Love Me, Mr. Millionaire - Katie McLane - E-Book
SONDERANGEBOT

Love Me, Mr. Millionaire E-Book

Katie McLane

0,0
4,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 4,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wenn das Schicksal alles auf den Kopf stellt, was du dir aufgebaut hast. Und es das Beste ist, was dir passieren konnte.

Ex-Footballstar Raphael »Rafe« Walker fällt aus allen Wolken, als er von seiner Tochter Hope erfährt. In einem Brief von seiner todkranken Uni-Affäre. Sofort fliegt er nach New York, um sie kennenzulernen, doch er kommt zu spät: Hope wurde bereits adoptiert. Von einer Frau, die ihm von der ersten Minute an unter die Haut geht.
Leslie Burke kennt und liebt die Kleine bereits seit ihrer Geburt, umso schwerer trifft sie das Auftauchen von Hopes leiblichem Vater. Weil da dieses verbotene Knistern zwischen ihnen ist, eine Anziehungskraft, der sie auf keinen Fall nachgeben darf. Sonst wird Rafe ihr nicht nur das Mädchen wegnehmen, sondern auch das verdammte Herz brechen.

Für alle, die diese Tropes lieben:

*Spicy Romance*

*Millionaire*

*Sudden Child*

*Instant Family*

*Rivals to Lovers*

*Fish Out of Water*

.

San Francisco Millionaires:

Love Me, Mr. Millionaire (1)

Kiss Me, Mr. Millionaire (2)

Touch Me, Mr. Millionaire (3)

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Playlist
Kapitel 1 – Rafe
Kapitel 2 – Leslie
Kapitel 3 – Rafe
Kapitel 4 – Leslie
Kapitel 5 – Rafe
Kapitel 6 – Leslie
Kapitel 7 – Rafe
Kapitel 8 – Leslie
Kapitel 9 – Rafe
Kapitel 10 – Leslie
Kapitel 11 – Rafe
Kapitel 12 – Leslie
Kapitel 13 – Rafe
Kapitel 14 – Leslie
Kapitel 15 – Rafe
Kapitel 16 – Leslie
Kapitel 17 – Rafe
Kapitel 18 – Leslie
Kapitel 19 – Rafe
Kapitel 20 – Leslie
Epilog - Rafe
Kiss Me, Mr. Millionaire
Touch Me, Mr. Millionaire«
Meine Veröffentlichungen

 

 

 

Love Me, Mr. Millionaire

 

Von Katie McLane

 

 

 

Buchbeschreibung:

Wenn das Schicksal alles auf den Kopf stellt, was du dir aufgebaut hast. Und es das Beste ist, was dir passieren konnte.

 

Ex-Footballstar Raphael »Rafe« Walker fällt aus allen Wolken, als er von seiner Tochter Hope erfährt. In einem Brief von seiner totkranken Uni-Affäre. Sofort fliegt er nach New York, um sie kennenzulernen, doch er kommt zu spät: Hope wurde bereits adoptiert. Von einer Frau, die ihm von der ersten Minute an unter die Haut geht.

 

Leslie Burke kennt und liebt die Kleine bereits seit ihrer Geburt, umso schwerer trifft sie das Auftauchen von Hopes leiblichem Vater. Weil da dieses verbotene Knistern zwischen ihnen ist, eine Anziehungskraft, der sie auf keinen Fall nachgeben darf. Sonst wird Rafe ihr nicht nur das Mädchen wegnehmen, sondern auch das verdammte Herz brechen.

 

 

Über die Autorin:

Gestatten? Katie McLane.

Musik im Blut, Pfeffer im Hintern, Emotionen im Herzen, prickelnde Geschichten im Kopf.

 

Ich lebe mit meiner Familie im Herzen NRWs und schreibe Romance für alle Sinne. Meine Liebesromane drehen sich um dominante Männer und starke Frauen.

Sind leidenschaftlich, sinnlich und sexy. Voll prickelnder Lust, überwältigendem Verlangen und absoluter Hingabe. Und sie treffen mit all ihren Emotionen mitten ins Herz - bis zum Happy End.

 

Ihr wollt noch viel mehr über mich erfahren? Kein Problem, ich bin eine Autorin zum Anfassen. Wie das geht? Schaut einfach hier vorbei: www . Katie - McLane . de / Katies - Herzenspost

 

 

 

 

 

 

Love Me, Mr. Millionaire

 

 

 

Von Katie McLane

 

 

 

 

 

 

Impressum

1. Auflage, 2022

© Katie McLane – alle Rechte vorbehalten.

Cover: Dream Design – Cover and Art, Renee Rott

Lektorat: Franziska Schenker

 

Katie McLane

c/o easy-shop, K. Mothes

Schloßstr. 20

06869 Coswig (Anhalt)

 

[email protected]

www.katie-mclane.de

 

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertung, auch auszugsweise, ist nur mit schriftlicher Zustimmung der Autorin zulässig. Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Und falls du nichts mehr verpassen möchtest ... Hier geht es zu meinem Newsletter, als Dankeschön gibt es gratis die erste exklusive Kurzgeschichte.

 

 

 

 

 

 

 

Playlist

»Leave It All Behind« – Five Finger Death Punch

»Sugar« – Maroon 5

»Blue On Black« – Five Finger Death Punch

»All About The Bass« – Meghan Trainor

»Core (That’s Who We Are)« – VIZE & Papa Roach

»Shivers« – Ed Sheeran

»Levitating« – Dua Lipa

»Who Do You Trust?« – Papa Roach

»To The End Of Love« – The Treat

»Sound Of Madness« – Shinedown

»Be Alright« von Dean Lewis

»Darkness Settles In« – Five Finger Death Punch

»Cold Heart« – Elton John & Dua Lipa

»Adore You« – Harry Styles

 

 

 

Kapitel 1 – Rafe

Fuck, ich habe diese Scheiße so satt!

Entnervt schleudere ich den Stapel Briefe auf meinen Schreibtisch, nehme meinen Kaffee und tappe barfuß zum Fenster. Vor mir erstreckt sich die Bucht von San Francisco im strahlenden Licht der Frühsommersonne. Leider reizt mich die grandiose Aussicht auf Treasure Island und die Bay Bridge gerade kein bisschen. Weil durch den Umzug noch immer Dinge an die Oberfläche kommen, die meine Ex-Frau verbockt hat, während ich im Krankenhaus gelegen habe. Vor über einem Jahr.

Ich trinke einen Schluck und verziehe den Mund, möchte die Brühe am liebsten gleich wieder ausspucken. Kalter Kaffee schmeckt einfach nur ekelhaft.

Also gehe ich hinüber in die offene Küche und schütte den Rest in den Ablauf. Dann spüle ich die Tasse heiß aus und lasse mir von dem Vollautomaten einen neuen Kaffee zubereiten.

Mit dem Hintern an die Arbeitsfläche gelehnt warte ich auf das Getränk und mein Blick gleitet durch den Hauptwohnraum meiner neuen Wohnung. Durch die Fenster an den beiden Gebäudeseiten kann ich von Nordost bis Nordwest schauen, soweit die benachbarten Wolkenkratzer dies nach links zulassen, und einen Teil des Embarcadero überblicken. Was ein entscheidendes Kriterium für dieses Neubauapartment gewesen ist, die Aussicht auf die Bucht mit dem Fährbetrieb hat einen beruhigenden Einfluss auf mich.

Normalerweise.

Mit einem frischen Heißgetränk kehre ich an den Schreibtisch zurück. Schnappe mir die Funkfernbedienung der teuren Soundanlage und erhöhe die Lautstärke. Der Song von Five Finger Death Punch passt gerade perfekt zu meiner Laune.

Amalia, meine Haushälterin, hat bereits sämtliche Kartons ausgepackt, den mit Unterlagen und Papieren jedoch unangetastet stehengelassen. Diese Aufgabe kann niemand anderes für mich übernehmen, eben wegen Michelles Hinterlassenschaften. Schlimm genug, dass ich erst nach vier Wochen dazu komme, doch der Mai ist im Bereich Sportlermanagement ein besonders arbeitsreicher Monat. Und dieser Junisonntag ist mein erster richtiger freier Tag seit Wochen. Ach was, seit Monaten!

Also atme ich tief durch und widme mich wieder den letzten Briefen. Öffne sie, sortiere nach persönlich bearbeiten und Olivia geben, bei vielen Angelegenheiten kann und muss meine Assistentin mich unterstützen.

So arbeite ich zig Umschläge durch, finde Rechnungen und Mahnungen, Fanpost, Bankunterlagen, Kreditkartenabrechnungen und Ähnliches. Herrgott, ich möchte gar nicht daran denken, welche Zahlungen ich eventuell noch leisten muss.

Ganz unten liegt ein großes Kuvert, in dem anscheinend ein kleineres enthalten ist. Absender ist die Agentur, die bis vor zwei Jahren meine Interessen vertreten hat, der Poststempel ist kaum lesbar.

Mit gerunzelter Stirn reiße ich die Lasche an der Rückseite auf, nehme einen schlichten Briefumschlag in Standardgröße und einen gefalteten Bogen Papier heraus, den ich mir als Erstes ansehe.

 

Sehr geehrter Mr. Walker,

 

beiliegender Brief hat uns gestern erreicht, in leider genau diesem Zustand. Da der Absender aufgrund des Wasserfleckens kaum mehr lesbar und unser Vertrag mit Ihnen beendet ist, leiten wir ihn deshalb an Sie weiter.

Mr. Sothers lässt Ihnen außerdem noch einmal beste Grüße und baldige Genesung ausrichten.

 

Hochachtungsvoll,

Jean Baldwin

 

Erstaunt schaue ich auf das Absendedatum, der Brief ist eineinhalb Jahre alt.

Wut brodelt in mir hoch und ich beiße die Zähne so fest aufeinander, dass meine Kiefermuskeln schmerzen. Ich möchte diesem Miststück gerade den Hals umdrehen. Was hat sie sonst noch alles getan oder unterlassen, während ich ans Bett gefesselt war?

Um mich zu beruhigen schließe ich die Augen, massiere mir die Nasenwurzel und atme ruhig ein und aus. Danach begutachte ich den kleinen Umschlag.

Die Handschrift, in der die Adresse meiner ehemaligen Agentur aufgebracht wurde, sagt mir nichts. Von der Absenderadresse ist hinten lediglich ein Ave zu lesen und darunter der Ort, New York. Der Rest ist unkenntlich geworden.

Na gut, schauen wir mal, von wem der Brief stammt. Vielleicht ist es nur die Bitte nach einer Autogrammkarte.

Verärgert schiebe ich den Brieföffner unter die Lasche und öffne den oberen Falz, ziehe ein Blatt Papier hervor. Als ich das Kuvert weglege und den Bogen entfalte, fällt etwas heraus. Ein Foto. Leicht gewellt, vermutlich an derselben Stelle wie der Wasserflecken auf dem Umschlag. Ich hebe es auf und betrachte das Mädchen darauf. Es ist etwa fünf oder sechs Jahre alt, hat dunkelblonde Locken und himmelblaue Augen. Das fröhliche Lächeln entblößt eine Zahnlücke, was mir überraschenderweise ein Grinsen entlockt. Welch ein süßer Fratz!

Ist die Kleine etwa ein Fan von mir?

Ich lege das Bild auf den Schreibtisch, stütze die Ellbogen auf und fange an zu lesen.

 

Lieber Rafe,

 

vermutlich wirst du dich kaum noch an mich erinnern – wenn überhaupt. Aber sei dir sicher, ich würde dich niemals belästigen, wenn es nicht wirklich wichtig wäre.

Ich bin es, Angie Thompson. Wir hatten an der Uni eine, sagen wir mal, Affäre. Kurz vor Ende deines Studiums. Ich war im letzten Jahr meines Bachelors.

 

Nachdenklich halte ich inne, reibe mir mit dem Daumennagel über die Unterlippe. Ja, ich kann mich dunkel an die zierliche Blondine erinnern. Wir hatten viel Spaß miteinander, hauptsächlich im Bett, mehr wollten wir beide damals nicht.

 

Überraschenderweise ist die Sache nicht ohne Folgen geblieben. Oder ich war einfach nur nachlässig, keine Ahnung.

Was ich damit sagen will – du hast ein Kind. Eine Tochter, um genau zu sein, Hope. Ich habe dir ein Foto dazugelegt.

Nein, keine Angst, ich will jetzt keinen Unterhalt von dir, erst recht nicht rückwirkend. Es ist ein wenig ernster.

Ich habe Krebs. Leukämie.

Leider hat die erste Therapie nicht angeschlagen. Und bevor ich die zweite beginne, wollte ich dir von Hope erzählen.

Natürlich kann ich dich zu nichts zwingen, aber ich habe nur noch einen Wunsch. Dass du dich um sie kümmerst. Lerne sie kennen, nimm sie zu dir.

Wenn ich gehe, hat sie sonst niemanden mehr, außer dir. Vielleicht erinnerst du dich daran, meine Mutter war alleinerziehend und ist während meines ersten Studienjahrs ebenfalls an Krebs gestorben.

Okay, also ... bitte melde dich schnellstmöglich. Du wirst sicherlich zuerst einen Vaterschaftstest wollen, das ist kein Problem.

Ich weiß kaum etwas über dich, außer dem, was in den Medien zu sehen ist. Deshalb hoffe ich sehr, dass du wieder ganz gesund bist oder wirst. Und deine Tochter annehmen kannst und willst.

Falls nicht ... Gott, ich möchte gar nicht daran denken, dass sie dann ins Kinderheim muss oder zu schlechten Pflegeeltern.

Bitte, nimm mir diese Sorge und komm her, die Adresse schreibe ich dir unten noch einmal auf. Auch meine Handynummer.

Alles Weitere können wir dann persönlich besprechen.

 

Gruß, Angie

 

»Großer Gott!« Erschüttert greife ich nach dem Foto und betrachte es eingehend.

»Ich habe eine Tochter.«

Mir versagt die Stimme und in meinem Innern herrscht ein riesiges Emotionschaos, das mich zu überwältigen droht.

Da ich es immer noch kaum fassen kann, lese ich den Brief ein zweites und drittes Mal. Starre das Bild von Hope an und kämpfe gegen den Kloß in meiner Kehle.

Ich brauche einen Drink.

Mit weichen Knien stakse ich in den Wohnbereich hinüber, der neben dem Esstisch den Rest des Hauptraums einnimmt. Der Barwagen steht genau dazwischen und ich greife zielsicher nach einer Flasche Tequila, gieße mir einen Doppelten ein und stürze ihn hinunter. Dann noch einen.

Die viel gelobten Karamell- und Vanillenoten sowie Anklänge von Gewürzen und Eiche schmecke ich kaum, das hat der Añejo nicht verdient. Aber der Schnaps aus gerösteten blauen Agaven breitet sich mit einem milden Brennen warm in meinem Magen aus und das ist es, was ich gerade brauche. Es beruhigt mich. Minimal.

Konzentrier dich, denk nach!

Okay, ich muss handeln, das steht außer Frage.

Weshalb ich das Glas in der Küche abstelle und zum Schreibtisch zurückkehre, auf dem mein Smartphone liegt. Ich entsperre das Display, nehme den Brief zur Hand und gebe Angies Nummer ein. Tippe auf den grünen Hörer und halte es mir ans Ohr.

Das Freizeichen ertönt, mehrfach. Dann endlich knackt es.

»Ja, bitte?« Eine Männerstimme.

Meine Laune sinkt. Hat sie jemanden kennengelernt? Ist der nun Hopes Vater?

Oh, nein, so nicht!

»Guten Tag, Rafe Walker hier. Kann ich bitte Angie sprechen?«

»Wen?«

»Angie Thompson. Das ist ihre Nummer.«

»Nein, Mann, das ist meine Nummer. Da hat dich jemand verarscht.«

»Darf ich fragen, wie lange Sie diese Nummer bereits haben?«

»Ein paar Monate. Warum?«

Mein Magen sackt durch.

»Oh, ähm, nur so. Okay, trotzdem danke. Sorry für die Störung.«

»Kein Ding.«

Damit legt er auf und ich nehme das Telefon vom Ohr.

Das ungute Gefühl in meinem Bauch wird stärker.

Ich schaue auf die Adresse, meine Entscheidung fällt.

Ich muss nach New York. Gleich morgen.

 

*

 

Am Montagvormittag lasse ich mich von einem Uber-Taxi vor 475 Sansome Street absetzen und fahre nach dem Sicherheitscheck hinauf in die siebte Etage. Da Britton & Walker Sportsmanagement im selben Gebäude sitzt wie Amazon und Oracle, müssen wir damit leben, dass sie die Immobilie in eine Festung verwandelt haben. Was wir wegen der repräsentativen Adresse und des Ausblicks aber gern in Kauf nehmen.

Durch die Glastür betrete ich den Eingangsbereich und steuere auf den Empfang zu. »Guten Morgen, Phyllis. Wie war dein Wochenende?«

»Morgen, Rafe. Ausnahmsweise sehr entspannt.«

Ich grinse die junge Brünette an, die erst vor zwei Jahren das College abgeschlossen hat. »Solltest du öfter machen, du wirkst richtig ausgeschlafen.«

Zur Antwort verdreht sie nur die Augen, schüttelt den Kopf und widmet sich wieder ihrem Bildschirm.

Auf der linken Seite befinden sich die Räume unserer kleinen Verwaltung, ich wende mich nach rechts. Der Flur und der Wartebereich für Kunden sind dekoriert mit Bildern und Trophäen unserer jeweiligen Sportlerkarriere. Was unsere potenziellen Klienten meistens so sehr beeindruckt, dass sie einen Vertrag mit uns unterschreiben.

Dahinter liegen zwei Besprechungsräume, eine kleine Küche und an der Ecke des Gebäudes die Büros der Geschäftsleitung. Den gemeinsamen Bereich davor teilen sich unsere Assistentinnen.

»Guten Morgen, zusammen.«

Ein doppeltes »Guten Morgen« schallt mir entgegen.

Vor meiner Mitarbeiterin bleibe ich stehen. »Olivia, wie war dein Wochenende?«

Die platinblonde Mittvierzigerin verschränkt die Unterarme auf ihrem Schreibtisch und lächelt mich an. »Wir drei waren auf diesem Volksfest in der Haight Street, mit Kunsthandwerk, Street Food und Livemusik.«

»Und?«

»War echt super. Selbst Ken hat es gefallen.«

Ich muss grinsen, das will für den Teenager, der hart in der Pubertät steckt, schon was heißen. »Dann bist du hoffentlich so gut erholt, dass ich dir ausnahmsweise ein paar dringende persönliche Aufgaben geben kann?«

»Kein Problem. Ist etwas passiert?«

Ich hole einen großen Umschlag aus meiner Aktenmappe. »Ich habe gestern endlich Zeit gehabt, den letzten Karton mit Unterlagen auszupacken. Leider sind da ein paar Dinge aufgetaucht, die Michelle meinte ignorieren zu müssen, bevor sie mich verlassen hat. Kannst du für mich herausfinden, wo noch Handlungsbedarf besteht?«

»Natürlich.« Mit teilnahmsvoller Miene nimmt sie den Papierkram entgegen.

»Ich danke dir.«

Ich drehe mich zu Vanessa auf der gegenüberliegenden Seite. »Ist Lance schon da?«

»Ja, seit zehn Minuten.« Sie steht auf, stemmt die Hände in ihren unteren Rücken und streckt sich mit einem leichten Stöhnen.

Mein Blick fällt auf ihren gewölbten Bauch, sie ist im sechsten Monat schwanger. »Alles in Ordnung?«

»Ach, der Kleine macht nur wieder Radau. Er kann es nicht leiden, wenn ich zu lange sitze.« Mit einem entschuldigenden Lächeln drückt sie auf einen Knopf an ihrem Schreibtisch und lässt ihn hochfahren.

»Okay.« Ich marschiere in mein Büro, lege die Mappe ab und schalte den Computer ein, dann gehe ich hinüber zu Lance.

Er steht, halb mit dem Rücken zur Tür, am Fenster und guckt hinaus, eine Tasse Kaffee in der Hand. Von unseren Büros aus kann man, vorbei an der Transamerica Pyramid, bis zum Coit Tower auf dem Telegraph Hill schauen. Was wir beide mindestens einmal pro Tag genießen.

Um ihn nicht zu erschrecken, klopfe ich an die offenstehende Tür. Lance dreht sich ein Stück zu mir um und ein breites Lächeln erscheint auf seinem markanten Gesicht.

»Hey, Bro, guten Morgen.«

»Morgen, Lance. Hast du zwei Minuten?«

»Sicher.«

Ich schlendere hinüber und trete ebenfalls vors Fenster. Der ehemalige Pitcher überragt mich um knapp zwei Zoll und neben seinem drahtigen Körper komme ich mir beinahe klobig vor.

»Was gibt es denn?«

»Ich muss nach New York, meine Maschine geht heute Nacht.«

Er runzelt die Stirn. »Ein neuer Klient?«

»Nein, etwas Persönliches.«

»Klingt ernst. Was ist passiert?«

Ich erzähle ihm von meiner Entdeckung.

»Du hast eine Tochter?« Lance schnaubt. »Unglaublich! Du hättest sie bereits vor über einem Jahr kennenlernen können.«

Ich beiße die Zähne aufeinander und nicke, fische das Foto aus der Innentasche meines Jacketts hervor und halte es ihm hin.

Er betrachtet es, lächelt und gibt es mir zurück. »Sehr süß.«

»Finde ich auch.« Ich werfe einen letzten Blick auf Hope, bevor ich das Bild wieder einstecke, und muss schmunzeln.

Seine Hand landet auf meiner Schulter. »Sei froh, dass du Michelle los bist. Sie war auf keinen Fall die Richtige für dich.«

»Nein. Aber lassen wir das. Ich wollte nur wissen, ob du ein oder zwei Wochen ohne mich persönlich klarkommst. Ich nehme auf jeden Fall meinen Laptop mit und finde bestimmt tagsüber Zeit, zu arbeiten. Aber ich weiß nicht, was mich im Big Apple erwartet.«

»Kein Problem. Und im Zweifel können wir telefonieren.«

»Okay.«

»Weißt du denn schon, was du tun willst? Holst du die Kleine her?«

»Keine Ahnung. Erst einmal muss ich sehen, wie es Angie geht.«

»Ja, klar. Aber wenn es wirklich so ernst um sie steht ...«

»Ich wünschte, sie hätte mich eher kontaktiert.« Der Groll kocht erneut in mir hoch. »Wie kann sie mir nur mein Kind vorenthalten?«

»Das musst du sie schon selbst fragen.«

»Oh, das werde ich. Darauf kannst du einen lassen.«

 

*

 

Die Maschine landet pünktlich um sieben Uhr Ortszeit auf dem John F. Kennedy International Airport und ich nehme mir, in Ermangelung von verfügbaren Uber-Fahrzeugen, ein Taxi. Das lasse ich dann auf dem Weg zum Hilton Hotel Brooklyn einen kleinen Umweg über die Washington Avenue fahren.

»Geben Sie mir ein paar Minuten.« Der Fahrer nickt und ich steige aus, um einen ersten unauffälligen Blick auf das Wohnhaus zu werfen. Ob ich Angie und Hope ebenfalls zu Gesicht bekomme?

Das rotbraune, zweistöckige Mehrfamilienhaus, deren Eingänge im Hochparterre liegen, scheint um die hundert Jahre alt zu sein, und könnte ein paar Eimer frische Farbe vertragen. Ansonsten macht es einen soliden Eindruck und im Vorgarten, wenn man ihn so nennen kann, herrscht Ordnung und Sauberkeit.

Nervös schiebe ich die Hände in die Taschen und schaue mich um, betrachte Häuser und Straße. Hier ist viel los.

Im Hauseingang nebenan fällt hörbar eine Tür ins Schloss und eine Person eilt die Treppe hinunter, von der ich nur kurz das rote Haar sehen kann.

Von rechts ertönt mehrfach eine Fahrradklingel, weswegen ich mich umdrehe. Der Typ auf dem Rennrad ist trotz allem schnell unterwegs, ich kann nur noch die Arme aus den Taschen reißen und zurückspringen.

Im nächsten Moment prallt von links jemand mit mir zusammen, eine Frau stößt einen erschreckten Laut aus.

Ich fahre herum und bemerke einen Duft, der etwas in mir berührt, blumig, sinnlich, weiblich.

»Oh, Gott, das tut mir leid!« Automatisch strecke ich die Arme nach ihr aus. Meine Augen wandern von den Sneakers höher, über die hautengen Jeans und die kurzärmelige Bluse, welche die weichen Kurven betonen. Innerhalb einer Sekunde registriere ich das goldrote Haar, das in großen Wellen Hals und Schultern umspielt. Die volle Unterlippe und den sanften Amorbogen, die Stupsnase mit schmalem, geradem Rücken. Und die saphirblauen, aufgerissenen Augen.

Mein Herz galoppiert los.

»Schon gut, ich hätte genauso aufpassen müssen.« Sie presst sich die Hand aufs Dekolleté, atmet erleichtert auf und ihr Mund verzieht sich zu einem Lächeln, das mich mitten in die Brust trifft.

Irritiert richte ich mich auf und lasse die Arme sinken.

»Schönen Tag noch.« Sie tritt zur Seite und setzt ihren Weg fort.

Verblüfft drehe ich mich um und starre ihr nach, wie sie den Trageriemen ihrer Handtasche festhält und um die Ecke in die nächste Straße marschiert.

Was, zur Hölle, war das?

 

Kapitel 2 – Leslie

Kaum habe ich das Childrens Home Clinton Hill verlassen, klingelt mein Handy mit dem Song, der zu Hope gehört. Und der mich jedes Mal schmerzlich an Angie erinnert, denn »Sugar« von Maroon 5 war ihr Lieblingslied.

»Hey, Süße, was gibts?«

»Leslie«, beginnt sie und zieht meinen Namen melodisch in die Länge.

Ich weiß sofort, was mich erwartet, und grinse. »Ja-haaa?«

»Darf ich bei Sandy zu Abend essen? Chloe hat gesagt, das ist okay.«

Hope hat den Tag mit der Tochter unserer Nachbarin verbracht, ihrer besten Freundin, und meistens endet es damit, dass wir zum Abendessen eingeladen werden.

»Du sollst übrigens auch kommen.«

Ich lache leise. »Na, klar darfst du. Und ich bin pünktlich zum Essen da. Halb sieben, wie immer?«

»Jepp.«

»Okay, dann sehen wir uns später. Hab dich lieb.«

»Ich dich auch, bis dann.« Schon hat sie aufgelegt.

Das Smartphone verschwindet in meiner Handtasche und ich schiebe den Trageriemen höher, halte mich daran fest. Automatisch verlangsame ich meine Schritte, schließlich ist Hope versorgt und ich muss nicht nach Hause hetzen, um Essen zu kochen. Welch herrlicher Gegensatz zum hektischen Beginn dieses Montags. Irgendwie habe ich mich nach all der Zeit kaum daran gewöhnt, dass wir nun zu zweit sind.

So schlendere ich die Willoughby Avenue entlang, genieße das Sommerwetter und die Atmosphäre. Die Bäume spenden angenehmen Schatten und der Spielplatz gegenüber dem Pratt Institute ist voller Kinder, Geschrei und Lachen.

Unwillkürlich schaue ich ihnen im Vorbeigehen beim Spielen zu und freue mich, dass es ihnen gut geht und sie Familien haben. Anderen Kindern ergeht es schlechter. Zum Beispiel denen, die ich tagein tagaus im Kinderheim betreue. Wir tun unser Bestes, um ihnen so etwas wie Liebe und Geborgenheit zu vermitteln, aber natürlich ist es nie und nimmer das Gleiche. Trotzdem liebe ich es, dieser Job ist meine Bestimmung.

Insbesondere in dieser Einrichtung, denn ich erhalte Wertschätzung und Anerkennung für meine Arbeit. Außerdem habe ich, wenn mich nicht alles täuscht, beste Chancen, bald Sheilas Nachfolge als Heimleiterin anzutreten. Okay, ich bin nur eine von drei Stellvertreterinnen, doch gerade heute hat sie mich wieder dafür gelobt, wie gut ich es schaffe, mit unseren schwierigen Teenagern umzugehen. Bei dem Gedanken muss ich lächeln. Ja, vor allem Diana, unser Neuzugang, schenkt mir immer mehr Vertrauen, und darauf bin ich verdammt stolz.

Auch Hope verbringt inzwischen einige Zeit im Heim, nicht nur mit ihrer zweiten besten Freundin, Romy. Es gibt ein abwechslungsreiches Freizeitangebot, von Sport bis Basteln, und in den Ferien ein eigenes Programm, an dem genauso andere Kinder teilnehmen können. Morgen steht zum Beispiel ein von der Kirchengemeinde finanzierter Tagesausflug in den Adventure Park Area 53 auf dem Plan. Natürlich fährt Hope mit und danach übernachtet sie sogar bei Romy.

Mann, was fange ich nur mit dem ungewohnt freien Abend an?

Lächelnd biege ich in die Washington Avenue ein und krame in meiner Handtasche nach dem Schlüsselbund. Durchquere das niedrige, rostige Eisentor, das immer aufsteht, und steige die Treppe zur Haustür hinauf.

Oben angekommen hebe ich den Kopf und zucke zusammen, als jemand auf mich zutritt.

»Meine Güte, haben Sie mich erschreckt!«

»Sorry, das wollte ich nicht.«

Da erkenne ich ihn, neige den Kopf und lächele, denn er sieht noch besser aus als heute früh. »Sie schon wieder.«

Seit unserem Zusammenstoß geht mir dieser sexy Kerl nicht mehr aus dem Kopf. Das süße Lächeln, die etwas schiefe Nase und die dunkelbraunen Augen, in denen ich Selbstbewusstsein, aber auch eine gewisse Verletzlichkeit ausmache.

Nun fährt er sich durch das kurze dunkle Haar und zuckt mit den Schultern, wobei mein Blick wie magisch von seinem muskulösen Oberkörper angezogen wird. Darüber spannt sich ein simples weißes Shirt, das sich von seiner gebräunten Haut abhebt.

Ob er überall so aussieht? Oh ja, ganz bestimmt sogar.

In meinem Schoß erglüht ein warmes Prickeln und ich beiße mir unwillkürlich auf die Unterlippe.

»Ja, scheint so.« Er hakt die Daumen in die vorderen Gürtelschlaufen seiner perfekt sitzenden Jeans.

Ich blinzele und zwinge mich dazu, mich auf sein Gesicht zu konzentrieren. »Suchen Sie jemanden? Kann ich Ihnen helfen?«

»Wenn Sie mich schon so fragen ... Ja, ich suche tatsächlich jemanden.«

»Und der- oder diejenige soll hier wohnen?«

»Diese Adresse steht zumindest in dem Brief, den ich erhalten habe.«

»Haben Sie einen Namen für mich?«

»Angie. Angie Thompson.«

Augenblicklich zerfällt mein Lächeln, mir schnürt sich der Hals zu. »Oh.«

Er zieht die Brauen zusammen. »Oh? Was heißt das?«

Ich schlucke, umschließe den Schlüsselbund fester. »Dass Sie zu spät kommen.«

Erkenntnis breitet sich auf seinem Gesicht aus. »Ach, du Scheiße.«

Ich nicke. »Sie ist letzten Sommer verstorben, im August.«

»Großer Gott!« Seine Stimme ist nur ein Flüstern, dann reibt er sich über Mund, Kinn und Kiefer. Der Dreitagebart gibt dabei ein leicht kratzendes Geräusch von sich.

Da sieht er mich erneut an. »Und was ist mit Hope? Lebt sie nun bei Pflegeeltern? Oder wurde sie adoptiert?«

Ich kneife die Augen zusammen, mich beschleicht eine fürchterliche Ahnung. »Darf ich fragen, warum Sie das wissen wollen? Kannten Sie beide sich?«

»Ja, wir kannten uns, aber das ist lange her. Von der Universität.«

Übelkeit wallt in mir auf. Jetzt weiß ich auch, warum er mir bekannt vorkommt.

Nein, Gott, bitte nicht!

Doch natürlich wird das Stoßgebet mit keinem Wort erhört, dieser Typ spricht das aus, wovor ich seit zehn Monaten Angst habe.

»Ich bin Hopes Vater.«

Mir entfährt ein verzweifelter Laut und meine Knie geben nach.

Sofort springt er mir bei, hält mich am Arm fest. »Kommen Sie, setzen Sie sich hin.« Er hilft mir, auf die oberste Stufe zu sinken.

Ich stütze mich auf die Oberschenkel und lassen den Kopf hängen, schließe die Augen und atme tief ein und aus, immer wieder.

»Ist Ihnen nicht gut? Soll ich bei den Nachbarn nach einem Glas Wasser fragen?«

Ich schüttele den Kopf, ziehe meine Tasche auf den Schoß und öffne sie mit zitternden Fingern. »Ich habe eine Flasche dabei.« Wie zum Beweis fische ich sie heraus und trinke ein paar Schlucke, während er sich neben mir niederlässt.

Eine leichte Windböe weht seinen Duft in meine Richtung, eine Mischung von aromatischer Frische und einem holzigen Unterton. Dazu eine männliche Nuance, die mich an seine Muskeln denken lässt. Ein wohliger Schauer rieselt durch meinen Körper.

Vollkommen unpassend, in dieser Situation.

Ich nehme allen Mut zusammen, hole Luft und schaue ihn an. »Sie haben sich ziemlich viel Zeit gelassen, um hier aufzutauchen.«

»Ich habe den Brief gestern erst ... erhalten.«

Als ich die Stirn runzele, winkt er ab. »Lange Geschichte. Kannten Sie Angie?«

»Wir waren beste Freundinnen.« Meine Stimme ist ein einziges Krächzen. Ich räuspere mich und trinke noch einen Schluck.

»Dann kennen Sie auch Hope?«

Ein schmerzliches Lächeln zieht an meinen Mundwinkeln. »Natürlich.« Ich schraube die Flasche zu und werfe sie zurück in die Handtasche.

»Wissen Sie, wo sie ist?«

Mit einem Mal kocht Panik in mir hoch. Verdammt, ich muss ihn loswerden, bevor sie vielleicht zufällig vorbeikommt.

»Ja.«

»Und?«

»Sie ist erst Mittwochnachmittag wieder da.« Ich weiß mir nicht anders zu helfen, ich brauche Zeit.

»Das heißt, sie wohnt noch hier? Aber wie ... warum ...« Er verstummt, hebt die Hände in einer hilflosen Geste.

»Das ist ebenfalls eine lange Geschichte.«

»Tut mir leid, ich verstehe nicht ...«

Ich hebe das Kinn und sehe ihm in die Augen. »Das ist mir bewusst, Mr. Walker.«

»Sie kennen meinen Namen?«

»Ja.«

»Und wie heißen Sie?«

»Leslie Burke.«

Er nickt. »Und ... können Sie mir diese Geschichte erzählen?«

»Natürlich. Wir können uns morgen Abend treffen, um darüber zu reden.«

»Warum nicht sofort?«

»Weil ich gleich noch einen Termin habe.«

»Ah, okay. Tut mir leid, ich bin nur total durch den Wind.«

Und ich erst.

»Wann und wohin soll ich morgen kommen? Hierher?«

Der Schreck fährt mir in die Glieder. »Nein. Wir treffen uns woanders. Kennen Sie das Peaches in der Grand Avenue?«

Er schüttelt den Kopf. »Ich lebe nicht in New York.«

Die Übelkeit steigt höher, Tränen brennen mir in den Augen.

Gehts vielleicht noch ein bisschen schlimmer?

»Okay, also, die Adresse lautet 285 Grand Avenue, vor der Tür stehen Holztische und rote Stühle. Wir treffen uns um halb sechs.«

»Ich werde da sein.«

»Gut.«

»Kann ich Ihnen noch irgendwie helfen?«

Ich atme tief durch und setze mich auf. »Nein, danke, es geht wieder.«

»Also gut, dann ...« Er verlagert das Gewicht, um sein Handy aus der Gesäßtasche zu ziehen. Klappt die Hülle ab und zieht eine Visitenkarte heraus. »Haben Sie einen Stift?«

Wortlos hole ich mein Notizbuch hervor und zerre den Kugelschreiber aus der Lasche, reiche ihn rüber. Er nimmt ihn, dreht die Visitenkarte um und legt sie auf die Rückseite seines Smartphones. Dann schreibt er etwas darauf und gibt sie mir, zusammen mit dem Stift.

»Das ist meine private Handynummer, damit können Sie mich jederzeit erreichen. Nur falls etwas dazwischenkommt oder Ähnliches.«

Ich nicke und nehme beides, stecke den Stift in die Schlaufe und das Buch zurück in meine Tasche.

Er steht auf, geht ein paar Stufen hinunter, bis unsere Augen sich auf einer Höhe befinden. »Gut, dann sehen wir uns morgen um halb sechs im Peaches, 285 Grand Avenue.«

»Genau.«

»Bis dann. Schönen Abend noch.«

»Danke, auch so.«

Damit dreht er sich um, läuft bis zum Gehweg und wendet sich nach links. Ich erkenne, dass er telefoniert, während er an der Straßenecke auf und ab marschiert.

Am liebsten möchte ich in mein Apartment rennen und mich verkriechen, doch ich muss sichergehen, dass er wirklich von hier verschwindet. Also bleibe ich dort sitzen, bis ein Uber vorfährt, er einsteigt und der Wagen ihn wegbringt. Wohin auch immer.

Dann erst schaue ich auf die Visitenkarte hinab, auf die er seine Nummer und den Namen geschrieben hat.

Rafe.

So hat Angie ihn auch immer genannt.

Ich drehe das dicke Stück Papier um, lese seinen vollen Namen und den seiner Firma. Heute Abend werde ich jedes Detail über ihn recherchieren, sobald Hope im Bett ist.

 

Kapitel 3 – Rafe

Ich hasse es, zum Nichtstun verdammt zu sein.

Erst versuche ich, mich mit Sport und Arbeit von den Gedanken an das Treffen mit Leslie abzulenken. Doch dann wird der Drang, aktiv zu werden, größer. Also suche ich nach einem möblierten Haus, das ich vorübergehend mieten kann. Möglichst in Hopes Nähe.

Nach fast drei Stunden finde ich eines, das meinen Ansprüchen genügt, und vereinbare einen Besichtigungstermin für Donnerstagvormittag. Wenn alles glatt läuft, kann ich in wenigen Tagen einziehen und Amalia beauftragen, mir Kleidung und ein paar persönliche Dinge zu schicken. Aus Langeweile spaziere ich sogar hin, um mir die Gegend anzusehen und die Zeit zu vertreiben, es ist nur eine Meile von meinem Hotel entfernt.

Auf dem Rückweg schlendere ich durch die Straßen und bis zum Brooklyn Bridge Park, lege eine Pause ein und betrachte die Südspitze Manhattans auf der anderen Seite des East River. Auch an diesem Ende der USA sind Fähren unterwegs, doch im Gegensatz zu meinem Zuhause löst das keinerlei Entspannung bei mir aus.

New York ist anders als San Francisco, im Big Apple herrscht eine beinahe gegenteilige Mentalität. Zumindest kommt es mir immer so vor, wenn ich hier bin. Was selten genug der Fall ist. Die Menschen sind angespannter, gehetzter. Natürlich ist jedes Business hart, auch an der Westküste, aber irgendwie besteht dort eine Mischung aus Entspanntheit, Flower-Power und Aufbruchstimmung. Auf jeden Fall heizen die Unterschiede meine Gedankengänge an und die Umstände verleiten mich zu den wildesten Spekulationen über meine Zukunft.

Mir ist bewusst, wie bescheuert das ist, aber in mir regt sich eine Art Widerstand. Egal, was ich heute Abend erfahre, Hope ist meine Tochter und ich werde sie zu mir nehmen, jetzt da Angie tot ist. Wo ich dann wohne, bleibt dahingestellt.

Ich stutze. Moment mal, wie komme ich auf die Idee, in New York zu bleiben? Klar, ich könnte eine Zweigstelle von Britton & Walker eröffnen, wir haben weitreichende Beziehungen.

Aber wozu? Damit Hope in ihrem Umfeld bleibt?

Zwar habe ich keine Erfahrungen mit Kindern, doch die Kleine wird schon mit einem Umzug zurechtkommen. Oder?

Leslies Gesicht taucht vor mir auf, das Lächeln gestern früh und am Nachmittag. Ich kann keinen Finger darauf legen, doch da ist etwas, was mich zu ihr hinzieht.

Allerdings irritiert mich der Schock auf ihrem Gesicht, als sie gehört hat, wer ich bin. Was hat es mit alldem auf sich?

Fuck, hör auf, dich wahnsinnig zu machen. Du wirst es erfahren.

Nun, ich bin auf jeden Fall zu früh da, geschniegelt und gebügelt. Keine Ahnung, warum ich mich, im Gegensatz zu gestern, in schwarze Jeans und weißes Hemd geworfen habe. Wenigstens trage ich das Jackett nur über dem Arm, während ich auf dem Gehweg auf und ab laufe, es ist viel zu warm.

Als Leslie schließlich eintrifft, etwa zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit, bin ich von ihrem Anblick so überwältigt, dass mein Herz los hämmert.

Wusste ich es doch, es geht keinesfalls nur darum, dass sie etwas über Hope weiß!

Verärgert schiebe ich die Stimme meines Verstandes beiseite. Was ist falsch daran?

Bist du noch immer nicht schlauer? Nach allem, was du mit Michelle durchgemacht hast?

Diesmal ignoriere ich meinen Kopf und konzentriere mich auf diese atemberaubende Frau, die da die Straße herunterkommt. Das weiche Sommerkleid mit halblangen Ärmeln und einem extravaganten Ausschnitt setzt ihre Kurven dermaßen gut in Szene, dass mein Bauch mit kribbelndem Verlangen reagiert.

Gott, es ist so lange her ...

Ich schaue ihr ins Gesicht und lächele, als sie nur noch wenige Fuß entfernt ist. Doch dann fällt mir auf, wie perfekt das Blau des Kleides zu ihren Augen und ihrem Haar passt, und schon ergeht sich mein Hirn in expliziten Fantasien.

Fuck!

Zwei Schritte von mir entfernt bleibt sie stehen, ihr Lächeln wirkt ein wenig verkrampft. »Hallo, Mr. Walker.«

»Oh, bitte, nennen Sie mich Rafe. Sonst komme ich mir total alt vor. Und am liebsten du.«

»Okay. Leslie.«

»Schön.« Mein Lächeln wird breiter, ohne dass ich etwas dagegen tun kann. »Wollen wir hier draußen sitzen bleiben?« Ich deute auf einen Zweiertisch neben einem Baum, von dem aus eine Kette mit leuchtenden Lampions bis zum nächsten Baum gespannt ist.

»Gern.«

Ganz Gentleman rücke ich ihr den Stuhl zurecht und nehme dann ihr gegenüber Platz, hänge mein Jackett über die Lehne.

»Darf ich dich auch zum Essen einladen? Was immer es hier gibt?«

Sie beißt sich auf die Unterlippe, faltet auf dem Tisch ihre Hände und knetet sie.

»Ich habe keine Ahnung, ob das gut ist. Vielleicht bedauerst du es am Ende des Abends.«

Ich runzele die Stirn. »Wie meinst du das?«

Leslie schaut mir direkt in die Augen und für einen Augenblick möchte ich in ihren saphirblauen Iriden versinken, deren Strahlkraft durch das dezente Make-up unterstrichen wird.

»Das wirst du verstehen, wenn ich dir alles erzählt habe.«

»Das klingt zwar ziemlich mystisch, aber okay ... Trinkst du wenigstens etwas mit mir?«

Sie nickt. »Vermutlich können wir das beide gleich gut gebrauchen.«

»Klingt, als wäre die lange Geschichte kein bisschen lustig.«

»Kann schon sein.«

Meine Verwirrung steigt, doch bevor ich etwas entgegnen kann, taucht tatsächlich ein junger Kellner auf. Lächelt erst mich, dann Leslie an. »Hi, zusammen. Was darf es sein?«

»Ein Backbone Vienna Lager, bitte.«

»Mh-hm. Und für Sie, Sir?«

»Ich nehme das Gleiche, danke.«

»Alles klar, kommt sofort.«

Ich werfe einen Blick in die Runde. »Kommst du oft her? Sieht irgendwie ... rustikal gemütlich aus.«

Sie verschränkt die Arme unter der Brust und stützt sie auf dem Tisch ab, die Schultern hochgezogen. »Nein, das gibt mein Budget nur selten her.«

Verwundert schaue ich sie an, solche Umstände kenne ich seit dem Studium nicht mehr. »Was machst du denn beruflich?«

»Ich bin Sozialpädagogin, mit Schwerpunkt Kinder und Jugendliche, und arbeite im Kinderheim hier in Clinton Hill. Als Betreuerin und stellvertretende Heimleiterin.«

»Wow, das klingt nach einem echten Herzensjob.«

»Ja, ist es.« Ihr Gesicht nimmt für kurze Zeit einen glücklichen Zug an.

»Ich schätze, anhand meiner Visitenkarte hast du dir bereits ein Bild von mir gemacht.«

Sie nickt. »Einen Teil kannte ich natürlich schon von Angie.«

»Sie hat dir von uns erzählt?«

»Natürlich.«

»Warum hat sie sich erst gemeldet, als es zu spät war?«

»Sie wollte weder dein Geld noch dass du ihr Hope wegnimmst. Aber am Ende ... blieb ihr kein anderer Ausweg.«

»Im Brief stand, dass die Schwangerschaft ein Unfall war. Stimmt das?«

»Soweit ich weiß, ja.«

Der Kellner eilt mit zwei Flaschen Bier heran, stellt sie uns hin und geht zum nächsten Tisch.

»Prost!« Ich hebe meine Flasche und trinke einen Schluck, betrachte anschließend das Etikett. Das Bier ist mild, leicht süß und stammt aus einer kleinen Brauerei in Virginia. »Mmh, das ist lecker.«

»Mh-hm.«

Ich schaue auf und mein Blick fällt auf ihre Lippen, die sich um die Flaschenöffnung stülpen. Mein Hirn dreht direkt auf, zeigt mir Bilder, wie sie meinen –

»Vermutlich trinkst du sonst eher teuren Wein oder Champagner.« Leslie stellt das Bier auf den Tisch und ich blinzele, um die Fantasien zu vertreiben.

»Nur bei offiziellen Anlässen.« Ich lächele.

»Verrätst du mir, warum du erst jetzt auftauchst? Angie hat den Brief Anfang letzten Jahres an deine Agentur abgeschickt.«

»Tja, wo soll ich da anfangen? Hast du von meinem Sportunfall gelesen?«

»Keine Details, nur dass du lange krank warst und nie wieder Football spielen kannst. Ein Unfall auf dem Spielfeld.«

Ich verziehe das Gesicht. »Ja, war ziemlich schmerzhaft, so in die Mangel genommen zu werden. Instabiler Wirbelbruch im Lendenwirbelbereich, Operation, Korsett, Rehabilitation, das ganze Programm.«

»Aber du bist wieder vollständig gesund?«

Irre ich mich oder höre ich da Besorgnis? »Ja, ich kann ein normales Leben führen. Nur eben ohne Leistungssport.«

»Und deswegen hast du mit Lance Britton diese Firma für Sportlermanagement gegründet?«

»Nicht ganz. Zum einen saß ich zu der Zeit in einem ziemlich tiefen Loch, weil meine Frau mich wenige Wochen nach dem Unfall verlassen hat.«

Leslie hebt die Brauen. »Ich hoffe, dass sie andere Gründe hatte als deine Erkrankung.«

»Nein. Sie wollte keinen Krüppel an ihrer Seite.«

»Aber du bist doch wieder fit.«

»Das stand damals in den Sternen.«

»Jetzt sag bloß, sie ist später wieder angekrochen gekommen.«

»Nein, aber das hätte ich auch niemals zugelassen. Stattdessen habe ich schnellstmöglich die Scheidung eingereicht. Auf jeden Fall hat Lance mich in dieser exklusiven Reha-Klinik besucht und mir den Vorschlag mit der eigenen Firma gemacht. Wir sind befreundet, seitdem wir beide nach San Francisco gezogen und am Anfang Nachbarn gewesen sind. Ich war zuerst skeptisch und hatte kaum Energie oder Lust, darüber nachzudenken, doch Lance hat nicht aufgegeben. Und dann ist auch noch mein Großvater verstorben und hat mir ein ansehnliches Erbe hinterlassen. Zusammen mit dem Geld meiner Unfallversicherung ergab sich ein dickes Sicherheitspolster, also habe ich mir gedacht, was solls, versuche ich es eben. Die passenden Studienfächer hatte ich damals ja.«

Ihre Lippen kräuseln sich zu einem leichten Lächeln. »Hoffentlich macht dir der Job wenigstens inzwischen Spaß.«

Ich muss lachen. »Ja, sehr sogar. Auf diese Weise habe ich noch viele Bezüge zu meinem alten Leben und der Sportwelt.«

»Okay, aber ich sehe da keinen Zusammenhang, warum du so lange gebraucht hast, um herzukommen.«

»Oh, du irrst dich. Nachdem ich den Brief gelesen und von Hope erfahren habe, habe ich sofort gehandelt. Und das hätte ich auch getan, wenn es früher passiert wäre.«

Sie runzelt die Stirn. »Was soll das heißen? Dass die Agentur den Brief ein Jahr lang aufbewahrt hat, oder was?«

»Nein, sie haben mir den Brief sofort weitergeleitet, obwohl sie gar nicht mehr für mich tätig waren, seit dem Unfall. Meine Ex-Frau hat einen ganzen Haufen Unterlagen einfach liegen gelassen, während ich ans Bett gefesselt war. So gesehen muss ich vermutlich froh sein, dass sie den Papierkram nicht sofort weggeworfen hat. Dann hätte ich niemals erfahren, dass ich eine so süße Tochter habe.«

Etwas in Leslies Blick verändert sich, doch zwei Sekunden später schlägt sie die Augen nieder und trinkt von ihrem Bier.

Also fahre ich fort. »Vor ein paar Wochen bin ich dann in mein neues Apartment gezogen, hatte aber erst letztes Wochenende Zeit, genau diese Sachen zu sichten. Du kannst dir sicherlich vorstellen, wie geschockt ich war. Erst recht, als ich die Telefonnummer gewählt habe und ein Mann drangegangen ist. Im ersten Moment habe ich nur gedacht, das sei Angies Mann oder Freund, aber er kannte sie nicht. Und in dem Moment kam Panik auf, also bin ich schnellstmöglich hergeflogen.«

Nun ist es an mir, einen Schluck zu trinken. Trotzdem beobachte ich sie.

Ihre Reaktion irritiert mich. Sie kaut auf ihrer Unterlippe und nestelt an dem Flaschenetikett herum, als ob sie mir etwas Unangenehmes mitzuteilen hätte.

Langsam stelle ich mein Bier ab. »Sag schon, wo ist Hope? Wurde sie adoptiert? Oder schlimmer noch, lebt sie in dem Heim, in dem du arbeitest?«

Sie schüttelt den Kopf. »Nein, sie ist nicht im Kinderheim.«

»Also wurde sie adoptiert, ja?«

Ein Nicken.

»Okay, dann suche ich mir einen Anwalt. Ich habe keine Ahnung von der Rechtslage, aber ich würde sagen, ich habe die besten Chancen, das Sorgerecht zu bekommen.«

»Ja, das befürchte ich auch.«

Ärger wallt in mir auf. »Du befürchtest? Ich bin ihr leiblicher Vater.«

»Das ist mir bewusst.«

»Dann kannst du mich nicht ausstehen.« Beleidigt setze ich mich kerzengerade hin.

»Das habe ich nie gesagt.«

Ihre Stimme klingt erstickt, was mich noch mehr verwirrt. Und als sie mich ansieht, steigert sich das zu Bestürzung. Da sind Tränen in ihren Augen.

»Herrgott, was ist es denn dann? Sag mir endlich die Wahrheit.«

Leslie presst die Lippen zusammen, atmet tief durch und strafft die Schultern. »Hope ist bei mir.«

»Bei dir?« Mein Herz hämmert los, ich spüre Erleichterung. »Aber du hast doch gesagt ...«

»Ich habe sie adoptiert.«

»Was?«

Ich habe das Gefühl, in einen Strudel gezogen zu werden, der mich in die Tiefe reißt. Irgendetwas läuft hier gerade vollkommen falsch, das darf nicht sein!

»Angie hatte niemanden mehr, das weißt du vielleicht noch. Ich glaube, das hat sie dir sogar geschrieben. Und als du nicht aufgetaucht bist ... hat sie mich gebeten, Hope zu adoptieren. Ich kenne sie von klein auf, war immer eine Art Tante für sie. Ich liebe Hope über alles, schon immer. Und jetzt ...«

»... komme ich daher.« Um Hope zu holen.

Sie zuckt mit den Schultern.

In meiner Brust zieht sich etwas schmerzhaft zusammen, all ihre Reaktionen ergeben nun einen Sinn.

»Das ist ...« Mir fehlen die Worte.

»Genau.«

Ich trinke mein Bier aus, schaue mich nach dem Kellner um und winke ihn heran.

»Willst du auch noch eins?«

»Nein, danke.«

Also bestelle ich nur eine Flasche für mich, lehne mich zurück und richte den Blick auf die Straße, ohne etwas zu sehen. In meinem Kopf schießen die Gedanken umher wie Flipperkugeln.

Unzählige verfickte Flipperkugeln.

Wie soll es jetzt weitergehen?

Will meine Tochter mich überhaupt kennenlernen?

Wird Leslie mir Steine in den Weg legen?

Mich Hope gegenüber schlecht machen?

Scheiß drauf, sie ist jetzt deine Feindin.

Mein Verstand nervt, aber irgendwo ... hat er recht. Sie hat meine Tochter und wird sie mir wohl kaum freiwillig überlassen. Und das werde ich niemals akzeptieren.

Ich presse die Lippen aufeinander, bis der Kellner mir das neue Bier bringt und ich mich knapp bei ihm bedanke.

Leslie räuspert sich. »Ich würde Hope gerne schonend auf euer erstes Treffen vorbereiten.«

»Das heißt, Angie hat mich ihr verschwiegen.« Die Worte klingen härter, als sie sollten, aber okay, sie soll wissen, dass von jetzt an ein anderer Wind weht.

»Dass es dich gibt, weiß sie.«

»Ah, dann bin ich wohl das Schwein, das ihre Mutter sitzengelassen hat.«

In ihren Augen lodert Zorn auf. »Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Kommst nach Ewigkeiten hier an und meinst, du könntest den betrogenen Mann raushängen lassen, oder was?«

Ich stütze die Arme auf dem Tisch ab und beuge mich vor. »Stimmt in gewisser Weise, meinst du nicht auch? Angie hat mich um meine Tochter betrogen.«

»Es war auch ihre Tochter«, zischt sie und neigt sich mir entgegen.

»Ich wäre vom ersten Tag an Teil ihres Lebens gewesen. Hätte sie finanziell unterstützt, alles für sie getan.«

»Ja, sicher. Das sagst du jetzt.«

»Beweis‘ mir das Gegenteil.«

»Dann erinnere dich doch mal an deine Studienzeit. Du warst ein Player, hast nur dein Vergnügen und das große Geld im Football gesehen. Damals hättest du Angie beschimpft und die Vaterschaft abgestritten.«

Wütend beuge ich mich weiter vor, sie ist der Wahrheit näher, als mir lieb ist.

»Du hast keine Ahnung, wer ich war oder bin. Oder wie ich in dem Fall reagiert hätte. Das weiß ich ja kaum.«

»Oh, ich habe in meinem Berufsleben schon zu oft solche Menschen kennengelernt.« Sie kommt mir so weit entgegen, dass uns nur noch Zentimeter voneinander trennen. »Egoisten, die ihre Bedürfnisse über die ihrer Kinder stellen. Sie für alles büßen lassen, was in ihrem eigenen Leben falsch läuft. Hope wäre der Klotz an deinem Bein gewesen. Der Grund dafür, wenn deine Karriere nicht so steil verlaufen wäre oder du keine Frau gefunden hättest.«

Gott, ich möchte sie im Nacken packen und küssen, ihr damit beweisen, dass ich ein guter Mann bin.

Was total hirnrissig ist.

Reiß dich zusammen!

Also beherrsche ich mich und spreche mit leiser, frostiger Stimme weiter. »Noch einmal, du hast keine Ahnung. Ich werde Hope der beste Vater sein.«

Sie verzieht den Mund, betrachtet mein Gesicht und setzt sich wieder gerade hin. »Schon klar, mit deinem Geld kannst du schließlich alles erreichen.«

»Das hat null mit Geld zu tun.«

»Nein, nur mit deiner Arroganz.« Sie nimmt ihre Handtasche von der Stuhllehne und steht auf. »Ich schreibe dir, wann und wo wir uns treffen können.«

»Ich warne dich ...«

Da fährt ihr Kopf hoch und sie funkelt mich an. »Wovor? Willst du mich fertigmachen? Mein Leben zerstören? Glaub mir, das hast du bereits.«

Sie dreht sich um, hält aber inne und zerrt etwas aus ihrer Tasche. Einen Plastikbeutel, den sie mir mit Wucht auf den Tisch knallt.

»Hier, für den Vaterschaftstest, den du garantiert machen lassen wolltest.«

Damit marschiert sie davon.

Und lässt mich aufgewühlter zurück, als ich sein sollte.

Was, zum Teufel, läuft hier falsch?

 

 

Kapitel 4 – Leslie

»Mr. Cannon, haben Sie ein paar Minuten Zeit für mich?«

Der Rechtsanwalt, der das Heim in allen rechtlichen Fragen rund um die Kinder unterstützt, sieht von seinem Laptop auf und lächelt, als er mich erkennt.

»Leslie! Natürlich, kommen Sie herein.«

»Danke.« Ich schließe die Tür des Archivs hinter mir, auf das er bei Bedarf als eine Art Büro zurückgreifen kann. Unter dem Fenster steht ein großer viereckiger Tisch mit acht Stühlen, der Rest des Raumes ist mit überfüllten Aktenschränken und Regalen bestückt, die sämtliche Kinder betreffen, die seit der Gründung 1879 hier gelebt haben. Miles Cannon sitzt neben dem Fenster, ich lasse mich auf dem Stuhl über Eck nieder.

»Wie geht es Ihnen und Hope?« Der großväterliche Mann mit Wohlstandsbauch schiebt die Lesebrille auf sein grau meliertes Haar und wendet sich mir zu.

»Soweit gut, danke. Aber ich befürchte, das wird sich bald ändern.«

Er runzelt die Stirn. »Wie kommen Sie darauf?«

»Ihr leiblicher Vater ist aufgetaucht.«

»Jetzt? Warum?«

Ich erzähle ihm die Geschichte, die Raphael »Rafe« Walker mir aufgetischt hat.

»Glauben Sie ihm?«

»Macht das einen Unterschied?« Ich schlinge die Arme um mich.

»Nein, vermutlich nicht.«

»Ich weiß, Sie haben Angie und mir damals schon gesagt, dass er rechtlich gesehen immer Vorrang haben wird. Aber kann ich das irgendwie verhindern?«

Der Rechtsanwalt zuckt mit den Schultern. »Da müsste es schon gravierende Punkte geben, die gegen ihn als Vater sprechen.«

»Können Sie welche ausgraben?«

Ein leises Lachen rollt aus seiner Brust hoch. »Wie stellen Sie sich das vor?«

»Keine Ahnung. Es ist nur ... Sie wissen, wie sehr ich Hope liebe. Ich werde sie ihm nicht kampflos überlassen, niemals.«

»Gibt es keine Möglichkeit, dass Sie beide sich gütlich einigen? Dass Sie Hopes Patentante werden, Umgangsrecht erhalten, etwas in der Art?«

In Gedanken an den gestrigen Streit schnaube ich. »Im Moment sieht es keineswegs danach aus, nein. Er ist ein arrogantes, reiches Arschloch. Und lebt in San Francisco.«

»Ah.« Mr Cannon seufzt. »Das ist natürlich mehr als schlecht.«

»So könnte man es ausdrücken.« Meine Stimme versagt, ich muss an gestern denken. Wutentbrannt bin ich nach Hause marschiert, stundenlang durch meine Wohnung getigert, wenn ich nicht gerade versucht habe, seine Leichen im Internet zutage zu fördern. Blöd, dass ich keine gefunden habe. Und auch sonst nichts Negatives. Es sei denn, ich verdrehe ein paar Details, bis sie ihn in einem schlechten Licht dastehen lassen würden.

»Versuchen Sie, ihn zum Hierbleiben zu überreden. Oder finden Sie etwas, das ich dem zuständigen Richter vorlegen kann. Ach ja, und sobald er in Sachen Sorgerecht aktiv wird, geben Sie mir Bescheid. Mehr können wir aktuell nicht tun.«

Ja, das habe ich befürchtet.

»Okay. Trotzdem danke, Mr. Cannon.« Ich stehe auf und schiebe den Stuhl an den Tisch.

»Kein Problem, Leslie. Ich helfe Ihnen, wo ich nur kann.«

»Das weiß ich. Wir sehen uns.«

Er nickt und wendet sich wieder seinem Laptop zu.

Bedrückt kehre ich an meine Arbeit zurück, schiebe das aber zur Seite. Jetzt muss ich mich erst einmal um die Heimbewohner und ihre Bedürfnisse kümmern.

Bei Feierband rufe ich Hope vom Innenhof herein, wo sie schon fast den ganzen Tag mit den anderen Kindern gespielt hat. Fehlt nur noch ihre Tasche aus Romys Zimmer, damit wir nach Hause können.

Hand in Hand laufen wir Richtung Washington Avenue und sie erzählt mir überschwänglich von den Erlebnissen des gestrigen Ausflugs sowie des heutigen Tages. Meine Kleine klingt so glücklich und zufrieden, dass mir ganz warm ums Herz wird. Wenn ich das bald nicht mehr miterleben dürfte ... In mir zieht sich alles vor Kummer zusammen.

»Was wollen wir denn heute zu Abend essen?«

»Können wir Nudeln mit Tomatensoße kochen?«

Ich muss lachen, wenn es nach ihr ginge, würden wir das mindestens jeden zweiten Tag essen. »Aber nur, wenn du mir hilfst.«

»Ehrensache.«

Noch so etwas, über das ich grinsen muss. Sie und Sandy lieben ausgefallene Wörter und benutzen jede Woche ein Neues, dessen Bedeutung sie kaum verstehen, geschweige denn, dass sie es richtig schreiben können. Hauptsache, es klingt cool.

»Perfekt.«

In unserem Apartment angekommen schlüpfe ich in Shirt und kurze Leggings, während Hope ihre Tasche auspackt. Dann kommt sie zu mir in die Küche, die langen blonden Locken mit einem Haargummi zusammengefasst.

Untermalt von Musik kochen, reden, lachen wir und hören auch beim Essen kaum damit auf. Am Ende machen wir zusammen den Abwasch und tanzen sogar zu einem unserer Lieblingssongs.

Hope trocknet den letzten Löffel ab und legt ihn in die Schublade. »Leslie, können wir noch ein wenig Lesen üben, bevor ich ins Bett muss?«

Mein Herz hämmert los, ich schalte das Radio aus. »Heute nicht, Süße, wir müssen etwas besprechen.«

»Oh, was denn?«

»Was hältst du von einem Eis zum Nachtisch? An unserem Lieblingsplatz?«

»Au ja!« Strahlend hüpft sie zum Kühlschrank und holt die Eispackung aus dem Tiefkühlfach, während ich mich um Schälchen und Besteck kümmere.

Ich mache uns zwei kleine Portionen Chocolate Chip, sie gießt ein wenig Schokosoße darüber. Damit gehen wir zu dem offenstehenden Fenster im Erker des Wohnzimmers und kuscheln uns einander gegenüber in die Kissen auf der Sitzbank darunter.

Um ein wenig Zeit zu gewinnen, esse ich den ersten Löffel und lasse mir das Eis auf der Zunge zergehen. Von draußen drängen die üblichen Geräusche herein, vorbeifahrende Autos, ein Hupen, Kindergeschrei, schwache Musik. Die Bäume rauschen in einer leichten Brise, die auch den typischen Großstadtgeruch aus Abgasen, Asphalt und Müll hereinweht, und die Sonne verschwindet hinter dem Haus auf der anderen Seite. Ich werfe einen Blick hinunter auf die Straße und überlege, wie ich das Gespräch am besten eröffne.

»Was müssen wir denn besprechen? Ist es was Schlimmes?«, reißt Hope mich schließlich aus meinen Gedanken. »Habe ich etwas angestellt?«

Erschreckt schaue ich sie an. »Um Himmels willen, nein. Wie kommst du darauf?«

»Na ja, Mama hat auch oft so geredet, wenn ich Mist gebaut habe.«

Mir zieht sich das Herz zusammen. »Nein, Süße, du hast keinen Mist gebaut.«

»Warum guckst du dann so ernst?« Sie schiebt sich einen weiteren Löffel Eis in den Mund und lutscht ihn genüsslich ab.

Mit einem Seufzen lege ich den Löffel in meine Schale. »Kannst du dich an letztes Jahr erinnern, als Mommy so krank wurde?«

»Ja.« Trauer huscht über ihr Gesicht, dann schaut sie aus dem Fenster zum Himmel hinauf und lächelt. »Aber sie ist jetzt da oben und sieht immer auf mich herunter.«

»Ja, das tut sie.« Ich lächele schmerzlich. »Und weißt du auch noch, wie wir diesen wichtigen Brief geschrieben haben? An deinen Dad?«

Sie nickt und schaut mich an, das Lächeln ist verschwunden. »Aber er ist nie gekommen. Weil er mich nicht lieb hat.«

»Was? Nein!«

»Aber wenn er mich lieb hätte, wäre er doch zu mir gekommen, oder?«

»Er wusste vorher nichts von dir, Hope.«

»Warum nicht?«

»Weil deine Mommy es so wollte. Ich glaube, das war alles sehr kompliziert.«

»Okay.« Sie isst einen Löffel Eis, blickt auf ihr Schälchen hinab.

»Würdest du dich denn darüber freuen, wenn dein Dad doch noch herkommt?«

Sie kaut auf ihrer Lippe. »Ich glaube, schon.«

»Okay.«

»Aber ich würde wissen wollen, warum er zu spät kommt. Erst, wo Mommy im Himmel ist.«

»Möchtest du ihn das vielleicht persönlich fragen?«

»Wie soll das denn gehen?«

»Er war gestern hier.«

»Wirklich?« Sie reißt die Augen auf.

»Mh-hm.«

»Hat er mich vielleicht doch lieb?«

»Das kannst du ihn dann auch fragen. Möchtest du ihn treffen?«

»Ja!«, ruft sie begeistert, stutzt aber. »Ich weiß nicht. Was passiert dann?«

»Erst einmal nichts. Ihr lernt euch nur kennen.«

»Oh, okay. Und wann?«

»Wann möchtest du ihn denn sehen? Vielleicht morgen Nachmittag auf dem Spielplatz? Oder sollen wir ihn zum Abendessen einladen?«

»Ich glaube, erstmal auf dem Spielplatz.« Mit einem Mal wirkt sie verschüchtert, stochert in ihrem Eis herum. »Kann Sandy auch dabei sein?«

»Wenn Chloe einverstanden ist ...«

»Ich frage sie morgen.«

Oh, das werde ich parallel ebenfalls mit meiner Lieblingsnachbarin besprechen.

»Gut. Dann schreibe ich ihm, dass wir uns um fünf auf dem Spielplatz treffen, ja? Ich hole euch beide ab und wir gehen rüber.«

»Mh-hm.« Sie rührt ihr Eis zu einem Brei. »Leslie?«

»Ja?«

»Bleibst du bei mir?«

»Natürlich bleibe ich bei dir.«

Mit großen Augen sieht sie mich an. »Für immer?«

Mir schießen Tränen in die Augen, ein riesiger Kloß schnürt mir den Hals zu.

Scheiße, ich kann sie doch jetzt auf keinen Fall belügen. »Wenn du das möchtest.«

Sie nickt heftig.

Ich strecke die Arme nach ihr aus, das Schälchen in der Linken. »Komm her, mein Schatz.«

Hope krabbelt zu mir, setzt sich neben mich und drückt sich an meine Seite, das Eis noch in der Hand. Ich schlinge die Arme um sie und halte sie fest, lege das Kinn auf ihren Kopf und schließe die Augen. Der süße Duft ihres Pfirsichshampoos steigt mir in die Nase, vermischt mit ihrem eigenen Aroma.

Wenn ich nur wüsste, wie es weitergeht und was am Ende passiert.

Ich würde sämtliches Leid auf mich nehmen, wenn sie dafür mit ihrem Vater glücklich wird. Denn es wird unweigerlich darauf hinauslaufen, dass ich sie gehen lassen muss. Ich spüre das, nein, ich weiß es. Weil das die Rechtslage ist. Das war mir von Anfang an bewusst, aber ich habe es verdrängt.

Meine Hoffnung, mit Hope zu leben und sie aufwachsen zu sehen, ist mit jedem Tag ohne Rafe gewachsen. Und jetzt ist es amtlich, ich bin die Verliererin in diesem Scheißspiel.

Einen Moment lang hadere ich mit dem Schicksal, doch schließlich erwacht mein Selbstvertrauen. Ich will nur das Beste für Hope und ich werde sie auf keinen Fall widerstandslos hergeben.

 

*

 

»Erzählst du mir nachher, wie es gelaufen ist? Ich habe euch fürs Abendessen eingeplant.«

Ich drehe mich auf dem Treppenabsatz zu Chloe um und lächele schief. »Okay, danke.«

Sie nickt und wendet sich an die beiden Mädchen, die gerade am Ende der Treppe ankommen. »Dann viel Spaß und benehmt euch, verstanden?«

Sandy dreht sich um und winkt. »Ja, Mom.«

»Bis später!« Ich eile ihnen nach und hole sie auf dem Gehweg ein.

»So, ihr beiden. Nicht zu weit vorrennen, okay?«

»Okay«, antworten sie synchron, reichen sich die Hand und hüpfen vor mir her.

Lächelnd schüttele ich den Kopf und fasse den Trageriemen meiner Tasche fester. Ich glaube, ich bin nervöser als die beiden zusammen.

Was soll ich mir für das Treffen wünschen? Dass es komplett in die Hose geht? Dass Antipathie zwischen den beiden herrscht? Oder dass sie sich sofort mögen? Ich habe keine Ahnung.

Mit jedem Meter steigt meine Aufregung, und zwar so sehr, dass ich von innen heraus zittere. Wie soll ich das nur in den Griff bekommen? Selbst meine gesamten Erfahrungen als Sozialpädagogin scheinen kaum zu helfen, vermutlich, weil es etwas Persönliches ist.

Unvermittelt bleibt Hope stehen, womit sie beinahe Sandy von den Füßen reißt, und dreht sich mit geweiteten Augen zu mir um.

»Ich weiß gar nicht, wie mein Dad aussieht.«

»Oh, das ...« Ich lache verlegen und krame mein Smartphone hervor. Gebe seinen Namen bei Google ein und erhalte im Bruchteil einer Sekunde Tausende Fotos.

»Hier, schau mal.« Ich hocke mich neben sie und tippe auf ein Bild, auf dem er so aussieht wie vorgestern, schick im Anzug. Dann rufe ich eines in Jeans und T-Shirt auf, was ihn aber ohne Dreitagebart zeigt.

»Ui, der sieht aber gut aus.« Sandy betrachtet die Fotos ebenfalls.

Hope starrt sie an. »Was heißt das?«

»Das sagt meine Mom immer, wenn ihr jemand gefällt.«

»Ist es das Gleiche, wie wenn ich von Benny sage, dass er süß ist?«

Ich grinse. »Du findest Benny aus deiner Klasse süß?«

Sie lächelt mich an und zuckt mit den Schultern. »Ja, schon, irgendwie.«

»Interessant.«

»Und wie findest du meinen Dad? Auch süß?«

Mir schießt Hitze ins Gesicht und mein Bauch erinnert mich an meine bisherigen Reaktionen. Selbst am Dienstagabend war da dieses Kribbeln. Bevor wir aneinandergeraten sind.

»Ähm ...« Erneut lache ich, noch verlegener als vorhin, und stehe auf. »Ja, er sieht gut aus, da muss ich Sandy zustimmen.«

Die ruckt an Hopes Hand. »Und wie heißt dein Dad?«

Sie schauen einander an, dann mich.

Das haben wir ihr eigentlich schon letztes Jahr erzählt, es wundert mich nicht, dass sie ihn vergessen hat, bei dem ganzen Mist der vergangenen Monate.

»Oh! Raphael. Oder Rafe, wie er selbst sagt.«

»Muss ich ihn Dad nennen?«

Ich öffne den Mund, halte aber inne. »Ich schätze, auch das musst du ihn selbst fragen.«

»Okay.« Sie läuft weiter und zieht Sandy mit sich.

Ich beeile mich, den Anschluss zu halten. Schiebe das Handy in die Handtasche und betrachte meine Adoptivtochter von hinten. Sie trägt knielange Leggings und ein Shirt, dazu ihren Lieblingsrock und Sneakers.

Wie es wohl in ihrem Innern aussieht?

Was geht ihr durch den Kopf?

Hat sie Angst? Ist sie aufgeregt? Freut sie sich auf das Treffen?

Das Kinderlachen vom Spielplatz ist bereits deutlich zu hören und ich blicke auf.

Da entdecke ich Rafe vor dem Haupteingang zum Spielplatz, die Hände halb in den Jeanstaschen vergraben. Sandy hat recht, er sieht gut aus, verdammt gut sogar. Aber das ist mir schon seit Montag bewusst. Und natürlich reagiert mein verräterischer Körper mit diesem Kribbeln, doch ich schiebe es mit Nachdruck zur Seite. Das ist vollkommen unpassend.

Er will sie dir wegnehmen, schon vergessen?

Ah, schon besser. Jetzt muss ich nur noch die Wut anstacheln.

Die Mädchen hören auf mit dem Gehopse und gehen langsam auf ihn zu.

Ich beobachte, wie Hope zu ihm aufsieht und drei Schritte vor ihm stehen bleibt.

Doch es ist Sandy, die das Wort ergreift. »Bist du Hopes Daddy?«

Rafe schaut sie mit gehobenen Brauen an, hockt sich hin und wendet sich erst einmal Hope zu. »Hallo, Hope. Ich bin Rafe. Dein ... Dad.«

»Hallo.« Zaghaft hält sie ihm die Hand hin, er schüttelt sie.

»Und ich bin Sandy, ihre beste Freundin.«

Ich beiße mir auf die Lippe und verkneife mir ein Lächeln. Es war eine super Idee, Sandy mitzunehmen.

»Hallo, Sandy. Nett, dich kennenzulernen.« Er schüttelt auch ihre Hand.

»Dürfen wir rutschen gehen?«

»Oh, ähm, klar.«

Die Mädchen stürmen auf den Spielplatz und er richtet sich auf, sieht ihnen nach.

»Hallo.« Die Hände um den Trageriemen gekrallt, trete ich näher.

Rafe wendet sich mir zu, betrachtet mich zwei Sekunden lang nachdenklich.

»Hallo.« Seine Stimme ist ernst.

Habe ich etwas anderes erwartet?

Ich straffe die Schultern. »Wollen wir reingehen? Es gibt Sitzbänke.«

Er nickt und deutet mit der Hand Richtung Eingang, also gehe ich vor.

Die beiden Mädchen haben sich zu ein paar anderen Kindern gesellt, auf das größte der Spielgeräte. Sie klettern durch die Türme, rutschen die gewundene Rutsche hinab und steigen wieder hinauf.

Ich wähle die nächstgelegene freie Bank und lasse mich darauf nieder, schlage die Beine übereinander und stelle die Tasche daneben ab. Der Riemen bleibt in meinen Händen, ich brauche etwas zum Festhalten.

Den Blick auf Hope gerichtet setzt er sich neben mich, höchstens zehn Zoll entfernt und die Arme auf den Knien abgestützt. Nicht nur, dass er mir damit eigentlich viel zu nah ist, wie mir das Kribbeln in meinem Bauch sagt. Nein, natürlich muss auch noch ein laues Lüftchen wehen und mir seinen Duft in die Nase befördern.