M.A.G.I.K. (1). Die Prinzessin ist los - Tanja Voosen - E-Book

M.A.G.I.K. (1). Die Prinzessin ist los E-Book

Tanja Voosen

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Beschreibung

Ein magisches Zeugenschutzprogramm, eine Freundschaft wider Willen und jede Menge Chaos: Hier ist die Prinzessin los! Noch nie hat Nele den Job ihres Vaters als Agent eines magischen Schutzprogramms so sehr gehasst wie an dem Tag, als auf einmal Romy bei ihnen auftaucht. Sie ist nervig, unausstehlich und - eine waschechte Prinzessin aus dem magischen Königreich Marabel. Wegen großer Unruhen dort, schwebt die Königsfamilie in Gefahr und Romy muss sich bei Nele und ihrem Vater verstecken. Aber P wie Prinzessin? Wohl eher P wie peinlich! Denn Romy, die sich in der Schule als Neles Cousine ausgeben muss, weiß überhaupt nicht, wie man sich normal verhält. Und dann ist da noch Romys magische Gabe, die Nele in einen Schlamassel nach dem nächsten stürzt. Doch plötzlich ist es Romy, die in Schwierigkeiten steckt und eine wahre Freundin braucht … "M.A.G.I.K. (1). Die Prinzessin ist los" ist der Auftakt einer neuen Fantasyreihe, in der Freundschaft die größte Magie ist. Weitere Bände sind in Planung.

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Seitenzahl: 212

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Tanja Voosen

wurde 1989 in Köln geboren und lebt heute in der Eifel. Als Autorin von Kinder- und Jugendbüchern kennt sie sich mit allerhand verzwickten und magischen Dingen aus und bringt ihre Figuren gerne in peinliche Situationen. Wenn sie beim Schreiben mal nicht weiterkommt, hat sie zum Glück noch ihren klugen Kater Tiger, der ihre Tastatur gerne als Trampolin benutzt und so ihre Ideen voranbringt. Da sie weder königliche Wurzeln noch eine geheime magische Kraft hat, stürzt sie sich lieber in lustig-langweilige Abenteuer mit ihren Freunden, trinkt gerne Kaffee oder liest ein Buch.

 

Sie tauscht sich gern mit ihren LeserInnen aus und ist auf Instagram unter dem Namen @tanjavoosen zu finden. Mehr erfahrt ihr über Tanja unter www.tanja-voosen.de

 

Clara Vath

arbeitet seit 2012 als freie Illustratorin. Sie illustriert Bücher, Magazine und andere Produkte und bewegt sich dabei oft in abenteuerlichen und fantastischen Themenwelten.

Tanja Voosen

M.A.G.I.K.

Die Prinzessin ist los

Mit Bildern von Clara Vath

Ein Verlag in der

 

© 2021 Arena Verlag GmbH

Rottendorfer Str. 16, 97074 Würzburg

Alle Rechte vorbehalten

Text © 2021 Tanja Voosen

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Michael Meller Literary Agency GmbH, München.

Coverillustration: Alessia Trunfio

Logo- und Innenillustrationen: Clara Vath

Lektorat: Laura Held

Satz: Malte Ritter

E–Book–Herstellung:

Arena Verlag mit parsX, pagina GmbH, Tübingen

E-Book ISBN978-3-401-80935-9

 

Besuche den Arena Verlag im Netz:

www.arena-verlag.de

Für Fabian. Wenn in diesem Buch Dinge auftauchen, die wir genau so erlebt haben, ist das bloßer Zufall. Ich würde schließlich niemals aus unseren peinlichen Momenten oder viel zu lustigen Gesprächen Stoff für mein Buch machen. Pizza-Party-Ehrenwort!

Kapitel 1

Der Vampir stopfte sich eine Handvoll Popcorn zwischen die spitzen Zähne und ging an Nele vorbei. Verdutzt sah sie ihm nach. Ihr bester Freund Luis kam gerade aus der Toilette und wäre vor Schreck über den Anblick fast über seine eigenen Füße gestolpert. Nele verkniff sich ein Kichern, weil Luis den Mund nicht mehr zubekam.

»Was war das denn?«, fragte er.

»Ein Vampir mit Vorliebe für Popcorn«, sagte Nele. »In seinem Becher war bestimmt Blutorangenlimonade, damit er im Dunkeln niemanden vor Durst aussaugen muss.«

»Ganz bestimmt«, meinte Luis und grinste.

»Oder heute ist die Premiere von diesem neuen Gruselstreifen.«

»Wir sollten uns einen neuen Kinotag suchen, sonst treffen wir das nächste Mal noch auf einen Clown«, murrte Luis. »Die sind so was von gruselig!«

»Gruseliger als die schlechte Schauspielerei aus dem Film heute geht’s nicht«, scherzte Nele. »Beim nächsten Mal darf zum Glück ich wieder aussuchen.«

Luis seufzte. »Der Film war echt ganz schön blöd. Gar nicht wie die Comics.«

Nele nickte nur. Sobald Luis mit seinen geliebten Comics anfing, war das nämlich das Beste, was man tun konnte – dann redete er wie ein Wasserfall und vergaß die Welt um sich herum. So wie jetzt. Nele musste ihn beim Rausgehen am Arm packen, damit er nicht gegen die Schiebetür latschte, und zog den quatschenden Luis zu den Fahrradständern.

Er bemerkte auch gar nicht, dass vorm Eingang des Kinos noch einige andere Leute in Vampirkostümen standen. So was sah Nele sonst nicht mal an Fasching oder Halloween. Da waren ihr die Schwert schwingenden Alien-Kopfgeldjäger aus der Comic-Verfilmung echt lieber – Nele hatte die gar nicht so übel gefunden.

»Erde an Luis, können wir los?«

»Oh«, entfuhr es Luis. »Klar. Sorry.«

Die beiden ketteten ihre Fahrräder ab und schoben sie ein Stück die Straße hinunter, ehe sie nach der Fußgängerzone aufstiegen und losfuhren.

»Wie war eigentlich Fußball?«, fragte Luis.

»Das ist leider ausgefallen«, antwortete Nele.

»Oh, wie blöd«, sagte Luis.

»Jaaa, richtig blöd. Du könntest mich ja aufmuntern.«

»Lass mich raten, mit einem Wettrennen?«, murmelte Luis.

»Ne, schon gut. Du fährst ja lieber im Schneckentempo«, sagte Nele.

Die zwei grinsten einander kurz an, ehe sie um eine Ecke bogen.

»Magst du mit zu mir?«, fragte Nele. »Das Popcorn hat irgendwie doch nicht als Mittagessen gereicht. Papa hat Lasagne gemacht.«

»Lasagne?«, horchte Luis auf. »Ist er denn zurück?«

Die Frage stimmte Nele kurz traurig. Ihr Papa war viel zu oft wegen seinem Job unterwegs. Ihr kam es wie eine Ewigkeit vor, dass sie das letzte Mal zusammen gefrühstückt hatten und er dabei einen seiner blöden Witze gerissen hatte. Seit Tagen spürte Nele schon dieses Ziehen im Bauch, weil sie ihn so vermisste.

»Ne«, antwortete sie etwas verspätet. »Aber er hat so viel gekocht und eingefroren, dass ich damit unsere ganze Klasse durchs Jahr bringen könnte. Alsooo?«

Sie merkte, wie Luis sie einen Moment ansah. »Ich bleib, solange du magst.«

Ihr wurde ganz warm ums Herz. Luis verstand sie. Er wusste, dass es nicht cool war, wenn man ein ganzes Haus so oft für sich hatte. Wenn ihre Freundin Kat davon schwärmte, was Nele alles während der »sturmfreien Zeit« anstellen könnte, spürte Nele nur einen Kloß im Hals. Das wurde auf Dauer nämlich echt einsam …

»Weißt du, was? Ich hab jetzt Lust auf ein Wettrennen bis zu dir.«

»Echt?«, fragte Nele verblüfft.

»Auf drei? Eins. Zwei. Drei!«

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, trat Nele hastig in die Pedale.

»Jippie!«, stieß sie aus. Sie hatte so was von die Nase vorn!

Doch dann flatterte ihr das dunkelbraune Haar vor die Augen und für eine Sekunde sah sie nichts mehr. Sie trat auf die Bremse, aber da ruckelte ihr Rad über einen dicken Stein und Nele flog aus dem Sattel geradewegs in ein Blumenbeet.

Stöhnend stemmte Nele sich hoch.

»Ist alles okay?« Luis sprang vom Rad und schob es das Stück zum Garten.

»Mir tut alles weh. Ich glaube, ich muss morgen mit Ganzkörpergips zur Schule.«

Sie verzog das Gesicht und rappelte sich auf. Auf ihrem Trikot klebte Dreck. Und einige der armen Blumen im Beet hatte sie auch geköpft. Zu allem Überfluss ging auch noch der Rasensprinkler los. Der Sprühregen aus Wasser erwischte Nele eiskalt und ihr entwich ein Quieken. Luis sprang automatisch zurück.

»Oh, Mist! Das ist ja Frau Wus Beet!«, sagte er.

»Die habe ich frisch eingepflanzt!«, brüllte da auch schon jemand los.

Nele drehte sich um. Aus der Haustür trat eine Frau mit langem schwarzem Haar und funkelnden dunklen Augen. Frau Wu! Oje, das gab jetzt aber Ärger!

»Entschuldigung!«, rief Nele. »Das war keine Absicht.«

Frau Wu kam mit strammen Schritten näher. »Davon werden die armen Blumen auch nicht wieder heil. Das werde ich deinem Vater erzählen, Nele Marie Wolf!«

»Ich bezahl’s von meinem Taschengeld«, presste Nele hervor.

»Hör lieber mal auf, mir die Petunien von der Fensterbank zu kicken oder mich umzufahren, wenn ich Einkaufstüten trage«, erwiderte Frau Wu. »Das würde reichen.«

Neles schlechtes Gewissen wurde größer – auch wenn das schon etwas unfair von Frau Wu war. Das klang ja fast, als würde Nele absichtlich ständig solche Dinge machen. Dabei waren das bloß ein paar Unfälle gewesen, weil sie zu stürmisch war.

»Ich versuch’s. Auf Wiedersehen«, sagte Nele höflich und drehte sich um.

Hoffentlich stand Frau Wu später nicht wirklich bei ihnen auf der Matte, um sich über sie zu beschweren. Das war nämlich schon passiert – auch wenn sie Neles Papa recht gern zu haben schien und nach einer Tasse Kaffee wieder besänftigt war.

Luis hatte Neles Rad inzwischen aufgestellt und sie nahm es ihm ab. Beim Schieben eierte der Vorderreifen so schlimm, dass sie sich fühlte, als würde sie auf Treibsand damit laufen. Verflixt! Das setzte allem echt die Krone auf …

»Woher kennt Frau Wu eigentlich deinen zweiten Namen?«, fragte Luis.

Nele warf einen nachdenklichen Blick zurück. »Frau Wu weiß seltsam viele Dinge.«

Beim Weitergehen begann die Schramme an ihrem linken Ellbogen plötzlich, höllisch zu brennen, und sie verzog das Gesicht. Zum Glück war sie sonst okay.

Luis musterte sie besorgt. »Geht’s?«

»Ich bin vom Fußball Schlimmeres gewohnt«, antwortete Nele. Vom letzten Spiel hatte sie noch immer einen dicken blauen Fleck am Schienbein. »Aber mein Rad …«

»Ja, das sieht echt übel aus«, sagte Luis mitfühlend. »Vielleicht kann dein Papa es reparieren?« In seine Augen trat ein verträumter Glanz, wie kleine Funken von Abenteuerlust. »Ich meine, der ist jetzt irgendwo da draußen und tut … gefährliche Dinge! Ein verbogenes Rad kriegt der mit verbundenen Augen hin.«

Die Vorstellung von ihrem Papa mit Augenbinde und Werkzeug heiterte Nele sofort auf. Warum Luis so unbedingt auch mal was Aufregendes erleben wollte, war ihr allerdings schleierhaft. Zusammen mit vier Schwestern unter einem Dach zu leben, erschien ihr schon abenteuerlich genug. Luis hatte eine Schwester für jede Gelegenheit – und Nele? Einen Papa, den sie mit seinem Job teilen musste.

»Was glaubst du, macht er gerade? Ist er vielleicht …«

»Psst!«, unterbrach Nele ihn. »Wir reden nur im Clubhaus über so was.«

»Natürlich!« Luis’ Gesicht wurde ernst. »Ich habe feierlich geschworen, die Geheimnisse deiner Familie zu wahren! Bis zum Planeten Zorkaja und noch weiter!«

Nele lachte. »Du redest manchmal nur Unsinn.«

»Hey! Das ist aus ›Die Rückkehr der Sternenpatrouille‹.«

Bei dem schmalen Haus mit der Nummer dreizehn hielten sie an. Nele und ihr Papa lebten schon viele Jahre in der Lilienstraße in Kumpferberg und seit ihrem Einzug damals hatte sich an den Backsteinhäusern und gepflegten Vorgärten nicht viel verändert. Auf den Stufen vor ihrem Haus saß wie jeden Tag, wenn Nele heimkam, Caroul, der dicke weiße Kater der Schuhmanns von schräg gegenüber. Herr Schuhmann und seine Tochter Kira sahen nach Nele, wenn ihr Papa unterwegs war. Doch heute würde das nicht nötig sein, denn …

Das schwarze Auto dort kannte Nele nur zu gut: Ihr Papa war wieder da!

Kapitel 2

»Luis, sieh mal!«, sagte Nele.

Vor lauter Vorfreude konnte sie nicht mehr still stehen. Sie lehnte ihr Rad gegen den Gartenzaun, scheuchte Caroul von den Stufen und kramte ihren Schlüssel hervor. Ihr Herz machte einen Salto, als sie den blauen Koffer im Flur sah.

»Papa! Ich bin zu Hause. Wo bist du?«

Neles Blick huschte zur Küche, aber die war leer. Sie lief zum Wohnzimmer und bemerkte die offene Terrassentür. Aus dem Garten drang ein komisches Geräusch …

»Ob er oben ist?«, wunderte sich Luis, der ihr gefolgt war.

»Ich weiß nicht«, sagte Nele. »Aber hörst du das auch?«

»Vielleicht hat dein Papa sich in einen Raben verwandelt«, scherzte Luis. Doch er hörte sich genauso unsicher an, wie Nele sich fühlte. »Sollen wir … mal nachsehen?«

»Ja«, murmelte Nele. »Ein Einbrecher wird wohl kaum so einen Lärm veranstalten.« Zur Sicherheit schnappte sie sich trotzdem den alten Besen aus der kleinen Vorratskammer der Küche. Bewaffnet und mit Luis dicht hinter sich, ging sie vorsichtig zum Garten.

Dort blieb sie verdutzt stehen. »Da ist ein Mädchen.«

»Was tut sie denn da?«, fragte Luis perplex.

»Ich weiß auch nicht … sie sieht aus wie Rapunzel, oder?«

Das besagte Mädchen trug ein altmodisch aussehendes Kleid mit langen Ärmeln, obwohl es ungefähr im selben Alter wie Luis und Nele sein musste. Seine goldglänzenden Haare waren wirklich so lang wie bei einer Märchenprinzessin. Und barfuß war das Mädchen auch. Eines seiner Spitzenschühchen hielt es in der Hand, das andere schien zu fehlen.

Rapunzel führte einen kuriosen Tanz auf, wenn man das so nennen konnte. Hopsend und mit den Armen fuchtelnd, machte sie Krächzgeräusche, als würde ihr was im Hals feststecken.

Nele ließ den Besen sinken und starrte sie an.

Und dann bemerkte Rapunzel sie auch. Sie wirbelte wie eine Ballerina um ihre eigne Achse und würgte wieder einige dieser Krächztöne heraus, und als die Blicke der beiden sich trafen, fing sie erschrocken an zu kreischen.

»Oh, du murksiges Makra! Ein Schlammgnom! Bleib weg von mir!«

»Was?«, entfuhr es Nele automatisch.

Zur Antwort warf das Mädchen seinen Schuh nach Nele, und da die viel zu perplex war, um zu begreifen, was geschah, traf das kitschige Ding sie genau an der Schulter.

»Aua!« Nele rieb sich die schmerzende Stelle. »Was soll das?«

»Hör auf, mit mir zu sprechen, Schlammgnom!«, stotterte die Fremde.

»Was soll ich denn sonst tun? So komisch krächzen wie du?«, fragte Nele.

Sie machte große Augen. »Krächzen? Das war Kakelon! Eine aussterbende Sprache, die nur die allerwenigsten in Marabel noch beherrschen«, sagte sie empört.

Neben ihr unterdrückte Luis ein Prusten. »Kakelon!«, jauchzte er.

»Ich hab eine Meise!«, sagte Rapunzel. »Helft mir doch.«

Die hatte sie wirklich, dachte Nele. Eine absolute Vollmeise!

»Wer bist du überhaupt und was machst du in unserem Garten?«, fragte Nele.

Sie ignorierte Neles Fragen, wandte sich wieder dem Baum zu und zeigte mit dem Finger auf einen der Äste, wo tatsächlich eine kleine Meise saß. »Die Meise muss mir gefolgt sein. Sie muss verschwinden, ehe sie was aufschnappt. Tu doch was!«

Nele runzelte genervt die Stirn. »Gefolgt? Hör auf mit dem Blödsinn!«

»Das ist bitterer Ernst«, jammerte sie. »Ich bin doch in Gefahr …«

Plötzlich wirkte sie ganz bedrückt. Nele bekam Mitleid mit ihr und machte einen Schritt vor. »Wie heißt du? Ich bin Nele.«

Die Miene des Mädchens verfinsterte sich. »Was für eine unverschämte Frage! Jeder weiß, wer ich bin. Und ich verlange, dass du endlich diese Meise entfernst!«

Schlagartig war Neles Mitleid wie weggewischt. Sie stampfte zum Baum und wedelte mit dem Besen herum, bis die Meise vom Ast flog. Mit zusammengekniffenen Augen funkelte sie Rapunzel an. »So, zufrieden? Kannst du jetzt gehen? Da vorne ist die Tür.«

Die rümpfte bloß die Nase. »Von jemandem, der nicht weiß, wie man anständig badet, lasse ich mir gar nichts sagen. Geh du doch durch die Tür.«

»Du hast wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank! Ich wohne hier!«

»In unserem Schrank fehlt niemals auch nur eine Tasse. Die sind alle aus feinstem marabellanischem Porzellan und gehören nun mal zusammen«, erwiderte das Mädchen ziemlich hochnäsig.

Luis mischte sich ein. »Können wir nicht von vorne anfangen und versuchen, eine Lösung zu finden? Hallo, ich bin Luis und das ist Nele. Wer bist du?«

Rapunzel warf kokett ihr Haar zurück und streckte Luis dann eine Hand entgegen. »Mein Name ist Romina Cassandra Eleanor Wynter«, sagte sie hochnäsig.

»Ich glaube, sie wartet darauf, dass du ihre Hand küsst«, meinte Nele.

»Natürlich! Das ist ein Zeichen des Respekts der Königsfamilie gegenüber.«

Luis nahm Romina Dingensbums Wynters Hand und schüttelte sie sanft.

»So macht man das bei uns«, erklärte er. »Du kommst wohl nicht von hier?«

»Vielleicht hat sie ja ein Raumschiff im Garten abgesetzt«, flüsterte Nele.

Romina beäugte Luis’ Hand misstrauisch und zog ihre dann zurück. »Steht diese Nele in deinen Diensten? Warum sieht sie aus wie ein Schlammgnom?«

Nele verschränkte die Arme vor der Brust. Die hatte eindeutig zu viele Computerspiele gespielt oder warum laberte sie so verrücktes Zeug?

»Du siehst auch nicht gerade besser aus«, sagte Nele und wandte sich Luis zu, weil sie gar nicht länger mit ihr reden wollte. »Ich will, dass Romina geht.«

»Romina Cassandra Eleanor Wynter«, wurde Nele sogleich verbessert.

»Und wenn du noch zehn andere Namen hättest, mir schnurzpiepegal!« Sie fuhr wieder zu Romina herum. »Lass uns in Ruhe und verschwinde.«

Hinter ihnen räusperte sich jemand. »Ich befürchte, das ist nicht möglich.«

Kapitel 3

Der Anblick ihres Papas ließ Nele diese eingebildete Schnepfe kurz vergessen. Sie warf den Besen ins Gras und fiel ihm um den Hals. »Papa!«

Er drückte sie fest an sich. »Was habe ich dich vermisst!«

»Ich dich viel mehr!«, erwiderte Nele und ließ ihn los.

Er sah ein bisschen mitgenommen aus. Schatten lagen unter seinen Augen und das sonst so ordentlich gekämmte braune Haar war etwas durcheinander.

»Geht’s dir gut?«, fragte Nele.

»Mir geht’s gut«, antwortete ihr Papa liebevoll. »Dir hoffentlich auch?«

Nele sah zögerlich zu dem anderen Mädchen. »Na ja, da …«

»Ihr habt Romina also schon kennengelernt«, sagte er.

»Weißt du etwa, was sie hier zu suchen hat?«, fragte Nele überrascht.

Ihr Papa machte eine ernste Miene. Nele schluckte schwer. Oh nein! Dieses Gesicht kannte sie. So sah er sie meistens an, wenn er etwas zu sagen hatte, was Nele nicht hören wollte. Wie bei der Standpauke wegen der schlechten Deutscharbeit letztens. Aber Nele hatte da so eine Ahnung: Das hier würde schlimmer werden.

»Sie ist unser Gast«, antwortete er.

»Gast?«, wiederholte Nele entgeistert.

»Genauer gesagt …« Ihr Papa schielte nun zu Luis hinüber. »Hallo, Luis.«

Luis strahlte. »Hallo!«

»Sei mir nicht böse, Luis, aber könntest du uns allein lassen?«, fragte ihr Papa. »Ich würde gerne mit Nele und Romina ein paar Familiensachen besprechen.«

»Ähm, klar«, antwortete Luis und klang etwas enttäuscht. »Bis dann.«

Puh! Wenn Papa schon Luis rauswarf, wurde es richtig ernst.

Und was hieß Familiensachen? Mecker-Rapunzel gehörte nicht zur Familie.

Nele war so beschäftigt mit ihren Gedanken, dass Luis schon weg war, bis sie sich nach ihm umdrehte. Na toll, nicht mal vernünftig verabschieden konnte sie sich!

»Beim Fußballtraining scheint’s ja ordentlich zugegangen zu sein.« Sie sah wieder zu ihrem Papa, der sie musterte. »Am besten gehst du dich erst mal umziehen.«

Ach ja! Ihre Sachen waren noch immer nass und dreckig.

»Nicht, bevor ich weiß, was hier los ist«, sagte Nele stur.

»Ich erkläre es dir gleich. Habt ihr euch schon einander vorgestellt?«

»Vorgestellt?«, schnaufte Nele. »Sie hat einen Schuh nach mir geworfen und mich einen Schlammgnom genannt! Ich verstehe nur Bahnhof, Papa. Wer ist sie?«

Mehr als ein leises »Oh« bekam Nele nicht zur Antwort. Ihr Papa sah zu Romina, die dreinblickte, als hätte sie in eine saure Zitrone gebissen.

»Am besten gehen wir alle ins Haus, ich hole uns eine Saftschorle, du ziehst dich um und dann setzen wir uns im Wohnzimmer zusammen«, beschloss ihr Papa.

Da Nele sich inzwischen selbst ein bisschen eklig fühlte und aus ihrem Trikot rauswollte, ging sie stumm voraus. Sie lief die Treppe bis in den zweiten Stock hoch und verschwand in ihrem Zimmer. Nachdem sie sich ein paar Sachen aus dem Kleiderschrank geschnappt hatte, huschte sie ins Bad, das direkt gegenüber lag. Eigentlich hatte sie wenig Lust, sich mit Romina an einen Tisch zu setzen und über irgendwas zu reden … aber gleichzeitig ratterten Neles Gedanken auch wild durcheinander. Das hatte bestimmt alles was mit dem Job ihres Papas zu tun.

Nervös fuhr Nele mit den Fingern über ihr Armband. Es bestand aus schwarzen Perlen und einem silbernen Fußballanhänger. Sie legte es niemals ab, weil es ein Geschenk ihrer Mama gewesen war. Schließlich gab Nele sich einen Ruck, ging rasch duschen und zog sich an. Sie rubbelte sich gerade die Haare mit einem Handtuch trocken, da hörte sie den dumpfen Ruf ihres Papas von unten.

»Kommt ihr zwei runter?«

Sekunde mal – ihr zwei? Oder hatte Nele sich verhört? Sie drückte die Klinke herunter und spähte in den Flur. Es war verdächtig ruhig. Ihre Zimmertür war nur angelehnt und da sah sie den goldblonden Haarschopf im Türspalt auf‌blitzen.

»Hey!« Nele polterte ungehalten in den Raum. »Was machst du da?«

Romina schaute nicht mal ertappt. Seelenruhig begrabbelte sie weiter ein paar von Neles Sachen, die auf dem Bett lagen, wie Neles alten Stoffbären, einen Haarreif, ihr Handy und sogar das Heft, in dem Nele einige geheime Fußballstrategien verewigt hatte. Neles ganzer Körper spannte sich an. Das war privat! Was nahm sich Romina eigentlich heraus? Jetzt reichte es aber!

»Das sind meine Sachen! Das ist mein Zimmer!«

Ohne nachzudenken, warf Nele ihr nasses Handtuch nach Romina.

»Ihhhh«, kreischte diese sofort los. Wütend schleuderte sie das Handtuch von sich. »So behandelt man keine marabellanische Prinzessin! Du hast echt keine Manieren!«

»Ach ja! Wühlst du etwa immer in fremden Sachen rum?«, zischte Nele.

»Ich dachte, das wären meine Gästegemächer!«, erwiderte Romina.

»Da an der Tür steht aber Nele oder kannst du nicht lesen?!«

»Ich kann sehr gut lesen!«, sagte Romina eingeschnappt. »Ich beherrsche dreizehn verschiedene Sprachen und war die beste Schülerin von Signore Laguatina!«

»Dann geh doch zurück zu deinem Signore und lass dir von ihm die Sprache der normalen Menschen beibringen«, sagte Nele genervt. »Das ist mein Zimmer.«

»Ein besonders schönes Zimmer ist es ja nicht«, bemerkte Romina. »Oder Haus.«

Nele klappte der Mund auf. Ihr Haus war wohl schön! Im ersten Stock hatte ihr Papa mit seinem Schlafzimmer, Bad und Büro sein eigenes Reich und der zweite Stock gehörte ihr allein. Na gut, bis auf die Abstellkammer voller Fitnessgeräte. Nele fand es aber einfach toll, dass sie hier oben niemand störte. Und wenn sie sich nachts ans Fenster setzte, konnte sie sogar über den Dächern ein paar Sterne beobachten.

Sie schnaufte. »Du willst mir was von Manieren erzählen?«

»Ich kenne das Manifestum der manierlichen Manieren auswendig!«

»Was soll das sein? Klingt superbescheuert.«

»Das müssen alle Prinzessinnen kennen.«

Da war es schon wieder: Prinzessin. Dass Nele nicht lachte! Ihr Papa hatte zwar mit außergewöhnlichen Leuten zu tun, aber er würde doch keine Prinzessin in so eine langweilige Kleinstadt wie Kumpferberg schleppen – schon gar nicht zu ihnen nach Hause.

Außerdem – waren Prinzessinnen nicht höflich, klug und freundlich?

Cinderella hatte sich nicht mal beim Erbsenaufsammeln beschwert. Romina könnte höchstens die Prinzessin von Zeter-Mecker-Unfreundlichhausen sein.

»Wenn du angeblich so eine masupilanische Prinzessin bist, was machst du denn dann in diesem blöden, kleinen Zimmer, hä?«, fragte Nele herausfordernd.

»Marabellanische Prinzessin«, verbesserte Romina sie. »Mein Name ist Romina Cassandra Eleanor Wynter und ich bin die Dritte in der Thronfolge von Marabel.«

»Von all deinen Namen kriegt man echt ’nen Hirnknoten«, murrte Nele.

»Mädchen! Kommt bitte runter!«, rief ihr Papa, nicht mehr ganz so geduldig.

Nele riss Romina ihr Fußballstrategienheft aus den Fingern. »Nach Euch, Eure königliche Majestät die Dritte«, äffte sie deren arroganten Tonfall nach.

»Geht doch!«, sagte Romina beschwingt und schwebte aus dem Zimmer.

Nele verdrehte die Augen und ging ihr nach.

Das konnte ja noch heiter werden!

Kapitel 4

Romina ging nicht normal die Treppe runter, sondern stolzierte wie ein sterbender Schwan Stufe für Stufe hinab. Dabei machte sie mehrmals kleine Pausen und sah sich um. Was sollte das? Sie waren hier doch nicht bei einer Parade, wo man Augenkontakt mit dem Fußvolk suchte! Zumal es hier rein gar nichts zu sehen gab.

Im Wohnzimmer knickste Romina vor Neles Papa, ehe Nele sie aufs Sofa bugsierte und sich neben sie setzte. Das empörte Schnaufen von Prinzessin Pupsegal ignorierte sie. »Ich möchte jetzt wissen, was los ist, Papa. Was soll das Theater? Wo bist du gewesen? Wieso ist sie hier? Wer zum Kuckuck ist sie?«

Bei der Erwähnung des Wortes »Kuckuck« bückte sich Romina und schlug die Hände überm Kopf zusammen, als erwarte sie einen Angriff von oben. »O weh!«

Nele runzelte die Stirn. Nicht mal ihre Oma sagte so was wie »O weh«.

»Hast du irgendeine Vogelphobie?«, fragte Nele sie.

»In Marabel, wo Romina herkommt, werden einige Tiere als Spione eingesetzt«, erklärte ihr Papa. »Aber hier besteht keinerlei Gefahr für dich, Romina.«

Tiere als Spione? Wo gab’s denn so was?

Romina blickte sich verunsichert um. »Sind Sie da sicher, Agent Wolf?«

»Ich habe dir doch gesagt, dass du mich Konrad nennen kannst – und ja, ich bin mir sicher.«

Nele beobachtete Romina von der Seite. Meinte sie dieses ganze Gehabe ernst? Oder war das eine schauspielerische Glanzleistung? Sie griff nach ihrer Saftschorle und trank ein paar Schluck. Romina, die das gesehen hatte, machte es Nele nach – nur dass sie den kleinen Finger dabei abspreizte wie bei einer Teestunde der Queen.

»Schmeckt’s dir nicht?«, fragte Nele, weil Romina nur am Saft nippte.

Diese verschluckte sich sogleich, hustete, und als sie hastig ihr Glas abstellen wollte, stieß sie es um und der Inhalt verteilte sich über den Tisch.

»Das tut mir fürchterlich leid!«, sagte Romina, machte aber keine Anstalten, sich zu bewegen und irgendetwas aufzuwischen. Nele wollte schon aufstehen, da deutete ihr Papa zum Durchgang zur Küche. »Könntest du einen Lappen aus der Küche holen? Die sind direkt unter der Spüle.« Zu ihrer Verwunderung sah er Romina dabei an.

Die schien kurz nachzudenken, ob das nicht unter ihrer Würde war oder so was, setzte dann ein höfliches Lächeln auf und verließ schweigend das Wohnzimmer.

»Ist sie wirklich so oder spielt sie das?«, platzte es aus Nele heraus.

»Sie wurde so erzogen«, antwortete ihr Papa und sah sie mit einer Dringlichkeit an, die ihr einen Schauer über den Rücken jagte. Nele setzte sich kerzengerade hin.

»Sie behauptet, sie wäre eine Prinzessin … stimmt das?«

»Ich fange mal vorne an«, sagte ihr Papa. »Meine letzte Mission war sehr schwierig und alles, was ich dir darüber erzähle, muss bitte unter uns bleiben. Okay?«

Nele zögerte kurz, dann nickte sie. Er sprach sonst nie über seinen Job …

Natürlich wusste sie ein wenig, aber eben nicht besonders viel. Früher hatte Nele gequengelt und gebettelt, er möge ihr mehr über M.A.G.I.K. erzählen, sie in die Geheimnisse einweihen, die er beschützte, aber da war ihr Papa stets schweigsam wie ein Grab gewesen. Das hier war ihre Chance, mehr zu erfahren.

Vor Aufregung zupfte Nele an ihrem Shirt herum. »Wie schwierig?«

»Es gibt ein kleines magisches Land namens Marabel«, begann er zu erzählen. »Die Königsfamilie Wynter regiert seit Generationen dort und wird vom Volk geschätzt und verehrt. Bereits vor einigen Monaten wurden M.A.G.I.K. jedoch Unruhen gemeldet. Es gab Gerüchte über eine große Gefahr für die Königsfamilie und so wurden einige Agenten dort postiert. Es gibt eine Organisation, welche an Macht gewinnt und die Familie Wynter nicht länger auf dem Thron sehen möchte.«

»Aha«, sagte Nele. »Romina ist also eine echte Prinzessin, krass.«

Ihr Papa wurde einen Augenblick sehr nachdenklich, ehe er fortfuhr. »Ja, Romina ist eine Prinzessin von Marabel und die Dritte in der Thronfolge. Ihre ältere Schwester Ariella soll Ende des Jahres gekrönt werden. Aufgrund eines Zwischenfalls musste M.A.G.I.K. die Königsfamilie aber außer Landes schaffen.«

Nele schluckte schwer. Das klang nach einer üblen Geschichte …

»Und wieso ist Romina bei uns?«, fragte Nele beklommen.