddy.«

»Ich gebe es nicht aus, meine Liebe, das Geld gibt sich von selbst aus und ist aufgebraucht, ehe ich mich’s versehe.«

»Du bist so großzügig und weichherzig, dass du ständig welches verleihst und nicht Nein sagen kannst. Wir haben von Henshaw gehört und was du alles für ihn getan hast. Glaub mir, wenn du dein Geld immer auf diese Weise ausgäbest, würde dir niemand einen Vorwurf machen«, sagte Jo voller Wärme.

»Ach, er hat aus einer Mücke einen Elefanten gemacht. Es wäre dir doch sicher nicht recht gewesen, wenn ich zugelassen hätte, dass dieser gute Kerl sich zu Tode arbeitet, nur weil er ein bisschen Hilfe brauchte? Er ist mehr wert als ein Dutzend von uns Faulenzern.«

»Natürlich nicht, aber ich sehe nicht ein, warum du siebzehn Westen und zahllose Krawatten brauchst und jedes Mal, wenn du nach Hause kommst, einen neuen Hut aufhast. Ich dachte, du hättest den Lackaffen hinter dir gelassen, aber hin und wieder kommt er doch noch zum Vorschein. Im Augenblick ist es wohl gerade Mode, sich hässlich zu machen. Dein Kopf sieht aus wie eine Wurzelbürste, du trägst unförmige Jacken, orange Handschuhe und klobige Stiefel. Wenn es billiges Zeug wäre, würde ich nichts sagen, aber die Sachen sind genauso teuer wie die anderen und überhaupt nicht ansehnlich.«

Laurie warf den Kopf zurück und lachte so herzlich über diese Attacke, dass ihm der Hut vom Kopf fiel und Jo darauftrat. Laurie nutzte das Missgeschick, um sich über die Vorzüge derber Kleidung auszulassen, während er den misshandelten Hut zusammenknautschte und in die Tasche stopfte.

»Sei so gut und halte mir keine Vorträge mehr. Davon habe ich die Woche über schon genug gehört. Wenn ich nach Hause komme, will ich mich vergnügen. Morgen werde ich keine Kosten scheuen, mich ordentlich zurechtmachen und meine Freundinnen zufriedenstellen.«

»Und ich lasse dich in Frieden, wenn du nur deine Haare wieder wachsen lässt. Ich bin zwar keine feine Dame, aber ich habe doch etwas dagegen, mich mit jemandem sehen zu lassen, der aussieht wie ein junger Preisboxer«, sagte Jo.

»Diese anspruchslose Mode kommt dem Studieren zugute«, erwiderte Laurie, dem man wirklich keine Eitelkeit nachsagen konnte, denn er hatte seine hübschen Locken freiwillig für eine raspelkurze Stoppelfrisur geopfert.

»Übrigens, Jo, ich glaube, der kleine Parker ist bis über beide Ohren in Amy verliebt. Er redet ununterbrochen von ihr, schreibt Gedichte und vergeht fast vor Sehnsucht. Er sollte seine kleine Leidenschaft besser im Keim ersticken, meinst du nicht?«, fügte Laurie nach kurzem Schweigen in brüderlich-vertraulichem Ton hinzu.

»Aber natürlich. Wir brauchen in den nächsten Jahren keine weiteren Hochzeiten in unserer Familie. Lieber Himmel, was denken diese Kinder sich bloß?« Jo machte ein so entsetztes Gesicht, als würden Amy und der kleine Parker noch mit Bauklötzen spielen.

»Es sind schnelllebige Zeiten, und ich weiß nicht, wo das noch hinführen soll, Ma’am. Du bist zwar noch ein Kind, aber trotzdem als Nächste an der Reihe, Jo, und dann werden wir dir nachjammern«, sagte Laurie und schüttelte den Kopf über die verlotterten Zeiten.

»Keine Sorge. Ich bin nicht besonders sympathisch. Mich wird niemand haben wollen, und das ist gut so. Es sollte in jeder Familie eine alte Jungfer geben.«

»Du wirst keinem eine Chance geben«, sagte Laurie mit einem Seitenblick und etwas mehr Farbe im sonnengebräunten Gesicht. »Du versteckst deine sanfte Seite, und wenn ein Bursche sie zufällig doch entdeckt und dir zu verstehen gibt, dass er dich mag, behandelst du ihn wie die rabiate Mrs. Gummidge in David Copperfield: kippst einen Eimer kaltes Wasser über ihm aus und wirst so spitz, dass dir niemand nahe zu kommen oder dich auch nur anzusehen wagt.«

»Ich mag das alles nicht. Ich bin viel zu beschäftigt, um mich mit solchem Unsinn abzugeben, und finde es schrecklich, Familien auf diese Art zu zerstören. Und jetzt sei still. Megs Hochzeit hat uns allen den Kopf verdreht, wir reden nur noch von Liebenden und anderen Albernheiten. Ich will nicht böse werden, also lass uns das Thema wechseln.« Jo sah aus, als wäre sie in der Tat bereit, beim geringsten Anlass einen Eimer kaltes Wasser über jemandem auszukippen.

Was auch immer er dabei empfinden mochte, Laurie fand ein Ventil für seine Gefühle, indem er einen langen, tiefen Pfiff ausstieß und beim Abschied am Gartentor ahnungsvoll prophezeite: »Du bist die Nächste, Jo, glaub mir.«

ZWEIDie erste Hochzeit

Die Junirosen über der Veranda begannen an jenem Morgen in aller Frühe zu leuchten, und wie freundliche kleine Nachbarn freuten sie sich von ganzem Herzen über die Sonne am wolkenlosen Himmel. Ihre roten Gesichter wurden purpurn vor Aufregung, während sie im Wind schaukelnd einander zuflüsterten, was sie gesehen hatten, denn einige von ihnen spähten durch die Fenster des für das Festmahl eingedeckten Esszimmers; andere wanden sich hinauf, um nickend und lächelnd zu den Schwestern hineinzusehen, die die Braut ankleideten; und wieder andere winkten jenen zu, die mit verschiedenen Aufträgen Garten, Veranda, Diele und andere Ziele ansteuerten. Und alle, von der rosenrot erblühten Blume bis zur zartesten Knospe, ehrten sie mit ihrer Schönheit und ihrem Duft die junge Dame, die sie so lange liebevoll gehegt hatte.

Meg sah selbst aus wie eine Rose, denn alles, was in ihrem Herzen und ihrer Seele hold und süß war, spiegelte sich an diesem Tag in ihrem Gesicht, das voller Zartheit und Anmut schöner als die Schönheit selbst war. Sie wollte weder Spitze noch Seide oder grellfarbene Blumen tragen. »Ich will heute nicht fremd aussehen oder zurechtgemacht«, sagte sie. »Ich will keine elegante Hochzeit, sondern nur die um mich haben, die ich liebe. Und für sie will ich aussehen und sein wie immer.«

Sie hatte ihr Hochzeitskleid selbst gefertigt und all die zarten Hoffnungen und romantischen Träume ihres mädchenhaften Herzens hineingenäht. Die Schwestern hatten ihr die schönen Haare geflochten, und der einzige Schmuck, den sie trug, waren die Maiglöckchen, die »ihr John« von allen Blumen am liebsten hatte.

»Du siehst wirklich aus wie unsere liebe Meg, aber so anmutig und schön, dass ich dich umarmen würde, wenn dein Kleid nicht davon Falten bekäme«, rief Amy, die sie nach getaner Arbeit begeistert betrachtete.

»Dann bin ich zufrieden. Aber bitte umarmt und küsst mich alle, kümmert euch nicht um mein Kleid. Knitterfalten von dieser Sorte soll es heute jede Menge bekommen.« Damit breitete Meg die Arme aus, und ihre Schwestern schmiegten sich einen Moment lang mit frühlingsfrischen Gesichtern an sie und spürten, dass die neue Liebe die alte nicht verändert hatte.

»Jetzt werde ich John die Krawatte binden und mich dann für ein paar Minuten still zu Vater ins Studierzimmer setzen.« Meg lief die Treppe hinunter, um diese kleinen Rituale zu begehen und dann ihrer Mutter beizustehen, denn sie wusste, dass diese trotz des Lächelns in ihrem Gesicht in ihrem mütterlichen Herzen eine stille Trauer darüber verbarg, dass das erste ihrer Küken das Nest verließ.

Während die jüngeren Mädchen beisammenstehen und an ihrer schlichten Festtagskleidung letzte Hand anlegen, will ich die Gelegenheit ergreifen, von den wenigen Veränderungen zu berichten, welche die letzten drei Jahre an ihrem Aussehen herbeigeführt haben, denn sie sehen gerade so hübsch aus wie nie.

Jos Konturen sind runder geworden, sie hat gelernt, sich geschmeidig, ja fast anmutig zu bewegen. Aus ihren kurzen Locken ist ein dicker Knoten geworden, der dem schmalen Kopf auf dem hochgewachsenen Körper sehr viel besser steht. Ihre braunen Wangen haben eine frische Farbe, ihre Augen ein sanftes Leuchten, und an diesem Tag kommen, trotz ihrer scharfen Zunge, nur sanfte Worte über ihre Lippen.

Beth ist schlanker, blasser und stiller denn je. Ihre schönen großen Augen wirken noch größer als früher, und ihr Ausdruck stimmt einen traurig, obwohl er gar nicht traurig ist. Ein schmerzlicher Zug überschattet das junge Gesicht mit bedauernswerter Ausdauer, auch wenn Beth sich nur selten beklagt und immer davon spricht, dass es ihr hoffentlich »bald besser« gehen wird.

Amy gilt zu Recht als die »Blume der Familie«, denn mit ihren sechzehn Jahren hat sie die Ausstrahlung und Haltung einer erwachsenen Frau. Sie ist nicht eigentlich schön, besitzt aber jenen unbeschreiblichen Reiz, den man Anmut nennt. Man sieht es in den Umrissen ihrer Gestalt, der Form und Bewegung ihrer Hände, am Fließen ihres Kleides und am Fall ihrer Haare, unbewusst und doch harmonisch und so bezaubernd wie die Schönheit selbst. Ihre Nase bereitet Amy immer noch Kummer, denn ein griechisches Profil hat sie nie bekommen, das Gleiche gilt für ihren Mund, der ein wenig zu breit ist, und auch für ihr entschlossenes Kinn. Diese »Makel« verleihen ihrem Gesicht Charakter, was sie selbst jedoch nicht sieht, daher tröstet sie sich mit ihrer wunderbar ebenmäßigen Haut, den himmelblauen Augen und ihren Locken, die goldener und üppiger sind denn je.

Alle drei tragen dünne silbergraue Kleider, rote Rosen im Haar und am Dekolleté, und ihr Aussehen spiegelt das, was sie sind: drei frische, fröhliche Mädchen, die in ihrem geschäftigen Dasein für einen Moment innehalten, um mit wehmütigem Blick dem schönsten Moment im Leben ihrer Schwester beizuwohnen.

Förmliches Zeremoniell würde es nicht geben, alles sollte so natürlich und heimelig sein wie möglich, und Tante March sah bei ihrer Ankunft mit Entsetzen, wie die Braut aus dem Haus gerannt kam, um sie zu begrüßen und hineinzuführen, während der Bräutigam eine heruntergefallene Girlande wieder aufhängte und der väterliche Pastor mit ernstem Gesicht und einer Weinflasche unter dem Arm die Treppe hinaufstieg.

»Bei meiner Seele, was sind denn das für Zustände!«, rief die alte Dame, als sie sich auf dem für sie vorbereiteten Ehrenplatz niederließ und mit lautem Geraschel die Falten ihres lavendelfarbenen Moirékleides ordnete. »Du solltest dich doch erst am Schluss zeigen, Kind.«

»Ich bin kein Ding zum Bestaunen, Tante March. Niemand kommt, um mich anzustarren, mein Kleid zu kritisieren oder auszurechnen, wie viel mein Mittagessen kostet. Ich bin viel zu glücklich, um mich darum zu scheren, was andere Leute sagen oder denken, und ich feiere meine kleine Hochzeit so, wie es mir gefällt. John, Liebling, hier ist dein Hammer.« Und schon ging Meg davon, um »diesem Mann« bei seiner höchst unangemessenen Beschäftigung zu helfen.

Mr. Brooke sagte nicht einmal »Danke schön«, aber als er sich niederbeugte, um das unromantische Werkzeug in Empfang zu nehmen, küsste er seine kleine Braut hinter der Flügeltür mit einem Blick, dass Tante March mit Wasser in den strengen alten Augen urplötzlich ihr Taschentuch zücken musste.

Ein Knall, ein Schrei und ein Lachen von Laurie, gefolgt von dem wohl kaum angemessenen Ausruf: »Bei den Hörnern des Jupiters, Jo hat schon wieder den Kuchen fallen lassen!«, sorgten für allerhand Aufregung, die auch nicht besser wurde, als eine Schar Cousinen erschien und die »ganze Truppe hereinkam«, wie Jo als Kind zu sagen pflegte.

»Lasst den jungen Riesen bloß nicht in meine Nähe, er macht mir mehr Angst als Stechmücken«, flüsterte die alte Dame Amy zu, als sich die Zimmer füllten und Lauries dunkler Schopf über allen anderen aufragte.

»Er hat versprochen, heute artig zu sein, und kann wirklich sehr galant sein, wenn er will«, erwiderte Amy, ehe sie davonglitt, um Herkules vor dem Drachen zu warnen, was ihn veranlasste, der alten Dame so beharrlich aufzuwarten, dass sie fast verzweifelte.

Obwohl es keinen Brautzug gab, wurde es mit einem Mal totenstill im Raum, als Mr. March und das junge Paar ihre Plätze unter dem grünen Hochzeitsbogen einnahmen. Mutter und Schwestern versammelten sich ganz in der Nähe, als sträubten sie sich, Meg aufzugeben. Und die väterliche Stimme brach mehr als einmal, was die Zeremonie nur noch schöner und feierlicher machte. Die Hände des Bräutigams zitterten sichtlich, und niemand hörte seine Antwort. Meg dagegen sah ihrem Ehemann tief in die Augen und sagte mit so viel zärtlichem Vertrauen in Gesicht und Stimme »Ich will!«, dass das Herz ihrer Mutter einen Satz machte und Tante March laut schniefte.

Jo weinte nicht, obwohl sie einmal ganz dicht davorstand und nur das Wissen, dass Laurie sie mit einer seltsamen Mischung aus Belustigung und Ergriffenheit in den verschmitzten schwarzen Augen unentwegt anstarrte, sie davon abhielt. Beth verbarg das Gesicht an der Schulter ihrer Mutter, während Amy dastand wie eine elegante Statue und ein Sonnenstrahl ihre weiße Stirn und die Blumen in ihrem Haar verschönte.

Es gehörte sich überhaupt nicht, fürchte ich, aber kaum war Meg anständig verheiratet, rief sie: »Den ersten Kuss kriegt Marmee!«, drehte sich um und gab ihrer Mutter einen herzhaften Kuss auf die Lippen. In der nächsten Viertelstunde sah sie mehr denn je wie eine Rose aus, denn jeder machte ausgiebig von seinem Vorrecht Gebrauch, von Mr. Laurence bis zur alten Hannah, die ihr mit ihrem ebenso Furcht einflößenden wie wunderbaren Kopfschmuck in der Diele um den Hals fiel und unter Schluchzen und Lachen ausrief: »Gott segne dich hundert Mal, mein Kind, dem Kuchen is nix passiert, und alles sieht ganz wunderbar aus.«

Das heiterte alle auf, und jeder gab sich Mühe, etwas besonders Kluges zu sagen oder es zumindest zu versuchen, denn wenn die Herzen leicht sind, fällt das Lachen nicht schwer. Es wurden keine Geschenke überreicht, denn sie waren alle bereits in dem kleinen Haus, noch gab es ein ausgiebiges Hochzeitsfrühstück, aber dafür einen reichhaltigen Mittagsimbiss mit Kuchen und Obst, dekoriert mit Blumen. Mr. Laurence und Tante March lächelten sich achselzuckend an, als sich herausstellte, dass Wasser, Limonade und Kaffee die einzige Art von Nektar waren, den die drei Schwestern der Braut herumreichten. Niemand sagte etwas, bis Laurie, der unbedingt die Braut bedienen wollte, mit einem beladenen Tablett und verwundertem Gesicht vor sie trat.

»Hat Jo auch die Weinflaschen fallen lassen?«, fragte er leise, »oder habe ich mir nur eingebildet, dass heute Morgen einige herumstanden?«

»Nein, dein Großvater hat uns freundlicherweise seinen besten Tropfen angeboten, und auch Tante March hat einige Flaschen geschickt, aber Vater hat ein paar davon für Beth beiseitegestellt und den Rest ins Soldatenheim geschickt. Du weißt, er findet, dass man Wein nur als Arznei trinken sollte, und Mutter hat gesagt, weder sie noch ihre Töchter würden jemals unter ihrem Dach einem jungen Mann Alkohol anbieten.«

Meg sagte das sehr ernst und rechnete damit, dass Laurie die Stirn runzeln oder lachen würde, doch er tat nichts dergleichen, und nach einem kurzen Blick in ihr Gesicht erwiderte er auf seine impulsive Art: »Das gefällt mir! Ich habe genug Unheil gesehen, um mir zu wünschen, dass mehr Frauen so denken würden wie ihr.«

»Ich hoffe, du sprichst nicht aus Erfahrung?« In Megs Stimme lag ein besorgter Unterton.

»Nein, darauf gebe ich dir mein Wort. Aber denk nicht zu gut von mir, das ist einfach nichts, was mich in Versuchung führt. Ich bin in einem Haus aufgewachsen, in dem Wein ebenso normal ist wie Wasser und fast ebenso harmlos, daher mache ich mir nichts daraus, aber wenn ein hübsches Mädchen ihn mir anbietet, mag ich nicht widerstehen, verstehst du?«

»Aber das wirst du, anderen zuliebe, wenn nicht für dich selbst. Komm, Laurie, versprich es mir und gib mir einen Grund mehr, dies den schönsten Tag meines Lebens zu nennen.«

Ihre plötzliche und ernste Bitte ließ den jungen Mann einen Moment lang zögern, denn die Bloßstellung ist häufig schwerer zu ertragen als Entsagung. Meg wusste, dass er ein einmal gegebenes Versprechen um jeden Preis halten würde, sie war sich ihrer Macht bewusst und nutzte sie zum Wohl ihres Freundes. Ohne etwas zu sagen, sah sie mit einem vor Glück unwiderstehlichen Gesicht zu ihm auf, und ihr Lächeln schien zu sagen: »Heute kann mir niemand etwas abschlagen.«

Laurie konnte es jedenfalls nicht, denn er gab ihr lächelnd die Hand und sagte mit tiefster Überzeugung: »Ich verspreche es, Mrs. Brooke!«

»Ich danke dir von ganzem Herzen!«

»Und ich trinke darauf, dass dein Entschluss lange halten möge, Teddy!«, rief Jo, die freudestrahlend ihr Glas schwenkte und ihn sogleich mit einem Schluck Limonade taufte.

Also wurde das Versprechen gegeben, darauf angestoßen und trotz vieler Verlockungen treu eingehalten, denn die Mädchen wählten mit instinktiver Klugheit einen guten Moment, um ihrem Freund diesen Schwur abzunehmen, wofür er ihnen sein Leben lang dankbar sein sollte.

 

Nach dem Mittagessen schlenderte man zu zweit oder zu dritt durch Haus und Garten und genoss die Sonne drinnen wie draußen. Meg und John standen gerade zufällig mitten auf dem Rasen, als Laurie einen glücklichen Einfall hatte, der dieser ungewöhnlichen Hochzeit das i-Tüpfelchen aufsetzte.

»Alle verheirateten Leute fassen sich an den Händen und tanzen um das frischgebackene Ehepaar herum, wie es die Deutschen tun, während die Unverheirateten paarweise außen herumspringen!«, rief Laurie, der es mit Amy im Arm so geschickt und mit so ansteckender Heiterkeit vormachte, dass alle anderen ihrem Beispiel ohne Murren folgten. Mr. und Mrs. March, Tante und Onkel Carrol machten den Anfang, andere kamen eilig hinzu, selbst Sallie Moffat warf nach kurzem Zögern ihre Schleppe über den Arm und zog Ned in den Kreis. Die Krönung aber waren Mr. Laurence und Tante March, denn als der rüstige alte Herr im Wechselschritt auf die alte Dame zuwalzte, klemmte sie sich einfach ihren Stock unter den Arm und hopste zügig davon, um sich den anderen anzuschließen und um das Brautpaar herumzutanzen, während die jungen Leute durch den Garten schwärmten wie Schmetterlinge an einem Mittsommertag.

Als alle außer Atem waren, endete der improvisierte Ball, und die Gäste begannen sich zu verabschieden.

»Ich wünsche dir alles Gute, meine Liebe, ich wünsche es dir von ganzem Herzen, aber ich glaube, du wirst es bereuen«, sagte Tante March zu Meg, und für den Bräutigam, der sie zu ihrer Kutsche führte, fügte sie hinzu: »Sie haben einen Schatz gewonnen, junger Mann, sorgen Sie dafür, dass Sie ihn verdienen.«

Und die junge Mrs. Moffat sagte zu ihrem Gatten, als sie davonfuhren: »Das war die netteste Hochzeit seit Ewigkeiten, Ned. Ich verstehe gar nicht, warum, denn sie hatte überhaupt keinen Stil.«

»Laurie, mein Junge, wenn du so etwas auch einmal genießen möchtest, sorge dafür, dass eines dieser kleinen Mädchen dir dabei hilft. Dann bin ich voll und ganz zufrieden«, sagte Mr. Laurence, als er sich in seinem Lehnstuhl niederließ, um sich von den Aufregungen des Vormittags zu erholen.

»Ich werde mein Bestes tun, Sir«, lautete Lauries ungewöhnlich beflissene Antwort, während er vorsichtig das Blumensträußchen löste, das Jo ihm ins Knopfloch gesteckt hatte.

Der Taubenschlag stand nicht weit entfernt von ihrem Elternhaus, und Megs einzige Hochzeitsreise bestand aus jenem kurzen, stillen Wegstück, das sie mit John von ihrem alten zu ihrem neuen Heim zurücklegte. Als sie die Treppe herunterkam wie eine hübsche Quäkerin, in ihrem taubenblauen Kleid und einem weiß bebänderten Strohhut, versammelten sich alle, um ebenso zärtlich »Abschied« zu nehmen, als ginge sie auf eine große Reise.

»Glaub nicht, dass wir nun getrennt sind, meine liebe Marmee, oder dass ich dich weniger liebe, nur weil ich John so lieb habe«, sagte sie, als sie sich für einen Moment mit feuchten Augen an ihre Mutter klammerte. »Ich werde jeden Tag vorbeikommen, Vater, und will meinen alten Platz in eurem Herzen behalten, auch wenn ich jetzt verheiratet bin. Beth wird oft bei mir sein, und auch die anderen Mädchen werden hoffentlich ab und zu vorbeischauen, um über meine Kämpfe mit dem Haushalt zu lachen. Ich danke euch allen für dieses wunderschöne Hochzeitsfest. Auf Wiedersehen! Auf Wiedersehen!«

Sie standen da und sahen ihr voller Liebe, Hoffnung und zärtlichem Stolz nach, als sie am Arm ihres Ehemanns davonging, die Arme voller Blumen und mit der Junisonne im Gesicht.

So begann Megs Eheleben.

DREIKünstlerische Versuche

Es ist nicht leicht, den Unterschied zwischen Talent und Genie zu begreifen, vor allem für ehrgeizige junge Männer und Frauen. Für Amy war diese Erkenntnis recht schmerzhaft, denn sie verwechselte Enthusiasmus mit Inspiration und stürzte sich mit jugendlicher Begeisterung auf sämtliche Gattungen der Kunst. Die »Schlammkuchen«-Töpferei ließ sie lange Zeit ruhen, um sich dem Tuschezeichnen zu widmen, bei dem sie so viel Geschmack und Geschick bewies, dass ihre anmutigen Arbeiten sich nicht nur als ansprechend, sondern auch als profitabel erwiesen. Da ihre überanstrengten Augen jedoch eine Pause verlangten, legte sie Feder und Tusche beiseite und stürzte sich mutig auf die Brandmalerei.

Solange diese Phase währte, lebte die Familie in beständiger Angst vor einer Feuersbrunst, denn der Geruch von verbranntem Holz erfüllte das Haus von früh bis spät. Ständig quoll Rauch vom Dachboden oder aus dem Schuppen, und glühend heiße Brennkolben lagen einfach herum, sodass Hannah nie zu Bett ging, ohne einen Eimer Wasser mitzunehmen und für den Fall der Fälle die Essensglocke an ihre Tür zu hängen.

Das Bildnis von Raffael wurde mit kühnem Schwung auf die Unterseite des Schneidebretts gebrannt und der Gott Bacchus auf den Deckel eines Bierfasses. Eine singende Putte schmückte die Abdeckung des Zuckerdöschens, und Amys missglückte Versuche eines Porträts von Romeo und Julia dienten eine ganze Weile als Anmachholz.

Was lag für die verbrannten Finger näher, als von Feuer zu Öl überzugehen? Und so stürzte Amy sich mit unverminderter Begeisterung auf die Malerei. Ausgestattet mit den alten Paletten, Pinseln und Farben einer befreundeten Künstlerin, kleckste sie drauflos und brachte ländliche Idyllen und Meeresporträts hervor, wie man sie zu Lande und zu Wasser noch nicht gesehen hatte. Ihre monströsen Schafe hätten auf einer Landwirtschaftsausstellung Preise gewonnen und ihre gefährlich schwankenden Schiffe selbst den seetüchtigsten Betrachter seekrank gemacht, wäre er, angesichts der völligen Missachtung jeglicher Regeln für Schiffsbau und Takelage, nicht sofort in schallendes Gelächter ausgebrochen. Dunkelhäutige Knaben und schwarzäugige Madonnen starrten einem aus den Ecken des Studierzimmers entgegen und ließen den Einfluss des spanischen Barockmalers Murillo erkennen; ölig braune Schatten im Gesicht und Lichteffekte an der falschen Stelle verwiesen auf Rembrandt; vollbusige Frauen und wassersüchtige Kinder auf Rubens; und William Turner sprach aus blauem Donner und braunem Regen, orangefarbenen Blitzen und schwarzvioletten Wolken mit einem tomatenroten Klecks in der Mitte, der die Sonne darstellen mochte oder auch eine Boje, ein Matrosenhemd oder das Gewand eines Königs, ganz nach Belieben des Betrachtenden.

Als Nächstes war das Kohlezeichnen an der Reihe, und die Porträts der ganzen Familie hingen mit rußschwarzen Gesichtern nebeneinander, als wären sie gerade einem Kohlebergwerk entstiegen. Zu Kreidezeichnungen abgemildert schlugen sie sich besser, denn die Ähnlichkeiten waren jetzt unverkennbar und Amys Haare, Jos Nase, Megs Mund und Lauries Augen »wunderbar ausgearbeitet«.

Es folgte die Rückkehr zu Ton und Gips, woraufhin die gruseligen Abdrücke ihrer Freundinnen und Bekannten sämtliche Ecken des Hauses heimsuchten oder von Schränken herab den Leuten auf den Kopf fielen. Kinder wurden als Modelle ins Haus gelockt, bis ihre wirren Schilderungen Miss Amy den Ruf einer Menschenfresserin eintrugen. Doch schließlich brachte ein bedauerlicher Unfall ihre Versuche auf diesem Gebiet zu einem abrupten Ende und erstickte Amys Feuereifer. Da ihr zeitweilig die Modelle ausgegangen waren, beschloss sie, ihren eigenen hübschen Fuß zu modellieren. Eines Tages wurde die Familie durch entsetzliches Gepolter und Geschrei in Angst und Schrecken versetzt, und als man zur Rettung eilte, sahen sie die junge Künstlerin wild durch den Schuppen hopsen, den Fuß in einem Eimer mit Gips eingeklemmt, der schneller als erwartet ausgehärtet war. Unter großen Schwierigkeiten und erheblicher Gefahr wurde sie befreit, denn Jo musste bei ihren Ausgrabungsarbeiten so lachen, dass sie das Messer zu tief hineinstieß und Amy in den armen Fuß stach, sodass zumindest ein bleibendes »Denkmal« an ein Kunstexperiment zurückblieb.

Für eine Weile legte sich daraufhin Amys Eifer, bis eine Leidenschaft für Naturskizzen sie Flüsse, Felder und Wälder nach pittoresken Motiven und Ruinen absuchen ließ, die sie nachzeichnen konnte. Sie zog sich zahllose Erkältungen zu, weil sie im feuchten Gras »ein wunderbares Objekt« gezeichnet hatte, das ein Stein, ein Stumpf, ein Pilz, ein zerbrochener Königskerzenstängel oder ein »himmlisches Wolkengebilde« sein mochte und genauso aussah wie frisch gemachte Federbetten. Sie opferte ihren Teint, trieb in der heißesten Sommersonne in einem Boot über den Fluss, um Licht und Schatten zu studieren, und bekam durch die Suche nach »Sehenswürdigkeiten«, oder wie immer man das ständige Grimassieren und Augenzusammenkneifen sonst nennen mochte, eine Falte auf der Nase.

Wenn, wie Michelangelo behauptete, unter Genie »ewige Geduld« zu verstehen ist, konnte Amy diese göttliche Eigenschaft durchaus für sich in Anspruch nehmen, denn trotz aller Hindernisse, Fehlschläge und Entmutigungen machte sie beharrlich weiter und glaubte fest daran, irgendwann etwas hervorzubringen, das es wert war, »hohe Kunst« genannt zu werden.

In der Zwischenzeit lernte, unternahm und genoss sie noch viele andere Dinge, denn sie hatte beschlossen, eine attraktive und gebildete Frau aus sich zu machen, selbst wenn aus ihr niemals eine große Künstlerin werden sollte. Darin war sie erfolgreicher, denn sie gehörte zu jenen glücklichen Menschen, die Anklang finden, ohne sich darum bemühen zu müssen, die überall Freunde gewinnen und das Leben so leicht und mühelos zu nehmen wissen, dass weniger begünstigte Seelen sich gern einreden, Erstere wären unter einem glücklichen Stern geboren. Alle mochten Amy, denn zu ihren guten Eigenschaften gehörte großes Taktgefühl. Sie besaß ein instinktives Gespür dafür, was angemessen und angenehm war, wusste immer das Richtige zu sagen und das zu tun, was Ort und Zeit entsprach, und sie konnte sich so gut beherrschen, dass ihre Schwestern gern sagten: »Wenn Amy ohne jede Vorbereitung vor Gericht erscheinen müsste, wüsste sie genau, was zu tun ist.«

Eine ihrer Schwächen war der Wunsch, sich in der »besten Gesellschaft« zu bewegen, ohne genau zu wissen, was das Beste eigentlich war. Geld, Status, modisches Auftreten und vornehme Manieren waren für sie erstrebenswerte Dinge, und sie war gern mit jenen zusammen, die all das besaßen, verwechselte dabei aber häufig das Richtige mit dem Falschen und bewunderte, was nicht bewundernswert war. Sie vergaß nie, dass sie aus gutem Hause stammte, und pflegte ihre aristokratischen Vorlieben und Empfindungen, damit sie, wenn sich die Gelegenheit bot, jenen Platz einnehmen konnte, von dem die Armut sie jetzt fernhielt.

»Mylady«, wie ihre Freunde sie nannten, wünschte sich inständig, eine vornehme Dame zu sein – und in ihrem Herzen war sie es auch –, aber sie musste noch lernen, dass man natürliche Würde nicht mit Geld kaufen kann, dass die gesellschaftliche Stellung nicht mit Vornehmheit einhergeht und dass äußerliche Einschränkungen einer guten Kinderstube nichts anhaben können.

»Ich muss dich um einen Gefallen bitten, Marmee«, sagte Amy eines Tages, als sie mit bedeutsamer Miene zur Tür hereinkam.

»Und um welchen, mein Kleines?«, erwiderte ihre Mutter, die in der stattlichen jungen Dame immer noch »ihr Baby« sah.

»Unser Zeichenkurs endet nächste Woche, und bevor wir uns für den Sommer trennen, möchte ich die Mädchen gern für einen Tag hierher einladen. Sie sind ganz wild darauf, den Fluss zu sehen, die eingestürzte Brücke zu zeichnen und ein paar Dinge abzumalen, die ihnen in meinem Zeichenbuch so gut gefallen haben. Sie waren in vielerlei Hinsicht sehr freundlich zu mir, wofür ich ihnen dankbar bin, denn sie sind alle reich und ich arm, haben aber nie einen Unterschied gemacht.«

»Warum sollten sie auch?«, fragte Mrs. March auf ihre Kaiserinnen-Art, wie die Mädchen es nannten.

»Du weißt genauso gut wie ich, dass es für die meisten Menschen einen großen Unterschied macht, also sträube nicht das Gefieder wie eine besorgte Glucke, wenn andere Vögel auf ihren Küken herumhacken. Auch aus dem hässlichen Entlein ist am Ende ein schöner Schwan geworden.« In Amys Lächeln lag keine Bitterkeit, denn sie besaß ein fröhliches, hoffnungsvolles Gemüt.

Mrs. March lachte und glättete ihr vor mütterlichem Stolz gesträubtes Gefieder, indem sie fragte: »Nun, mein Schwan, was hast du für einen Plan?«

»Ich würde die Mädchen für nächste Woche gern zum Mittagessen einladen, eine Spazierfahrt zu den Orten unternehmen, die sie gern sehen möchten, vielleicht ein wenig auf dem Fluss rudern und eine kleine Künstlerfeier für sie veranstalten.«

»Das klingt machbar. Was willst du ihnen zu Mittag servieren? Kuchen, Sandwiches, Obst und Kaffee, mehr wird wohl nicht nötig sein, nehme ich an.«

»Du liebe Zeit, nein. Wir brauchen unbedingt Rinderzunge und kaltes Hühnchen und dazu französische Schokolade und Eiscreme. Das sind die Mädchen so gewohnt, und ich will ihnen ein passendes und vornehmes Mahl servieren, auch wenn ich für meinen Lebensunterhalt arbeiten muss.«

»Wie viele junge Damen sind es denn?«, fragte Mrs. March mit zunehmend ernsterer Miene.

»Den Kurs besuchen zwölf oder vierzehn, aber es werden sicher nicht alle kommen.«

»Du meine Güte, Kind, du wirst einen Omnibus mieten müssen, um sie herumzukutschieren.«

»Wie kommst du denn auf die Idee, Mutter? Es werden sicher nicht mehr als sechs oder acht kommen, also werde ich eine Kutsche mieten oder mir Mr. Laurence’ Scharrabank ausleihen.« So nannte Hannah das vierrädrige Char-à-Bancs des Nachbarn.

»Das wird alles ziemlich teuer, Amy.«

»Halb so schlimm. Ich habe die Kosten ausgerechnet und werde alles selbst bezahlen.«

»Liebes, wenn die Mädchen all diese Dinge ohnehin gewohnt sind und nichts, was wir uns leisten können, für sie etwas Neues ist, wäre ein schlichterer Plan für sie dann nicht viel interessanter, und sei es nur der Abwechslung halber, und auch besser für uns, als Dinge zu kaufen oder zu leihen, die wir nicht brauchen, nur um etwas nachzuahmen, was uns nicht entspricht?«

»Wenn ich es nicht so machen kann, wie ich will, lasse ich es lieber gleich bleiben. Ich weiß, dass ich es perfekt organisieren kann, wenn du und die Mädchen mir ein bisschen zur Hand geht, und ich sehe nicht ein, warum ich es nicht auf meine Art machen soll, wenn ich für alles bezahle«, sagte Amy mit einer Entschiedenheit, die jeder weitere Widerspruch in Trotz zu verwandeln drohte.

Mrs. March wusste, dass Erfahrung die beste Lehrmeisterin ist, und ließ die Mädchen sich ausprobieren, wo immer es ging. So manche Lektion hätte sie ihnen gern erleichtert, hätten sich die Mädchen gegen ihren Rat nicht ebenso heftig gesträubt wie gegen Lebertran.

»Also schön, Amy, wenn dein Herz daran hängt und du das Ganze arrangierst, ohne zu viel Geld, Zeit und Nerven hineinzustecken, will ich nichts mehr dagegen sagen. Besprich es mit deinen Schwestern, und wie auch immer du dich entscheidest, ich werde mein Bestes tun, um dir zu helfen.«

»Danke, Marmee, du bist so lieb.« Damit lief Amy davon, um ihre Schwestern in den Plan einzuweihen.

Meg erklärte sich sofort einverstanden, sagte ihre Unterstützung zu und bot alles an, was sie besaß, von ihrem kleinen Haus bis zu ihren kostbarsten Salzlöffeln.

Jo dagegen runzelte die Stirn über die ganze Sache und wollte zunächst nichts damit zu tun haben.

»Warum, um alles in der Welt, willst du für eine Handvoll Mädchen, die sich keinen Pfifferling um dich scheren, dein Geld ausgeben, deine Familie verrückt machen und das ganze Haus auf den Kopf stellen? Ich dachte, du hättest genug Stolz und Vernunft, um dich vor keiner Frau kleinzumachen, nur weil sie französische Stiefelchen trägt und in einem Coupé herumkutschiert wird«, sagte Jo, die, dem tragischen Höhepunkt ihres Romans entrissen, keine große Lust auf gesellschaftliche Unternehmungen verspürte.

»Ich mache mich nicht klein, und ich lasse mich ebenso wenig bevormunden wie du!«, erwiderte Amy ungnädig, denn die beiden gerieten sich immer noch gern in die Haare, wenn es um solche Fragen ging. »Den Mädchen liegt sehr wohl etwas an mir, und mir an ihnen. Auch wenn du unsere Malerei spinnerten Unsinn nennst, besitzen sie viel Vernunft, Güte und Talent. Du magst kein Interesse daran haben, dich bei Leuten beliebt zu machen und in guter Gesellschaft zu verkehren, um deine Manieren und deinen Geschmack zu verfeinern. Ich dagegen schon, und ich habe vor, jede Chance zu nutzen, die sich mir bietet. Lauf du ruhig mit ausgefahrenen Ellbogen und hocherhobener Nase durchs Leben und nenne es Unabhängigkeit, wenn du willst. Aber das ist nicht mein Weg.«

Wenn Amy ihre Zunge gewetzt und sich ihren Verdruss von der Seele geredet hatte, beruhigte sie sich normalerweise schnell wieder, denn ihr gesunder Menschenverstand verließ sie nur selten. Jo dagegen kannte mit ihrer Freiheitsliebe und ihrem Hass auf Konventionen oft keine Grenzen, sodass sie im Streit fast zwangsläufig den Kürzeren zog. Amys Beschreibung ihres Unabhängigkeitsstrebens traf die Sache allerdings so gut auf den Punkt, dass beide in Lachen ausbrachen und die Diskussion einen angenehmeren Verlauf nahm. Mehr oder weniger widerwillig erklärte sich Jo schließlich einverstanden, einen Tag zu opfern und ihrer Schwester in dieser in ihren Augen »unsinnigen Angelegenheit« zu helfen.

Die Einladungen wurden verschickt und fast alle angenommen und das große Ereignis auf den folgenden Montag angesetzt. Hannah war alles andere als amüsiert, dass man ihren Wochenplan durcheinanderbrachte, und sie prophezeite, es werde »alles drunter und drüber gehn«, wenn sie nicht rechtzeitig zum Waschen und Bügeln käme. Dieses kleine Hakeln im Getriebe der häuslichen Abläufe hatte ungute Auswirkungen auf die ganze Unternehmung. Aber da es Amys Grundsatz war, getreu dem lateinischen Motto »nil desperandum« nie zu verzagen, und sie sich nun mal entschieden hatte, machte sie allen Hindernissen zum Trotz weiter. Die Schwierigkeiten begannen mit Hannahs Essen, das nicht gelang. Das Hühnchen war zäh, die Zunge zu salzig, und die Schokolade hatte nicht genügend Schaum. Dann waren der Kuchen und das Eis teurer, als Amy erwartet hatte, ebenso der Ausflugswagen und verschiedene andere Ausgaben, die anfangs nicht dramatisch wirkten, sich am Ende aber zu einer beunruhigenden Summe anhäuften. Beth bekam eine Erkältung und musste das Bett hüten. Meg hatte unerwarteten Besuch, der sie zu Hause festhielt, und Jo war so zerstreut, dass die von ihr verursachten Schäden, Unfälle und Fehler ungewöhnlich zahlreich und nervenaufreibend waren.

Amy hatte verabredet, dass die jungen Damen am Dienstag kommen würden, falls es am Montag nicht sonnig sein sollte, was Jo und Hannah sehr gegen den Strich ging. Am Montagmorgen hatte das Wetter jenen unbeständigen Charakter, der schlimmer war als ein ordentlicher Regenschauer. Es tröpfelte ein wenig, dann schien wieder die Sonne, der Wind frischte auf, und so ging es hin und her, bis überhaupt niemand mehr eine Entscheidung treffen konnte. Amy war bei Tagesanbruch auf den Beinen, trieb die anderen aus den Betten und beim Frühstück an, damit das Haus in Ordnung gebracht wurde. Die Wohnstube kam ihr ungewöhnlich schäbig vor, doch statt darüber zu seufzen, was sie nicht hatte, machte sie geschickt das Beste aus dem, was sie hatte: Sie stellte Stühle auf die abgewetzten Stellen des Teppichs, versteckte Flecken an der Wand hinter selbst gefertigten Statuen, was dem Raum eine künstlerische Aura verlieh, genau wie die hübschen Blumenvasen, die Jo überall verteilte.

Das Mittagessen sah einladend aus, als sie es inspizierte, und sie hoffte sehr, dass es auch gut schmecken würde und sie die geliehenen Gläser, Teller, Tassen und Bestecke wieder sicher abliefern konnte. Die Kutschen waren angekündigt, Meg und Mutter standen bereit, die Honneurs zu machen, Beth war so weit wiederhergestellt, dass sie Hannah im Hintergrund helfen konnte, und Jo hatte sich fest vorgenommen, sich so lebhaft und liebenswert zu geben, wie man mit abschweifenden Gedanken, Kopfschmerzen und einer deutlichen Abneigung gegen alle und jedes nur sein konnte. Während Amy sich erschöpft ankleidete, tröstete sie sich mit der Aussicht auf den Moment, in dem sie nach dem glücklich überstandenen Mittagessen mit ihren Freundinnen davonfahren würde, um einen Nachmittag voller Kunstgenüsse zu erleben, denn das »Scharrabank« und die eingestürzte Brücke sollten die Höhepunkte des Tages sein.

Dann folgten zwei Stunden der Ungewissheit, in denen Amy zitternd zwischen Wohnstube und Veranda hin- und herging, während die öffentliche Meinung nicht weniger schwankte als das Wetter. Ein ordentlicher Schauer um elf Uhr hatte die Begeisterung der eingeladenen jungen Damen offenkundig gedämpft, die um zwölf erwartet wurden, aber nicht kamen, und um zwei Uhr setzte sich die erschöpfte Familie bei strahlendem Sonnenschein zusammen, um die verderblichen Bestandteile des Festmahls zu essen, damit nichts verkam.

Als sie am nächsten Morgen von der Sonne geweckt wurde, sagte Amy: »Heute ist das Wetter eindeutig. Sie werden bestimmt kommen, also müssen wir uns beeilen und für sie bereit sein.« Obwohl sie lebhaft klang bei diesen Worten, wünschte sie tief im Innern, sie hätte nichts von Dienstag gesagt, denn ihre Begeisterung hatte nun, genau wie ihr Kuchen, einen schalen Beigeschmack.

»Ich habe keinen Hummer bekommen, also werdet ihr heute ohne Salat auskommen müssen«, verkündete Mr. March, als er eine halbe Stunde später mit sanfter Verzweiflung im Gesicht nach Hause kam.

»Dann nehmen wir das Hühnchen. Dass es zäh ist, stört im Salat nicht«, überlegte seine Frau.

»Hannah hat es nur ganz kurz auf dem Küchentisch liegen lassen, da haben es sich die Kätzchen geholt. Tut mir wirklich leid, Amy«, ergänzte Beth, die noch immer die Schutzpatronin der Katzen war.

»Dann brauche ich aber unbedingt einen Hummer, denn die Zunge allein reicht nicht«, sagte Amy entschieden.

»Soll ich in die Stadt laufen und einen besorgen?«, fragte Jo mit der Großmut einer Märtyrerin.

»Du würdest ihn uneingewickelt unter dem Arm nach Hause tragen, nur um mich zu ärgern. Ich gehe selbst«, erwiderte Amy, die langsam die Nerven verlor.

Eingehüllt in einen wolkigen Schleier und mit einem eleganten Einkaufskorb bewaffnet, machte sie sich auf den Weg, in der Hoffnung, die kühle Fahrt würde ihren aufgewühlten Geist beruhigen und sie für die Anstrengungen des Tages wappnen. Mit einiger Verzögerung erstand sie das Objekt der Begierde ebenso wie eine Flasche Salatsoße, damit sie zu Hause keine Zeit mehr verlören, und schon fuhr sie, sehr zufrieden über ihre Voraussicht, wieder zurück.

Da der Omnibus nur eine weitere Passagierin beförderte, eine schläfrige alte Dame, steckte Amy ihren Schleier weg und überbrückte die langweilige Fahrt damit, zusammenzurechnen, wohin ihr ganzes Geld verschwunden war. Sie war so sehr in die Berechnungen vertieft, dass sie den Neuankömmling nicht bemerkte, der auf den Bus aufsprang, ohne ihn anzuhalten, bis eine männliche Stimme »Guten Morgen, Miss March« sagte und Amy beim Aufschauen einen von Lauries elegantesten Freunden aus dem College vor sich stehen sah. In der inständigen Hoffnung, dass er noch vor ihr wieder aussteigen werde, schenkte Amy dem Korb zu ihren Füßen keinerlei Beachtung mehr. Sie gratulierte sich dazu, ihr neues Reisekleid angezogen zu haben, und erwiderte die Begrüßung des jungen Mannes mit der ihr eigenen munteren Höflichkeit.