Loslassen - Zulassen - Friederike Steiner - E-Book

Loslassen - Zulassen E-Book

Friederike Steiner

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Beschreibung

Eine verlassene Ehefrau. Ihr wird der Boden unter den Füßen weggezogen, und das Leben erscheint ihr sinnlos. Aber sie will verstehen, was ihr da passiert ist und warum. Lange dauert diese Bestandsaufnahme ihrer gescheiterten Ehe, aber als sie es dann begriffen hat, kann sie sich aus den alten Mustern lösen und neues Leben zulassen. Und neues Glück.

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Über dieses Buch:

Eine verlassene Ehefrau. Ihr wird der Boden unter den Füßen weggezogen, und das Leben erscheint ihr sinnlos. Aber sie will verstehen, was ihr da passiert ist und warum. Lange dauert diese Bestandsaufnahme ihrer gescheiterten Ehe, aber als sie es dann begriffen hat, kann sie sich aus den alten Mustern lösen und neues Leben zulassen. Und neues Glück.

Über die Autorin:

Friederike Steiner wurde 1941 in Großpetersdorf im südlichen Burgenland geboren, wo sie ihre Kindheit und Jugend verbrachte. Danach lebte sie viele Jahre in Wien, zeitweise auch in Stockholm, London und Paris. Seit 1978 ist Kärnten ihr Lebensmittelpunkt. Beruflich war sie als Sekretärin und als Arzthelferin tätig. Sie hat zwei erwachsene Töchter und ein Enkelkind.

Bisher liegen von ihr die Romane „Windhauch“, „Lorenz und die Frauen“, „Die kleinen Geschichten meines Lebens“ und der Lyrikband „Ins Himmelsblau schauen“ vor.

Inhaltsverzeichnis

Loslassen

Zulassen

Loslassen

DU - WIE DAS KLINGT, WIE VERTRAUT, WIE NAH, UND DOCH BIST DU FORT, WEG AUS MEINEM LEBEN. Immer noch, jetzt nach Wochen, höre ich die Tür ins Schloss fallen, deine Autotür schlagen, den Motor starten und dich dann wegfahren. Du bist fort, fort zu einer anderen, zu der Frau, auf die du nicht verzichten willst, ohne die du nicht leben kannst. Nach mehr als siebenundzwanzig gemeinsamen Jahren mit mir, da hast du ganz einfach deine Koffer gepackt und bist gegangen.

Ich bin allein. Ich muss ohne dich leben können. Du warst mein Leben, und dieses Leben mit dir ist in Scherben zerfallen. Es ist nichts mehr da außer diesem wahnsinnigen Schmerz, der sich vor mir auftürmt wie ein schwarzes Ungeheuer und droht, mich zu verschlingen. Das Schicksal hat seine pechschwarzen Fässer des Unglücks über mich gegossen. Es klebt an mir, das Schreckliche, dem ich nicht entrinnen kann, das Los der Verlassenen. Tränenblind liege ich in einem Meer von Sinnlosigkeit. Das Leben hat mich ausgespien und ich starre in die Leere. Die Dunkelheit greift nach mir und zieht mich in ihre Bodenlosigkeit. Nacht ist, und ich grabe mich in meine Finsternis, aber ich will gar keine Sterne sehen. Ich will nicht wissen, dass ein neuer Morgen kommt. Das alles ist für andere, gilt nicht mir, für mich bleiben nur die Nacht und das Nichts.

Welch dunkles Leben in der Fremde. Denn heimatlos bin ich nun, da du für mich die Heimat warst.

ICH KANN NICHTS TUN, ALLES IST TONNENSCHWER. Den Arm zu heben ist eine gewaltige Kraftanstrengung, Kaffeekochen ist eine übermenschliche Anforderung, Einkaufengehen und nicht ununterbrochen dabei weinen ist die totale Überforderung. Ich fahre mit dem Auto, doch ich habe das Gefühl, das Auto fährt alleine und ich bin nicht dabei, ich spüre mich nicht, ich fühle nur meine Schmerzen. Ich bin nirgends mehr. Ich bin wie gelähmt, bleischwer, todunglücklich, bloß die Tränen sind immer in Bereitschaft. Wenn die Kinder nicht wären, ich würde das nicht weitermachen. Es ist mir nur noch nach Auslöschen und Nichtswissenwollen. Das Leben ist eine Qual. Ich spüre, wie die Zeit tropft, und ich höre, wie mein Herz stöhnt und stammelt, denn es kann kaum mehr sprechen, dieses wunde Herz.

Nachts liege ich stundenlang wach, denke und weine, weine und denke. Und wenn ich dann doch einschlafe, werde ich plötzlich mit dem Gefühl wach, ein schreckliches Unglück sei passiert. Du bist nicht da, mein Leben ist nicht da. Ich fühle mich, als hätte man mir Arme und Beine amputiert, und ich bin bewegungslos und hilflos.

Und doch war die Zeit davor noch entsetzlicher, damals, als ich anfing zu argwöhnen, dass du eine Geliebte hast, als du nächtelang wegbliebst und, wenn du zu Hause warst, mich behandeltest wie einen Feind, und ich nicht wusste, woran ich war. Damals war es schlimmer. Das waren die Tage voll Verzweiflung und Zerrissensein, es war wie das Entsetzen über den Tod des geliebtesten Menschen. Es war Finsternis, es war Schrecken, es war das totale Unglück. Und fallweise ein bisschen Hoffnung, dass es nicht stimmen möge, dass es diese Lüge nicht geben dürfe, nicht all die hässlichen Dinge, die da waren. Und doch hat alles gestimmt. Aber das herausgefunden zu haben, die bitterste Wahrheit, das war fast eine Erlösung aus den Höllenqualen der Unsicherheit.

Das Begreifen, dass das Einmalige, das ich glaubte, das uns widerfahren sei - diese große Liebe, diese gegenseitige Liebe - dass diese Liebe nicht mehr ist, das war das Schwierigste. Ich konnte es nicht glauben, dass wir nicht die Ausnahme seien, dass wir auch nur ein ganz gewöhnliches Paar sind, wie so viele andere auch, du ein Mann, der seine Frau betrügt, belügt, sie lächerlich macht und verhöhnt, und ich eine Frau, die sich das alles gefallen lässt. Das zu begreifen, dass das die Wirklichkeit war, das war das Schlimmste.

JEDER GEDANKE AN DICH STICHT IN MEIN INNERES, UND ICH WENDE IHN UND LASSE IHN GLÜHEN IN LODERNDEM SCHMERZ. Bis an die Grenzen des Ertragbaren tut er mir weh, reißt mich auf, macht mich weh und wund und lässt mich unaufhörlich weinen. Doch ich lasse ihn schmerzen, bis er ausgeglüht ist im Feuer des Leidens, bis er sich selbst aufgebraucht hat. Aber kaum ist ein Gedanke aus mir hinaus gebrannt, kommt der nächste und will meine Zuwendung. Und so stelle ich mich einem Regiment von brennenden Fragen, einer lodernden Gedankenflut, durch die ich durch muss. Ich lebe zwischen Feuerwänden, nein, sie sind in mir, glühen in mir.

Und das Einzige, das ich gegen sie vorbringen kann, das Einzige, das lindert und kühlt, das mich vor Zerstörung durch sie schützt, ist ein anderer Gedanke, einer, den ich ihnen und mir immer wieder entgegenhalte. Ich sage mir, dass ich es nicht verstehe, was mit mir passiert und warum, aber dass mein Vertrauen in die Wege des Schicksals so groß ist, dass ich davon überzeugt bin, dass mir etwas Positives widerfährt, durch all den Schmerz hindurch. Und ich weiß, dass etwas stirbt und dass Sterben immer schmerzhaft ist, aber jedem Sterben folgt eine neue Geburt, denn der Kreislauf des Lebens geht immer weiter. Ich bin neugierig auf das, was kommen wird, auf das, was das Leben mit mir vorhat, und ich blicke aus meinen verweinten Augen heraus und ich frage mich: Was geschieht mir?

Nur kurz dauert die Linderung. Wieder fällt eine Rotte von Gedanken über mich her und taucht mich in ein Meer von Tränen. Aber ich habe bereits gelernt, sowohl im Feuer als auch im Wasser zu leben, und meine Gefühle tauchen tiefer und tiefer. Eine Seelenkammer nach der anderen öffne ich, tagelang, wochenlang. Es ist eine unendlich große Arbeit, die ich verrichte. Irgendwo dort unten, eingeschlossen in einen dunklen Raum, treffe ich ein kleines Mädchen. Es sitzt im Kalten und weint. Ich nehme es in meine Arme und tröste es. Dabei wird mir selbst so weh ums Herz und doch so wohl, weil ich jemanden trösten kann, jemanden, der mir sehr vertraut ist, und gemeinsam gehen wir immer weiter, bis wir ins Allerinnerste kommen, dorthin, wo die Kommunikation mit dem Urwissen und den Grundbedürfnissen der Seele noch intakt ist. Dort fangen wir gemeinsam an, eine Bestandsaufnahme zu machen, mein Leben auseinanderzunehmen und neu zu sortieren. Es kostet viele Tränen, aber das sind schon Tränen, die Heilung verheißen.

„LENKE DICH AB“, SAGT MAN MIR, „ZERSTREUE DICH. Das Leben geht weiter.“ Ja, das Leben geht weiter. Eine Tür ist ins Schloss gefallen und man muss weitergehen. Aber wohin? Eine Seite im Buch meines Lebens wurde umgeblättert. Wie viele Seiten hat ein Leben?

Ich kann nicht weitergehen, solange ich nicht weiß, warum alles so gekommen ist. Ich muss verstehen. Und ich muss meinem Schmerz Raum geben. Ich will nichts verdrängen und übertünchen, ich will die wirkliche Ursache hinter den Dingen erkennen, und ich will alle Schmerzen zulassen, die da sind und noch kommen werden. Ich will sie aus mir hinausweinen, hinausschreien vielleicht, die ganze alte Welt muss ich zerschlagen, sie verlassen, muss meine Wut und meine Enttäuschung in Worte fassen und muss mich meiner Angst vor der Zukunft stellen.

Erst wenn ich Klarheit in mir geschaffen habe, wenn alle Tränen geweint sind, dann, erst dann kann ich Hoffnung haben, dass es wieder hell werden möge.

Aber noch ist Nacht.

DANN IST DA NOCH DIESE GESCHICHTE, ÜBER DIE ICH IMMER NACHDENKEN MUSS, die Geschichte mit den in zwei Hälften gebrochenen Herzen, die alte Geschichte, erzählt in allen Kulturen, variiert und verändert, aber im Grunde immer gleich. Diese Geschichte sagt, dass Gott Vater die Herzen in zwei Hälften bricht und sie hinunter auf die Erde wirft, und dass wir nur dann, wenn wir die richtige zweite Hälfte gefunden haben, die wirkliche Liebe erleben.

Für mich stand es immer fest, dass wir die beiden richtigen Hälften seien. Darauf vertrauend, habe ich alles auf mich genommen, auch deine Launen und Lieblosigkeiten, deine rechthaberische Art, dein dominantes und cholerisches Gehabe und deine Wutausbrüche, akzeptierend, dass du so bist, da du nun einmal für mich bestimmt warst von jener hohen, dunklen Macht, die unsere Geschicke lenkt.