2,49 €
"Macbeth" ist das kürzeste Stück Shakespeares und durch seine Figuren und Handlung besonders zugänglich: Macbeth ist ein tapferer Held, der durch eigenen Ehrgeiz und die Manipulationen seiner Frau dem Verbrechen verfällt, sich zum mehrfachen Mörder wandelt und schließlich von einer Allianz der Rechtschaffenen zum gerechten Fall gebracht wird. Das Stück macht die Versuchungen der Macht und ihre unentrinnbare Logik nachvollziehbar und zeigt drastisch ihre fatalen Folgen. Die sogenannte Schlegel-Tieck-Übersetzung, zu der August Wilhelm Schlegel und - unter Mitübersetzer- und Herausgeberschaft von Ludwig Tieck - auch Dorothea Tieck und Wolf Heinrich Graf Baudissin beigetragen haben, ist im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem eigenständigen deutschen Klassiker geworden. Indem sich die Übersetzer der Literatursprache der deutschen Klassik im Gefolge Goethes und Schillers bedienten, schufen sie ein poetisches Übersetzungswerk von großer sprachlicher Geschlossenheit und weitreichender Wirkung. – Text in neuer Rechtschreibung. König Duncan von Schottland verleiht seinem Heerführer Macbeth - gemäß der Prophezeiung dreier Hexen - nach dem erfolgreichen Kampf gegen Aufständische den Titel ›Thane of Cawdor‹. Dem zweiten Teil der Prophezeiung, nämlich dass Macbeth König werde, glaubt Macbeth, zusätzlich überredet von seiner Frau, nachhelfen zu müssen, indem er König Duncan ermordet. Macbeth trachtet nun allen (vermeintlichen) Mitwissern, Konkurrenten und Gegnern nach dem Leben und schreckt auch vor Mord an deren Familien nicht zurück. Schließlich setzen König Duncans geflohener Sohn Malcolm und der Edelmann Macduff dem mörderischen Treiben Macbeths in einer Schlacht ein Ende.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 91
William Shakespeare
Macbeth
Übersetzt von Dorothea Tieck
Herausgegeben von Dietrich Klose
Reclam
Englischer Originaltitel: The Tragedy of Macbeth
1970, 2014 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
Durchgesehene Ausgabe 2014
Gesamtherstellung: Reclam, Ditzingen
Made in Germany 2017
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-961054-2
DUNCAN, König von Schottland
seine Söhne
MALCOLM
DONALBAIN
Anführer des königlichen Heeres
MACBETH
BANQUO
Schottische Edle
MACDUFF
LENOX
ROSSE
MENTETH
ANGUS
CATHNESS
FLEANCE, Banquos Sohn
SIWARD, Graf von Northumberland, Führer der englischen Truppen
DER JUNGE SIWARD, sein Sohn
SEYTON, ein Offizier in Macbeth’ Gefolge
Macduffs kleiner Sohn
Ein englischer Arzt und ein schottischer Arzt
Ein Soldat, ein Pförtner, ein alter Mann
LADY MACBETH
LADY MACDUFF
Eine Kammerfrau der Lady Macbeth
HEKATEund drei Hexen
Lords, Edelleute, Anführer, Krieger, Mörder, Gefolge, Boten. Banquos Geist und andere Erscheinungen.
Szene: Schottland. Zu Ende des vierten Aktes: England.
Offenes Gelände, Donner und Blitz.
Drei Hexen treten auf.
ERSTE HEXE.
Wann kommen wir drei uns wieder entgegen,
Im Blitz und Donner, oder im Regen?
ZWEITE HEXE.
Wenn der Wirrwarr stille schweigt,
Wer der Sieger ist, sich zeigt.
DRITTE HEXE.
Das ist, eh der Tag sich neigt.
ERSTE HEXE.
Wo der Ort?
ZWEITE HEXE.
Die Heide dort.
DRITTE HEXE.
Da wird Macbeth sein. Fort, fort!
(Man hört einen Gesang in der Luft!)
ERSTE HEXE.
Grau Lieschen, ja! ich komme!
ALLE DREI.
Unke ruft: – Geschwind –
Schön ist hässlich, hässlich schön:
Schwebt durch Dunst und Nebelhöhn!
(Die Hexen verschwinden.)
Lager bei Fores.
Kriegsgeschrei. Es treten auf der König Duncan, Malcolm, Donalbain, Lenox, Gefolge; ein blutender Krieger kommt ihnen entgegen.
DUNCAN.
Welch blut’ger Mann ist dies? Er kann berichten,
Nach seinem Ansehn scheint’s, den neusten Stand
Des Aufruhrs.
MALCOLM.
Dies ist der Kämpfer,
Der mich, als kecker, mutiger Soldat,
Aus meinen Feinden hieb: – Heil, tapfrer Freund!
Dem König gib Bericht vom Handgemenge,
Wie du’s verließest.
KRIEGER.
Es stand zweifelhaft;
So wie zwei Schwimmer ringend sich umklammern,
Erdrückend ihre Kunst. Der grause Macdonwald
(Wert, ein Rebell zu sein; ihn so zu stempeln,
Umschwärmen, stets sich mehrend, der Natur
Bosheiten ihn) ward von den Westeilanden
Von Kernen unterstützt und Galloglassen;
Und das Glück, dem scheußlichen Gemetzel lächelnd,
Schien des Rebellen Hure: doch umsonst,
Denn Held Macbeth – wohl ziemt ihm dieser Name –,
[9]Das Glück verachtend mit geschwungnem Stahl,
Der heiß von Blut und Niederlage dampfte,
Er, wie des Krieges Liebling, haut sich Bahn,
Bis er dem Schurken gegenübersteht;
Und nicht eh’ schied noch sagt’ er Lebewohl,
Bis er vom Nabel auf zum Kinn ihn schlitzte
Und seinen Kopf gepflanzt auf unsre Zinnen.
DUNCAN.
O tapfrer Vetter! würd’ger Edelmann!
KRIEGER.
Wie wenn mit erstem Sonnenlicht zugleich
Schiffbrechende Stürm’ und grause Donnerschläge –
So schwillt aus jenem Quell, der Trost verhieß,
Trostlosigkeit. Merk, Schottlands König, merk:
Kaum schlug Gerechtigkeit, mit Mut gestählt,
In schmähl’ge Flucht die leichtgefüßten Kernen,
Als Norwegs Fürst, den Vorteil auserspähend,
Mit noch unblut’ger Wehr und frischen Truppen
Von neuem uns bestürmt.
DUNCAN.
Entmutigte
Das unsre Feldherrn nicht, Macbeth und Banquo?
KRIEGER.
Ja wohl! wie Spatzen Adler, Hasen, Löwen.
Gradaus gesagt, muss ich von ihnen melden,
Sie waren wie Kanonen, überladen
Mit doppeltem Gekrach; so stürzten sie,
Die Doppelstreiche doppelnd, auf den Feind:
Ob sie in heißem Blute baden wollten,
Ob auferbaun ein zweites Golgatha,
Ich weiß es nicht –
Doch ich bin matt, die Wunden schrein nach Hilfe.
[10]DUNCAN.
Wie deine Worte zieren dich die Wunden;
Und Ehre strömt aus beiden. Schafft ihm Ärzte.
(Der Krieger wird fortgeführt. – Rosse und Angus treten auf.)
Wer nahet hier?
MALCOLM.
Der würd’ge Than von Rosse.
LENOX.
Welch Eilen deutet uns sein Blick! So müsste
Der blicken, der von Wundern melden will.
ROSSE.
Gott schütz’ den König!
DUNCAN.
Von wannen, edler Than?
ROSSE.
Von Fife, mein König,
Wo Norwegs Banner schlägt die Luft und fächelt
Kalt unser Volk.
Norwegen selbst, mit fürchterlichen Scharen,
Verstärkt durch den abtrünnigen Verräter,
Den Than von Cawdor, begann den grausen Kampf;
Bis ihm Bellonas Bräut’gam, kampfgefeit,
Entgegenstürmt mit gleicher Überkraft,
Schwert gegen Schwert, Arm gegen dräu’nden Arm,
Und beugt den wilden Trotz: mit einem Wort,
Der Sieg blieb unser. –
DUNCAN.
Großes Glück!
ROSSE.
So dass
Nun Sweno, Norwegs König, Frieden fleht;
Doch wir gestatteten ihm nicht Begräbnis
Der Seinen, bis er auf Sankt Columban
Zehntausend Taler in den Schatz gezahlt.
DUNCAN.
Nicht frevle länger dieser Than von Cawdor
An unsrer Krone Heil. – Fort, künde Tod ihm an;
Mit seiner Würde grüße Macbeth dann.
[11]ROSSE.
Ich eile, Herr, von hinnen.
DUNCAN.
Held Macbeth soll, was der verliert, gewinnen.
(Alle ab.)
Heide, Gewitter.
Die drei Hexen treten auf.
ERSTE HEXE.
Wo warst du, Schwester?
ZWEITE HEXE.
Schweine gewürgt.
DRITTE HEXE.
Schwester, wo du?
ERSTE HEXE.
Kastanien hatt’ ein Schifferweib im Schoß,
Und schmatzt’, und schmatzt’, und schmatzt’ – ›Gib mir‹, sprach ich:
›Pack dich, du Hexe!‹, schrie die garst’ge Vettel.
Ihr Mann ist nach Aleppo, führt den Tiger;
Doch schwimm ich nach im Sieb, ich kann’s,
Wie eine Ratte ohne Schwanz;
Ich tu’s, ich tu’s, ich tu’s.
ZWEITE HEXE.
Geb dir ’nen Wind.
ERSTE HEXE.
Bist gut gesinnt.
DRITTE HEXE.
Ich den zweiten obendrein.
ERSTE HEXE.
All die andern sind schon mein.
Wo sie wehn, die Küsten kenn ich.
Jeden Punkt und Zirkel nenn ich
Auf des Seemanns Karte.
Dürr wie Heu soll er verdorrn,
[12]Und kein Schlaf, durch meinen Zorn,
Tag und Nacht sein Aug’ erquickt,
Leb’ er wie vom Fluch gedrückt.
Sieben Nächte, neunmal neun,
Siech und elend schrumpf’ er ein:
Kann ich nicht sein Schiff zerschmettern,
Sei es doch umstürmt von Wettern.
Schau, was ich hab.
ZWEITE HEXE.
Weis her, weis her.
ERSTE HEXE.
Daum’ ’nes Lotsen; sinken sah
Ich sein Schiff, dem Land schon nah.
(Trommeln hinter der Szene.)
DRITTE HEXE.
Trommeln – Ha!
Macbeth ist da.
ALLE DREI.
Unheilsschwestern, Hand in Hand
Ziehn wir über Meer und Land.
Rundum dreht euch so, rundum:
Dreimal dein und dreimal mein,
Und dreimal noch, so macht es neun –
Halt! – Der Zauber ist gezogen.
(Macbeth und Banquo treten auf.)
MACBETH.
So schön und hässlich sah ich nie ’nen Tag.
BANQUO.
Wie weit ist’s noch nach Fores? – Wer sind diese?
So eingeschrumpft, so wild in ihrer Tracht?
Die nicht Bewohnern unsrer Erde gleichen
Und doch drauf stehn? Lebt ihr? Wie? seid ihr was,
Das man darf fragen? Ihr scheint mich zu verstehn,
Denn jede legt zugleich den stumpfen
Finger
[13]Auf ihren falt’gen Mund – ihr solltet Weiber sein,
Und doch verbieten eure Bärte mir,
Euch so zu deuten.
MACBETH.
Sprecht, wenn ihr könnt: – Wer seid ihr?
ERSTE HEXE.
Heil dir, Macbeth, Heil, Heil dir, Than von Glamis!
ZWEITE HEXE.
Heil dir, Macbeth, Heil, Heil dir, Than von Cawdor!
DRITTE HEXE.
Heil dir, Macbeth, dir, künft’gem König Heil!
BANQUO.
Was schreckst du, Mann? erregt dir Furcht, was doch
So lieblich lautet? – In der Wahrheit Namen,
Seid ihr Wahnbilder oder wirklich das,
Was körperlich ihr scheint? Den edeln Kampffreund
Grüßt ihr mit neuem Erb’ und Prophezeiung
Von hoher Würd’ und königlicher Hoffnung,
Dass er verzückt dasteht; mir sagt ihr nichts:
Wenn ihr durchschauen könnt die Saat der Zeit
Und sagen: dies Korn sprosst und jenes nicht,
So sprecht zu mir, der nicht erfleht noch fürchtet
Gunst oder Hass von euch.
ERSTE HEXE.
Heil!
ZWEITE HEXE.
Heil!
DRITTE HEXE.
Heil!
ERSTE HEXE.
Kleiner als Macbeth, und größer.
ZWEITE HEXE.
Nicht so beglückt, und doch weit glücklicher.
[14]DRITTE HEXE.
Kön’ge erzeugst du, bist du selbst auch keiner.
So, Heil, Macbeth und Banquo!
ERSTE HEXE.
Banquo und Macbeth Heil!
MACBETH.
Bleibt, ihr einsilb’gen Sprecher, sagt mir mehr:
Mich macht, so hör ich, Sinels Tod zum Glamis,
Doch wie zum Cawdor? Der Than von Cawdor lebt
Als ein beglückter Mann; und König sein,
Das steht so wenig im Bereich des Glaubens
Als Than von Cawdor. Sagt, von wannen euch
Die wunderbare Kunde ward? weshalb
Auf dürrer Heid’ ihr unsre Schritte hemmt
Mit so prophet’schem Gruß? – Sprecht, ich beschwör euch!
(Die Hexen verschwinden.)
BANQUO.
Die Erd’ hat Blasen, wie das Wasser hat,
So waren diese – wohin schwanden sie?
MACBETH.
In Luft, und was uns Körper schien, zerschmolz
Wie Hauch im Wind. Oh, wären sie noch da!
BANQUO.
War so was wirklich hier, wovon wir sprechen?
Oder aßen wir von jener gift’gen Wurzel,
Die die Vernunft bewältigt?
MACBETH.
Eure Kinder,
Sie werden Kön’ge.
BANQUO.
Ihr sollt König werden.
MACBETH.
Und Than von Cawdor auch; hieß es nicht so?
BANQUO.
Ganz so in Weis’ und Worten. Wer kommt da?
(Rosse und Angus treten auf.)
ROSSE.
Der König hörte hocherfreut, Macbeth,
[15]Die Kunde deines Siegs; und wenn er liest,
Wie im Rebellenkampf du selbst dich preisgabst,
So stritten in ihm Staunen und Bewundrung,
Was dir, was ihm gehört. Doch überschauend,
Was noch am selb’gen Tag geschehn, verstummt er;
In Norwegs kühnen Schlachtreihn sieht er dich,
Vor dem nicht bebend, was du selber schufest,
Abbilder grausen Tods. Wie Wort auf Wort
In schneller Rede, so kam Bot’ auf Bote,
Und jeder trug dein Lob, im großen Kampf
Für seinen Thron, und schüttet’s vor ihm aus.
ANGUS.
Wir sind gesandt vom königlichen Herrn,
Dir Dank zu bringen; vor sein Angesicht
Dich zu geleiten nur, nicht dir zu lohnen.
ROSSE.
Und als das Handgeld einer größern Ehre
Hieß er als Than von Cawdor dich zu grüßen:
Heil dir in diesem Titel, würd’ger Than!
Denn er ist dein.
BANQUO.
Wie, spricht der Teufel wahr?
MACBETH.
Der Than von Cawdor lebt: was kleidet Ihr
Mich in erborgten Schmuck?
ANGUS.
Der Than war, lebt noch:
Doch unter schwerem Urteil schwebt das Leben,
Das er verwirkt. Ob er im Bund mit Norweg;
Ob Rückhalt der Rebellen, er geheim
Sie unterstützte; ob vielleicht mit beiden
Er half zu seines Lands Verderb – ich weiß nicht;
[16]Doch Hochverrat, gestanden und erwiesen,
Hat ihn gestürzt.
MACBETH
(beiseite). Glamis und Than von Cawdor:
Das Höchst’ ist noch zurück. –
(Zu Rosse und Angus.) Dank Eurer Müh’! –
(Zu Banquo.) Hofft Ihr nicht Euren Stamm gekrönt zu sehen,
Da jene, die mich Than von Cawdor nannten,
Nichts Mindres prophezeit?
BANQUO.
Darauf gefußt,
Möcht es wohl auch zur Krone Euch entflammen,
Jenseits dem Than von Cawdor. Aber seltsam!
Oft, uns in eignes Elend zu verlocken,
Erzählen Wahrheit uns des Dunkels Schergen,