Love Game - Lynn Painter - E-Book

Love Game E-Book

Lynn Painter

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Beschreibung

Spicy Spring - Eine Romance mit Suchtfaktor.

Als Hallie Piper aus dem Hotelzimmer eines One-Night-Stands schleicht, wird ihr klar: Es ist Zeit, erwachsen zu werden. Und weil dazu eine Beziehung gehört, meldet sie sich bei einer Dating-App an. Diese schlägt Hallie ausgerechnet Jack Marshall vor, den Mann, mit dem sie besagte Nacht verbracht hat. Jack ist nicht nur extrem sexy, sondern bringt sie auch zum Lachen. Aber er kann nicht der Richtige sein, schließlich hatte er sich gerade erst von seiner fast Verlobten getrennt, als es zu der heißen Nacht mit Hallie kam. Also gibt sie ihm via App eine Abfuhr. Aber die beiden schließen trotzdem Freundschaft, und es kommt zu einer Wette: Wer zuerst die Liebe findet, gewinnt. Blöd nur, dass sie ihre Zeit lieber miteinander verbringen als mit der Suche nach Traumpartnern. Und dann bietet Jack seine Dienste als Fake-Date für ein Wochenende an …

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Buch

Hallie Piper will endlich ihr Leben in den Griff kriegen. Als sie aus dem Hotelzimmer eines One-Night-Stands schleicht, wird ihr klar: Es wird Zeit, erwachsen zu werden. Und weil dazu ihrer Meinung nach eine Beziehung gehört, meldet sie sich bei einer Dating-App an. Diese schlägt Hallie ausgerechnet Jack Marshall vor, den Mann, mit dem sie besagte Nacht verbracht hat. Jack ist nicht nur groß, dunkelhaarig und unheimlich sexy, sondern bringt sie auch ständig zum Lachen. Aber er kann einfach nicht der Richtige sein, schließlich hatte er sich gerade erst von seiner Beinaheverlobten getrennt, als es zu der leidenschaftlichen Nacht mit Hallie kam. Also gibt sie ihm via App eine Abfuhr. Aber die beiden schließen im Chat trotzdem Freundschaft, und es kommt zu einer Wette: Wer zuerst die Liebe findet, gewinnt. Blöd nur, dass sie ihre Zeit lieber miteinander verbringen – beim Post-Date-Tacoessen etwa – als mit der Suche nach Traumpartnern. Und dann bietet Jack seine Dienste als Fake-Boyfriend für ein Hochzeitswochenende an …

Weitere Informationen zu Lynn Painter

sowie zu lieferbaren Titeln der Autorin

finden Sie am Ende des Buches.

Lynn Painter

Love Game

Roman

Aus dem Amerikanischen

von Stefanie Retterbush

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2023 unter dem Titel »Love Wager« bei Berkley, New York City.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Dataminings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Deutsche Erstveröffentlichung Januar 2024

Copyright © der Originalausgabe 2023 by Lynn Painter

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2024

by Wilhelm Goldmann Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

This edition published by arrangement with Berkley,

an imprint of Penguin Publishing Group,

a division of Penguin Random House LLC.

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München

Umschlagmotive: FinePic®, München

Redaktion: Dr. Ann-Catherine Geuder

TK · Herstellung: ik

Satz: KCFG – Medienagentur, Neuss

ISBN: 978-3-641-30954-1V002

www.goldmann-verlag.de

Für Kevin

Wo du bist, ist mein Lieblingsort. <3

1

Hallie

»Einen Manhattan und einen Chardonnay, bitte.«

»Kommt sofort.« Hallie schaute nur kurz über die Schulter, während sie einer der Brautjungfern ihre Whiskey-Cola rüberschob, aber – wow – der Typ, der ihr seine Bestellung über die viel zu laute Version von »Electric Slide« zubrüllte, sah wirklich verdammt gut aus. Er gehörte offensichtlich zur Hochzeitsgesellschaft: Smoking, elegant und smart. Sie hatte der Männerwelt zwar abgeschworen, aber die Grübchen und Hollywood-Wangenknochen waren nicht zu übersehen. »Bourbon?«

Er stützte sich auf die Unterarme und lehnte sich noch ein bisschen weiter über die Theke, während der Lärm hinter ihm im Ballsaal des Hotels seinem ohrenbetäubenden Höhepunkt zustrebte. »Rye, bitte.«

»Nice.« Sie griff in den grauen Plastikeimer und zog eine Flasche kalifornischen Whiskey aus dem Eis. »Möchtest du den vielleicht mal mit einem Orangenbitter probieren?«

Seine Grübchen wurden noch tiefer, und er zog die Augenbrauen hoch und kniff die blauen (?) – ja, blauen – Augen zusammen. »Sollte ich?«

»Solltest du.« Sie goss ihm einen Chardonnay ein und stellte das Glas auf die Theke. »Außer du bist ein Idiot, dann nicht.«

Er lachte rau. »Ich halte mich eigentlich für ziemlich unidiotisch, also immer her damit.«

Hallie mixte ihm seinen Drink und hatte dabei das unbestimmte Gefühl, den Kerl von irgendwoher zu kennen. Nicht unbedingt das Gesicht, aber die Stimme und dass er so groß war, und dann das Blitzen in den Augen, wie zu allen Schandtaten bereit.

Während die Discolichter in seinen dunklen Haaren spielten, musterte sie ihn verstohlen. Sie schüttelte den Shaker, goss den Manhattan in ein Glas und überlegte krampfhaft, woher sie ihn wohl kennen könnte. Denk, denk, denk. Er schaute gerade rüber zum Brauttisch, da machte es bei ihr Klick.

»Ich weiß, woher ich dich kenne!«

Er drehte sich wieder zu ihr um. »Was?«

Es war so laut, dass sich diesmal Hallie über die Theke zu ihm rüberbeugen musste. Sie lächelte. »Du bist doch Jack, oder? Ich bin Hallie. Ich hab dir heute Morgen den …«

»Hey!«, rief er und lächelte ebenfalls, dann legte er eine Hand auf ihre und schaute ihr tief in die Augen, beugte sich zu ihr rüber und sagte: »Hallie. Hör zu. Reden wir lieber nicht …«

»O. Mein. Gott.« Wie aus dem Nichts erschien neben ihm plötzlich eine Blondine – wo kam die denn auf einmal her? –, musterte Hallie mit misstrauisch zusammengekniffenen Augen und sagte spitz: »Echt jetzt, Jack? Die Kellnerin?«

»Barkeeperin«, korrigierte Hallie, ohne einen Schimmer zu haben, warum oder was für einen Stock die Superblondine wohl im Allerwertesten hatte.

»Zehn Minuten lasse ich dich aus den Augen – auf der Hochzeit deiner Schwester, verdammt –, und du baggerst die Kellnerin an?«

»Ähm, ich kann Ihnen versichern, hier wurde nicht gebaggert«, beeilte sich Hallie zu sagen, peinlich berührt, weil sie merkte, wie alle sich nach der Frau mit der viel zu lauten, viel zu schrillen Stimme umdrehten. »Und ich bin Barkeeperin, keine Kelln…«

»Hältst du vielleicht mal denMund?«, keifte die Superblondine, das letzte Wort gut eine Oktave höher als der Rest. Sie könnte glatt als eine Kardashian durchgehen.

»Reg dich bitte wieder ab, Vanessa«, knurrte Jack und schaute sich mit gehetztem Blick um, während er seine Damenbekanntschaft zu beruhigen versuchte. »Ich kenne sie überhaupt nicht …«

»Ich hab euch doch gesehen!« Inzwischen schrie sie fast, und dann legte der DJ auch noch »Endless Love« auf, nicht unbedingt das beste Stück, um einen lautstarken Tobsuchtsanfall zu kaschieren. Wo blieb bitte »Macarena«, wenn man es mal brauchte? Die Superblondine – Vanessa, wie er sie nannte – schimpfte: »Du hast dich zu ihr rübergebeugt und mit ihr Händchen gehalten. Wie lange geht das schon …«

»Komm schon, Van, es ist nicht …«

»Wie lange?«, kreischte sie aufgebracht.

Hallie sah seinen Kiefer mahlen, als knirschte er mit den Zähnen, dann sagte er: »Seit heute Morgen.«

Vanessa klappte die Kinnlade herunter. »Du warst heute Morgen bei ihr?«

»Nicht bei mir«, sagte Hallie und schaute sich hektisch um ob dieser hoch peinlichen Unterstellung. Sie arbeitete an den Wochenenden halbtags bei Borsheim, demLuxusjuwelier. Er, Jack, war heute Morgen bei ihnen im Laden gewesen, und sie hatte ihm geholfen, einen Ring auszusuchen.

Und nicht bloß irgendeinen Ring.

Den Ring.

Den Willst-du-für-den-Rest-meines-Lebens-meine-grundlos-eifersüchtige-alte-Schabracke-sein?-Ring.

»Sie hat mir den hier verkauft.« Jack zog die Ringschachtel aus der Tasche und hielt ihn der Furie unter die Nase, während er knurrte: »Den habe ich für dich gekauft, Vanessa. Herrgott noch mal.«

Die Schachtel war zu, aber Hallie wusste, drinnen schmiegte sich ein traumschöner Ring ins Samtfutter, ein Verlobungsring mit quadratisch geschliffenem Diamanten. Bei seiner Suche nach dem perfekten Ring heute Morgen hatte er eigentlich ganz witzig und charmant gewirkt, aber wenn er wirklich dachte, in Vanessa seine Seelenverwandte gefunden zu haben, dann dachte er offensichtlich mit dem Schwanz.

Oder er war doch ein Idiot.

»O mein Gott«, quiekte Vanessa verzückt, und dann strahlte sie Jack an wie die Frühlingssonne und legte sich eine Hand aufs Herz. »Willst du mir etwa einen Antrag machen?«

Mit zusammengekniffenen Augen starrte er sie geschlagene fünf Sekunden nur wortlos an, dann entgegnete er knapp: »Jetzt ganz bestimmt nicht.«

Das Lächeln verrutschte ihr leicht. »Nicht?«

»Scheiße, nein.«

Hallie schnaubte amüsiert.

Worauf Vanessa ihre schmalen, lang bewimperten – wow, das mussten Extensions sein – Augen auf Hallie richtete und zischte: »Findest du das etwa lustig?«

Hallie schüttelte nur den Kopf, konnte aber aus unerfindlichen Gründen die Lippen auch nicht nicht verziehen. Immer wieder hörte sie ihn scheiße, nein sagen, und es war einfach zum Niederknien.

Doch noch ehe Hallie kapierte, was los war, hatte Vanessa sich auch schon das volle Glas Chardonnay von der Theke gegriffen und Hallie den Inhalt mit einer kleinen Drehung aus dem Handgelenk mitten ins Gesicht geschleudert.

»Waah!« Eiskalter Wein klatschte ihr um die Ohren und brannte in ihren Augen. Zum Glück hatte sie als Barkeeperin immer ein Geschirrtuch griffbereit, und tatsächlich hing ihr gerade eins über der Schulter. Rasch tupfte sie sich damit das triefend nasse Gesicht ab. »Hey, Van. Was hast du bloß für ein Problem?«

»Du bist mein Prob…«

»Tut mir schrecklich leid«, entschuldigte Jack sich hastig und sah sie betreten an. Er nahm Hallie das Geschirrtuch aus der Hand und fing an, ihr den Hals abzutrocknen. Vanessa riss wieder die Augen weit auf.

»Ach, bitte, es ist doch gar nichts passiert«, schimpfte sie.

»Genau, gar nichts passiert«, versicherte Hallie und sah ihn schief von der Seite an, während sie ihm das Geschirrtuch entschieden aus der Hand nahm. »Sie scheint übrigens echt nett zu sein.«

Er beugte sich zu ihr vor, bis Hallie nur noch sein besorgtes Gesicht und die blauen Augen sah. »Alles okay?«

»Ja.« Hallie blinzelte und hatte das Gefühl, dringend einen Schritt zurücktreten zu müssen. Der Kerl war fast zu viel des Guten, vor allem, wenn er einen so durchdringend anguckte. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Chardonnay-benetzten Lippen. »Wobei, nein, eigentlich nicht, wenn du mich so fragst. Die ganze Zeit empfehle ich den Leuten den Chardonnay, weil er angeblich eine leichte Eichenfassnote haben soll und einen vollmundigen, fast buttrigen Abgang, dabei ist die Plörre furztrocken und hat einen fiesen, bitteren, muffigen Nachgeschmack.«

Er schürzte die Lippen.

»Die ganze Zeit habe ich unwissentlich Lügenpropaganda verbreitet.«

Um die Augen kriegte er Knitterfältchen, und seine Mundwinkel zuckten. Er sah aus, als wollte er lächeln, doch dann packte Vanessa ihn am Arm, und er wirkte unvermittelt stinksauer. Hallie sah ihn schlucken, dann drehte er sich um und sagte: »Los, lass uns.«

Die perfekten Augenbrauen schossen in die Höhe. »Wir gehen?«

»So was in der Art. Komm schon.«

Und damit führte er sein entzückendes kleines Biest weg von der Bar, und Hallie wischte auf und machte sich wieder daran, Drinks für die anderen Gäste zu mixen. Die ganze Szene hatte vielleicht drei Minuten gedauert, aber ihr war es vorgekommen wie eine Ewigkeit.

Julio, ihr Kollege hinterm Tresen, goss gerade Wodka in fünf Shotgläser und raunte ihr zu: »Was zum Teufel war das denn?«

»Bloß eine komplett durchgeknallte Giftspritze von Freundin.« Sie ging ans andere Ende der Theke und nahm eine Bestellung für zwei Whiskey Sour auf. »Dabei kenne ich die nicht mal.«

»O mein Gott, Hallie Piper, dachte ich mir doch, dass du das bist!«

Hallie schaute auf und wäre fast hintenübergekippt. Echt jetzt, Universum? »Allison Scott?«

Örks. Allison. Sie waren zusammen auf die Highschool gegangen, und Allison war eins von diesen Mädels, die vornerum immer superfreundlich tun, aber es irgendwie schaffen, dass man sich trotzdem vorkommt wie das letzte Stück Dreck. Hallie hatte sie seit ihrem Abschluss vor acht Jahren nicht mehr gesehen, und sie hatte sie auch nicht vermisst.

»O mein Gott, wenn du mal nicht die entzückendste Barkeeperin bist, die ich je gesehen habe.« Allison strahlte sie an und deutete auf Hallies durchfeuchtetes schwarzes Trägertop und die schwarze Jeans. »Ehrlich, du bist wie so eine supersüße kleine Cocktailmixerin aus dem Film.«

Allison erinnerte Hallie frappierend an Alexis Rose aus Schitt’s Creak, und Hallie klebte sich ein falsches Lächeln ins Gesicht. »Was darf’s denn für dich sein?«

»Mein Freund ist quasi der beste Freund des Bräutigams«, erzählte Allison. Ein Getränk schien sie nicht zu wollen. »Eben kam er an und meinte, an der Bar gibt’s Zickenkrieg. Ich hätte ja in einer Million Jahre nicht gedacht, dass meine superverklemmte, zugeknöpfte Freundin Hallie sich öffentlich prügelt.«

Hat sie mich gerade superverklemmt genannt? Lieber Gott. »Das war keine Prügelei«, versuchte Hallie zu erklären, »das war mehr ein Missverständnis zwischen einem Gast und seiner Freundin. Ich war bloß ein Kollateralschaden.«

»Das Ende hab ich mitbekommen.« Allison lächelte, und es hatte was vom Grinch, wie sie die Mundwinkel langsam und hochzufrieden nach oben zog. »Und, was machst du inzwischen so? Außer bei Hochzeiten hinter der Theke zu stehen? Bist du noch mit Ben zusammen?«

Der Mann hinter Allison hielt zwei leere Mich-Ultra-Bierflaschen hoch, also nahm Hallie zwei aus dem Kühlschrank unter der Theke, öffnete sie und stellte sie ihm hin. Dann sagte sie: »Nö. Ben ist Geschichte.«

»Ach. Wow.« Allison riss die Augen weit auf, als hätte Hallie ihr gerade gestanden, eine Serienmörderin zu sein, weil sie doch tatsächlich die Frechheit gehabt hatte, sich von dem Kerl zu trennen, der damals der Football-Star ihrer Schule gewesen war. Dann fragte sie: »Und was macht deine Schwester so?«

Hallie hätte am liebsten laut geschrien, als sie hörte, wie der DJ den Brauttanz ankündigte, denn das hieß, es würde erst mal keinen Ansturm auf die Bar geben. Hochzeitsgäste liebten diesen abgeschmackten Kitsch. Allison konnte also ganz ungestört vor der Theke rumstehen und ihr unangenehme Fragen stellen, solange sie wollte, und Hallie ertappte sich unvermittelt dabei, wie sie von einem unglücklichen Sturz des schweren Kronleuchters direkt auf ihre nervige Ex-Schulfreundin fantasierte.

»Ähm, Lillie ist mit Riley Harper verlobt – sie heiraten nächsten Monat. Erinnerst du dich noch an ihn, er war …«

»Ach du lieber Himmel – sie ist mit Riley Harper verlobt? Der war doch unser Homecoming-König, oder?«

Hallie nickte und fragte sich, ob sie wohl die Einzige war, die die ehemaligen Mitglieder des Highschool-Königshauses nicht unsere nannte. Für sie war der Schulballkönig von damals bloß irgendein Typ, der für einen Abend eine Krone getragen hatte.

»Wow, wie schön für sie.« Allison schien leidlich beeindruckt. »Arbeitet sie noch?«

»Ähm, ja, sie ist Ingenieurin.«

»Du machst Witze!« Allison schüttelte ihren akkuraten Bob. »Ihr zwei seid wie die Mädels aus Ein voll verrückter Freitag.«

»Was?«

»Du weißt schon. Du warst immer die Verantwortungsbewusste, Zielstrebige, und Lillie war eine wandelnde Vollkatastrophe. Und jetzt ist sie Ingenieurin und hat einen Verlobten, und du bist Single und kellnerst und provozierst Kneipenschlägereien.« Sie grinste, als sei das zum Schießen komisch. »Irre.«

Dann endlich bestellte Allison sich was zu trinken und hielt den Mund. Aber selbst als sie weg war, gingen Hallie ihre Worte wie in Endlosschleife durch den Kopf. Wandelnde Vollkatastrophe. Wandelnde Vollkatastrophe.

Herrje, hatten sie echt geswitcht?

Die nächste halbe Stunde war die Hölle für Hallie, weil es in ihrem Kopf unentwegt ratterte, während sie weiter tapfer Getränke ausgab wie ein Roboter. Wandelnde Vollkatastrophe. Erst als »Single Ladies« aus den Boxen dröhnte, riss sie sich zusammen und fragte sich streng, was würde Beyoncé tun? Kopf hoch, alles wird gut.

Sie war nämlich keine wandelnde Vollkatastrophe. O nein. Bei ihr war nur gerade »Winter«.

Nach der Trennung von Ben (sprich, nachdem er zu dem Schluss gekommen war, dass er sie überhaupt nicht liebte), hatte Hallie beschlossen, die darauffolgende emotionale Eiszeit zum »Winter ihrer Jungmädchenjahre« zu deklarieren. Eine kalte, karge Jahreszeit, auf die irgendwann ein Blütenfrühling folgen würde. Sie war bei Ben ausgezogen und hatte sich eine billige Wohnung gesucht – in einer WG. Neben ihrer eigentlichen Arbeit hatte sie noch zwei Teilzeitjobs angenommen, um ihren Studienkredit doppelt so schnell abzahlen zu können.

Denn sie sah das so: Sie würde aus dieser männerfreien Zeit einfach das Beste machen. Sie würde sparen auf Teufel komm raus und sich den Allerwertesten abschuften. Es waren dunkle, kalte Tage, aber bald würde sich das alles ausgezahlt haben.

»Du.«

Hallie schaute auf, und der Typ von vorhin – Jack – stürmte mit Riesenschritten auf die Bar zu. Er wirkte reichlich aufgebracht – ernstes Gesicht, die Krawatte hing ihm lose um den Hals – und fixierte sie mit stechendem Blick.

»Ich?« Sie schaute sich um.

»Ja.« Vor der Theke blieb er stehen. »Ich brauche dich.«

»Wie bitte?« Hallie legte den Kopf schief. »Und was ist mit deiner herzallerliebsten kleinen Freundin? Van hieß sie doch, oder nicht?«

»Wir brauchen hinten eine Barkeeperin«, erwiderte Jack, ohne auf ihren Kommentar einzugehen, und wandte sich an Julio: »Meinst du, du kommst hier allein zurecht?«

Julio sah Hallie fragend an, dann antwortete er: »Ja, aber ich glaube, die Braut hat geplant …«

»Die schickt mich. Ich bin ihr Bruder.«

»Erstens, rede nicht mit ihm über mich, als wäre ich gar nicht da«, schimpfte Hallie, empört über den offen zur Schau gestellten Sexismus dieses attraktiven Dämlacks. »Nur, weil ich Brüste habe, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht für mich selber sprechen kann. Und zweitens«, fügte sie hinzu, »keine Strips, keine Lapdances. Sollte ›hinten‹ also ein Code sein für irgendwas Versautes – danke, ohne mich.«

Jack grinste halb amüsiert, halb entnervt. »Erstens hab ich mir sagen lassen, dass Julio hier der Catering-Chef ist, deine Brüste haben bei der Auswahl meines Ansprechpartners also eine eher untergeordnete Rolle gespielt.«

»Aha«, sagte Hallie.

»Und zweitens«, fügte er hinzu, »würde ich bei dir nicht mal im Traum an versaute Lapdances denken. Ich kann dir also versichern, ›hinten‹ ist kein Code für irgendwas Unanständiges.«

Hallie strich sich die Haarsträhnen, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatten, aus dem Gesicht und kam sich vor wie der letzte Depp. »Umso besser.«

»Wenn du mir dann bitte folgen würdest?«

»Warum nicht?« Hallie trat hinter der Theke hervor und dackelte hinter Jack her, der sich einen Weg durch die feierwütige Meute bahnte – die meisten strahlten ihn an, als wäre er ihr Lieblingscousin, auch wenn er es gar nicht mitzubekommen schien –, und an der Küchentür angekommen, stieß er sie auf und ließ Hallie vorgehen.

»Danke.« Kaum in der Küche, sah sie, dass die menschenleer war. »Ähm …?«

Sie drehte sich um. Jack hatte sein Jackett schon auf einen Stapel Bananenkisten geschmissen und krempelte die Hemdsärmel auf. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er sie an und wartete darauf, dass sie etwas sagte.

»Ich dachte, hier würde eine Barkeeperin gebraucht.«

»Wird sie auch.« Lässig hopste er auf die Edelstahlarbeitsplatte und machte es sich mit baumelnden Beinen bequem. »Du hast meine Beziehung auf dem Gewissen, darum musst du mich jetzt ordentlich abfüllen.«

Dein Ernst, Alter?

»Tja, also, du bist hier nicht der König«, sagte Hallie, »und ich habe überhaupt keine Lust, deine persönliche Mundschenkin zu spielen. Trotzdem ganz herzlichen Dank für das Angebot.«

»Gott im Himmel, ich will doch nicht, dass du mich bedienst.« Er deutete auf die Arbeitsplatte neben sich. »Ich dachte bloß, wo Vanessa Robbins uns beiden heute Abend schon Alkohol ins Gesicht geschüttet hat, wäre es doch vielleicht ganz nett, wenn wir unseren Kummer gemeinsam ertränken und uns ein Fläschchen teilen.«

Hallie legte den Kopf schief, und ihr Blick ging zu der Flasche Crown Royal neben ihm.

Warum nur klang das so verdammt verlockend?

Jack

Er sah ihr den Augenblick der Entscheidung an der Nasenspitze an. Es war, als ließe sie endlich los und entspannte sich.

Und dann lächelte sie.

Nicht dass das irgendwas zur Sache tat, aber sie war süß. Ein zierlicher kleiner Rotschopf mit großem, vorlautem Mundwerk. Er hatte sich tatsächlich an sie erinnert, von heute Morgen beim Juwelier. Nicht unbedingt an ihr Gesicht, aber daran, wie witzig und schlagfertig sie gewesen war, als sie ihm Verlobungsring um Verlobungsring gezeigt hatte.

Zögernd hopste sie neben ihn auf die Arbeitsplatte, verschränkte die Beine zum Schneidersitz und griff nach der Flasche. »Erstens, sag mir bitte, dass du mit ihr Schluss gemacht hast, und nicht umgekehrt.«

»Versteht sich.«

»Na immerhin.« Sie kräuselte die Lippen. »Zweitens, mit der Implosion deiner Beziehung hab ich rein gar nichts zu tun.«

»Na ja, hättest du nichts gesagt …«

»Dann wärst du jetzt mit einer krankhaft eifersüchtigen Irren verlobt.« Sie kniff die grünen Augen zusammen. »Ich glaube, eigentlich schuldest du mir ein dickes, fettes Dankeschön.«

»Ach ja?«

»Aber hallo«, sagte sie, und dann setzte sie die Flasche an die Lippen und trank einen ordentlichen Schluck. Als sie fertig war, wischte sie sich mit dem Handrücken über den Mund. »Bestehst du eigentlich drauf, den pur zu trinken? Nicht dass ich was dagegen hätte. Aber ich bin bloß eins zweiundfünfzig groß, sprich, ohne Cola zum Verdünnen bin ich schneller betrunken, als du gucken kannst.«

Er musste grinsen, sah sie an und erwiderte: »Hab ich nix gegen.«

»Dann bezahlst du auch mein Uber, das ich garantiert brauche, wenn wir hier fertig sind?«

Jack nahm die Flasche, die sie ihm hinhielt, und ihm fiel auf, wie riesig seine Finger neben ihren waren. »Wenn’s nicht anders geht, dann ja.«

»O, das wird definitiv nicht anders gehen.« Wieder bedachte sie ihn mit diesem sarkastischen Grinsen, rückte ein bisschen herum und sah ihn an. »Ich beabsichtige nämlich, mich heute Abend ordentlich abzuschießen, mein Freund. So richtig Und-zum-Schluss-lecke-ich-noch-den-Boden-ab-besoffen. So Du-erkennst-die-eigene-Mutter-nicht-mehr-und-kotzt-im-Aufzug-in-den-Notrufkasten, O-Gott-geht-es-ihr-gut-oder-sollen-wir-lieber-einen-Krankenwagen-rufen-besoffen. Na, Lust mitzukommen auf meine kleine wilde Achterbahnfahrt?«

Jack setzte die Flasche an den Mund und trank. Der Whiskey brannte in der Kehle und wärmte sich seinen Weg bis in den Bauch. Sie ließ ihn keine Sekunde aus den Augen, und er wusste nicht, lag es am Alkohol oder nicht, aber auf einmal wollte er sich nur noch mit dieser witzigen, winzig kleinen Barkeeperin betrinken. Er gab ihr die Flasche zurück.

»Also?« Sie legte die schlanken Finger um den Flaschenhals. »Bist du dabei, Bruder der Braut?«

Jack konnte sich das Grinsen nicht verkneifen. »Alles, was du willst, kleine Barkeeperin.«

2

Hallie

Hallie schlug die Augen auf und stöhnte.

Grundgütiger.

Es pochte in ihren Schläfen, und sie streckte die Hand aus und zerrte an der Decke über ihrem Kopf. Herrlich, die kühle Luft im Gesicht, als sie sich endlich unter der schweren Bettdecke vorgekämpft hatte. Doch dann sah sie ihr eigenes furchterregendes Spiegelbild, das ihr blöde entgegenglotzte.

Spiegel?

Moment mal, was?

Und erst da ging ihr auf, dass sie nicht bloß quer im Bett lag, sondern auch ganz am Fußende. Und dass es nicht »das« Bett war, nicht ihr Bett, sondern irgendein beliebiges Bett, weiß der Teufel, wessen.

O Gott, nein.

Nein, nein, nein, nein.

Szenen von letzter Nacht prasselten plötzlich auf sie ein, während sie sich wie auf rohen Eiern vorsichtig aufsetzte, damit nur ja die Matratze nicht wackelte, und dann mit einem Blick über die Schulter hinter sich aufs Bett linste. Zwischen ihnen ein Meer aus weißer Bettwäsche, Laken und Bettdecken in einem zerknüllten Haufen, aber ja – zweifellos, da lag jemand ganz oben im Bett und schlief.

Auf dem Kopf, der mit dem Gesicht nach unten auf dem Kissen zu liegen schien, ein Schopf dichter, dunkler Haare, die, wie sie aus eigener Erfahrung wusste, erstaunlich weich waren, wenn man mit beiden Händen hineingriff. Und dann sah sie ihn und sich gegen die Tür des Hotelzimmers gepresst, ihre Hände in seinen Haaren vergraben, während er …

GAH.

Nein.

Sie musste hier raus. Ihre Hose und einer ihrer Schuhe lagen neben der Tür. Der andere Schuh fand sich im Durchgang zum Bad, wo sie ihn von sich geschleudert hatte … Ja, sie erinnerte sich noch genau, wie sie ihn in die Ecke gepfeffert und dann die Hose abgestreift hatte, noch ehe sie die Tür hinter sich zugemacht hatten.

Depp, Depp, du dämlicher.

Sie bewegte sich ganz vorsichtig, fast wie in Zeitlupe. Alles, nur den Kerl jetzt nicht wecken. Mal ehrlich, wie peinlich wäre das denn? Hi, ich bin’s, weißt du noch? Ich bin die Barkeeperin, die dir alle Knöpfe vom Smokinghemd gerissen hat. Nein, Hallie musste sich so leise wie irgend möglich anziehen und dann rausschleichen, ohne dass er was davon mitbekam.

Sie ließ sich vom Fußende des Betts rutschen und landete auf allen vieren auf dem Boden. Krampfhaft versuchte sie, nicht daran zu denken, wie dreckig so ein Hotelteppich war – überall Körperflüssigkeiten, und dann das Ding mit dem Schwarzlicht, arrrgghhhhh –, und reckte den Hals, um nachzuschauen, ob er noch schlief.

Jawohl. Im Tiefschlaf. Oder auch tot. Also alles in Butter.

Sie duckte sich wieder und krabbelte zu ihrer Hose. Das war bestimmt ein Anblick, wie sie da in Trägertop und rosa Unterhose mit winzig kleinem Eichhörnchen-Print wie eine aufgezogene Spielzeugmaus durchs Zimmer krauchte. Sie war sich ziemlich sicher, dass damit ein weiterer Tiefpunkt erreicht war, allein jetzt war keine Zeit für Anstand und Würde.

Sie sprang in die Hose, so schnell es nur ging, und zog sie dann so leise wie menschenmöglich hoch, während sie wie gebannt aufs Bett starrte. Bitte, schlaf weiter. Sie schlüpfte mit den Füßen in die Ballerinas und schaute sich suchend nach ihrem BH um.

Wo zum Teufel versteckte sich dieser Formbügel-Albtraum?

Sie schaute im Badezimmer nach, dann bückte sie sich und spähte unters Bett, aber das verdammte Ding war nirgends zu sehen. Auf Zehenspitzen schlich sie zum Bett. Bestimmt hatte er sich irgendwo in der Bettwäsche verheddert, aber just in dem Moment machte Jack ein Geräusch und wälzte sich auf den Rücken, und sie ließ sich erschrocken auf die Knie fallen.

Warum, du Doofi?, kreischte ihr Hirn hysterisch in den höchsten Tönen. Was sollte das denn? Nur, weil du hier auf dem Boden rumkrabbelst, bist du noch lange nicht unsichtbar, du Dumpfbacke.

Hallie rappelte sich auf und versuchte, ihren BH zwischen den Laken ausfindig zu machen, doch dann schien Jack mit einem Mal lauter zu atmen, und sie wollte auf keinen Fall riskieren, dass er aufwachte. »Ach, scheiß drauf«, murmelte sie und gab die Suche auf, angelte sich ihre Tasche und ging. Kaum draußen, zog sie die Tür behutsam hinter sich zu und atmete erleichtert auf. Sich ihrer BH-Losigkeit überdeutlich bewusst, flitzte sie den Gang hinunter und verschränkte beschämt die Arme, als sie, am Ende angekommen, stehenbleiben und auf den Aufzug warten musste. Manche Mädels kamen vielleicht durch mit Kein-BH-unterm-Trägertop – Kate Hudson zum Beispiel –, aber Hallie ganz bestimmt nicht.

Sie sah einfach nur obszön aus.

Ein Zimmermädchen schob seinen Karren an ihr vorbei, und Hallie wünschte sich inständig, sie hätte im Hotelzimmer nicht ihr Spiegelbild gesehen, dann wüsste sie jetzt nicht derart genau, wie unmöglich sie aussah. Wie sie so dastand und auf den Aufzug wartete, fragte sie sich, ob Jack wohl sauer sein würde, dass sie einfach so abgehauen war, ohne sich zu verabschieden. Aber was sagte die Etikette eigentlich in einer solchen Situation? Sie hatte es nie so mit One-Night-Stands gehabt und wusste gar nicht, welche Höflichkeiten angezeigt waren, ehe man danach wieder seiner Wege ging. Vielleicht kann ich ihn online ausfindig machen und ihm eine Nachricht schreiben. »Danke für den famosen Fick, Bro …«

Sie hatte den Gedanken noch nicht zu Ende gebracht, da traf es sie wie ein Schlag.

Sie wusste nicht mal, wie er mit Nachnamen hieß.

Die Aufzugtüren öffneten sich, und sie stieg in die glänzende Kabine und drückte den Knopf für die Lobby, während sie innerlich im Dreieck sprang wie Rumpelstilzchen.

Verfluchter Mist, ich weiß nicht mal, wie er mit Nachnamen heißt!

Wobei, Jacks Nachnamen herauszufinden wäre bestimmt nicht allzu schwer, wenn sie es denn wollte. Seine Schwester hatte hier im Hotel ihre Hochzeit gefeiert, und er hatte gestern einen Ring bei Borsheim gekauft. Eigentlich ein Kinderspiel, seinen Namen herauszufinden, aber darum ging es hier nicht.

Der Aufzug hielt mit einem lauten Pling im Erdgeschoss, und sie holte tief Luft.

Nein, hier ging es darum, dachte sie, während sie mit gesenktem Kopf, verstrubbelter Bettfrisur und ungestützt hüpfendem Vorbau durch die Hotellobby schlich, dass sie gerade in einem Hotelzimmer neben einem Kerl aufgewacht war, von dem sie nicht mal wusste, wie er richtig hieß. Teile ihrer Unterwäsche fehlten, ihr pochte der Kopf, und sie musste vorbei an der Rezeption mit all den Hotelangestellten, die ganz genau wussten, dass sie gestern Abend bei der Hochzeit hinter der Theke gestanden hatte.

Wandelnde Vollkatastrophe. Das konnte man laut sagen.

Und als Robert, der entzückende großväterliche Hotelpage, der ihr sonst, wenn sie bei einer Hochzeit aushalf, immer Fotos von seinen Enkeln zeigte, ihr zuerst noch freundlich zuwinkte, nur um dann, kaum dass sein Blick nach unten ging, unvermittelt und sehr betreten wegzugucken, wusste sie, der absolute Tiefpunkt war hiermit offiziell erreicht.

Jack

Jack hämmerte der Schädel, als er irgendwann ins Hotelrestaurant kam, wo seine gesamte Verwandtschaft schon zum großen Nach-Hochzeits-Brunch versammelt war. Er kam eine halbe Stunde zu spät, und die Wahrscheinlichkeit, dass es seiner Mutter nicht aufgefallen war, ging gegen null.

»Jackie Boy«, rief sein Onkel lächelnd und winkte zur Begrüßung mit einem Bagel.

»Guten Morgen, Onkel Gary«, sagte Jack, um ein Lächeln bemüht, das ihm unbeschreiblich schwerfiel. Warum musste es hier drin auch so verdammt hell sein?

»Du kommst zu spät, mein Freund«, stellte sein älterer Bruder Will fest und grinste schief, den Mund allem Anschein nach voller Ei. »Schon mal was von Weckern gehört?«

Jack überhörte ihn einfach und zog sich den freien Stuhl neben Colin raus, seinem besten Freund und frischgebackenen Schwager. Behutsam ließ er sich darauf nieder und fragte mit staubtrockenem Hals: »Wo ist Livvie?«

Colin guckte ihn mit schmalen Augen an. »Du siehst echt scheiße aus.«

»Wow, danke.«

»Sie ist am Büffet und holt Pfannkuchennachschub«, erklärte Colin und wies mit dem Kopf in Richtung der langen Büffettische.

Jack schaute rüber, und ja, da stand seine Schwester und türmte sich den Teller voll. »Alter, wenn die hier Pancakes haben, dann verpasst ihr ganz sicher euren Flug.«

Olivia und Colin sollten gleich nach dem Brunch für zwei Wochen nach Italien in die Flitterwochen fliegen.

»Sie ist ein Fass ohne Boden, stimmt’s?«, sagte Colin grinsend, und Jack war zu verkatert – und unvermittelt auch zu single –, um dazusitzen und sich anzuhören, wie Colin ihm mit Dackelblick von seiner Schwester vorschwärmte. Er freute sich über das Glück der beiden, aber das hieß ja nicht, dass er sich den Quatsch antun musste, während ihm der Kopf platzte und er noch dazu aus seiner Wohnung rausmusste.

»Pfannkuchenjunkie allererster Kajüte.« Jack stand auf und ging ans Büffet, den Kopf tief gesenkt, um jegliche Unterhaltung mit Cousins und Tanten zu vermeiden. Momentan wimmelte es im Restaurant nur so vor Verwandtschaft – eindeutig zu viel für seinen Geschmack, also schnappte er sich einen Teller und steuerte schnurstracks auf Olivia zu.

»Ich fasse es nicht«, sagte sie, weil sie wohl, ohne auch nur den Kopf zu drehen, wusste, dass er hinter ihr stand. »Wie kannst du nur so unverschämt spät antanzen, und Mom verliert kein Wort darüber? Wenn ich mal eine halbe Minute zu spät komme, weiß es gleich die ganze Familie.«

»Stimmt.« Es war kein Geheimnis, dass Jack Nancy Marshalls erklärtes Lieblingskind war.

»Du hast eine Whiskeyfahne«, stellte sie fest, drehte sich zu ihm um und musterte ihn mit schmalen Augen. »Wow – und du siehst aus, als hättest du im Müllcontainer übernachtet. Na, was hast du diesmal angestellt?«

Jack fuhr sich mit der Hand durch die Haare. Sah er wirklich so mies aus? »Nix.«

»Jetzt mal im Ernst«, sagte sie und legte den Kopf leicht schief. »Was hast du gemacht? Erst ist Vanessa ausgetickt, und dann warst du plötzlich verschwunden. Wo hast du gesteckt?«

Hätte ihn irgendjemand sonst gefragt, er hätte eisern den Mund gehalten, aber Livvie sagte er immer die Wahrheit, sogar wenn er mal was verbockt hatte. »Mich abgeschossen und eine kleine Kissenschlacht mit der Barkeeperin veranstaltet.«

Ihr klappte die Kinnlade herunter. »Nicht dein Ernst.«

Er zuckte die Achseln.

Sie schaute ihn an, als hätte er ihr gerade erklärt, er sei ein Cheeseburger, dann nahm sie seinen Teller und stellte ihn neben ihren auf das Büffet, packe ihn am Arm und schleifte ihn in den rückwärtigen Teil des Restaurants.

»Livvie …«

»Jetzt komm schon.«

Sie führte ihn bis zur Küchentür, und als sie schließlich stehenblieben, guckte sie ihn an, blinzelte und sagte: »Jack, vor nicht mal zwölf Stunden wolltest du deiner Freundin noch einen Heiratsantrag machen. Wie in Gottes Namen kannst du da nur ein paar Stunden später die Barkeeperin vögeln?«

»Du meinst, wie mir das technisch möglich war?«

Sie knurrte unwirsch. »Nein, ich meine, ich weiß, dass dir das mit Vanessa gestern Abend nicht egal war. Ich hab dein Gesicht gesehen, als du wie ein geprügelter Hund vom Parkplatz zurückgeschlichen kamst.«

Er wollte nicht daran denken, verdammt. »Und?«

»Und mit der Nächstbesten ins Bett zu gehen, ist in so einem Fall so ziemlich die beschissenste Idee, und gegen die Einsamkeit hilft es auch nicht.«

»Wie kommst du darauf, dass ich einsam bin?«

»Bist du nicht?« Mit verschränkten Armen schaute sie ihn an, als redete er kompletten Müll. »Dann hast du die Sache mit Vanessa also nicht völlig überstürzt, weil du so niedergeschlagen warst und nicht allein sein wolltest?«

»Schnauze, vorlautes Miststück«, brummte er und musste doch grinsen, als sie die Augen verdrehte und ihn in die Seite zwickte.

»Hör zu, du Dummie«, sagte sie, ließ die Hand sinken und machte plötzlich ein furchtbar ernstes Gesicht. »Wir beide wissen, dass du so schockverliebt warst in die Vorstellung, eine Beziehung zu haben, dass du es auf Teufel komm raus erzwingen wolltest. Du hast es selbst zugegeben, neulich bei Billy’s, als du einen sitzen hattest, weißt du noch?«

Er wünschte bloß, er hätte damals die Klappe gehalten.

»Tja, echt blöd gelaufen, aber wenn du mich fragst, ist es besser so«, sagte sie, zog das Handy aus der Jeans und schaute drauf. »Jetzt bist du wieder frei und ungebunden und kannst dir was Neues suchen. Eine, mit der du vielleicht ein paar Gemeinsamkeiten hast. Mit der du ein bisschen Spaß haben kannst.«

Nur um sie zu ärgern, erwiderte er: »Tja, mit der Barkeeperin hatte ich letzte Nacht jedenfalls eine ganze Menge Spaß.«

»Erspar mir die Einzelheiten. Ich gebe dir mal die Log-in-Daten für die Dating-App. Ab heute bist du zahlender Abonnent.«

»Was?« Er stöhnte entnervt und guckte seine Schwester böse an. »Was hast du gemacht?«

»Eigentlich nix.« Nun war sie dran mit Achselzucken und Grinsen. »Könnte bloß sein, dass ich dir nach deinem kleinen Zusammenbruch bei Billy’s einen Account eingerichtet und den Mitgliedsbeitrag für dich bezahlt habe. Nur so.«

»Nur so?«

»Nur so, falls das mit dir und Vanessa in die Hose geht.«

Jack seufzte.

»Statt die beleidigte Leberwurst zu spielen und so zu tun, als wärst du sauer auf mich«, meinte sie selbstzufrieden, »sag doch einfach ›Danke, Liv‹.«

»Zieh Leine, Liv«, entgegnete er.

»Ich ziehe Leine«, sagte sie, »sobald du dich eingeloggt hast.«

Hallie

Eine Woche später

»Du veräppelst mich doch.« Chuck spießte eins der Köttbullar auf seinem Teller mit der Gabel auf und guckte Hallie schief von der Seite an. »Nie im Leben.«

»Und was genau glaubst du mir nicht?«, fragte Hallie ihren besten Freund und tunkte eine Fritte in den Ketchup. »Den vermasselten Heiratsantrag oder den besoffenen Hotelsex?«

»Noch Wasser?« Fragend schaute der Kellner sie an, und ihre Wangen fingen an zu glühen, während ihre Worte noch in der Luft hingen. Besoffener Hotelsex.

»Ähm, nein, danke.«

Chuck fing an zu lachen und quiekte »Hotelsex«, und da musste der Kellner auch lachen. Als er wieder weg war, sagte Chuck: »Alles, von Anfang bis Ende. Ich meine, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass du einfach nur zur Arbeit gehst und so was passiert?«

Hallie stopfte sich ein paar Fritten in den Mund. »Ich kann es ja selbst kaum glauben, dabei war es erst letzte Woche.«

»Und der Kerl war hot?« Chuck warf sich ein Hackbällchen in den Mund. »Konnte was auf der Matratze?«

»Hot war er definitiv.« Hallie musste unwillkürlich an Jacks Gesicht denken. »Und er konnte was. Auf der Matratze, gegen die Wand, im Aufzug …«

»Und was beschwerst du dich dann?«

»Ich beschwere mich ja gar nicht«, erwiderte Hallie und nippte an ihrer Pepsi Light. »Ich bin bloß entsetzt von mir selbst. Ich bin eine wandelnde Vollkatastrophe. Am Fußende eines fremden Betts aufzuwachen, war genau der Arschtritt, den ich gebraucht habe, um endlich was zu ändern. Jetzt schlage ich ein neues Kapitel auf.«

»Wieso, was hast du denn gegen das alte?« Chuck verdrehte die Augen. »Wenn du mich fragst, war doch eigentlich alles ganz okay.«

»Nach der Trennung von Ben war eigentlich alles nur für den Übergang gedacht. Aber ich lebe wie eine Collegestudentin, Chuck. Ich brauche eine richtige Wohnung ohne Mitbewohnerin, eine neue Frisur, neue Klamotten, vielleicht auch eine neue Beziehung …«

»O mein Gott«, unterbrach er sie und glotzte sie mit großen runden Augen und offenem Mund voller Köttbullar, gerahmt von Bart und Schnauzer wie orangenem Flaum, fassungslos an. »Heißt das, du tust es endlich?«

Hallie atmete durch die Nase ein, machte die Augen zu und nickte.

Chuck versuchte schon seit einer Ewigkeit, Hallie von Looking4TheReal zu überzeugen, einer Dating-App, auf der er Jamie (inzwischen seine Verlobte) kennengelernt hatte. Schon seit Hallies und Bens Trennung. Schließlich war er der felsenfesten Überzeugung, die App sei so was wie ein magischer Wunscherfüller. Stundenlang konnte er davon schwadronieren.

Stun-den-lang.

Jamie war Chucks erste ernsthafte Beziehung (was Hallie deshalb so genau wusste, weil sie ihn schon sein ganzes Leben lang kannte – er war nicht bloß ihr Freund, sondern auch ihr Großcousin in Personalunion). Keine Frage, er war der mit Abstand einzigartigste Mensch, den sie kannte. Aber dass er in keine Schublade passte, machte ihm das Leben nicht unbedingt leichter.

Chuck war witzig und klug und sah gut aus. Aber statt Fußball schaute er lieber Disney-Filme, und statt der angesagtesten Hits hörte er Broadway-Musicals. Er liebte Anime über alles, und Hallie und Chuck konnten stundenlang über schrottige Reality-TV-Shows chatten.

Aber nur einen Monat nachdem er sich bei der blöden App angemeldet hatte, hatte er auch schon die große Liebe gefunden.

Und wer die beiden erst mal zusammen gesehen hatte, konnte nicht ernsthaft daran zweifeln, dass Jamie und Chuck verwandte Seelen sein mussten. Hübsch war sie, genau wie er, und sie liebte Chucks kleine Marotten. Sie stand auf Anime, und es dauerte nicht lange, da hatten Chuck und Hallie sie in ihre Reality-TV-Chatgruppe aufgenommen.

Hallie hatte Chucks App-Avancen immer abgewimmelt und standhaft behauptet, sie sei »noch nicht so weit«, wenn er wieder damit anfing, weil ihr allein beim Gedanken an die erste Verabredung nach Ben ganz schlecht wurde. Aber inzwischen war sie verzweifelt. Heute Morgen unter der Dusche hatte sie sich eingestehen müssen, dass sie nicht nur ihr Leben umkrempeln wollte, sondern sich noch etwas anderes wünschte. Liebe nämlich.

Und wie.

Vielleicht ein bisschen erbärmlich, das, aber sie wollte einfach nicht mehr allein sein.

»Darf ich es gleich Jamie erzählen?« Chuck zog das Handy aus der Tasche. »Die flippt aus …«

»Nein.« Hallie schüttelte entschieden den Kopf. Jamie war wie Chuck, nur auf zu viel Koffein, und wenn sie erst mal so richtig aus dem Häuschen war, gab es kein Halten mehr. »Keine Jamie.«

»Du weißt schon, dass ich sie anrufe, sobald wir hier fertig sind, oder?«

»Ja, aber ihr beide zusammen, das ist mir einfach zu viel. Das hält kein Mensch aus.«

Er verzog den Mund zu einem breiten, blöden Grinsen und seufzte verträumt: »Nee, ne?«

»Das war nicht zwingend als Kompliment gemeint.«

»Hör schon auf, du Grummel-Griesgram.« Er stand auf und schleifte den Stuhl um den Tisch, stellte ihn neben ihren und ließ sich darauffallen. »Also, legen wir dir doch gleich ein Profil an, wo wir schon dabei sind. Dann brauchst du nachher bloß noch ein Gläschen Wein und kannst dir die verfügbaren Herren in aller Ruhe zu Gemüte führen.«

»Klingt nach Versandhauskatalog«, sagte sie und sah hilflos zu, wie er sich ihr Handy schnappte, den Zugangscode eingab (030122) und sich ohne weitere Umstände daranmachte, ihr einen Account anzulegen.

»Jacke wie Hose«, sagte er, ohne den Blick vom Handy zu nehmen. »Aber statt nach der perfekten Handtasche suchst du den einen Menschen im ganzen Universum, der dich bis ans Ende deiner Tage wunschlos glücklich machen wird.«

»Also das«, sagte Hallie, hinter ihrer zynischen Fassade plötzlich doch ein bisschen aufgeregt, »klingt fast zu simpel, um wahr zu sein.«

»Halt die Klappe und lass mich machen.«

Noch ehe ihre Teller leer waren, hatte Hallie ein richtiges Profil auf einer richtigen Dating-App. Chuck hatte sich eine Hammer-Selbstbeschreibung ausgedacht, bei der Hallie richtig witzig und smart rüberkam. Sie freute sich schon darauf, gleich nach Hause zu gehen und ein bisschen im »Katalog« zu stöbern.

Kurz darauf hielten sie vor dem heruntergekommenen Haus, wo sie wohnte, und auf einmal schnappte Chuck erschrocken nach Luft und keuchte: »Allmächtiger.«

»Was denn?« Alarmiert schaute Hallie aus dem Fenster, konnte aber nichts Beunruhigendes sehen.

»Ich glaube, irgendwo in meinem kleinen Hirn muss ein Stau gewesen sein, als du mir das mit dem neuen Kapitel in deinem Leben erzählt hast, das ist nämlich gerade erst richtig angekommen. Sagtest du, du willst dir eine eigene Wohnung suchen – ohne Ruthie?«

»Ja.«

Er legte den Kopf schief. »Hast du dir schon überlegt, wie du ihr das beibringen willst?«

Hallie kniff die Augen zusammen. »Ich sage es ihr einfach. Wir sind beide erwachsene Menschen – was soll schon groß passieren?«

»Ernsthaft?«

»Ja.«

»Ernsthaft?« Seine Stimme wurde immer schriller.

»Ja.«

»Ernsthaft.«

»Omeingott, Chuck, jetzt hör schon auf, mir Angst zu machen. Ich sage es ihr, sie nickt und lächelt, und alles ist gut.«

Er nickte. »Ja, ganz bestimmt.« ...Ende der Leseprobe