Luramos - Der letzte Drache - Carina Zacharias - E-Book

Luramos - Der letzte Drache E-Book

Carina Zacharias

4,8

Beschreibung

Die Bäume weinen nur äußerst selten und nie ohne Grund. Wenn ihre Tränen den Waldboden benetzen, bedeutet das, dass diese alten und weisen Wesen etwas wissen, das unsere Wahrnehmungsgabe übersteigt. Großes Unheil wird über Romanien kommen. Und niemand kann sagen, worin dieses Unheil besteht. Dreihundert Jahre lang hat Luramos, der letzte Drache, in einer einsamen Höhle geschlafen, fast vergessen von den Elfen, Menschen und Baumlingen. Nun jedoch lässt der Zauber, der ihn in seinem künstlichen Schlummer gefangen hält, nach. Luramos droht aufzuwachen und die Bewohner Romaniens schweben in großer Gefahr. Nur der Auserwählte des Elfensteins kann sie noch schützen. Er soll den weiten Weg bis zu Luramos' Höhle antreten und den Zauberbann erneuern, um den gewaltigen Drachen dreihundert weitere Jahre schlafen zu lassen. Die Wahl des Elfensteins jedoch fällt anders aus, als erwartet. Und niemand ahnt etwas von dem Feind, der all die Jahre ausgeharrt hat, durstend nach Rache ...

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Luramos

Der letzte Drache

Carina Zacharias

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Impressum

Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

Besuchen Sie uns im Internet - papierfresserchen.de

© 2. überarbeitete Auflage 2020 Papierfresserchens MTM-Verlag GbR

Mühlstr. 10, 88085 Langenargen

Alle Rechte vorbehalten. Erstauflage erschienen 2010. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Herstellung + Lektorat: CAT creativ - cat-creativ.at

Cover gestaltet von © Mariam Keinashvili

ISBN: 978-3-96074-375-0 - Taschenbuch

ISBN: 978-3-96074-376-7 - E-Book

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Inhalt

Impressum

Prolog

Die Versammlung

Die Reise beginnt

Beobachtet

Gefährten

Waldgeflüster

Vollmond

Salzige Tränen

Ketaris

Die Elfen

Audienz bei der Königin

Das Fest

Aufbruch

Getrennte Wege

Luramos

Zu spät

Unter vier Augen

Ein neues Ziel

Botschafter aus dem Wald

Das Gesicht eines Kriegers

Wanderung

Das Zeltlager

Von Pfeilen und Schneeflocken

Umkehr

Die Schlacht

15 Jahre später

Die Autorin

Buchtipp

*

Für Lina,

die beste Erstleserin, Kritikerin und Freundin,

die man sich nur wünschen kann.

Und für meine Familie,

die mich immer unterstützt.

*

Prolog

Noch einmal kräuselte sich das Wasser, dann zerflossen die Farben und das Bild verschwamm, bis die Wasseroberfläche wieder schwarz und spiegelglatt dalag. Der Magier nahm die Hände von der steinernen Wasserschale und blickte auf. Langsam gewöhnten sich seine Augen an das tanzende Licht der Fackeln an den kahlen Wänden seines Gemachs. Und noch langsamer sickerte die Erkenntnis in sein Bewusstsein: Es war so weit! Das Warten hatte ein Ende. Sein Pulsschlag beschleunigte sich und ein Kribbeln durchlief seinen Körper vom Scheitel bis zu den Fußsohlen. Es war so weit! Fast hatte er schon nicht mehr daran geglaubt. Endlich löste er sich aus seiner Starre und ging raschen Schrittes aus dem Raum, vor dessen Eingang zwei Gnome postiert waren, die teilnahmslos an die Wand starrten.

„Was steht ihr hier herum?“, herrschte er sie an, obwohl ihm klar war, dass genau das die Aufgabe war, die er ihnen zugeteilt hatte. „Bringt mir Raklin! Und zwar schnell! Ich erwarte ihn in der großen Halle.“

Hastig ließen sich die zwei Gnome auf alle viere nieder und liefen den langen Flur entlang. Die scharfen Krallen an ihren Füßen und Händen kratzten dabei über den glatten Stein. Der Magier aber wandte sich in die entgegengesetzte Richtung, sein schwerer, dunkelblauer Umhang schleifte hinter ihm her über den Boden.

Es war so weit! All seine Gedanken drehten sich um diesen einen Satz, er wiederholte ihn im Kopf wieder und wieder, bis er sich mit dem Klang seiner Schritte auf dem Fußboden und seinem eigenen Herzschlag zu einem endlosen Rhythmus verband.

Am Ende des von Fackeln gesäumten Flurs lag die große Halle. Ihr Eingang wurde von einer schweren Holztür verschlossen und von einem Gnom bewacht, der sich nun beeilte die Tür zu öffnen und eine ungeschickte Verbeugung machte, als der Magier an ihm vorbei schritt.

Die Wände der Halle waren von großen Glasfenstern durchbrochen, hinter denen nun nichts als die Schwärze der Nacht zu sehen war. Die Halle war leer und kahl wie der Rest des Schlosses, bis auf einen imposanten steinernen Thron, der auf einer Thronempore direkt gegenüber der Eingangstür stand. Der Magier stieg die wenigen Treppenstufen hinauf zu seinem Thron und ließ sich eben darauf nieder, als ein hechelnder Gnom in die Halle hastete. In der Mitte des Raumes besann er sich zu einem würdigeren Gang auf zwei Beinen und ging gemessenen Schrittes auf den Fuß der Treppe zu, wo er sich respektvoll verneigte. „Ihr habt nach mir gerufen, Meissster?“, fragte er, wobei er das S zischelnd in die Länge zog.

Kurz musterte der Magier den Gnom vor sich, der ihm aufrecht stehend gerade bis zur Hüfte reichte. Mit seinem schmächtigen, sehnigen Körper, der grauen Haut, den kleinen Ohren und gelben Augen unterschied er sich zunächst nicht von all den anderen Gnomen. Erst auf den zweiten Blick fiel der Halbmond an seiner rechten Schläfe auf. Das Brandmal, mit dem die treuesten Gefolgsleute des Magiers gekennzeichnet waren.

„Ja, das habe ich.“ Der Magier umschloss mit den Händen die Lehnen seines Throns und beugte sich vor, ehe er mit lauter Stimme sprach: „Die Zeit ist gekommen. Du weißt, was du zu tun hast.“

Einen Herzschlag lang starrte Raklin seinen Meister mit großen Augen an, dann verzog sich sein lippenloser Mund zu einem fratzenhaften Lächeln, das zwei Reihen rasiermesserscharfer Zähne entblößte. „Ja, Meister.“

„Sammle deine Gefährten um dich. Ihr werdet noch diese Nacht aufbrechen!“

„Ja, Meister!“ Noch einmal verbeugte sich der Gnom demütig, dann ließ er sich wieder auf alle viere nieder und hastete aus der Halle.

Der Magier lauschte dem Kratzen seiner Krallen, bis sie nicht mehr zu hören waren. Dann erhob er sich langsam und ging auf eine Glastür an der linken Wand der Halle zu, die auf einen kleinen Balkon führte. Gierig sog er die kühle Nachtluft ein, als er hinaus und an das steinerne Geländer trat. Der Mond stand am Himmel und sein silbernes Licht fiel auf das mächtige Schloss und die kahlen Berge ringsherum. Und auf eine kleine Schar von Gnomen, die weit unter ihm aus dem Schloss lief und hinter einer Kurve dem Blick des Magiers entschwand.

Eine Weile stand der Magier nur ganz still da und schaute in die Nacht hinaus. Dann krallten sich seine Finger in das Geländer und ein glucksendes Kichern drang aus seiner Kehle, das bald in einem unkontrollierbaren Lachanfall endete. Er warf seinen Kopf in den Nacken und lachte. Er lachte sein wahnsinniges Lachen ohne jeden Frohsinn und er war unfähig, damit wieder aufzuhören. Der Wind trug sein Lachen noch weit über die schneebedeckten Berge, bis endlich die Dämmerung aufzog und mit den ersten Sonnenstrahlen auch wieder Ruhe einkehrte.

*

Die Versammlung

Ralea drückte sich mit dem Rücken so eng wie möglich an eine Hauswand. Am liebsten wäre sie darin verschwunden. Mit offenem Mund beobachtete sie das Treiben vor sich auf der Straße. Sie hatte noch nie so viele Menschen gesehen! Es wurde gedrängelt, geschubst und geflucht, während sich diese riesige Menschenmasse Richtung Marktplatz schob.

„Ralea!“ Ein Mädchen schälte sich aus den eng zusammengedrängten Leibern und kam auf sie zu.

„Lora!“, rief Ralea erleichtert. Die Freundinnen umarmten sich, gaben sich gegenseitig Halt und Zuversicht durch diese kurze Berührung, ehe sie sich wieder voneinander lösten.

„Komm, lass uns zum Marktplatz gehen. Vielleicht können wir noch einen halbwegs guten Platz ergattern.“

Widerwillig nickte Ralea und ließ es geschehen, dass Lora sie an der Hand fasste und hinter sich herzog, während sie sich durch die Menschenmasse drängelte.

Ihr Dorf war für die Versammlung ausgewählt worden, da es das größte der Menschendörfer war. Doch … doch nun waren fast alle Menschen, die nicht weiter als eine Tagesreise entfernt wohnten, hierher geströmt, um dabei sein zu können ... und solch einem Ansturm war es allem Anschein nach nicht gewachsen.

Mittlerweile hatten sie den Marktplatz erreicht. Ralea stellte sich auf die Zehenspitzen, um über die Köpfe der Leute hinweg schauen zu können, und erhaschte einen Blick auf ein behelfsmäßiges Podium, das in der Mitte des Platzes aufgebaut worden war und auf dem nun die acht Dorfobersten auf einfachen Stühlen Platz genommen hatten – je ein Repräsentant für jedes der Menschendörfer, die umgeben von dichtem Wald im Süden Romaniens lagen.

„Komm“, sagte Lora. „Wir schlagen uns weiter nach vorne durch.“

Eigentlich hatte Ralea wenig Lust dazu, am liebsten wäre sie gleich umgekehrt und nach Hause gerannt. Ihr war das alles viel zu eng, von allen Seiten wurde sie angerempelt und geschubst und selbst das Atmen fiel ihr schwer. Doch Lora hatte schon wieder ihre Hand ergriffen und Ralea seufzte resigniert, während sie hinter der Freundin herlief. Es war schon immer so gewesen, dass Lora die Forschere und Selbstbewusstere von ihnen gewesen war, während Ralea als ruhig und besonnen galt. „Gegensätze ziehen sich nun mal an“, so hatten die alten Frauen ihre innige Freundschaft stets kommentiert. Und das galt nicht nur für ihren Charakter, sondern auch für ihr Aussehen. Lora zog mit ihrem seidigen blonden Haar und ihren tiefblauen Augen seit einiger Zeit die Blicke der Dorfjungen auf sich. Ralea empfand sich selbst nicht als schön. Ihre braunen Haare waren ihr viel zu widerspenstig, ihre Lippen nicht voll genug und ihre Augen waren zwar von einem schönen Braun, doch ihre Wimpern viel zu kurz.

Einige Rempler, wüste Beschimpfungen und Fußtritte später standen die Mädchen so weit vorne, dass sie einen guten Blick auf das Holzpodium hatten. Ein paar Reihen weiter vor ihnen verlief eine niedrige Mauer aus aufeinandergeschichteten Strohballen. Dahinter standen die wackeren jungen Männer, die sich freiwillig zur Wahl gestellt hatten, mit hoch erhobenem Haupte und schauten zu dem Podium vor ihnen auf oder auf die Menschenmasse hinter ihnen. Überrascht bemerkte Ralea auch einige Frauen und ältere Männer unter ihnen. Auch Loras ältester Bruder Limon gehörte zu den mutigen Abenteurern. Lora schien ihn entdeckt zu haben und rief immer wieder seinen Namen, bis er sich umdrehte und ihnen zuwinkte. Ralea winkte lächelnd zurück. Dann drehte sie sich um und ließ ihren Blick über die vielen Köpfe hinter sich schweifen, in dem vergeblichen Versuch ihre Eltern zu entdecken.

Dabei stellte sie erleichtert fest, dass die nachrückenden Menschen nicht mehr versuchten sich noch mit auf den Markt zu drängeln, sondern stattdessen anfingen, auf die Dächer der umliegenden Häuser zu klettern. Auch wenn es vielleicht albern war, hatte Ralea unterbewusst die Angst gehegt, an einer Hauswand zerquetscht zu werden.

„RUHE!“

Ralea fuhr herum. Der Dorfoberste ihres Dorfes war aufgestanden und hatte sich in die Mitte des Podiums gestellt. Neben ihm stand ein leerer Stuhl, doch machte er keine Anstalten, sich darauf zu setzen. Noch zwei weitere Male musste er brüllen, ehe wirklich Ruhe einkehrte. Es war geradezu unheimlich, so viele Menschen um sich zu wissen, die alle schwiegen und ihre Aufmerksamkeit einem einzigen Mann schenkten. Die Spannung in der Luft war zum Greifen.

„Ist das aufregend!“, flüsterte Lora.

Ralea nickte nur.

„Meine Damen und Herren!“, begann der Dorfoberste etwas unbeholfen und nestelte an seinem Hemd herum, das sich über einem stattlichen Bauch wölbte. „Ihr alle wisst, warum wir uns hier versammelt haben. Heute ist ein ganz besonderer Tag, über den noch in vielen Jahrhunderten berichtet werden wird. Seid euch eures Glücks bewusst, in solch einer bedeutsamen Zeit leben zu können und dies miterleben zu dürfen!“ Er wandte sich um und wies zum Fuß der Treppe, die zum Podium hoch führte. „Ich übergebe nun das Wort an Morgana, die Geschichtenerzählerin unseres Dorfes!“

Ralea stieß einen überraschten Laut aus und auch Lora neben ihr riss erstaunt die Augen auf, als der Dorfoberste sich zurückzog und stattdessen eine zierliche alte Frau in bunt zusammengewürfelten Kleidern und Tüchern und mit einem Gehstock in der rechten Hand mühsam die wenigen Stufen hochstieg. Sie nahm wie selbstverständlich auf dem Stuhl in der Mitte des Podiums Platz. Lora und Ralea kannten Morgana gut. Als sie noch jünger gewesen waren, hatten sie jeden Tag so lange gebettelt und gefleht, bis die alte Frau ihnen eine Geschichte erzählt hatte. Oft hatte die Ärmste zunächst geflucht, die Kinder zum Teufel gewünscht und gesagt, sie habe Besseres zu tun, doch am Ende hatte sie sich immer erweichen lassen, und wenn sie erst einmal angefangen hatte, verlor sie sich meist selbst in ihren fantasievollen Geschichten. Diese handelten von mutigen Helden und Abenteuern, sodass manchmal Stunden verstrichen, ohne dass sie oder eines der Kinder es bemerkten.

Ralea schmunzelte. Sie dachte gerne an diese Zeit zurück. Manchmal hatten bis zu zwanzig Kinder in einem Kreis um Morgana herum gesessen und ihr ehrfurchtsvoll mit großen Augen gelauscht. Inzwischen war Ralea klar, dass all diese Erzählungen erfunden waren, doch als Kinder hatten sie jedes Wort für wahr gehalten und später die schönsten Geschichten haargenau nachgespielt. Allerdings nie, ohne sich vorher um die besten Rollen zu streiten! Auch wenn Ralea es natürlich nie zugegeben hätte, sehnte sie sich manchmal in diese Zeit zurück und hätte am liebsten wieder Morganas Geschichten gelauscht, bis sie alles um sich herum vergessen hätte und in einer anderen Welt versunken wäre.

Morganas Stimme holte Ralea nun wieder zurück in die Gegenwart. Sofort spürte sie die Überraschung der Menschen rings um sich herum – niemand, der sie nicht kannte, hatte dem alten Mütterchen mit dem faltigen Gesicht und den grauen Haaren solch eine volltönende Stimme zugetraut.

„Ihr alle kennt die Geschichte, die ich euch nun erzählen werde.“

Ralea konnte sich denken, von welcher Geschichte Morgana sprach. Sie hatte sie den Kindern früher schon oft genug erzählt. Morgana machte eine Pause und sah hinab auf ihre Füße, um sich zu sammeln. Fast hätte Ralea laut aufgelacht, so vertraut war ihr diese Angewohnheit, doch sie unterdrückte den Impuls, da ihr die gespannte Stille auf einmal noch deutlicher bewusst wurde. Nicht das leiseste Räuspern oder Husten war zu hören. Alle sahen gebannt zu Morgana. Diese schaute nun auf, ließ ihren Blick kurz über die Menschen schweifen und begann zu erzählen:

„Diese Geschichte spielt lange vor unserer Zeit in einem Romanien, das mit dem heutigen Romanien, das wir kennen, nur noch wenig gemein hat. Zwar lebten Menschen und Baumlinge von jeher in den Wäldern, doch in der Gegend, die heute als Drachentod-Wüste bekannt ist, gab es saftige grüne Täler und Hügel, die sich von Horizont zu Horizont erstreckten. Dort lebten die Elfen, die sich heute mit sehr viel weniger Platz begnügen müssen, zusammen mit geheimnisvollen und sagenumwobenen Wesen: den Drachen! Diese zwei völlig unterschiedlichen Völker lebten in Harmonie mit einem gegenseitigen Respekt und Verständnis zusammen, wie es uns heute leider nahezu fremd geworden ist. Die Elfen bauten sich kleine runde Lehm- und Holzhütten und ließen den Drachen den nötigen Freiraum und Abstand. Sie feierten für ihr Leben gerne Feste mit Tanz, Musik und köstlichen Speisen. Sie galten als fröhliche Wesen, deren glockenhelles Lachen einem das Herz erwärmen konnte. Dieses Lachen war lange Zeit nicht zu hören. Bis heute ertönt es lange nicht so oft wie früher. Die Elfen mussten viel von ihrer Heiterkeit und unbeschwerten Gelassenheit einbüßen – doch dazu kommen wir noch.

Ich könnte euch noch lange über die Bräuche, Sitten und Eigenschaften der Elfen erzählen, doch obwohl sie eine große Rolle in dieser Geschichte spielen, sind sie nicht die Hauptdarsteller. Nein, eine viel größere Rolle spielen ihre mysteriösen Brüder und Schwestern: die Drachen. Wie gerne würde ich euch genau so detailliert über sie berichten, wie ich es bei den Elfen vermag – doch das kann ich nicht. Es ist so schrecklich wenig über diese Wesen bekannt. Wer oder was waren sie genau? Keiner weiß, wie Drachen denken – oder ob sie überhaupt denken konnten. Sollte man sie zu den Tieren zählen? Oder war ihre Intelligenz mit unserer gleichzusetzen? Vielleicht sind sie uns ja sogar überlegen? Es ist noch nicht einmal bekannt, ob Drachen sich untereinander mit Sprache oder etwas Ähnlichem verständigen konnten.

Anderes jedoch, beispielsweise über ihr Aussehen und ihre Lebensweise, kann ich euch mit Sicherheit sagen: Drachen lebten in großen Familienverbänden – sogenannten Clans – zusammen. So gut wie nie sah man einen von ihnen allein. Sie ernährten sich ausschließlich von Tieren, die durch die Täler des Graslandes zogen. Gelegentlich gab es Uneinigkeiten zwischen den Clans, doch endeten diese selten im Kampf. Und falls doch, so traten nur die jeweiligen Anführer gegeneinander an. Nur wenige solcher Kämpfe wurden beobachtet und wohl noch weniger wahrheitsgetreu überliefert, doch muss es ein unglaubliches und eindrucksvolles Erlebnis gewesen sein. Ausgewachsene Drachen wurden samt Schwanz um die zwanzig Meter lang und ihre Flügelspannweite stand dem in nichts nach. Wahrscheinlich liegt es an ihrer Größe und ihrem Furcht einflößenden Äußeren, dass Drachen heutzutage oft als blutrünstige Monster bekannt sind. Doch das ist Unsinn. Die früheren Elfen wussten zu berichten, dass Drachen sanfte und gutmütige Kreaturen waren. Alte Überlieferungen sprechen oft darüber, wie wunderschön die Drachen doch waren, wenn man nur offen dafür ist, ihre Art der Schönheit zu erkennen. Sie beschreiben ihren Körper als kräftig und elegant, ihren geschwungenen Hals als anmutig und schwärmen immer wieder von ihren Schuppenpanzern. Diese waren wohl wahrscheinlich nicht nur Schutz, sondern auch Erkennungsmerkmal eines Drachen: Nie gab es die gleiche Farbe zweimal, kein Drache glich dem anderen.

Doch es sollte die Zeit kommen, in der das friedliche Zusammenleben zwischen Elfen und Drachen zerstört und vernichtet wurde. Es war, als hätte Romanien lange Zeit geschlafen und süß geträumt, bis schließlich der unsanfte Weckruf in Form einer kleinen Schar von Magiern über das Meer kam. Es waren nur etwa ein Dutzend. Sie alle trugen dunkle Umhänge und schlugen sich von der Küste her durch das Land. Angeführt wurden sie von einem Mann namens Argaron und seinem Sohn, einem Jungen namens Ketaris, der nie von seiner Seite wich. Als sie auf die ersten Elfen trafen, sprachen sie einen Zauber, der es ihnen erlaubte, trotz der unterschiedlichen Sprachen miteinander zu kommunizieren, und fragten sie nach dem Herrscher ihres Volkes.

Gutgläubig und naiv, wie die Elfen waren, führten sie die Magier zu der Lehmhütte des Elfenkönigs im Herzen ihres Reiches. Auch dieser empfing die Gäste, denen ihr Ruf weit vorausgeeilt war, gastfreundlich mit einem Festessen unter freiem Himmel. Er hielt sie wohl für Menschen aus einem fernen Land, und vielleicht waren sie das ja tatsächlich, und erkundigte sich nach ihrer Reise und ihrem Befinden, wunderte sich zwar, dass sie so wortkarg waren, doch machte er sich darüber keine weiteren Gedanken. Als schließlich die Nacht heranbrach und alle satt waren, wurde die Tafel leer geräumt und ein paar Elfen stimmten auf langen Flöten ein fröhliches Lied an. Gerade wollte der Elfenkönig die Magier in einem unverfänglichen Ton nach dem Grund ihres Besuchs fragen, als Argaron von selbst darauf zu sprechen kam – er gab dem König unmissverständlich zu verstehen, dass sie nur aus einem Grund über das Meer gekommen waren: Um die Herrschaft dieses Landes an sich zu reißen und jeden niederzumachen, der sich ihnen in den Weg stellte. Sofort verstummte die Musik und die Elfen, die damit beschäftigt waren, die leeren Teller und Tabletts von der Festtafel zu räumen, stoppten erschrocken in ihren Bewegungen. Der König selbst starrte einen Moment lang ungläubig in das ernste Gesicht des Magiers.

Noch ehe er sich fassen konnte, sprach dieser auch schon weiter: Wir geben Euch großzügigerweise die Möglichkeit, mir den Thron friedlich zu überlassen. Dann wird niemandem ein Leid geschehen. Solltet Ihr Euch jedoch wehren ... Das Ende seines Satzes blieb unausgesprochen, da das dröhnende Lachen des Elfenkönigs ihn unterbrach.

Es ist also nicht genug, dass ihr mit dieser unverfrorenen Forderung meine Gastfreundschaft und meinen Stolz mit Füßen tretet – nun droht Ihr mir auch noch!, rief er mehr amüsiert als zornig. Aber anscheinend seid ihr nicht nur unhöflich, sondern auch noch dumm. Ihr seid elf Männer und dazu ein Jüngling, der seinen dreizehnten Sommer höchstwahrscheinlich noch nicht gesehen hat. Wir aber sind Tausende! Was wollt ihr gegen uns ausrichten? Seid lieber froh, dass ich Euch nicht die Zunge herausschneiden lasse, und verzieht euch schnell wieder dahin, wo ihr hergekommen seid!

Kaum hatte der König zu Ende gesprochen, brachen alle Elfen, die um sie herum gestanden und mucksmäuschenstill ihrem Gespräch gelauscht hatten, ohne einen Laut zusammen, als hätte man sie mit unsichtbaren Pfeilen durchbohrt. Dumpf schlugen ihre Körper und das Geschirr in ihren Händen auf dem Gras auf. Erschrocken sprang der König auf und starrte in die Gesichter seiner Gefolgsleute, deren tote Augen blind in den Sternenhimmel über ihnen blickten.

Eure Entscheidung ist gefallen. Argarons Stimme war leise und schicksalsschwer. In seinen kalten Augen war nichts als Grausamkeit zu lesen. Er und seine Gefolgsleute erhoben sich und ließen den Elfenkönig schreckensstarr neben seinen toten Untertanen stehen. Dies sollte aber nur der Anfang eines schrecklichen, ungleichen Kampfes sein. Der König rief alle Elfen zusammen, doch gegen die Macht der Magier konnten sie nichts ausrichten. Die größte Gefahr stellte ihr Anführer dar: Schon ein Fingerzeig Argarons reichte und die Elfen fielen scharenweise tot zu Boden. Zwar gab es auch unter den Elfen einige wenige, die der Magie mächtig waren, doch waren sie der Schwarzen Magie der fremdländischen Magier bei Weitem unterlegen. Tag für Tag starben Hunderte Elfen wie die Fliegen und die Drachen verzogen sich immer weiter an den Rand der Berge.

Der König der Elfen versank mehr und mehr in Verzweiflung. Sollte er sein Volk retten und sich den Magiern ergeben? Doch war ein Leben unter solch einem Herrschen wirklich wünschenswerter als der Tod? Nach fünf Tagen, als er schon mit dem Gedanken spielte, die Baumlinge und Menschen um Hilfe zu bitten, obwohl sich sonst alle drei Völker stets gemieden und ignoriert hatten, kam ihm die Erleuchtung. Seit dem Anbeginn der Zeit gaben die Könige und Königinnen der Elfen an ihren Nachfolger einen magischen Stein weiter, bekannt als der Elfenstein. Dieser einzigartige Stein, von dem es wohl keinen zweiten gibt, hat die Eigenschaft, dass er alle gute Magie aus der Umgebung in sich aufnimmt und speichert. Nie war er benutzt worden, doch stets hatten die Mächtigen das Wissen um seinen Gebrauch bewahrt. Nun war der Zeitpunkt gekommen, seine Magie zu bündeln und gegen die Feinde der Elfen zu schicken. Der König schöpfte neue Hoffnung.

Als Argaron am Ende des fünften Tages einen schwer verletzten Elfen mit der Botschaft, er werde in der Nähe der Küste von ihm erwartet, zu ihm schickte, war von der alten Verzweiflung des Königs nichts geblieben. Er verbreitete seine frohe Botschaft noch nicht unter den Elfen, deren Mehrzahl den Elfenstein für eine alte Legende hielt, aber er sprach ihnen gut zu und brach noch am selben Abend mit einem großen Heer Richtung Meer auf. Sie wanderten die ganze Nacht hindurch, und als die Sonne wieder hoch am Himmel stand, kam schließlich die kleine Gruppe Magier in Sicht.

Als sie in Hörweite waren und man am Horizont schon das Blau des Meeres ausmachen konnte, ließ der König sein Heer anhalten. Für einen kurzen Moment stieg erneut die alte Hilflosigkeit in ihm hoch, als ihm sein riesiges Heer bewusst wurde, das vor so einer kleinen Schar Menschen stand und doch völlig machtlos war. Schnell verdrängte er diese Gedanken und schloss seine Hand um den Elfenstein, den er in einem Lederbeutel um seinen Hals trug. Dies war die Stunde der Rache! Ich gebe dir noch eine letzte Chance! Die Stimme Argarons schallte laut zu ihnen herüber. Ergib dich oder ich werde dich und dein lächerliches Völkchen dem Erdboden gleichmachen!

Sehr ritterlich von dir, schrie der König ironisch zurück. Er holte den Elfenstein hervor und hielt ihn hoch über seinen Kopf, sodass er im Sonnenlicht glitzerte. Doch ich werde dir diese Chance nicht gewähren. Damit entließ er die Magie des Elfensteins, die sich über Jahrtausende angesammelt hatte, und sandte sie auf Argaron und seine Magier. Ein gewaltiger Lichtblitz war zu sehen und ein überraschter Aufschrei ging durch das geblendete Heer der Elfen. Instinktiv hatten sie sich geduckt. Als der Lichtblitz erloschen war, richteten sie sich benommen wieder auf und sahen verständnislos um sich. Dort, wo eben noch ihre Gegner gestanden hatten, war nur noch kahler schwarzer Erdboden zu sehen. Ungläubige Erleichterung breitete sich auf den Gesichtern der Elfen aus, doch auch die Verwirrung war ihnen anzusehen.

Ihr König blickte auf den blauen Stein in seiner Hand. Das Licht, das von ihm ausgegangen war, war nun verloschen. Seine Magie war aufgebraucht, doch würde sie sich im Laufe der Jahre wieder aufladen. Er hielt ihn hoch über seinen Kopf und blickte seinem Heer entgegen, während er rief: Elfen, seht mich an! Der Feind ist besiegt! Hier in meiner Hand halte ich den Elfenstein, dessen Magie das Volk der Elfen vor dem Untergang bewahrt hat. So wie es seit dem Anbeginn der Zeit vorherbestimmt war! Jubel schwoll an und wollte gar nicht wieder verstummen. Nie hatten sich die Elfen so verbunden mit ihrem König gefühlt – doch ein König war bisher auch noch nie so gebraucht worden. Doch dieses glückliche Gefühl der Verbundenheit sollte nicht lange andauern ...

Erst später, als sich die Elfen schon auf den Heimweg machen wollten, wurde ihnen bewusst, was geschehen war: Nicht nur an der Stelle, an der die Magier gestanden hatten, war das Gras versengt worden. Überall um sie herum war nur noch kahler, harter Boden zu sehen! Allein da, wo das Heer gewesen war, stand noch etwas zertrampeltes Gras. Genau so schnell, wie sie gekommen war, verschwand die Freude wieder und Schrecken breitete sich unter den Elfen aus. Sie marschierten noch bis weit in die Nacht hinein, doch die Sicht änderte sich nicht. Von Horizont zu Horizont erstreckte sich nur noch verbrannte, schwarze Erde. Auch, als sie schon längst die ersten vereinzelten Elfenhütten hätten erreichen müssten, blieb die Umgebung kahl und trostlos.

Verwirrt und verängstigt errichteten die Elfen schließlich ein Lager für die Nacht und fielen fast augenblicklich in einen erschöpften Schlaf. Nur der König, der die Nacht in einem Zelt verbrachte, kämpfte gegen die Müdigkeit an. Er nahm die düstere Stimmung seines Volkes in der nächtlichen Stille besonders wahr, hatte er sich doch schon auf eine glorreiche Siegesfeier gefreut. Zweifel und Gewissensbisse nagten an ihm. Was hatte er falsch gemacht? Hatte er die Macht des Elfensteins nicht gezielt genug auf die Magier geschickt? Aber warum waren die Elfen verschont worden? Sollte er sie am Ende vor dem Feind beschützt haben, um ihnen im Gegenzug die Heimat zu rauben? Der König erinnerte sich, dass auch einige Elfen unter seinem Heer waren, die behaupteten, der Magie mächtig zu sein. Er schickte einen Boten durch das Lager, der ihm einen solchen Elf bringen sollte. Dieser kam nach einiger Zeit wieder, gefolgt von einer jungen Elfe, die sich verneigte und als Erilla vorstellte.

Noch ehe der König eine der vielen Fragen, die ihm im Kopf herumgeisterten, ausgesprochen hatte, sagte sie: Mein König, verzeiht mir, aber was Ihr getan habt, war unüberlegt. Ihr hättet vorher mit einem Elfen, der der Magie kundig ist, über Euer Vorhaben sprechen müssen. Was erlaubte sie sich? Der König wollte sie zornig auf eine demütigere Wortwahl hinweisen, doch als er in ihre klugen, dunklen Augen blickte, fühlte er sich nur noch schäbig und schuldig. Er schluckte die Worte, die ihm auf der Zunge lagen, hinunter und schwieg.

Die Elfe fuhr ungerührt fort: Bei jedem anderen Gegner wäre es eine gute Entscheidung gewesen, den Elfenstein zu gebrauchen, und ihr habt seine Magie auch tatsächlich richtig gesteuert, doch konntet ihr die Folgen nicht vorhersehen. Ich selbst habe den ganzen Tag darüber gegrübelt. Zuerst glaubte ich, dass einfach eine zu gewaltige Menge an Magie sich in dem Stein angesammelt hätte und diese, als sie freigesetzt wurde, alles Leben zerstörte. Doch das ergibt aus zweierlei Gründen keinen Sinn: Zum einen speicherte der Elfenstein nur gute Magie – Elfenmagie – und hätte nie unser Land zerstört. Und zweitens: Warum verschonte die Magie dann uns Elfen? Nein, es muss einen anderen Grund geben, und ich meine, ihn gefunden zu haben.

Der König hielt dem eindringlichen Blick der Elfe tapfer stand, während sie erklärte: Als die Magie des Elfensteins Argaron und seine Anhänger zerstörte, wurde mit ihrem Tod ihre gesamte Schwarze Magie freigesetzt und in die Umgebung geschleudert. Der Elfenstein muss selbstständig einen Teil seiner übrigen Energie darauf gewandt haben, uns zu beschützen. So zerstörte die Schwarze Magie der fremden Magier alles um uns her und nur wir konnten überleben. Wir sind die letzten Überlebenden Romaniens.

Später bestätigten viele andere Elfenmagier Erillas Worte. Nur am Schluss hatte sie sich geirrt: Die Magie der Magier war nicht bis in die Wälder gedrungen, außerdem hatte sie die Berge nicht erklimmen können und auch im Westen Romaniens war noch Graslandschaft geblieben: das heutige Reich der Elfen. Die frühere Heimat der Elfen jedoch war vollständig zerstört worden und eine Zeit lang dachten die wenigen Hundert überlebenden Elfen tatsächlich, sie wären die letzten lebenden Wesen in Romanien, und verfielen in eine tiefe Depression. Ihr König beging noch in der Nacht nach seinem folgenschweren Sieg Selbstmord und viele andere folgten ihm – bis ein junger Elf mit dem Namen Koras als neuer König gekrönt wurde und wieder Ordnung in die Reihen der Elfen brachte. Er machte ihnen wieder Mut und Hoffnung und schickte Boten in alle Himmelsrichtungen aus, um festzustellen, wie viel Land tatsächlich zerstört worden war. Eine kluge Entscheidung, denn es brachten doch die meisten gute Nachrichten vom Überleben der Wälder und all ihren Bewohnern mit. Allerdings kamen nicht alle mit frohen Botschaften wieder. Fast wären die Elfen erneut in Unmut und Verzweiflung verfallen, als sie erkennen mussten, dass ihre Brüder und Schwestern, die Drachen, verschwunden waren und nicht einmal ein Häufchen Asche von ihnen zurückgeblieben war. Sie waren alle gestorben.

Alle, bis auf einen: Luramos, der letzte Drache. Ein schwer verletzter Bote kam nur wenige Tage, nachdem er und sechs andere nach Norden aufgebrochen waren, mit letzten Kräften in das Lager des Königs getaumelt und redete wirres Zeug von einem riesenhaften Drachen, der alle seine Gefährten gefressen und attackiert hatte. Wohl nur, um ihm einen langsamen Tod sterben zu lassen, hatte er ihn verschont, behauptete der Elf, bevor er starb.

Viele wollten seine Worte als Unsinn abtun – noch nie hatte sich ein Drache so verhalten und überhaupt: Warum sollte einer überlebt haben, während alle anderen gestorben waren? Doch Koras, der sich trotz seiner jungen Jahre bereits als weiser und überlegter Herrscher erwiesen hatte, schenkte dem Elfen Glauben und verbreitete die Nachricht, dass sich wahrscheinlich ein wilder und gefährlicher Drache herumtrieb, um die Elfen wenigstens zu warnen.

Wenige Tage später wurde es zur Gewissheit: Ein gewaltiger glutroter Drache, der selbst unter seinesgleichen ein Riese war, tötete mehrere Elfen und warf ihre leblosen Körper durch die Luft, nur um sie später an Ort und Stelle liegen zu lassen. Und er wurde immer angriffslustiger. Bald schon ließen sich seine Opfer nicht mehr zählen und die Elfen gerieten in heillose Panik. Keiner konnte sich das Verhalten des Drachen erklären. Hatte die Schwarze Magie der Magier ihn wegen seiner gewaltigen Größe vielleicht nicht töten können, ihm dafür aber den Verstand geraubt? Oder war er von dem plötzlichen Verschwinden seiner Artgenossen einfach so verwirrt, dass er auf alles losging, das ihm in die Quere kam? Gab er den Elfen vielleicht sogar die Schuld daran?

Wieder war es Koras, der die Elfen vor ihrem Untergang bewahrte. Er erkannte, dass sie, geschwächt wie sie waren, nicht erneut gegen einen solch mächtigen Gegner antreten konnten. Und der Elfenstein hatte in der kurzen Zeit noch nicht genug Magie aufladen können, um den Drachen unschädlich machen zu können. Der junge König tat das, wofür sein Vorgänger zu stolz gewesen war: Er bat die Menschen und die Baumlinge um Hilfe. Es war das erste Mal, dass sich die drei Völker Romaniens vereinten. Zwar hatten sie bisher keine Kriege untereinander geführt, aber es war stets so gewesen, als hätten sie sich gegenseitig einfach nicht wahrgenommen. Wie Nachbarn, die man nicht besonders mag, die man aber akzeptiert und in Ruhe lässt.

Koras schickte Boten zu diesen Nachbarn aus und sie kamen tatsächlich mit so vielen Vertretern, wie sie aufbieten konnten. Es gab eine kurze Versammlung, in der Koras eine bewegende Rede darüber hielt, dass sich die Völker vereinen müssten und nie mehr verlieren dürften und dass sie zusammen diesen letzten großen Feind besiegen würden. Die Elfen bewiesen wahre Größe: Sie hatten beschlossen, den Drachen nicht etwa niederzumetzeln, sondern – mit der wenigen Kraft, die der Elfenstein inzwischen wieder besaß – mit einem Schlafzauber zu belegen. Sie brachten es nicht übers Herz, den letzten ihrer Brüder auch noch umzubringen, und wenn er noch so schrecklich unter ihnen gewütet hatte.

Am Ende eines verlustreichen, aber taktisch klug geführten Kampfes gelang es den Elfen, Menschen und Baumlingen tatsächlich den Drachen in eine Höhle zu treiben und einzuschläfern. Koras selbst soll es gewesen sein, der dem Drachen todesmutig auf den Rücken kletterte, ihm den Elfenstein an die Schläfe hielt und die magischen Worte sprach. Daraufhin hielt der Drache inne, blinzelte ein paar Mal, als wüsste er nicht mehr, wie er hergekommen war und was er eigentlich hier wollte, und fiel schließlich einfach um. Noch einmal zuckten seine Lefzen, als sich Koras unter seinem Hals hervorkämpfte, dann erschlafften seine Muskeln und er regte sich nicht mehr.

Ein paar Herzschläge lang war es totenstill in der Höhle. Dann brachen die Kämpfenden in lautes Jubelgeschrei aus. Es wurde gelacht, gesungen und sogar getanzt vor Freude über den so plötzlichen und unerwarteten Sieg. Koras wurde als Held gefeiert, die Verletzten wurden versorgt und einige der Überlebenden schritten vorsichtig an den schlafenden Drachen heran. Sie hatten Angst, er könnte auf einmal aufspringen und sich auf sie stürzten. Da legten sie ehrfürchtig eine Hand an seine blutroten Schuppen.

Liebevoll nannten die Elfen ihn Luramos – das elfische Wort für Der letzte Drache – und prophezeiten, dass er dreihundert Jahre lang schlafen würde.“

Als Morganas Stimme verstummte, fühlte sich Ralea, als würde sie aus einem Traum erwachen. Eben noch hatte sie mit Koras und seinen Kriegern in der Höhle neben dem schlafenden Drachen gefeiert, nun stand sie wieder auf dem überfüllten Marktplatz ihres Dorfes. Lora, die sich blinzelnd umsah, und auch den anderen Menschen um sie her schien es nicht anders zu ergehen. Ralea sah hoch zu der Bühne, auf der Morgana noch immer auf ihrem Stuhl saß, die Hände um den Gehstock in ihren Schoß gelegt und den Blick selbstbewusst auf die Menschen vor sich gerichtet. Noch einmal hob sie zu sprechen an: „Noch in derselben Nacht wurde ein Bündnis zwischen den drei Völkern geschlossen und der Elfenstein wurde in zwei Hälften geteilt. Alle dreihundert Jahre sollte ein wackerer Krieger eines der drei Völker mit einem Teil des Elfensteins losziehen, um Luramos, den letzten Drachen, erneut zu verzaubern und dreihundert weitere Jahre schlafen zu lassen, während die andere Hälfte im Besitz des Elfenkönigs blieb.“

Morgana machte eine kurze Pause.

„Nun ist das Ende dieser dreihundert Jahre nah. Es kann nicht mehr lange dauern, bis Luramos erwacht. Die Menschen sind das erste Volk, dem die Ehre zuteilwird, einen Krieger auszuwählen und auf die Reise zu schicken. All die Jahre lang wurde die eine Hälfte des Elfensteins in unserem Dorf aufbewahrt ...“

Ein Raunen ging durch die Menge: Davon hatte niemand etwas gewusst. Ralea und Lora sahen sich überrascht an. Die ganze Zeit war der legendäre Elfenstein so nah gewesen und sie hatten nichts davon geahnt!

Morgana musste ihre Stimme erheben, um das allgemeine Murmeln zu übertönen, doch es wurde schnell wieder ruhig, als sie fortfuhr: „... um nun den ersten Menschen zu erwählen, der losziehen wird, um Luramos zu verzaubern. Ich sehe viele Menschen vor mir stehen, die sich gerne diesen Titel erwerben würden: Alte und Junge, Männer und Frauen. Ich bewundere euren Mut, doch bin ich mir nicht sicher, ob euch allen klar ist, was ihr zu erwarten habt, falls die Wahl des Elfensteins auf euch fällt. Lasst euch einen gut gemeinten Rat von mir mitgeben und überdenkt eure Entscheidung noch einmal. Wenn die Wahl einmal getroffen wurde, gibt es kein Zurück mehr, doch noch könnt ihr es euch anders überlegen. Niemand wird euch deswegen einen Feigling schimpfen. Die Reise, die ihr antreten werdet, ist lang und beschwerlich. Der erste Teil ist zwar noch vergleichsweise einfach – ihr werdet die Wälder durchwandern und den Fluss überqueren müssen – doch niemand kann genau sagen, was euch auf dem langen Weg durch die Drachentod-Wüste erwarten wird. Auf jeden Fall aber wird der Durst euer ständiger Begleiter sein. Nur wenn ihr euch wirklich zutraut, alle Strapazen auszuhalten und eure Mission zu einem erfolgreichen Ende zu bringen, solltet ihr hier vorne stehen bleiben.“ Morgana sah jedem Einzelnen, der hinter der Absperrung aus Stroh stand, für einen Moment tief in die Augen und einige schienen wirklich verunsichert zu sein. Doch keiner machte Anstalten über die Mauer zu klettern oder sich umzuentscheiden. Die Geschichtenerzählerin nickte bedächtig und drehte sich zu der Treppe um, die auf das Holzpodium führte. Dort stand ein kleiner Junge, der ein reich verziertes Holzkästchen in Händen trug und den Ralea vorher gar nicht wahrgenommen hatte.

Die Geste Morganas schien sein Stichwort zu sein, denn nun stieg er hastig die Stufen hinauf. Der Dorfoberste erhob sich von seinem Stuhl in der Reihe hinten auf der Bühne und nahm das Kästchen entgegen. Dann stellte er sich neben Morgana, während der kleine Junge sich beeilte, wieder die Treppe herunterzulaufen. Langsam und bedächtig holte der Dorfoberste einen Schlüsselbund aus seiner Hosentasche und suchte sich gezielt einen kleinen goldenen Schlüssel heraus, mit dem er nun – sich den gespannten Blicken, die auf ihm ruhten nur allzu bewusst – begann das Kästchen aufzuschließen.

Ralea meinte sogar, ein leises Klicken hören zu können, als das Schloss aufsprang. Erst jetzt merkte sie, dass sie vor Aufregung die Luft angehalten hatte.

Der Dorfoberste aber schien keine Eile zu verspüren. Erst steckte er gemütlich den dicken Schlüsselbund ein, bevor er eine seiner speckigen Hände an den Deckel des Kästchens legte und mit übertrieben feierlicher Stimme rief: „Elfenstein, erwähle den Menschen, der dir würdig erscheint, dich durch Romanien zu tragen, alle Hindernisse zu überwinden, alle Aufgaben zu bestehen und uns weitere dreihundert Jahre vor Luramos zu schützen!“ Dann öffnete er schwungvoll den Deckel des Kästchens.

Aus seinem Inneren strömte blaues Licht, welches das Doppelkinn des überraschten Dorfobersten von unten erleuchtete. Ein Raunen ging durch die Menschenmenge. Lora griff nach Raleas Hand, ohne den Blick von dem Gesicht des Dorfobersten zu nehmen. Die Spannung in der Luft war zum Greifen und alle warteten gespannt darauf, was als Nächstes passieren würde.

Doch es passierte ... nichts.

Der Dorfoberste schaute wie gebannt in das offene Kästchen und die Menschenmenge vor ihm wiederum starrte ihn an, brennend darauf, selbst zu sehen, von was dieses merkwürdige blaue Licht ausging. Allein Morgana schien sich diesem Zauber entziehen zu können. Sie saß unverändert auf ihrem Stuhl und schaute teilnahmslos geradeaus.

Langsam wurden die Menschen unruhig. Auch der Dorfoberste schien das zu merken. Er schaute nun auf und blinzelte mehrmals, als hätte er zu lange in die Sonne gesehen. Er stand reichlich blöd da nach seiner dramatischen Ankündigung von vorhin, fand Ralea. Auch das schien ihm bewusst zu werden. Gerade wollte er den Mund aufmachen und etwas sagen, da wurde das Licht plötzlich intensiver. Auf einmal ertönten mehrere spitze Aufschreie, dann riefen alle durcheinander.

Es brauchte einen Moment, bis auch Ralea den Grund für die allgemeine Aufregung erkannt hatte: Das Licht war nicht intensiver geworden, sondern es schwebte aus dem Kästchen heraus! Ralea traute ihren Augen nicht. Sie war so perplex, dass sie sich nicht rühren konnte und wie gebannt auf den faustgroßen Gegenstand starrte, der langsam aus dem Kästchen stieg und über dem Kopf des verblüfften Dorfobersten in der Luft verharrte. Der Lärm brach so schnell ab, wie er aufgebrandet war. Die Menschen verstummten und wagten nicht mehr, sich zu bewegen.

„Das ist er“, dachte Ralea ehrfurchtsvoll. „Der Elfenstein!“ Wie von unsichtbaren Händen getragen setzte er sich wieder in Bewegung, flog erst ein paar Meter geradeaus auf das staunende Publikum zu und sank dann langsam wieder hinab, bis es auf Augenhöhe mit den Freiwilligen direkt vor dem Podium war. Leider konnte Ralea nur ihre Hinterköpfe sehen, als der Elfenstein langsam begann, die Reihen entlangzuschweben, doch war sie sich sicher, dass ihre Augen eben so geweitet waren wie ihre eigenen und ihre Münder sperrangelweit offen standen. Langsam schwebte der Elfenstein an jedem einzelnen Gesicht entlang. Als er vor Loras Bruder Limon vorbeiflog, drückte die Freundin Raleas Hand vor Aufregung besonders fest, doch noch immer machte der Elfenstein nicht halt. Schließlich näherte er sich dem letzten Freiwilligen, einem jungen Mann namens Bramon, den Ralea schon öfter in ihrem Dorf gesehen hatte und der siegessicher das Kinn reckte.

Endlich verharrte der blaue Lichtball. Er war nun so nah, dass Ralea sogar eine feine Silberkette ausmachen konnte, die von ihm herabbaumelte. Vorsichtig streckte Bramon seine rechte Hand aus, doch gerade, als er nach dem Stein greifen wollte, setzte sich dieser ruckartig wieder in Bewegung und flog einfach über Bramon und die Mauer aus Strohballen hinter ihm hinweg – mitten in die wartende Menge hinein. Wieder erklangen ein paar erschrockene Schreie, jemand rempelte Ralea an, sodass sie stolperte und den Stein aus den Augen verlor. Als sie sich wieder aufrichtete und hektisch um sich blickte, sahen alle Leute gebannt in eine Richtung links hinter ihr.

„Da vorne ist er!“, flüsterte Lora. Ralea folgte ihrem ausgestreckten Zeigefinger und meinte, einen bläulichen Schimmer ausmachen zu können, der sich langsam einen Weg durch die Menschen bahnte. Überall, wo er lang flog, sprangen die Menschen schnell zur Seite – und oft ihrem Hintermann auf die Füße –, sodass der Stein sich mühelos eine Schneise bahnen konnte.

„Oh mein Gott!“, keuchte Lora. „Er kommt auf uns zu!“

Ralea schluckte trocken. Sie wusste auch nicht, warum ihr vor Angst kalter Schweiß ausbrach und ihr Herz von innen gegen ihren Brustkorb zu hämmern begann. Bisher hatte der Stein doch keinem etwas getan und er hatte ja auch keinen Grund dazu, aber trotzdem verlief die Aktion ganz offensichtlich nicht so wie geplant. Warum hatte er sich keinen von den Freiwilligen ausgesucht? Sie machte sich bereit, genauso zur Seite zu springen, wie die anderen es zuvor getan hatten, falls er tatsächlich an ihr vorbeischweben sollte. Ohne zu blinzeln, verfolgte Ralea mit den Augen das blaue Licht, das immer heller zu strahlen schien.

Lora hatte recht: Es kam tatsächlich immer näher. Und dann war er plötzlich da. Zwei Leute, die eben noch vor Ralea gestanden hatten, sprangen zur Seite und zwischen ihren Schultern flog er hervor – majestätisch, unheimlich, zielstrebig. Wie in Trance nahm Ralea das blaue Licht wahr, das über sie schwappte wie warmes Wasser, die Leute, die vor dem Stein zurückwichen, Lora, die ihre schweißnasse Hand losließ und irgendetwas rief. Doch Ralea konnte sich nicht bewegen. Konnte nur in dieses Licht starren, konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Auf einmal war da keine Angst mehr, sie wurde verdrängt von einem anderen, einem viel stärkeren Gefühl, das ihr sagte, dass das hier richtig war. So als wäre ihr ganzes Leben, alles, was vorher gewesen war, nur ein Vorspiel gewesen, das sie zu genau diesem Moment führen sollte. Sie wusste auf einmal ganz genau, dass der Stein sie gesucht hatte. Er gehörte zu ihr, genau so, wie sie zu ihm gehörte. Das Verlangen, die Hand nach ihm auszustrecken, die Finger um ihn zu schließen und nie mehr loszulassen, wurde übermächtig. Doch wenn sie das tun würde – nein, das konnte nicht sein!

Ralea schüttelte stumm den Kopf und machte einen Schritt nach hinten. Wie von weiter Ferne drang Loras Stimme an ihr Ohr: „Ralea!“ Mühsam wandte sie den Blick von dem Stein und wurde sich bewusst, dass die Menschen einen Kreis um sie und den Elfenstein gebildet hatten. Alle schauten sie mit großen Augen an und jemand flüsterte: „Er ist stehen geblieben!“

Tatsächlich: Der Stein hing immer noch vor Ralea in der Luft. Warum flog er nicht weiter? Als hätte er Raleas Gedanken gehört, setzte er sich plötzlich wieder in Bewegung – aber nicht von Ralea weg, sondern weiter und weiter auf sie zu! Erschrocken machte das Mädchen noch einen Schritt nach hinten, doch der Elfenstein war schneller. Ehe Ralea sich versah, war er genau vor ihrem Gesicht und sie spürte, wie sich die Silberkette, die an ihm befestigt war, um ihren Hals legte. Als hätte jemand eine Kerze ausgeblasen verlosch das blaue Licht und der Elfenstein fiel auf ihre Brust herab.

Das war ein Traum! Das musste einfach ein Traum sein! Entsetzt starrte Ralea auf den blauen Stein, der von ihrem Hals hing. Was ging hier vor? Das Flüstern der schockierten Leute drang an ihr Ohr und auch die Rufe von weiter hinten: „Was ist denn da vorne los?!“ Doch Ralea fühlte sich seltsam losgelöst von allem. Vielleicht war das ja wirklich alles nur ein Traum ... Das Letzte, was Ralea sah, war Loras Gesicht. Sie hatte die Hände vor den Mund geschlagen und die Augen so weit aufgerissen, dass man meinen konnte, sie würden gleich aus den Höhlen treten. Dann umfing Ralea nur noch Schwärze.

„Das ist doch Wahnsinn!“

„Tut mir leid, aber die Wahl des Elfensteins ist unumstößlich ...“

„Sie ist noch ein Kind!“

Ralea schlug die Augen auf. Sie blickte direkt in Loras erleichtertes Gesicht. „Endlich bist du wach!“, rief die Freundin.

„Sie ist aufgewacht?“ Das war die Stimme ihrer Mutter. Schritte waren zu hören und dann erschien ihr Gesicht neben dem von Lora. Sie wirkte völlig aufgelöst, ihre sonst so sorgfältig zusammengebundenen blonden Haare fielen ihr unordentlich ins Gesicht und ihre Wangen waren gerötet. „Oh, Schatz, ich habe mir solche Sorgen gemacht!“, sagte sie und streichelte mit ihren zierlichen Fingern über Raleas Wange.

Ralea blinzelte und setzte sich mühsam gerade auf. „Bin ich etwa in Ohnmacht gefallen?“, murmelte sie. Sie saß auf einer dünnen Strohmatte, die man anscheinend auf den Boden eines Wohnzimmers gelegt hatte. Der Raum war klein und gemütlich, obwohl er spärlich möbliert war. An der gegenüberliegenden Wand stand ein großer Schrank, daneben waren ein offener Kamin und in der Mitte ein Holztisch mit Stühlen, an dem auch der Dorfoberste saß und sie nachdenklich musterte.

Lora kicherte. „Und wie! Richtig elegant bist du zu Boden gesunken. Ein Mann hat dich dann in sein Haus getragen, das an den Markt grenzt.“

Raleas Mutter wandte sich um und rief: „Merdrid! Sie ist aufgewacht!“ Sofort hörte man die stampfenden Schritte von Raleas Vater aus einem Nachbarzimmer und wenig später erschien er selbst in der Tür. Er strahlte über das ganze Gesicht und eilte auf Ralea zu. Er kniete sich vor seine Tochter und schloss sie so fest in seine Arme, dass sie kaum noch Luft bekam. Dann hielt er sie auf Armeslänge von sich weg und betrachtete sie, als hätten sie sich jahrelang nicht gesehen. „Ich bin so stolz auf dich!“, sagte er leise.

Verblüfft betrachtete Ralea ihrerseits ihren Vater. Sein dichtes braunes Haar, das sie von ihm geerbt hatte, und seine kräftige Statur, die im krassen Gegensatz zu dem zierlichen Körperbau ihrer Mutter stand. Mit allem hatte sie gerechnet, aber nicht damit! Die Gelegenheiten, an denen ihr Vater das schon mal zu ihr gesagt hatte, konnte sie an einer Hand abzählen, aber was hatte sie denn nun schon getan, worauf man hätte stolz sein können?

Hinter ihrem Vater betraten zwei weitere Personen den Raum. Ein Mann, von dem Ralea vermutete, dass ihm das Haus gehörte, dicht gefolgt von Morgana. Die alte Frau stützte sich schwer auf ihren Gehstock, doch ihre wachen Augen musterten Ralea eingehend. „Wie fühlst du dich?“, fragte sie.

Ralea blieb ihr die Antwort schuldig. In dem Moment wurde ein Stuhl quietschend über den Holzfußboden geschoben, dann erschien das fleischige Gesicht des Dorfobersten in ihrem Sichtfeld. „Hoffentlich wieder gut und ausgeschlafen“, rief er mit seiner unangenehm lauten Stimme. „Du hast schließlich noch eine Mission zu erfüllen!“

Eine Mission? Der Sinn dieses Satzes sickerte nur langsam in Raleas Bewusstsein. Doch dann war sie mit einem Mal hellwach. Wie von selbst griffen ihre Finger nach dem Elfenstein. Sie wusste noch nicht einmal, ob sie erleichtert oder bestürzt darüber sein sollte, dass er nach wie vor an ihrem Hals hing. Sie streifte sich die Silberkette über den Kopf und betrachtete nachdenklich den blauen Stein in ihrer Hand. Er war glatt und etwa so dick wie ihr Zeigefinger. Man konnte genau erkennen, dass es früher mal eine flache runde Scheibe gewesen sein musste – etwa so groß wie ihre Handfläche. Doch dann war er geteilt worden, als hätte man durch seine Mitte eine Schlangenlinie mit zwei Kurven gemalt, sodass zwei identische Hälften entstanden, von der sie nun eine in der Hand hielt.

Die Gefühle in Ralea schienen einen Kampf miteinander auszufechten. Einerseits wollte sie den Stein am liebsten so weit wie möglich von sich wegschleudern, andererseits fühlte sie sich immer noch so seltsam verbunden mit ihm, dass sie ihn am liebsten nie mehr hergeben würde. Doch sie ahnte, was das bedeuten würde: Sie würde durch Romanien reisen und den Zauber erneuern müssen, der auf Luramos lag. Dieser Gedanke war so absurd, so undenkbar und so Angst einflößend, dass sie sich lieber dafür entschied, nichts mehr mit diesem merkwürdigen Stein zu tun haben zu wollen. Sie hielt ihn dem Dorfobersten entgegen und sagte: „Ich weiß zwar nicht, was das alles hier soll, aber falls es meine Schuld ist und ich die Versammlung gestört habe, so tut es mir leid. Und den hier möchten Sie wahrscheinlich wieder haben.“

Doch der Dorfoberste machte keine Anstalten zuzugreifen. Er schaute sie nur einen Moment an und lachte dann laut auf: „Ihn wieder haben? Himmel, Mädchen, hast du wirklich keine Ahnung oder stellst du dich nur dümmer an, als du bist?“

Ralea senkte den Arm, mit dem sie immer noch den Stein hochgehalten hatte. Doch sie war viel zu aufgewühlt, um beschämt oder gar zornig über die Bemerkung des Dorfobersten zu sein. Tatsächlich stellte sie sich dümmer, als sie war, wurde ihr bewusst. Weil das alles einfach nicht wahr sein konnte. Nicht wahr sein durfte.

„Was soll das heißen?“, krächzte sie. Sie musterte die Gesichter um sich herum: Ihr Vater konnte sich immer noch nicht sein fröhliches Grinsen verkneifen, was sie ziemlich irritierte. Lora musterte sie nachdenklich, ihre Mutter machte ein bekümmertes Gesicht, der Dorfoberste und der stille Eigentümer des Hauses nahmen nun wieder auf den Stühlen in der Mitte des Raumes Platz und Morganas Miene gab wie immer nicht preis, was in ihr vorging.

Schließlich war es ihr Vater, der antwortete. Er umschloss Raleas freie Hand mit seinen großen, schwieligen Händen und sah ihr tief in die Augen, während er mit bewegter Stimme sagte: „Schatz, es ist unglaublich. Deine Mutter und ich konnten es wirklich nicht glauben, bis wir dich hier liegen sahen ... mit dem Stein. Er hat seine Wahl getroffen, Ralea. Du bist die Auserwählte.“ Er hielt kurz inne und schien tatsächlich, mit den Tränen zu kämpfen. „Ich bin ja so stolz auf dich.“

Fassungslos starrte Ralea ihren Vater an. Jetzt war es zur Gewissheit geworden. Die Gedanken rasten in ihrem Kopf, ohne dass sie auch nur einen zu fassen bekam. Ehe sie eine der vielen Fragen, die ihr auf der Zunge lagen, stellen oder besser herausschreien konnte, sagte ihre Mutter: „Natürlich verlangt keiner von dir, dass du diese Mission wirklich antrittst.“ Sie betonte das Wort Mission überdeutlich, um ihr Missfallen klarzumachen, und sah ihren Ehemann vielsagend an. „Nicht wahr, Merdrid?“

Das Lächeln auf dem Gesicht von Raleas Vater verschwand. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass Ralea mit Freuden ...“

„Merdrid!“, rief Raleas Mutter bestürzt. Der Klang ihrer Stimme ließ alle im Raum zusammenzucken, war sie doch ebenso wie ihre Tochter für ihr ruhiges und besonnenes Wesen bekannt.

„Ich meine doch ­bloß ... Also natürlich ist es letztendlich immer noch Raleas Entscheidung ...“, erwiderte Merdrid mit schuldbewusster Miene.

„Ihre eigene Entscheidung? Da gibt es nichts mehr zu entscheiden! Der Elfenstein hat entschieden – basta!“, bellte der Dorfoberste von seinem Sitzplatz aus.

Das brachte Raleas Mutter vollends zur Raserei. Sie keifte etwas von wegen unverantwortlich, während Merdrid versuchte sie zu beschwichtigen und es dauerte nicht lange, da redeten alle durcheinander und das Chaos war perfekt. Ralea wäre am liebsten aus dem Raum gestürzt und weggerannt – weit, weit weg – bis dieser ganze Wahnsinn hinter ihr liegen würde und bei ihrer Rückkehr sich alle für diesen schlechten Scherz entschuldigen würden.

Lora suchte Raleas Blick und versuchte sich an einem tröstenden Lächeln, das ihr jedoch ziemlich misslang. Als Ralea schon meinte, die heftig diskutierenden und streitlustigen Stimmen der Erwachsenen nicht mehr ertragen zu können, rief jemand mit schneidender Stimme: „Ruhe!“

Sofort war es mucksmäuschenstill. Erst nach einigen Herzschlägen erkannte Ralea, wer gerufen hatte: Morgana warf tadelnde Blicke in die Runde und sagte bestimmt: „Ihr solltet euch alle schämen für euer Benehmen. Vor allem du!“ Dabei schaute sie den Dorfobersten so zornig an, dass dieser ihrem Blick auswich und auf seine Füße starrte.

„Danke, Morgana. Es wurde wirklich Zeit, dass hier mal jemand ein Machtwort spricht. Wenn du jetzt bitte den Herren der Schöpfung hier klar machen könntest, was für ein Wahnsinn es ist, einem minderjährigen Mädchen solch eine Aufgabe aufbürden zu wollen ...“ Raleas Mutter sah die Geschichtenerzählerin hoffnungsvoll an.

Diese jedoch sah Ralea tief in die Augen. Sie schien ihr geradewegs bis in die Seele blicken zu können, doch Ralea hielt ihrem Blick stand. Schließlich schaute Morgana weg und Ralea meinte, ein kurzes Aufblitzen von Anerkennung in ihrem Gesicht zu sehen. Obwohl sie sich nachher nicht mehr sicher war, ob es wirklich da gewesen war oder ob sie es sich nur eingebildet hatte, fühlte sie sich, als hätte sie eine Prüfung bestanden.

„Nein“, antwortete Morgana endlich und die Hoffnung auf dem Gesicht von Raleas Mutter war wie weggewischt. „Ich werde zuerst mit Ralea sprechen. Und zwar allein.“

Raleas Vater nickte und erhob sich. Ihre Mutter dagegen sah aus, als hätte sie soeben einen Schlag ins Gesicht bekommen. Doch auch sie erhob sich langsam und verließ nach einem letzten besorgten Blick auf ihre Tochter mit den drei Männern den Raum. Lora drückte sanft Raleas Hand, dann aber ließ sie los und folgte den anderen.

Als sich die Tür hinter geschlossen hatte, blieb Ralea unverändert sitzen, starrte vor sich hin und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Morgana ging mit der Langsamkeit alter Menschen auf den Tisch zu – ihre Schritte wurden begleitet von einem leisen Tock, Tock, wenn der hölzerne Gehstock auf den Boden traf. Sie zog sich einen Stuhl neben Raleas Strohmatte und ließ sich darauf nieder. Sorgfältig legte sie den Gehstock neben sich auf den Boden und faltete die knochigen Hände im Schoß. Ralea wusste nachher nicht, wie lange sie einfach nur stumm da gesessen hatten, aber schließlich war sie es, die das Schweigen brach: „Warum ich?“

„Das weiß ich nicht“, antwortete Morgana ehrlich.

„Ich will das nicht.“ Raleas Stimme war kaum mehr als ein kraftloses Flüstern. „Ist es wahr, was der Dorfoberste sagt? Dass die Entscheidung des Elfensteins unwiderruflich ist?“

Morgana nickte. „Leider ja. Er würde niemand anderem seine Macht zur Verfügung stellen.“

Ralea vergrub das Gesicht in den Händen. Etwas Kaltes berührte ihre Wange. Überrascht schaute sie in ihre rechte Hand. Sie hatte ganz vergessen, dass sie immer noch den Stein festhielt. Auf einmal überkam sie eine ungeheure Wut auf diesen Stein, auf den Dorfobersten und sogar auf Morgana. „Das ist so ungerecht! Ich hab mich doch noch nicht einmal als Freiwillige gemeldet!“ Morgana erwiderte ihren zornigen Blick völlig gelassen, was sie nur noch wütender machte. „Ihr könnt mich nicht dazu zwingen!“, sagte Ralea mit einer Stimme, die selbstbewusster klang, als sie sich fühlte.

„Nein“, antwortete Morgana ruhig. „Das können wir nicht.“

„Nicht?“

„Die Wahl des Elfensteins hat uns alle sehr überrascht. Warum entschied er sich für dich, ein junges und unerfahrenes Mädchen, obwohl doch so viele starke junge Männer zur Verfügung standen? Er muss irgendetwas in dir gesehen haben, das ihn zu dieser Entscheidung trieb. Irgendetwas, das ihm sagte, dass du die Richtige bist. Trotzdem hat deine Mutter recht: Du bist noch ein Kind. Die Entscheidung liegt bei dir. Jeder könnte es verstehen, wenn du nicht gehen würdest. Doch du solltest dir im Klaren darüber sein, was für Konsequenzen das haben würde.“ Morgana machte eine Pause.

Ralea hoffte inständig, sie würde nicht weiterreden, doch die Geschichtenerzählerin fuhr unerbittlich fort: „Früher oder später wäre die letzte Kraft des Zaubers aufgebraucht. Niemand kann auf den Tag genau sagen, wann es dazu kommen wird, doch es kann nicht mehr allzu lange dauern. Luramos wird aufwachen und erneut wird ihn die Wut und die Verzweiflung über das Verschwinden seiner Artgenossen überkommen. Er wird weiter wüten – zuerst wahrscheinlich unter den Elfen, doch dann auch in den Wäldern. Und früher oder später wird er auch uns Menschen erreichen. Niemand kann sagen, ob es uns noch einmal gelingen wird, ihn zu bezwingen. Ich weiß, es klingt grausam, doch es ist die Wahrheit: Das Schicksal Romaniens liegt in deinen Händen, Ralea.“

Ralea starrte Morgana ungläubig an. Ihr Magen verkrampfte sich bei dem letzten Satz der Geschichtenerzählerin: Das Schicksal Romaniens liegt in deinen Händen. Wie konnte sie ihr so eine Verantwortung aufbürden? Kurz darauf überfiel Ralea das Verlangen, laut aufzulachen. Die letzte Entscheidung liegt bei dir, waren nicht so Morganas Worte gewesen? Aber was blieb ihr denn da noch für eine Wahl?

Tatsächlich konnte sie sich ein – fast schon hysterisches – Kichern nicht verkneifen. „Das ist doch verrückt“, gluckste sie. „Das kann nicht dein Ernst sein!“

Morgana runzelte die Stirn und kniff die Augen missbilligend zusammen. „Bisher hatte ich immer eine hohe Meinung von die, Ralea, doch wenn du den Ernst der Lage nicht begreifst, beginne ich an der Entscheidung des Elfensteins zu zweifeln.“

Sofort verstummte Ralea schuldbewusst. Dabei hatte der erste Teil ihres Satzes sie mehr beeindruckt als der zweite. Sie hatte nicht gewusst oder bemerkt, dass Morgana eine hohe Meinung von ihr gehabt hatte.

„Aber was soll ich denn bloß tun?“, flüsterte sie kraftlos. Sie blickte Hilfe suchend zu Morgana auf. Und wieder meinte sie, kurz etwas hinter ihrer undurchdringlichen Fassade aufblitzen zu sehen. Allerdings musste sie es sich diesmal wirklich eingebildet haben. Denn Mitleid war auf Morganas Gesicht einfach fehl am Platze. Und doch – obwohl dieser Augenblick so kurz gewesen war und Morgana ihre Gefühle sofort wieder wie unter einer Maske verbarg – sah Ralea die Geschichtenerzählerin auf einmal mit anderen Augen. Zwar kannte sie ihre Geschichte schon seit Langem, doch hatte sie sich noch nie wirklich Gedanken darüber gemacht.

Ihr Vater hatte ihr einmal davon erzählt, dass Morgana einst als junge Frau unsterblich verliebt in den Sohn eines Bäckers gewesen war. Bald sollte Ihre Hochzeit gefeiert werden und Morgana hörte vor Glück nicht mehr auf zu lachen und gute Laune zu verbreiten, als ihr Verlobter bei einem Sturm ums Leben kam, weil ihm ein schwerer Ast auf den Kopf gefallen war. Nach diesem Unglück soll Morgana nicht mehr die Gleiche gewesen sein, so hatte Raleas Vater erzählt. Sie bekam noch viele Heiratsanträge, da sie immer noch eine begehrenswerte Frau war, doch sie nahm keinen an. Ralea vermutete insgeheim, dass das die Zeit gewesen war, in der sie ihre Maske erschaffen hatte, die nicht die kleinste Gefühlsregung preisgab. Nur wenn Morgana den kleinen Kindern ihre Geschichten erzählte, lebte sie auf, vergaß ihren ganzen Kummer und ließ ein wenig von der fröhlichen Frau sehen, die sie früher einmal gewesen war.

Morgana schien nichts von Raleas Sinneswandel bemerkt zu haben. Sie sah das Mädchen nachdenklich an und schien nicht recht zu wissen, was sie ihr antworten sollte. Dann legte sie ihr eine knochige Hand auf die Schulter und sagte leise: „Tut mir leid. Aber das ist eine Entscheidung, die du ganz allein treffen musst.“

Ralea nickte stumm, obwohl sie am liebsten laut aufgeschrien hätte. Sie starrte auf den Stein in ihrer Hand, ohne wirklich etwas zu sehen, und bemerkte kaum, wie Morgana sich erhob und den Raum verließ. Gedämpfte Stimmen waren aus dem Nebenraum zu hören. Sie konnte den Dorfobersten verstehen, der wissen wollte, was sie besprochen hatten, und ihre Mutter, die anscheinend darum bat, zu ihr gehen zu dürfen. Es folgte eine unverständliche, jedoch eindeutig bestimmte Antwort von Morgana und alle verfielen in Schweigen.

Ralea war wie versteinert. Sie hatte immer noch das Gefühl, nicht klar denken zu können, so aufgewühlt waren ihre Gefühle und Gedanken. Das Schicksal Romaniens liegt in deinen Händen. Die Worte Morganas hallten in ihr nach wie ein grausames Echo. Das ist eine Entscheidung, die du ganz allein treffen musst ... ganz allein ... ganz allein ...

Das Mädchen vergrub das Gesicht in den Händen. Wie gerne würde sie jetzt weinen und ihrer Verzweiflung Luft machen, doch die erlösenden Tränen wollten nicht kommen. Auf einmal fiel Licht auf ihre geschlossenen Augen und sie fuhr erschrocken auf. Der Elfenstein strahlte wieder blau, so wie vorhin auf dem Marktplatz. Doch komischerweise hatte dieses Licht nach dem ersten Schrecken für sie nichts Gespenstisches oder Unheimliches mehr. Nein, es war auf eine merkwürdige Art vertraut. Auf einmal durchströmten Hoffnung und Zuversicht ihren Körper und klärten ihre Sinne. Ihr war es, als würde der blaue Stein sie von innen her wärmen, dabei spürte sie seine kühle Oberfläche doch ganz genau in ihrer Hand.

Zielstrebig streifte sie sich die Silberkette, die an dem Stein befestigt war, um den Hals. Nun wusste sie ganz genau, was sie zu tun hatte. Warum hatte sie nur so lange gezögert? Es war ihre Bestimmung dem Wohl Romaniens zu dienen und seine Bewohner zu retten. Sie sollte stolz sein auf diese Ehre! Ralea hatte zwar keine Ahnung, woher diese plötzliche Zuversicht kam, doch machte sie sich auch keine Gedanken darüber. Es fühlte sich viel zu gut an, zu wissen, was zu tun war.

Und das wusste sie nun. Sie würde durch Romanien reisen, Luramos finden und den Zauber erneuern. Sie würde ihre Mission zu einem glücklichen Ende bringen und ruhmreich nach Hause zurückkehren! Entschlossen stand sie von der Strohmatte auf, durchschritt den Raum