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Wenn ein Schriftsteller und zweifacher deutscher Poetry-Slam-Meister einen Nichtraucher-Ratgeber schreibt, dann ist eines schon klar: Dies wird keine dogmatische Entwöhnungsbibel, sondern eine erfrischende Mischung aus humorvoller Selbstreflexion und unorthodoxer Lebenshilfe. Micha Ebeling weiß um die Diskriminierung von Rauchern in der Öffentlichkeit und die gemeinschaftsstiftenden Aspekte des Rauchens ebenso wie um dessen Schädlichkeit und alle Schwierigkeiten aufzuhören. Pointiert und selbstironisch erzählt er aus seiner Raucherbiografie, polemisiert genussvoll gegen selbst ernannte Entwöhnungspäpste und nimmt Raucher, Ex-Raucher, Wiederholungstäter und notorische Rückfallkandidaten behutsam an die Hand und führt sie in eine Rauchpause. Denn Aufhören, sagt Micha Ebeling, das kann man trainieren.
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Seitenzahl: 238
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MICHA EBELING
EIN LIGHTFADEN FÜR RAUCHER,EX-RAUCHER, GELEGENHEITSRAUCHER UNDNOTORISCHE RÜCKFALLKANDIDATEN
geboren 1965 in Magdeburg, lebt und arbeitet als Autor in Berlin. 2007 erschien sein erster Erzählungsband »Restekuscheln« (Voland & Quist). Er liest bei der Berliner Lesebühne »LSD – Liebe statt Drogen« und gewann zusammen mit Volker Strübing bei den deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften zweimal den Teamwettbewerb.
E-Book-Ausgabe Juni 2014
© Satyr Verlag Volker Surmann, Berlin 2014www.satyr-verlag.de
Cover: Markus Freise (www.markus-freise.de)
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet abrufbar über: http://dnb.d-nb.de
Die Marke »Satyr Verlag« ist eingetragen auf den Verlagsgründer Peter Maassen.
ISBN: 978-3-944035-34-5
Begrüßung
Lunge, komm bald wieder! Die entspannte Art, vielleicht mit dem Rauchen aufzuhören
Kapitel 1: Wie alles begann
Kapitel 2: Die Zigarette kehrt zurück
Kapitel 3: Fahrraddiebstahl und Zigarette
Kapitel 4: Die NVA, die Krankenschwester und die Sucht
Kapitel 5: Rauchen – Aufhören – Rauchen – Aufhören – Rauchen …
Kapitel 6: Der Nikotin-Exorzismus. Oder: Der Meister und ich
Kapitel 7: Der Rückfall und seine Gründe
Kapitel 8: Wieso ich nun doch wieder aufhören wollte, und weshalb ich nach irgendwas gesucht habe, das mir die Sache irgendwie leichter macht als sonst
Kapitel 9: Gesucht, gefunden und ausprobiert
Kapitel 10: Kritik
Kapitel 11: Rauchpause – Die Methode
Kapitel 12: Das Drumherum und die Verknüpfungen
Kapitel 13: Wir kommen langsam zum Ende
Tschüss und danke
für Ivo
- Ich habe wieder angefangen.
- Mit dem Rauchen?
- Nein, mit dem Aufhören.
Guten Tag, mein Name ist Micha Ebeling. Ich bin Raucher.
Oder ehemaliger Raucher, Ex-Raucher, trockener Raucher. Ganz wie Sie wünschen. Suchen Sie sich eine Bezeichnung aus.
Da ich mich vor vielen Jahren für diesen Weg in die Sucht entschieden habe und viele Jahre geraucht habe, bin und bleibe ich ein Raucher. Obgleich ich mich zur Zeit in einer Rauchpause befinde. So wie Sie vielleicht bald auch!
In diesem Buch möchte ich Sie mitnehmen auf eine kleine Reise. Eine Reise durch die Welt des Rauchens, vor allem meine Welt des Rauchens. Ich werde das Rauchen und vor allem die Raucher nicht verteufeln, jedoch das Rauchen auch nicht verharmlosen. Wie viele Dinge im Leben, die Spaß machen, ist es gefährlich. Denken Sie nur an so schöne Beschäftigungen wie Volcano Boarding, Höhlentauchen, Wingsuit Flying oder Trainsurfen auf der Heckscheibe eines ICE. Je nach körperlicher Konstitution wirkt das Rauchen auf jeden Organismus unterschiedlich gefährdend. Ob es nur die Bestzeiten beim Ironman beeinträchtigt oder am Ende doch zu Lungenkrebs führt, das weiß man vorher nicht und ist bei jedem anders. Da Rauchen nicht unter Strafe steht und somit letztlich, trotz Rauchverbots in vielen Einrichtungen, nicht wirklich reglementiert wird, ist es eine freie Entscheidung, zu rauchen oder nicht zu rauchen. Niemand wird dazu gezwungen. Die deutliche Tendenz ist heutzutage, dass vom Rauchen abgeraten wird. Trotzdem wird geraucht. Trotzdem frönen etliche diesem Laster und befinden sich in unterschiedlich stark ausgeprägter Abhängigkeit vom Rauchen.
Nachdem ich viele Jahre geraucht hatte, fand ich für mich einen Weg, damit aufzuhören. In diesem Buch gibt es eine kleine Auseinandersetzung mit Allen Carr und seinem Buch »Endlich Nichtraucher!«. Es ist dies die Rauchentwöhnungs-Bibel schlechthin – das Standardwerk. Es wird und wurde hochgelobt. Auch ich habe einen meiner Versuche, mit dem Rauchen aufzuhören, damit begonnen. Von Tausenden geheilten Rauchern spricht Carr sicher zu Recht im ersten Kapitel seines Buches.2 Ich bin inzwischen fest davon überzeugt – Studien darüber sind mir nicht bekannt –, dass ein großer Teil jener, die mit Allen Carrs unempathischer und imperativer Holzhammermethode einst aufgehört haben, inzwischen längst wieder rückfällig geworden ist. So wie auch ich. Zusammen sind wir vermutlich inzwischen auch schon wieder ein paar Tausend.
Meines Erachtens steckt der Fehler dieser Methode schon im Titel – »Endlich Nichtraucher!«. Nichtraucher ist man durch die Gnade der Geburt. Wir alle kommen als Nichtraucher auf die Welt. Wenn wir diesen paradiesischen Zustand der Unschuld in Bezug auf Tabak einmal verlassen haben, können wir nicht mehr an diesen Ort zurückkehren. Ich habe vor vielen Jahren in einer frommen Gemeinde erlebt, wie einem jungen Mädchen, das sich mit seinem Freund der »Sünde« hingegeben hatte, im Verlauf einer vom Heiligen Geist begleiteten »Krankenheilung« ein »geistiges« Hymen eingebetet wurde. Nun ja. Ganz das Gleiche ist das dann doch nicht mehr. Ein Alkoholiker bleibt ein Alkoholiker. Ein Raucher bleibt ein Raucher. Wer einmal geraucht hat, ist kein Nichtraucher mehr und kann auch keiner mehr werden. Ein Raucher jedoch kann sich dazu entschließen, weniger oder überhaupt nicht mehr zu rauchen. Das ja. Und an dieser Stelle nun kommt mein Evangelium ins Spiel, meine gute Botschaft an mich und an all jene rückfällig Gewordenen und eben auch an Sie:3 Das mit dem Rückfall ist überhaupt nicht schlimm. Wer einmal aufgehört hat, kann es ein weiteres Mal tun. Es ist keine Schande, rückfällig zu werden, so wie es die Ideologie Carrs unterschwellig permanent vermittelt. Wir sind Menschen. Wir haben Schwächen. Wir haben, vielleicht aus einer Schwäche heraus, begonnen zu rauchen. Dann mit viel Mut und Kraft und gutem Willen aufgehört und dann ... sind wir wieder schwach geworden. Na und? Aufhören kann man trainieren!, so das Credo meines Buches. Die brutale Konditionierung durch andere Methoden kann überwunden werden. Gehirnwäsche ist in meinen Augen nicht der richtige Weg, sich seinen Schwächen zu stellen. Ich habe im letzten Jahr ein neues und schönes Wort gelernt: Selbstmitgefühl. Da steckt viel drin. Verständnis für sich selbst. Der Wunsch, den Dingen in sich, mit sich und um sich herum auf den Grund zu gehen. Aber auch Milde walten zu lassen gegenüber den eigenen Schwächen und Fehlern.
Aus diesem Weg der Sanftheit, der Ehrlichkeit, sich selbst und anderen gegenüber, kann auch ein völlig neuer Umgang mit dem Rauchen erwachsen.
Vielleicht werden Sie eine Zeit lang eine On-Off-Beziehung mit der Zigarette führen. Vielleicht wird man Sie sogar ab und an ein bisschen auslachen, so wie ich das erlebte, wenn Sie mal rauchen und mal nicht. Na und? Nur Sie können in sich spüren, wie Sie durch jeden Versuch aufzuhören ein bisschen stärker werden, ein bisschen cleverer gegenüber dem »Feind«. Am Ende wird es Ihnen vielleicht wie mir ergehen, dass Sie sich, sollten Sie wirklich einmal rückfällig geworden sein, sogar richtig freuen auf den nächsten Versuch, mit dem Rauchen aufzuhören.
Mark Twain soll einmal gesagt haben: »Mit dem Rauchen aufzuhören ist kinderleicht. Ich habe es schon hundertmal geschafft.« Obwohl er diesen Spruch sicher humoristisch gemeint hat, so steckt in seinen Worten aus meiner Sicht mehr Weisheit, als der alte Pfiffikus vom Mississippi geahnt hat.
Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und vor allem viel Spaß bei einem neuen, bei Ihrem Weg, Ihre Beziehung zur Zigarette letztgültig zu gestalten.
Vielleicht frei nach dem Motto urbaner Beziehungskultur: Lass uns Freunde bleiben!
Micha Ebeling
Berlin, 26.02.2014
1Ja ja, Sie haben recht, das ist schon so was wie ein Vorwort. Aber ich dachte, wenn ich »Vorwort« schreibe, dann lesen Sie es vielleicht nicht.
2Alle Zitate in diesem Buch nach: Allen Carr, »Endlich Nichtraucher! Der einfache Weg, mit dem Rauchen Schluß zu machen«. Vollständige Taschenbuchausgabe (Mosaik bei GOLDMANN, München: 1998). Hier: Vgl. S. 19
3Selbst wenn Sie bisher nie rückfällig geworden sind, sondern das erste Mal versuchen, mit dem Rauchen aufzuhören, ist das vollkommen okay!
Die Antwort ist »Ja«! Schlicht und ergreifend »Ja«! Ein weiteres Buch zum Thema Rauchen, beziehungsweise »Wie höre ich damit auf«, ist nötig, lieber Leser, lieber Raucher, liebe Nichtraucherin, liebe Partnerin einer Raucherin, lieber E-Zigaretten-Freak, lieber Nurmalsoinderbuchhandlungimbuchblätterer. Ich jedenfalls finde, dass es nötig ist. »Weshalb?«, werden Sie nun weiterfragen. Das will ich Ihnen gerne erläutern.
Erstens hatte ich Lust, darüber ein Buch zu schreiben, schließlich bin ich Schriftsteller. Zweitens finde ich, dass die selbst ernannten Nikotin-Gurus dazu längst nicht alles gesagt, ja meines Erachtens manches sogar verschwiegen haben. Drittens kenne ich genügend Leute, die es bislang mit den bereits auf dem Markt existierenden Büchern nicht geschafft haben, mit dem Rauchen aufzuhören. Auch ich habe einst vor Jahren mit Allen Carrs Buch aufgehört zu rauchen. Und drei Jahre später wieder damit angefangen.
Wenn ich mal eben nachrechne, dann komme ich auf eine gut fünfundzwanzigjährige Raucherkarriere, auf die ich zurückblicken kann. Nicht schlecht, oder? Allerdings mit Unterbrechungen. Was nichts anderes heißt, als dass ich mehr als einmal versucht habe, mit dem Rauchen aufzuhören. Zwar war es mir nicht dauerhaft gelungen, doch ich habe eine Menge Erfahrung gesammelt mit dem Rauchen und mit dem Aufhören. Damit fällt mir noch ein weiterer Grund ein, weshalb ich prädestiniert bin, ein Buch zu diesem Thema zu schreiben. Ich habe nur fünfundzwanzig Jahre minus die rauchfreien Jahre geraucht. Und ein Mensch, der nur fünfundzwanzig Jahre etwas falsch gemacht hat, hat vielleicht andere Erfahrungen gemacht und deshalb andere Dinge zu erzählen als jemand, der dreiunddreißig Jahre etwas falsch gemacht hat in seinem Leben. (Allen Carr hat nach eigenen Angaben dreiunddreißig Jahre geraucht.4)
Nun liegt es mir fern, in die gleiche Kerbe zu hauen, wie es Allen Carr und seine Nachfolger tun. In diesem Buch soll es nicht darum gehen, wie schädlich das Rauchen ist und wie nutzlos und wie gesundheitsgefährdend. Das weiß doch jeder selber und wenn nicht, kann das in den Ratgebern von Allen Carr, Stefan Back und wie sie alle heißen ausführlich nachgelesen werden. Neuerdings mischt da auch »Krankheit als Weg«-Guru Rüdiger Dahlke mit. Die geben sich echt Mühe, die durchaus negative Wirkung von Zigaretten zu beschreiben. All diesen Autoren/Therapeuten ist eins gemeinsam: Sie haben es geschafft, mit dem Rauchen aufzuhören, und dann ein Buch oder mehrere Bücher darüber geschrieben. Genau das habe ich auch gemacht, ein Buch über das Aufhören geschrieben. Nur behaupte ich nicht, dass ich es geschafft habe, für immer mit dem Rauchen aufzuhören. Sondern ich behaupte, dass ich eine Methode gefunden habe, mit der jeder – ich oder Sie oder wer auch immer – eine RAUCHPAUSE einlegen kann. Und wie lange ich diese Pause mache, das hängt eben von mir ab. Und wie lange Sie diese Rauchpause machen, das hängt von Ihnen ab!
So!
Wichtiger Absatz mit wichtigem Hinweis: Als ich mit dem Schreiben meines Buches fertig war, fiel mir in der Buchhandlung ein Buch in die Hände. Das Buch der Schweizer Psychoanalytikerin Maja Storch mit dem schönen Titel »Rauchpause«. Genauso wollte ich eigentlich mein Buch nennen. Ein Schlag ins Kontor, wie man früher gesagt hat, als man noch »Kontor« gesagt hat. Heute sagt man »Büro«. Oder, hier in Berlin Mitte, »Office«. Ein herber Rückschlag jedenfalls. Also, falls Sie, liebe Frau Storch, dieses Buch hier mal in Händen halten, so seien Sie versichert, dass der Begriff »Rauchpause« eben auch mir eingefallen ist, unabhängig von Ihnen. Aber so wie ich eben Begriffe wie Zigarette, Nikotin und Rauchen verwenden werde, weil es darum in diesem Buch geht, werde ich auch den Begriff Rauchpause verwenden, weil er integraler Bestandteil meiner hier beschriebenen Methode ist. Ansonsten unterscheiden sich unsere Bücher sicher ausreichend, sodass sie vielleicht eines Tages friedlich nebeneinander im Regal stehen können, wie ein Mercedes und ein BMW in der Garage eines Ex-Rauchers, der sich die beiden Luxusschlitten von der Lunge abgespart hat. Wichtiger Hinweis zu Ende.
War aber wichtig. Finde ich. Zumal ich großer Fan der Schweiz bin. Und so gar kein Fan von Guttenbergerei.
Weiter im Text: Mir geht es in meinem Buch, bei meinem Ansatz auch nicht darum, gleich die ganze Welt glücklich und zufrieden zu machen, sondern vielleicht nur um die paar Freunde und Bekannte, die es nicht geschafft haben, von der Raucherei zu lassen. Auch nicht mit dem Buch von Allen Carr, den ich im Folgenden der Einfachheit halber fast immer nur »Meister« nennen werde. Und warum haben es manche Raucher meiner Meinung nach nicht geschafft? Zum Beispiel aus ANGST, wie ich glaube. Aus Angst, nie wieder rauchen zu dürfen. Und genau dieses NIE WIEDER! ist fast allen Ratgebern gemeinsam, die bislang auf dem Markt sind. Das mag für den einen oder anderen Entsagungswilligen funktionieren. Ich glaube, dass es nicht bei allen Aufhör-Anwärtern funktioniert. Auch haben mir einige dieser hartgesottenen5 Raucher erzählt, dass sie das Buch vom Meister nicht lesen konnten, weil sie sich von ihm zu sehr gegängelt und bevormundet vorkamen. Unter anderem für diese Menschen schrieb ich mein Buch. Es soll von Sanftheit und Verständnis für den Raucher geprägt sein, für den Menschen im Raucher. Ich habe für meine Methode den Begriff RAUCHPAUSE gewählt, um für diesen Teil der Raucherpsyche erst mal einen »Gehgips«, eine Krücke, eine mentale Entlastung zur Verfügung zu stellen. Für das Anfangen mit dem Aufhören spielt es überhaupt keine Rolle, was morgen ist, was nächsten Monat ist, was nächstes Jahr oder in zehn Jahren ist. Auch will ich keine Feindbilder aufbauen gegenüber dem Rauchen und dem Tabak und schon gar nicht dem Raucher gegenüber. Sonst findet man sich sehr schnell in einer schizophrenen Situation wieder. Mir fällt dabei die ganze Zeit dieser Witz ein, der früher an der Schule erzählt wurde. Es gibt davon wohl mehrere Varianten. Aber der Kern besteht aus folgender Geschichte:
Auf einer Insel leben schwarze Sklaven. In der Ferne sieht man das Festland. Es geht die Legende, dass, wer das Ufer des Festlandes erreicht, weiße Haut bekäme. Eines Tages gelingt es drei Sklaven zu fliehen. Wobei sie gegen zweierlei Gefahr zu kämpfen haben. Die Entfernung und Krokodile. Es ist ein Kampf auf Leben und Tod. Wie wild schwimmen die drei los. Nach etlichen Stunden kommt der erste am Ufer an und wird tatsächlich weiß. Als er im Wasser zwei schwarze Sklaven sieht, die sich dem Ufer nähern, sucht er am Strand nach einer langen Stange und hindert die erschöpften Sklaven so lange daran, ans Ufer zu kommen, bis der erste ertrunken ist und der zweite von den Krokodilen gefressen.
Also, nicht Krieg und Kampf will ich hier entfachen, sondern Waffenstillstand, Vergebung, Verständnis, inneren Frieden und vor allem Gelassenheit mit sich, der Sucht und dem Wunsch, davon loszukommen, versuche ich zu vermitteln. Und jetzt verrate ich Ihnen gleich noch was: Damit es überhaupt ein Buch wird, werde ich sehr viele autobiografische, mein eigenes Raucherdasein betreffende Dinge erzählen. Die Methode selbst ist nämlich schnell erklärt. Aber es soll ja ein ganzheitliches Erlebnis für Sie werden. Im Prinzip will ich Ihnen zeigen, wie Sie Ihre eigene Methode finden beziehungsweise sich erarbeiten können, einfach indem ich Ihnen berichte, wie ich es gemacht habe. Insofern ist es vielleicht ganz interessant für Sie, ein paar Details einer fremden Raucherkarriere zu lesen. Ihre ist sicher nicht viel anders. Aber ich habe nun meine aufgeschrieben, und für ein paar Euro können Sie sie jetzt lesen. Oder Sie setzen sich in Ihrer Buchhandlung auf einen Lesestuhl und schmökern vor sich hin. Dann kostet es nichts. Aber da Sie ja eine Menge Geld sparen, wenn Sie schon bald nicht mehr oder sehr viel weniger rauchen, ist die Ausgabe für dieses Buch sinnvoll investiert. (Allen Carr empfiehlt in »Endlich Nichtraucher!« seinen Lesern ja dringend, erst mit dem Rauchen aufzuhören, wenn sie das Buch zu Ende gelesen haben.6 Dazu fiel mir als kleiner Trick im Zusammenhang mit meinem Buch ein: Rauchen Sie doch einfach nicht, solange Sie es lesen! Dadurch wird das Buch automatisch refinanziert, und Sie können schon mal völlig unmethodisch testen, wie sich das Nichtrauchen so anfühlt.) Die Arbeit des Schreibens habe ich Ihnen schon abgenommen. Wobei ich nicht verhehlen will, dass es für Sie selbst sehr hilfreich sein kann, wenn Sie sich ebenfalls mal hinsetzen und die Stationen Ihrer Raucherkarriere aufschreiben. Nicht so ausführlich wie ich, nein, stichpunktartig reicht. Selbst wenn Sie das nicht tun, werde ich Sie später dennoch zu einem Mitmachspiel auffordern. Wobei man natürlich auch alles im Kopf machen kann. Aber wenn Sie zu denen gehören, die alles im Kopf können, dann haben Sie hier, an dieser Stelle des Buches, schon gewonnen. Dann können Sie in Zukunft ja einfach im Kopf rauchen. Und zwar so viel Sie wollen. Das richtet kaum Schaden an. Und ich sage Ihnen, so ein tiefer Lungenzug frische Luft mit im Kopf vorgestellter Zigarette ist schon eine Wucht. Aber wenn Ihnen das nicht auf Anhieb gelingt, dann lesen Sie weiter oder illern schon mal ein bisschen in dem Kapitel »RAUCHPAUSE – Die Methode«. (»Illern« ist sächsisch und steht für »heimlich oder unauffällig einen Blick auf etwas werfen«.)
Jetzt komme ich aber zu einem Punkt, wo nicht rumgeillert wird. Ich finde, dass es an der Zeit ist, offen und gerade auch in einem Rauchentwöhnungsbuch über den sozialen Aspekt des Rauchens zu sprechen. Rauchen ist eine Sucht, sicher, aber es macht eben doch auch Spaß und schleicht sich als Ritual in viele Lebensbereiche ein. Da erzähle ich nichts Neues. Ich bin ein leidenschaftlicher Kaffeehausgänger. Ich saß, während ich an diesem Buch schrieb, meist im Raucherstübchen meines Stammcafés. Warum? Gewohnheit. Die Kaffeehausfreunde. Die Gemütlichkeit. Wer den sozialen Aspekt, den das Rauchen für viele hat, nicht mitbetrachtet, der therapiert an der Sache vorbei, finde ich. Überhaupt finde alles in diesem Buch nur ich so. Es sind extrem subjektive Meinungen und Erfahrungen, die ich hier zum Besten gebe, nur damit das mal klar ist und niemand sich aufregen muss. Ich erhebe keinen wissenschaftlichen Anspruch, und ich verbräme meine Erfahrungen auch nicht pseudowissenschaftlich. Ich sage nur, dass Rauchen tatsächlich auch Spaß machen kann. Kürzlich, auf dem Flohmarkt, hat mein alter Freund und Krimibuchhändler Georgi genau das auch gesagt: Er liebe das Rauchen und tue es nur nicht mehr wegen der nun langsam davon angekratzten Gesundheit. Wieso soll ich diesem hedonistisch veranlagten und durchaus lebensklugen Mann das Gegenteil weismachen wollen? Das kann er denken, und das darf er sagen. Mich stört’s nicht. Und wenn er demnächst rückfällig werden sollte, dann ist dieses Buch hoffentlich schon gedruckt, und ich kann’s ihm rüberschieben. Oder gegen einen Krimi tauschen. Ich bin in vielerlei Hinsicht ein Suchtmensch, wie Sie noch merken werden. Unter anderem auch krimisüchtig. In Buch- und Filmform.
Der Meister wiederum behauptet ein ums andere Mal zur Unterstützung seiner Botschaft, »dass das Rauchen überhaupt nichts bringt«.7 So ist es sicher auch – aus einem bestimmten Blickwinkel heraus. Aber eben nur aus einem bestimmten. Ansonsten hat das Rauchen einen durchaus gemütlichen und kommunikationsfördernden Charakter. Man kann damit den Tag oder bestimmte Zeiträume in Einheiten einteilen. Sicher, zuletzt sind es meist sehr kleine Zeitabschnitte. Man kann Gesprächspausen damit füllen. Wenn Raucher beieinander sind, können sie eine für Außenstehende fast unsichtbare Zärtlichkeit untereinander entwickeln bei der Darreichung von Feuer, dem Ranschieben des Aschenbechers. Soziale Hierarchien können ausgelotet, verschoben und sogar nivelliert werden beim Sich-gegenseitig-Zigaretten-Anbieten. Da entwickeln sich Codes, mit Hilfe derer Begegnungsfelder abgesteckt werden können. Es hat schon etwas von Nähe und Geborgenheit, wenn man in einer vollgequalmten Bude oder Kneipe beim Bier sitzt und Skat oder Schach spielt. Vielleicht fallen mir im Verlaufe des Buchs auch noch mehr Beispiele ein. Sicher fallen auch Ihnen noch Beispiele ein, denn jeder lebt anders, genießt anders, raucht anders.
Warum schreibe ich mir und Ihnen das Rauchen scheinbar schön? Nun, weil mir dieses einseitige Rumgehacke auf dem Rauchen in den letzten Monaten seit der schrittweisen Durchsetzung der Antirauchergesetze auch ein bisschen auf die Nerven geht. Ich kenne Leute, die wollen überhaupt nicht aufhören zu rauchen. Um die geht’s mir hier natürlich nicht.
Die Methode, die ich empfehle, um eine RAUCHPAUSE zu machen, ist auf wenigen Seiten beschrieben. Damit es ein ganzes Buch wird, werde ich mich bemühen, den einen oder anderen Aspekt zu diesem Thema unterhaltsam darzulegen. Letztlich ist dieses Buch kein reines Sachbuch gegen das Rauchen und soll für alle, die es in die Hand nehmen, ein Lesespaß sein.
Wie lange Sie die RAUCHPAUSE einhalten, das ist Ihre Sache. Im Idealfall bis an Ihr hoffentlich weit in der Zukunft liegendes Lebensende. Was ich möchte, ist, Ihnen eine Möglichkeit vorzustellen, mit deren Hilfe Sie relativ entspannt aufhören können. Sie sollen beim Lesen dieses Buches entspannt sein. Sie sollen während des Aufhörens entspannt sein. Sie sollen ab jetzt eigentlich immer entspannt sein. In Wirklichkeit heißt dieses Buch nämlich: »Endlich für immer entspannt!« Aber Scherz beiseite. Für dauerhafte Entspannung gibt es sicher bessere Methoden als meine und bessere Lehrer als mich. Mein Akupunkteur hilft mir sehr beim Entspanntsein. Beim Aufhören mit dem Rauchen kann er vermutlich nicht wirklich helfen. Sich selbst konnte er jedenfalls noch nicht vom Rauchen befreien.
In der klassischen Literatur (so nenne ich jetzt mal Allen Carrs Werke und die seiner Epigonen) wird immer davon gesprochen, wie entspannt man danach, nach dem Aufhören ist. Aber der Weg dorthin ist gepflastert mit einer Menge von Imperativen, also Vorschriften, Aufforderungen und »Befehlen«. Ich finde die Anleitungen im Nachhinein und noch mal genauer unter die Lupe genommen reichlich unentspannt. Ich will versuchen, meine Methode für Sie ein wenig softer, netter und weniger bedrohlich zu gestalten.
Ein Aspekt meiner Methode ist der, dass Zeitpunkte und Zeit keine Rolle spielen. Oft liest man in der klassischen Literatur, der Buchschreiber habe dann und dann schlagartig aufgehört. Der Meister nennt als Datum seiner persönlichen Erleuchtung den 15. Juli 1983.8 Man kann ja fast alles googeln heutzutage. Vermutlich finden Sie auch was über Rauchentwöhnung im Internet. Aber man kann auch ein Datum googeln. Also habe ich spaßeshalber9 mal dieses magische Datum gegoogelt. Unter anderem kann man diesen Text finden: »Fast drei Stunden lang sendet die illegale spanische TV-Station Televisión Comercial aus einem Kino in Barcelona. Das Programm enthält vorwiegend Aufrufe und Manifestationen von Politikern, Sängern und Journalisten zugunsten privaten Fernsehens und Erklärungen gegen das staatliche Fernsehmonopol.« Diese zufällig von mir gefundene Information, die auf den ersten Blick nichts mit mir und meinem Buch zu tun hat, war mir aber irgendwie ein Zeichen, weiter an meinem Buch zu arbeiten und gegen das Antirauch-Monopol vom Meister anzuschreiben. Soll heißen, es kann nie schaden, wenn Monopole durch Alternativen aufgeweicht und durch kleine Initiativen hinterfragt werden.
Aber weiter im Text und mit dem Thema Zeit. Viele hören zu Silvester auf. Das kennen Sie sicher. Hier nun soll es anders sein. Keine Zeitpunkte, keine Daten, keine Strichlisten. Kein Brimborium. Wobei ich das natürlich keinem verbieten will. Wenn jemand ein Kontrollfreak ist, dann soll er kontrollieren, bis der Arzt kommt. Schließlich heißt das Buch ja nicht »Endlich außer Kontrolle«.
Sie können als jemand, der eine RAUCHPAUSE macht, auch voll der militante Antiraucher werden. Wenn Sie das wünschen, bitte sehr. Das soll jeder machen, wie er’s braucht. Aber ich hoffe inständig, dass Sie mit diesem Buch und dieser Methode die Sache völlig relaxed angehen können. Wenn mich einer fragt: »Und, wann hast du aufgehört zu rauchen?«, dann lautet meine Antwort: »Oh, das weiß ich gar nicht.« Das gehört nämlich zu meiner Methode dazu, nicht darüber nachzudenken, wann ich aufgehört habe und auch nicht, wie lange ich nicht rauchen werde.
Ich lege es einfach nicht fest. Es ist einfach ein Im-Hier-und-Jetzt-Sein mit dem Nichtrauchen. Mag sein, dass ich im Verlaufe unserer gemeinsamen Reise hier und da einmal esoterisch anmutende Dinge von mir gebe. Das liegt daran, dass ich mich selbst als Halbesoteriker sehe und manchen Ansatz, manche Sicht auf das Leben aus dieser Ecke ganz hilfreich finde. Aber keine Angst, ich werde Sie nicht bitten, sich mit Ihrem persönlichen Schutzengel zu verbinden oder Kontakt zu Ihrem inneren Behinderten aufzunehmen, damit Sie die Sache in den Griff kriegen. Nein, nein, das sei ferne!
Es ist nur so, dass zumindest ich diesen Kniff, bei dem Nichtrauchen nicht in Zeiträumen zu denken, hilfreich finde. Die RAUCHPAUSE soll ein bisschen funktionieren wie ein Regenschirm, den man mit sich trägt und der einen genau dort vor dem Regen schützt, wo man gerade steht oder geht. Ob es da, wo ich grad war, noch regnet, oder dort, wo ich hinkomme, regnen wird, was schert mich das jetzt in diesem Augenblick?
Vielleicht ist das ganze Buch nur entstanden, weil ich damals einen Improvisationstheater-Kurs gemacht habe, in dem es auch ständig darum ging, im Hier und Jetzt zu sein. Außerdem habe ich mich zum Zeitpunkt des Beginns meiner Rauchpause und zum Zeitpunkt des Buchschreibens sehr intensiv mit Erleuchtung beschäftigt, wo es auch sehr viel darum geht, dass wir den derzeitigen Augenblick wahrnehmen und, wenn möglich, genießen sollen.
In der Einladung für eine Theateraufführung der Kursteilnehmer nach einem solchen Improvisationstheaterkurs hieß es sinngemäß: »They enter the stage empty. They have no idea what it is going to be about or how it is going to feel. They just discover the beauty of believing in the present, accepting each moment for what it is.« Den Moment akzeptieren, so wie er ist. Wenn Sie sich angewöhnen, diesen oder jeden Moment so zu akzeptieren, wie er ist, können Sie das ja auch dazu nutzen zu akzeptieren, dass keine Zigarette da ist, die Sie eben mal schnell rauchen können. Was Sie stattdessen tun können, das erzähle ich Ihnen schon noch.
Da ich in erster Linie Kurzgeschichtenerzähler bin und kein Antirauch-Therapeut, wird das Buch hauptsächlich um mich und meine Raucherkarriere gehen. Und es wird um das Buch des Meisters gehen, mit dem ich mich in einem – zugegebenermaßen ziemlich langen – Kapitel kritisch auseinandersetze. Wer aber ungeduldig ist und jetzt gar nicht das ganze Buch lesen will, der kann natürlich gleich im Inhaltsverzeichnis nachschauen unter »RAUCHPAUSE – Die Methode«.
Für alle anderen erzähle ich zunächst ein bisschen aus meiner Vergangenheit als Raucher, von meinen Abenteuern mit dem Aufhören und vom Verlust meiner Nichtraucher-Unschuld. Wobei ich Ihnen empfehle, sich auch Ihre Erfahrungen mit dem Rauchen zu notieren. Einfach, um einen höheren Bewusstheitsgrad bezüglich der Rauchthematik für sich selbst zu entwickeln. Mein Vater erzählte immer gerne folgenden Witz: »Eines Tages konnten die Leute in der Zeitung diese Annonce lesen: ›Wie wird man Millionär? Antwort auf diese Frage erhalten Sie, wenn Sie mir schreiben und 5 Mark in den Umschlag tun!‹ Alle, die einen solchen Brief an den Mann schickten, erhielten eine Postkarte mit der Empfehlung: Machen Sie es wie ich!«
Nun brauchen Sie nicht gleich noch ein Buch zu dem Thema schreiben, es sei denn Sie hätten eine wieder noch viel bessere Idee als der Meister, seine Jünger oder ich. Aber schreiben Sie für sich selbst auf, wie es bei Ihnen zum Rauchen kam. Denn Selbstreflexion ist der erste Schritt aus der selbst verschuldeten Nikotinabhängigkeit!
4Vgl. S. 16
5Trifft in diesem Falle sogar mal wörtlich zu, das schöne Adjektiv.
6Vgl. S. 21
7S. 12
8Vgl. S. 12
9Mein Bruder hat früher immer »spaßeNshalber« gesagt und mich damit zur Weißglut getrieben, komisch nicht wahr?!
Meine ersten Erinnerungen an das Rauchen haben mit meinem Vater zu tun. Der war Raucher. Und zwar in erster Linie Pfeifenraucher. Es war die Zeit von: »Drei Dinge braucht der Mann. Feuer, Pfeife, Stanwell.«
Diese drei Dinge mochte mein Vater, genauso wie den dazugehörigen Quizmaster Hans-Joachim Kulenkampff, der damals Werbung machte für den Pfeifentabak Stanwell. Ebenso wie auch Loriot, an dessen Filmchen man sich auf YouTube noch heute erfreuen kann.
Gleich vorweg, ich will hier keinerlei Betrachtungen darüber anstellen, wie häufig statistisch gesehen Kinder von Rauchern Raucher werden. Das kann bei Bedarf und Interesse jeder für sich selbst vornehmen. In meinem Falle spielte es unterbewusst bestimmt eine Rolle.
Ich weiß jedenfalls noch genau, wie scharf ich immer darauf war, meinem Vater Feuer geben zu dürfen mit einem Streichholz. Anzünden, den herrlichen Schwefelqualm einatmen (ich rieche übrigens auch gerne Benzin, vielleicht besteht da ein Zusammenhang?), warten, bis sich das Flämmchen stabilisiert hat, und dann Vaters Saugen an der Pfeife, wobei die Streichholzflamme tief in die Pfeife reingezogen wurde. Ich hab mich immer gewundert über den gummiartigen Charakter der Flamme und darüber, dass sie bei diesem harten Ansaugen nicht ausging. Ging sie aber nicht. Dann der zufriedene Gesichtsausdruck des Vaters und der meist wohlriechende Duft des Tabakqualms. So fing das wohl an. Sonntags gab’s auch mal Zigarre. In den Westpaketen war extra für Vater immer Rauchware drin. Meist Pfeifentabak, oft Zigarillos oder Zigarren, seltener Zigaretten. Vater rauchte aber alles. Ein echter Allesraucher. Für uns Kinder hatte das einen gewissen Vorteil. Denn in den Westpaketen war natürlich auch immer Schokolade drin. Die mein Vater, obwohl er Raucher war, trotzdem gerne aß. Aber mit dem Hinweis, dass er dieses und jenes zum Rauchen bekommen hätte, konnten wir seinen Anteil an den ansonsten sehr gerecht auf alle anderen Familienmitglieder aufgeteilten Süßigkeiten recht klein halten. Oder er bekam lediglich die Bitterschokolade, die außer ihm keiner aß.