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Immanuel Kants Buch "Logik" ist ein Meisterwerk der philosophischen Logik, das sich mit den grundlegenden Prinzipien des rationalen Denkens befasst. In einem klaren und prägnanten Stil erklärt Kant die Struktur von Schlussfolgerungen und Argumenten sowie die Gesetze des Denkens. Mit seiner analytischen Herangehensweise und seinem Streben nach Klarheit und Präzision legt er die Grundlagen für die moderne Logik. Dieses Werk ist ein Schlüsseltext in Kants Philosophie, der seinen Einfluss auf spätere Denker wie Hegel und Frege zeigt.
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Seitenzahl: 197
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Alles in der Natur, sowohl in der leblosen als auch in der belebten Welt, geschieht nach Regeln, ob wir gleich diese Regeln nicht immer kennen. - Das Wasser fällt nach Gesetzen der Schwere, und bei den Thieren geschieht die Bewegung des Gehens auch nach Regeln. Der Fisch im Wasser, der Vogel in der Luft bewegt sich nach Regeln. Die ganze Natur überhaupt ist eigentlich nichts anders als ein Zusammenhang von Erscheinungen nach Regeln; und es giebt überall keine Regellosigkeit. Wenn wir eine solche zu finden meinen, so können wir in diesem Falle nur sagen: daß uns die Regeln unbekannt sind.
Auch die Ausübung unsrer Kräfte geschieht nach gewissen Regeln, die wir befolgen, zuerst derselben unbewußt, bis wir zu ihrer Erkenntniß allmählig durch Versuche und einen längern Gebrauch unsrer Kräfte gelangen, ja uns am Ende dieselben so geläufig machen, daß es uns viele Mühe kostet, sie in abstracto zu denken. So ist z. B. die allgemeine Grammatik die Form einer Sprache überhaupt. Man spricht aber auch, ohne Grammatik zu kennen; und der, welcher, ohne sie zu kennen, spricht, hat wirklich eine Grammatik und spricht nach Regeln, deren er sich aber nicht bewußt ist.
So wie nun alle unsre Kräfte insgesammt, so ist auch insbesondre der Verstand bei seinen Handlungen an Regeln gebunden, die wir untersuchen können. Ja, der Verstand ist als der Quell und das Vermögen anzusehen, Regeln überhaupt zu denken. Denn so wie die Sinnlichkeit das Vermögen der Anschauungen ist, so ist der Verstand das Vermögen zu denken, d. h. die Vorstellungen der Sinne unter Regeln zu bringen. Er ist daher begierig, Regeln zu suchen, und befriedigt, wenn er sie gefunden hat. Es frägt sich also, da der Verstand die Quelle der Regeln ist, nach welchen Regeln er selber verfahre?
Denn es leidet gar keinen Zweifel: wir können nicht denken oder unsern Verstand nicht anders gebrauchen als nach gewissen Regeln. Diese Regeln können wir nun aber wieder für sich selbst denken, d. h. wir können sie ohne ihre Anwendung oder in abstracto denken. Welches sind nun diese Regeln?
Alle Regeln, nach denen der Verstand verfährt, sind entweder nothwendig oder zufällig. Die erstern sind solche, ohne welche gar kein Gebrauch des Verstandes möglich wäre; die letztern solche, ohne welche ein gewisser bestimmter Verstandesgebrauch nicht stattfinden würde. Die zufälligen Regeln, welche von einem bestimmten Object der Erkenntniß abhängen, sind so vielfältig als diese Objecte selbst. So giebt es z. B. einen Verstandesgebrauch in der Mathematik, der Metaphysik, Moral etc. Die Regeln dieses besondern bestimmten Verstandesgebrauches in den gedachten Wissenschaften sind zufällig, weil es zufällig ist, ob ich dieses oder jenes Object denke, worauf sich diese besondern Regeln beziehen.
Wenn wir nun aber alle Erkenntniß, die wir bloß von den Gegenständen entlehnen müssen, bei Seite setzen und lediglich auf den Verstandesgebrauch überhaupt reflectiren: so entdecken wir diejenigen Regeln desselben, die in aller Absicht und unangesehen aller besondern Objecte des Denkens schlechthin nothwendig sind, weil wir ohne sie gar nicht denken würden. Diese Regeln können daher auch a priori d. i. unabhängig von aller Erfahrung eingesehen werden, weil sie, ohne Unterschied der Gegenstände, bloß die Bedingungen des Verstandesgebrauchs überhaupt, er mag rein oder empirisch sein, enthalten. Und hieraus folgt zugleich: daß die allgemeinen und nothwendigen Regeln des Denkens überhaupt lediglich die Form, keinesweges die Materie desselben betreffen können. Demnach ist die Wissenschaft, die diese allgemeinen und nothwendigen Regeln enthält, bloß eine Wissenschaft von der Form unsers Verstandeserkenntnisses oder des Denkens. Und wir können uns also eine Idee von der Möglichkeit einer solchen Wissenschaft machen, so wie von einer allgemeinen Grammatik, die nichts weiter als die bloße Form der Sprache überhaupt enthält, ohne Wörter, die zur Materie der Sprache gehören.
Diese Wissenschaft von den nothwendigen Gesetzen des Verstandes und der Vernunft überhaupt oder, welches einerlei ist, von der bloßen Form des Denkens überhaupt, nennen wir nun Logik.
Als eine Wissenschaft, die auf alles Denken überhaupt geht, unangesehen der Objecte als der Materie des Denkens ist die Logik
1) als Grundlage zu allen andern Wissenschaften und als die Propädeutik alles Verstandesgebrauchs anzusehen. Sie kann aber auch eben darum, weil sie von allen Objecten gänzlich abstrahirt,
2) kein Organon der Wissenschaften sein. Unter einem Organon verstehen wir nämlich eine Anweisung, wie ein gewisses Erkenntniß zu Stande gebracht werden solle. Dazu aber gehört, daß ich das Object der nach gewissen Regeln hervorzubringenden Erkenntniß schon kenne. Ein Organon der Wissenschaften ist daher nicht bloße Logik, weil es die genaue Kenntniß der Wissenschaften, ihrer Objecte und Quellen voraussetzt. So ist z. B. die Mathematik ein vortreffliches Organon, als eine Wissenschaft, die den Grund der Erweiterung unserer Erkenntniß in Ansehung eines gewissen Vernunftgebrauches enthält. Die Logik hingegen, da sie als allgemeine Propädeutik alles Verstandes= und Vernunftgebrauchs überhaupt, nicht in die Wissenschaften gehen und deren Materie anticipiren darf, ist nur eine allgemeine Vernunftkunst (canonica Epicuri), Erkenntnisse überhaupt der Form des Verstandes gemäß zu machen, und also nur in so fern ein Organon zu nennen, das aber freilich nicht zur Erweiterung, sondern bloß zur Beurtheilung und Berichtigung unsers Erkenntnisses dient.
3) Als eine Wissenschaft der nothwendigen Gesetze des Denkens, ohne welche gar kein Gebrauch des Verstandes und der Vernunft stattfindet, die folglich die Bedingungen sind, unter denen der Verstand einzig mit sich selbst zusammen stimmen kann und soll, - die nothwendigen Gesetze und Bedingungen seines richtigen Gebrauchs - ist aber die Logik ein Kanon. Und als ein Kanon des Verstandes und der Vernunft darf sie daher auch keine Principien weder aus irgend einer Wissenschaft noch aus irgend einer Erfahrung borgen; sie muß lauter Gesetze a priori, welche nothwendig sind und auf den Verstand überhaupt gehen, enthalten.
Einige Logiker setzen zwar in der Logik psychologische Principien voraus. Dergleichen Principien aber in die Logik zu bringen, ist eben so ungereimt als Moral vom Leben herzunehmen. Nähmen wir die Principien aus der Psychologie, d. h. aus den Beobachtungen über unsern Verstand, so würden wir bloß sehen, wie das Denken vor sich geht und wie es ist unter den mancherlei subjectiven Hindernissen und Bedingungen; dieses würde also zur Erkenntniß bloß zufälliger Gesetze führen. In der Logik ist aber die Frage nicht nach zufälligen, sondern nach nothwendigen Regeln; nicht, wie wir denken, sondern, wie wir denken sollen. Die Regeln der Logik müssen daher nicht vom zufälligen, sondern vom nothwendigen Verstandesgebrauche hergenommen sein, den man ohne alle Psychologie bei sich findet. Wir wollen in der Logik nicht wissen: wie der Verstand ist und denkt und wie er bisher im Denken verfahren ist, sondern wie er im Denken verfahren sollte. Sie soll uns den richtigen, d. h. den mit sich selbst übereinstimmenden Gebrauch des Verstandes lehren.
Aus der gegebenen Erklärung der Logik lassen sich nun auch noch die übrigen wesentlichen Eigenschaften dieser Wissenschaft herleiten; nämlich daß sie
4) eine Vernunftwissenschaft sei nicht der bloßen Form, sondern der Materie nach, da ihre Regeln nicht aus der Erfahrung hergenommen sind und da sie zugleich die Vernunft zu ihrem Objecte hat. Die Logik ist daher eine Selbsterkenntniß des Verstandes und der Vernunft, aber nicht nach den Vermögen derselben in Ansehung der Objecte, sondern lediglich der Form nach. Ich werde in der Logik nicht fragen: Was erkennt der Verstand und wie viel kann er erkennen oder wie weit geht seine Erkenntniß? Denn das wäre Selbsterkenntniß in Ansehung seines materiellen Gebrauchs und gehört also in die Metaphysik. In der Logik ist nur die Frage: Wie wird sich der Verstand selbst erkennen? Als eine der Materie und der Form nach rationale Wissenschaft ist die Logik endlich auch
5) eine Doctrin oder demonstrirte Theorie. Denn da sie sich nicht mit dem gemeinen und als solchem bloß empirischen Verstandes= und Vernunftgebrauche, sondern lediglich mit den allgemeinen und nothwendigen Gesetzen des Denkens überhaupt beschäftigt: so beruht sie auf Principien a priori, aus denen alle ihre Regeln abgeleitet und bewiesen werden können, als solche, denen alle Erkenntniß der Vernunft gemäß sein müßte.
Dadurch daß die Logik als eine Wissenschaft a priori oder als eine Doctrin für einen Kanon des Verstandes= und Vernunftgebrauchs zu halten ist, unterscheidet sie sich wesentlich von der Ästhetik, die als bloße Kritik des Geschmacks keinen Kanon (Gesetz), sondern nur eine Norm (Muster oder Richtschnur bloß zur Beurtheilung) hat, welche in der allgemeinen Einstimmung besteht. Die Ästhetik nämlich enthält die Regeln der Übereinstimmung des Erkenntnisses mit den Gesetzen der Sinnlichkeit; die Logik dagegen die Regeln der Übereinstimmung des Erkenntnisses mit den Gesetzen des Verstandes und der Vernunft. Jene hat nur empirische Principien und kann also nie Wissenschaft oder Doctrin sein, wofern man unter Doctrin eine dogmatische Unterweisung aus Principien a priori versteht, wo man alles durch den Verstand ohne anderweitige, von der Erfahrung erhaltene Belehrungen einsieht, und die uns Regeln giebt, deren Befolgung die verlangte Vollkommenheit verschafft.
Manche, besonders Redner und Dichter haben versucht, über den Geschmack zu vernünfteln, aber nie haben sie ein entscheidendes Urtheil darüber fällen können. Der Philosoph Baumgarten in Frankfurt hatte den Plan zu einer Ästhetik, als Wissenschaft, gemacht. Allein richtiger hat Home die Ästhetik Kritik genannt, da sie keine Regeln a priori giebt, die das Urtheil hinreichend bestimmen, wie die Logik, sondern ihre Regeln a posteriori hernimmt, und die empirischen Gesetze, nach denen wir das Unvollkommnere und Vollkommnere (Schöne) erkennen, nur durch die Vergleichung allgemeiner macht.
Die Logik ist also mehr als bloße Kritik; sie ist ein Kanon, der nachher zur Kritik dient, d. h. zum Princip der Beurtheilung alles Verstandesgebrauchs überhaupt, wiewohl nur seiner Richtigkeit in Ansehung der bloßen Form, da sie kein Organon ist, so wenig als die allgemeine Grammatik.
Als Propädeutik alles Verstandesgebrauchs überhaupt unterscheidet sich die allgemeine Logik nun auch zugleich von einer andern Seite von der transscendentalen Logik, in welcher der Gegenstand selbst als ein Gegenstand des bloßen Verstandes vorgestellt wird; dagegen die allgemeine Logik auf alle Gegenstände überhaupt geht.
Fassen wir nun alle wesentlichen Merkmale zusammen, die zu ausführlicher Bestimmung des Begriffs der Logik gehören, so werden wir also folgenden Begriff von ihr aufstellen müssen:
Die Logik ist eine Vernunftwissenschaft nicht der bloßen Form, sondern der Materie nach; eine Wissenschaft a priori von den nothwendigen Gesetzen des Denkens, aber nicht in Ansehung besonderer Gegenstände, sondern aller Gegenstände überhaupt; - also eine Wissenschaft des richtigen Verstandes und Vernunftgebrauchs überhaupt, aber nicht subjectiv, d. h. nicht nach empirischen (psychologischen) Principien, wie der Verstand denkt, sondern objectiv, d. i. nach Principien a priori, wie er denken soll.
Die Logik wird eingetheilt
1) in die Analytik und in die Dialektik.
Die Analytik entdeckt durch Zergliederung alle Handlungen der Vernunft, die wir beim Denken überhaupt ausüben. Sie ist also eine Analytik der Verstandes= und Vernunftform und heißt auch mit Recht die Logik der Wahrheit, weil sie die nothwendigen Regeln aller (formalen) Wahrheit enthält, ohne welche unser Erkenntniß, unangesehen der Objecte, auch in sich selbst unwahr ist. Sie ist also auch weiter nichts als ein Kanon zur Dijudication (der formalen Richtigkeit unsers Erkenntnisses).
Wollte man diese bloß theoretische und allgemeine Doctrin zu einer praktischen Kunst, d. i. zu einem Organon brauchen: so würde sie Dialektik werden. Eine Logik des Scheins (ars sophistica, disputatoria), die aus einem bloßen Mißbrauche der Analytik entspringt, sofern nach der bloßen logischen Form der Schein einer wahren Erkenntniß, deren Merkmale doch von der Übereinstimmung mit den Objecten, also vom Inhalte hergenommen sein müssen, erkünstelt wird.
In den vorigen Zeiten wurde die Dialektik mit großem Fleiße studirt. Diese Kunst trug falsche Grundsätze unter dem Scheine der Wahrheit vor und suchte diesen gemäß, Dinge dem Scheine nach zu behaupten. Bei den Griechen waren die Dialektiker die Sachwalter und Redner, welche das Volk leiten konnten, wohin sie wollten, weil sich das Volk durch den Schein hintergehen läßt. Dialektik war also damals die Kunst des Scheins. In der Logik wurde sie auch eine Zeitlang unter dem Namen der Disputirkunst vorgetragen, und so lange war alle Logik und Philosophie die Cultur gewisser geschwätziger Köpfe, jeden Schein zu erkünsteln. Nichts aber kann eines Philosophen unwürdiger sein als die Cultur einer solchen Kunst. Sie muß daher in dieser Bedeutung gänzlich wegfallen und statt derselben vielmehr eine Kritik dieses Scheines in die Logik eingeführt werden.
Wir würden demnach zwei Theile der Logik haben: die Analytik, welche die formalen Kriterien der Wahrheit vortrüge und die Dialektik, welche die Merkmale und Regeln enthielte, wonach wir erkennen könnten, daß etwas mit den formalen Kriterien der Wahrheit nicht übereinstimmt, ob es gleich mit denselben übereinzustimmen scheint. Die Dialektik in dieser Bedeutung würde also ihren guten Nutzen haben als Katharktikon des Verstandes.
Man pflegt die Logik ferner einzutheilen
2) in die natürliche oder populare und in die künstliche oder wissenschaftliche Logik (logica naturalis, log. scholastica s. artificialis).
Aber diese Eintheilung ist unstatthaft. Denn die natürliche Logik oder die Logik der gemeinen Vernunft (sensus communis) ist eigentlich keine Logik, sondern eine anthropologische Wissenschaft, die nur empirische Principien hat, indem sie von den Regeln des natürlichen Verstandes und Vernunftgebrauchs handelt, die nur in concreto, also ohne Bewußtsein derselben in abstracto, erkannt werden. - die künstliche oder wissenschaftliche Logik verdient daher allein diesen Namen, als eine Wissenschaft der nothwendigen und allgemeinen Regeln des Denkens, die unabhängig von dem natürlichen Verstandes= und Vernunftgebrauche in concreto a priori erkannt werden können und müssen, ob sie gleich zuerst nur durch Beobachtung jenes natürlichen Gebrauchs gefunden werden können.
3) Noch eine andre Eintheilung der Logik ist die in theoretische und praktische Logik. Allein auch diese Eintheilung ist unrichtig.
Die allgemeine Logik, die, als ein bloßer Kanon, von allen Objecten abstrahirt, kann keinen praktischen Theil haben. Dieses wäre eine contradictio in adjecto, weil eine praktische Logik die Kenntniß einer gewissen Art von Gegenständen, worauf sie angewandt wird, voraussetzt. Wir können daher jede Wissenschaft eine praktische Logik nennen; denn in jeder müssen wir eine Form des Denkens haben. Die allgemeine Logik, als praktisch betrachtet, kann daher nichts weiter sein als eine Technik der Gelehrsamkeit überhaupt, ein Organon der Schulmethode.
Dieser Eintheilung zufolge würde also die Logik einen dogmatischen und einen technischen Theil haben. Der erste würde die Elementarlehre, der andere die Methodenlehre heißen können. Der praktische oder technische Theil der Logik wäre eine logische Kunst in Ansehung der Anordnung und der logischen Kunstausdrücke und Unterschiede, um dem Verstande dadurch sein Handeln zu erleichtern. In beiden Theilen, dem technischen so wohl als dem dogmatischen, würde aber weder auf Objecte noch auf das Subject des Denkens die mindeste Rücksicht genommen werden dürfen. In der letztern Beziehung würde die Logik eingetheilt werden können
4) in die reine und in die angewandte Logik.
In der reinen Logik sondern wir den Verstand von den übrigen Gemüthskräften ab und betrachten, was er für sich allein thut. Die angewandte Logik betrachtet den Verstand, sofern er mit den andern Gemüthskräften vermischt ist, die auf seine Handlungen einfließen und ihm eine schiefe Richtung geben, so daß er nicht nach den Gesetzen verfährt, von denen er wohl selbst einsieht, daß sie die richtigen sind. Die angewandte Logik sollte eigentlich nicht Logik heißen. Es ist eine Psychologie, in welcher wir betrachten, wie es bei unserm Denken zuzugehen pflegt, nicht, wie es zugehen soll. Am Ende sagt sie zwar, was man thun soll, um unter mancherlei subjectiven Hindernissen und Einschränkungen einen richtigen Gebrauch vom Verstande zu machen; auch können wir von ihr lernen, was den richtigen Verstandesgebrauch befördert, die Hülfsmittel desselben oder die Heilungsmittel von logischen Fehlern und Irrthümern. Aber Propädeutik ist sie doch nicht. Denn die Psychologie, aus welcher in der angewandten Logik alles genommen werden muß, ist ein Theil der philosophischen Wissenschaften, zu denen die Logik die Propädeutik sein soll. Zwar sagt man: die Technik, oder die Art und Weise, eine Wissenschaft zu bauen, solle in der angewandten Logik vorgetragen werden. Das ist aber vergeblich, ja sogar schädlich. Man fängt dann an zu bauen, ehe man Materialien hat und giebt wohl die Form, es fehlt aber am Inhalte. Die Technik muß bei jeder Wissenschaft vorgetragen werden. Was endlich
5) die Eintheilung der Logik in die Logik des gemeinen und die des speculativen Verstandes betrifft: so bemerken wir hierbei, da diese Wissenschaft gar nicht so eingetheilt werden kann.
Sie kann keine Wissenschaft des speculativen Verstandes sein. Denn als eine Logik des speculativen Erkenntnisses oder des speculativen Vernunftgebrauchs wäre sie ein Organon andrer Wissenschaften und keine bloße Propädeutik, die auf allem möglichen Gebrauch des Verstandes und der Vernunft gehen soll.
Eben so wenig kann die Logik ein Product des gemeinen Verstandes sein. Der gemeine Verstand nämlich ist das Vermögen, die Regeln des Erkenntnisses in concreto einzusehen. Die Logik soll aber eine Wissenschaft von den Regeln des Denkens in abstracto sein.
Man kann indessen den allgemeinen Menschenverstand zum Object der Logik annehmen, und in so fern wird sie von den besonderen Regeln der speculativen Vernunft abstrahiren und sich also von der Logik des speculativen Verstandes unterscheiden.
Was den Vortrag der Logik betrifft: so kann derselbe entweder scholastisch oder popular sein.
Scholastisch ist er, sofern er angemessen ist der Wißbegierde, den Fähigkeiten und der Cultur derer, die das Erkenntniß der logischen Regeln als eine Wissenschaft behandeln wollen. Popular aber, wenn er zu den Fähigkeiten und Bedürfnissen derjenigen sich herabläßt, welche die Logik nicht als Wissenschaft studiren, sondern sie nur brauchen wollen, um ihren Verstand aufzuklären. - Im scholastischen Vortrage müssen die Regeln in ihrer Allgemeinheit oder in abstracto; im popularen dagegen im Besondern oder in concreto dargestellt werden. Der scholastische Vortrag ist das Fundament des popularen; denn nur derjenige kann etwas auf eine populare Weise vortragen, der es auch gründlicher vortragen könnte.
Wir unterscheiden übrigens hier Vortrag von Methode. Unter Methode nämlich ist die Art und Weise zu verstehen, wie ein gewisses Object, zu dessen Erkenntniß sie anzuwenden ist, vollständig zu erkennen sei. Sie muß aus der Natur der Wissenschaft selbst hergenommen werden und läßt sich also, als eine dadurch bestimmte und nothwendige Ordnung des Denkens, nicht ändern. Vortrag bedeutet nur die Manier, seine Gedanken andern mitzutheilen, um eine Doctrin verständlich zu machen.
Aus dem, was wir über das Wesen und den Zweck der Logik bisher gesagt haben, läßt sich nunmehr der Werth dieser Wissenschaft und der Nutzen ihres Studiums nach einem richtigen und bestimmten Maaßstabe schätzen.
Die Logik ist also zwar keine allgemeine Erfindungskunst und kein Organon der Wahrheit - keine Algebra, mit deren Hülfe sich verborgene Wahrheiten entdecken ließen.
Wohl aber ist sie nützlich und unentbehrlich als eine Kritik der Erkenntniß, oder zu Beurtheilung der gemeinen so wohl als der speculativen Vernunft, nicht um sie zu lehren, sondern nur um sie correct und mit sich selbst übereinstimmend zu machen. Denn das logische Princip der Wahrheit ist Übereinstimmung des Verstandes mit seinen eigenen allgemeinen Gesetzen.
Was endlich die Geschichte der Logik betrifft, so wollen wir hierüber nur Folgendes anführen:
Die jetzige Logik schreibt sich her von Aristoteles' Analytik. Dieser Philosoph kann als der Vater der Logik angesehen werden. Er trug sie als Organon vor und theilte sie ein in Analytik und Dialektik. Seine Lehrart ist sehr scholastisch und geht auf die Entwickelung der allgemeinsten Begriffe, die der Logik zum Grunde liegen, wovon man indessen keinen Nutzen hat, weil fast alles auf bloße Subtilitäten hinausläuft, außer daß man die Benennungen verschiedener Verstandeshandlungen daraus gezogen.
Übrigens hat die Logik von Aristoteles' Zeiten her an Inhalt nicht viel gewonnen und das kann sie ihrer Natur nach auch nicht. Aber sie kann wohl gewinnen in Ansehung der Genauigkeit, Bestimmtheit und Deutlichkeit. Es giebt nur wenige Wissenschaften, die in einen beharrlichen Zustand kommen können, wo sie nicht mehr verändert werden. Zu diesen gehört die Logik und auch die Metaphysik. Aristoteles hatte keinen Moment des Verstandes ausgelassen; wir sind darin nur genauer, methodischer und ordentlicher.
Von Lamberts Organon glaubte man zwar, daß es die Logik sehr vermehren würde. Aber es enthält weiter nichts mehr als nur subtilere Eintheilungen, die, wie alle richtigen Subtilitäten wohl den Verstand schärfen, aber von keinem wesentlichen Gebrauche sind.
Unter den neuern Weltweisen giebt es zwei, welche die allgemeine Logik in Gang gebracht haben: Leibniz und Wolff.
Malebranche und Locke haben keine eigentliche Logik abgehandelt, da sie auch vom Inhalte der Erkenntniß und vom Ursprunge der Begriffe handeln.
Die allgemeine Logik von Wolff ist die beste, welche man hat. Einige haben sie mit der Aristotelischen verbunden, wie z. B. Reusch.
Baumgarten, ein Mann, der hierin viel Verdienst hat, concentrirte die Wolffische Logik, und Meier commentirte dann wieder über Baumgarten.
Zu den neuern Logikern gehört auch Crusius, der aber nicht bedachte, was es mit der Logik für eine Bewandtniß habe. Denn seine Logik enthält metaphysische Grundsätze und überschreitet also in so fern die Grenzen dieser Wissenschaft; überdies stellt sie ein Kriterium der Wahrheit auf, das kein Kriterium sein kann, und läßt also in so fern allen Schwärmereien freien Lauf.
In den jetzigen Zeiten hat es eben keinen berühmten Logiker gegeben, und wir brauchen auch zur Logik keine neuen Erfindungen, weil sie bloß die Form des Denkens enthält.
Es ist zuweilen schwer, das, was unter einer Wissenschaft verstanden wird, zu erklären. Aber die Wissenschaft gewinnt an Präcision durch Festsetzung ihres bestimmten Begriffs, und es werden so manche Fehler aus gewissen Gründen vermieden, die sich sonst einschleichen, wenn man die Wissenschaft noch nicht von den mit ihr verwandten Wissenschaften unterscheiden kann.
Ehe wir indessen eine Definition von Philosophie zu geben versuchen, müssen wir zuvor den Charakter der verschiedenen Erkenntnisse selbst untersuchen und, da philosophische Erkenntnisse zu den Vernunfterkenntnissen gehören, insbesondre erklären, was unter diesen letztern zu verstehen sei.
Vernunfterkenntnisse werden den historischen Erkenntnissen entgegengesetzt. Jene sind Erkenntnisse aus Principien (ex principiis); diese Erkenntnisse aus Daten (ex datis). - Eine Erkenntniß kann aber aus der Vernunft entstanden und demohngeachtet historisch sein; wie wenn z. B. ein bloßer Literator die Producte fremder Vernunft lernt, so ist sein Erkenntniß von dergleichen Vernunftproducten bloß historisch. Man kann nämlich Erkenntnisse unterscheiden
1) nach ihrem objectiven Ursprunge, d. i. nach den Quellen, woraus eine Erkenntniß allein möglich ist. In dieser Rücksicht sind alle Erkenntnisse entweder rational oder empirisch;
2) nach ihrem subjectiven Ursprunge, d. i. nach der Art, wie eine Erkenntniß von den Menschen kann erworben werden. Aus diesem letztern Gesichtspunkte betrachtet, sind die Erkenntnisse entweder rational oder historisch, sie mögen an sich entstanden sein, wie sie wollen. Es kann also objectiv etwas ein Vernunfterkenntniß sein, was subjectiv doch nur historisch ist.
Bei einigen rationalen Erkenntnissen ist es schädlich, sie bloß historisch zu wissen, bei andern hingegen ist dieses gleichgültig. So weiß z. B. der Schiffer die Regeln der Schiffahrt historisch aus seinen Tabellen; und das ist für ihn genug. Wenn aber der Rechtsgelehrte die Rechtsgelehrsamkeit bloß historisch weiß, so ist er zum ächten Richter und noch mehr zum Gesetzgeber völlig verdorben.