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Puerto Rico soll nur eine Zwischenstation für Matt und Aruula werden, bevor sie zum nächsten Artefakt weiterfliegen. Sie müssen unbedingt erfahren, ob die Nanobots tatsächlich keine Gefahr mehr sind und Aruula nicht die Bevölkerung der gesamten Insel auf dem Gewissen hat.
Auch die Daa'murin Gal'hal'ira sucht Klarheit: dass sie und Grao'sil'aana nicht die Letzten ihrer Rasse auf der Erde sind. Am Kratersee hofft sie Antworten zu finden - und muss am eigenen Leib erfahren, dass Daa'muren hier nicht mehr willkommen sind.
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Seitenzahl: 158
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Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ die Erde. Die Erdachse verschiebt sich und ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist – bis auf die Bunkerbewohner – auf rätselhafte Weise degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, dessen Staffel beim Einschlag durch ein Zeitphänomen ins Jahr 2516 gerät. Nach dem Absturz wird er von Barbaren gerettet, die ihn „Maddrax“ nennen. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula findet er heraus, dass Außerirdische mit dem Kometen – dem Wandler – zur Erde gelangt sind und schuld an der veränderten Flora und Fauna sind.
Nach langen Kämpfen mit den gestaltwandlerischen Daa’muren und Matts Abstecher zum Mars, auf dem die Nachfahren der ersten Marsmission eine eigene Zivilisation errichtet haben, entpuppt sich der Wandler als lebendes Wesen, das jetzt erwacht, sein Dienervolk in die Schranken weist und weiterzieht. Es flieht vor einem kosmischen Jäger, dem Streiter, der bereits die Spur zur Erde aufgenommen hat! Bei seiner Ankunft versuchen Matt und seine Gefährten, ein Stück eines lebenden Steinflözes in den Streiter zu versetzen, das ihn versteinern soll. Dies gelingt nach einigen Komplikationen, zu denen auch eine Reise durch verschiedene Parallelwelten zählt. Der lebende Stein wurde von sogenannten Archivaren entwickelt, die in einer Welt zwischen den Paralleluniversen leben und in einem „zeitlosen Raum“ technische Artefakte aller Epochen sammeln.
Von dort kommt die nächste große Bedrohung: ein Archivar namens Samugaar, der in Matts Welt und Zeit strandet und die Erde erobern will. Durch ein Schlangengiftserum macht er Aruula hörig. Matt, der sich schon zuvor von ihr getrennt hatte, nachdem sie durch einen Unfall den Tod seiner Tochter verschuldete, trifft sie beim Endkampf gegen Samugaar wieder. Die Archivare entgiften Aruula, bevor die und Matt in ihre Welt zurückgeschleudert werden. Mit ihnen gelangt eine BagBox herüber, in die Samugaar etliche Artefakte gepackt hat, mit denen er die Weltherrschaft an sich reißen wollte. Beim Übergang implodiert der Koffer und verteilt seinen Inhalt über die ganze Erde.
Sie spüren dank eines Scanners aus dem zeitlosen Raum in New Orleans das erste Artefakt auf, das Kontakt zu Toten herstellen kann. „Wudans Auge“, eine verstorbene Göttersprecherin, übermittelt Aruula drei Aufgaben, durch die sie die Schuld tilgen kann, die sie als Samugaars Werkzeug auf sich geladen hat. Bei den Niagarafällen finden sie dank der ersten Weissagung einen globalen Nanobot-Ausschalter, und in Maine können sie bei Wulfanen ein Artefakt an sich bringen und zerstören, das jeden Stromfluss unterbricht.
In der Zwischenzeit hat sich ein alter Feind zu neuer Macht aufgeschwungen: General Crow, der in einem Androidenkörper japanischen Truppen nach Washington führt und die Stadt erobert. Doch Matt und Aruula gelingt es mit Hilfe ihrer Freunde wenigstens, ihren Freund Mr. Black aus Crows Gewalt zu befreien. Dabei erfüllt Aruula die zweite Aufgabe.
Jäger und Gejagte
von Michelle Stern
Erinnerung
Du brüllst es an, das bernsteinfarbene Wesen, das so gar nicht wie ein Mensch aussieht. „Samugaar!“, schreist du. „Hilf mir!“ Er ist ein Archivar, du eine Kriegerin – und du bist krank. Schwarze Ströme rinnen aus deinem Mund, fließen aus Nase und Augen. Die Invasion, die aus einem Labor entkam und nun in deinem Körper tobt – Nanobots. Kann der Name auch nur im Ansatz ausdrücken, welches Grauen die mikroskopisch kleinen Maschinen in dir anrichten?
Dein Leben fließt mit dem Speichel und den Tränen davon. Wenn sie keinen anderen Wirt finden, wirst du sterben. Du bist Aruula von den Dreizehn Inseln. Und am Ende deiner Kraft.
Ende Juli 2528, Anflug auf Puerto Rico
Auf dem Monitor des Shuttles schälten sich die grünen Umrisse einer Küstenlinie aus dem Blau des Meeres. Matthew Drax sah zu Aruula, die angespannt auf das Display des Gerätes vor ihnen auf der Hauptkonsole starrte und auf das Ergebnis der Messung wartete. Sie suchten mit dem Elektrowellen-Echolot aus dem Hort des Wissens nach Anzeichen von künstlichem Leben auf Puerto Rico: nach Nanobots.
Aruula saß kerzengerade aufgerichtet im Copilotensitz. Ihr Gesicht war blass, die Lippen waren ein schmaler Strich. „Woran denkst du?“, fragte Matt, auch wenn er es wusste. Er wollte Aruula die Chance geben, darüber zu reden.
„An damals. Als mich die Nanobots infiziert hatten und Samugaar diese Insel anflog …“ Aruula verstummte. Dieses „damals“ war gerade mal acht Wochen her. Ihr kam es vor wie acht Monde, so viel war in der Zwischenzeit geschehen.
Auf dem Display zeigte sich noch immer kein Ergebnis. Das konnte zweierlei bedeuten: Entweder funktionierte das Echolot nicht richtig. Oder es gab tatsächlich keine aktiven Nanobots auf Puerto Rico.
„Keine Ortung“, sagte Matt. „Sieht doch gut aus.“
Aruula entspannte sich nicht. „Das kann auch bedeuten“, flüsterte sie tonlos, „dass dort unten nichts mehr lebt – keine Nanobots, aber auch keine Menschen und Tiere.“
Die Hoffnungslosigkeit in ihrer Stimme besorgte Matt. Ja, Aruula hatte die Nanobots nach Puerto Rico gebracht und damit eine Katastrophe in Gang gesetzt.1 Doch sie hatte es nicht willentlich getan. Das Schlangengiftserum, mit dem Samugaar sie unter seiner Kontrolle hielt, hatte alle Skrupel in ihr ausgelöscht. Er ist der wahre Schuldige, dachte Matt. Aruula hat es nur geschehen lassen.
Aber gerade das war es, was sie so niederschmetterte: Sie warf sich vor, nicht genügend dagegen angekämpft zu haben.
Matt fasste nach ihrer Linken. „Ich glaube eher, dass der Ausschalter funktioniert und die Gefahr gebannt ist“, sagte er aufmunternd und drückte ihre Hand leicht.
Sie hatten das Artefakt, mit dem angeblich sämtliche Nanobots weltweit abgeschaltet werden konnten, bei den Niagarafällen aufgespürt und aktiviert.2 Aber natürlich hatte Aruula recht: Wenn zu viel Zeit verstrichen war, hatten die Nanobots sich explosionsartig vermehrt und, nachdem keine Körper mehr da waren, die sie okkupieren konnten, alles Leben auf Puerto Rico vernichtet.
Sie würden es bald herauszufinden.
Nur wenige Minuten später konnte Aruula aufatmen.
Matt hatte einen Kurs gewählt, der sie über eine der Siedlungen auf Puerto Rico führte – und die Kameras lieferten ihnen Bilder, die eine Zentnerlast von der Seele der Kriegerin nahmen: Menschen, die sich durch das Dorf bewegten oder stehen blieben, um zu ihnen hochzublicken.
Wie Befallene sahen die Leute nicht aus, und es waren auch keine mumifizierten Körper auf den Wegen und Plätzen zu sehen. Trotzdem – um ganz sicher zu gehen, mussten sie landen und sich erkundigen, was in den letzten beiden Monaten passiert war.
Matt setzte das Shuttle unweit der Ruinenstadt Ponce auf. Er öffnete die Luke und sie stiegen über die Rampe aus. Schwülheiße Luft empfing sie. Die Sonne senkte sich, dennoch war es fast unerträglich im Vergleich zum klimatisierten Shuttleinneren. Sie hörten das weit entfernte Rauschen des Meeres und den Wind, der durch die Blätter der Bäume streifte. Ansonsten … nichts. Kein Zirpen, kein Zwitschern. Was hatte das zu bedeuten?
Aruula blickte ihn unsicher an; auch sie hatte die unnatürliche Stille bemerkt. Dann marschierte sie zum Rand der Lichtung, auf der sie gelandet waren.
Matt schloss sich ihr an. Sie erreichten die ersten Palmen. Auf einem Ast schimmerte zwischen den Blättern ein dunkles Fell. „Da“, sagte Matt und wies darauf. Sein Herzschlag beschleunigte sich. „Siehst du das?“
Aruula reckte den Kopf und runzelte die Stirn. „Das ist ein Flughund!“
Weitere der Tiere kamen angeflogen. Sie reihten sich auf den Ästen zwischen dem fleischigen Laub auf. In der Ferne hörte Matthew nun auch das Zirpen von Grillen, das Gequake von Kröten und den zaghaften Gesang von Vögeln. Die Natur schien wieder zu erwachen.
Matt lachte befreit auf, als er begriff. „Es war das Shuttle! Die Landung hat die Tiere zum Verstummen gebracht. Alles ist in Ordnung.“
Sekunden später verstummte auch er.
Etwas hatte sich geändert. Eine ungewisse Bedrohung lag in der Luft.
Die Flughunde besetzten inzwischen den gesamten Baum. Sie stierten Aruula und Matt feindselig entgegen, jeder Einzelne so groß wie eine Katze. Scharfe Krallen und spitze Zähne blitzten. Die Tiere belauerten sie mit angelegten Flügeln. Ob sie Fleischfresser waren?
Der Anblick erinnerte Matt unangenehm an Hitchcocks „Die Vögel“. Vorsichtig zog die Laserpistole aus dem Holster und ging rückwärts. „Zurück zum Shuttle!“
Aruula nickte. „Ja, du hast recht.“
Eine Welle schien durch die pelzige Masse zu laufen.
„Schnell!“
Hastig fuhren Matt und Aruula herum und rannten los.
Wie auf ein geheimes Zeichen schwangen sich die Flughunde vom Baum in die Luft. Es klang wie schlagende Segel im aufkommenden Sturmwind. Die Tiere flatterten Matt und Aruula hinterher, holten rasch auf.
Die beiden Flüchtenden hatten erst den halben Weg geschafft … als die Tiere unvermittelt abdrehten. Einige stießen schrille Rufe aus. Ihr Flügelrauschen verlor sich über dem Wald.
Erstaunt drehte Matt im Laufen den Kopf. Wie eine Wolke in einer Sturmböe löste sich der Schwarm auf. Was war passiert?
„Hey!“, rief eine Männerstimme vom Dschungel her in amerikanischem Englisch. „Entspannt euch! Ich hab die Fleeds für euch vertrieben. Keine Gefahr mehr.“
Matt blieb stehen. An der Baumgrenze stand ein Mann, vermutlich Mitte zwanzig, mit schwarzer Hornbrille und halblangen blonden Haaren. Er winkte ihnen zu und hielt einen silbernen Kasten mit Lautsprecher in der Hand. Hatte er die Flughunde damit verjagt? Vielleicht mit einem Geräusch außerhalb der menschlichen Wahrnehmung?
Auch Aruula hielt an. Doch sie hatte ganz andere Prioritäten. „Ein Überlebender!“, stieß sie hervor. „Er ist nicht infiziert! Wudan sei Dank!“
Der Mann kam näher. Er trug eine dunkelblaue Robe ohne Ärmel und auf dem Rücken einen großen Rucksack. Seine Schuhe waren so staubig und verschlissen, als hätte damit schon mehrfach die Insel umwandert.
„Wahnsinn“, sagte der Mann und zeigte auf das Shuttle. „Ist das ein amerikanisches Modell? So eins habe ich in den Aufzeichnungen nie gesehen.“ Er legte den Kopf in den Nacken. „Ich dachte, ich spinne, als ich das Ding anfliegen sah.“ Er wandte sich wieder Aruula und Matt zu und grinste breit. „Ich bin Winni Colorado. Wer seid ihr und was wollt ihr hier?“
„Meine Begleiterin Aruula; ich bin Maddrax“, stellte Matt sie beide vor. „Wir sind hier, weil wir von einer Seuche hörten, die auf Puerto Rico grassieren soll.“
„Puerto Rico? Du benutzt den alten Namen? Mann, ist das schräg. Und du hast mir noch nicht gesagt, wo ihr die Fähre herhabt.“
„Das ist eine längere Geschichte“, wich Matt aus, denn die Antwort „Aus einem Raumschiff im Orbit, das vom Mars stammt!“ hätte mit Sicherheit weitere Fragen aufgeworfen. Offensichtlich war der Mann sehr an Technik interessiert. „Was ist mit der Seuche?“
Ein Schatten schien kurz über Winni Colorados Gesicht zu fallen. „Die schwarze Pest. Ja, es gab Opfer, etwa zwei Dutzend. Aber ich glaube, wir sind mit einem blauen Auge davongekommen. Dank Einfallsreichtum, Durchhaltevermögen – und verdammt viel Glück.“
„Und Wudans Beistand“, ergänzte Aruula.
Winni legte den Kopf schief. „Äh … ja. Sieht so aus, als hättet ihr eine Menge zu erzählen. Ich mache euch einen Vorschlag: Fliegt mich mit dem Shuttle rüber ins Hauptquartier und ich zeige euch, wie wir die Nanobots kleingekriegt haben.“
„Ihr wisst, dass es Nanobots waren?“, hakte Matt nach. Der Typ war ihm suspekt. Ein ehemaliger Techno? Woher hatte er sein Wissen? Und welcher Gruppe gehörte er an?
„Klar, Mann.“ Winni grinste. „Wir sind doch nicht von gestern.“
Matt zögerte und wägte ab, wie gefährlich der Mann war. Winni war allein und schien unbewaffnet zu sein. Außerdem wollte Matt seine Geschichte hören.
„Also gut. Komm mit.“
Irland, beim ehemaligen Dublin, 13. Juli 2528
Angus Farell betrachtete seine Schwester Klooe, die die Bestie an einem eisernen Stachelhalsband neben sich herführte wie einen Hund und ihre Kunststücke präsentierte. Nicht umsonst hatte man ihr einen Platz abseits der verlockend duftenden Fleischbratereien zugewiesen.
Mütter zogen ihre Kinder hastig weiter, bewaffnete Männer wichen vor dem Holzzaun zurück. Die gefleckte Hyeena bot einen schauerlichen Anblick. Sie war die Größte in Farells Rudel und reichte ihm bis zur Brust. Er hatte sie Moony getauft, weil sie bei Vollmond besonders wild war. Wann immer er ihr vernarbtes Gesicht mit dem eingerissenen Ohr betrachtete, spürte er ein zärtliches Gefühl in sich aufsteigen. Moony war der Grundstein seines Erfolgs.
Ihr Gebrüll schaffte es, die hartnäckigsten Verhandlungspartner nachgiebiger zu machen – in seiner Branche der beste Garant für gute Geschäfte. Ein Blick aus den gelben, bösartigen Lichtern weckte mehr Respekt, als der hagere Angus je hätte erreichen können.
Während die Augen aller sich fasziniert auf die Bestie richteten, beobachtete Angus einen anderen Künstler, der einen Steinwurf entfernt den Leuten das Geld aus den Taschen zog: ein Harfenspieler, der mit seinem Instrument nahe dem Ausgang des Marktes neben dem Holzzaun stand. Er trug ein seltsames Diadem auf dem Kopf, von dem eine Stange wie eine Antenne abstand, und zwischen den einzelnen Stücken – alten irischen Weisen – wanderte seine Hand immer wieder in die weite Tasche seines bunten Gewands.
Angus war ein guter Beobachter, und was er sah, faszinierte ihn: Wenn Besucher an dem Harfenspieler vorbeigingen, veränderte sich deren Gesichtsausdruck. Er wurde weich, sie lächelten selig – und griffen in ihre Beutel, um ein paar Coiins hervorzuholen. Gingen sie dann weiter, zeigten sie nach ein paar Schritten deutliche Verwunderung. Doch wenn sie umdrehten und erneut auf den jungen rothaarigen Mann zugingen, glätteten sich ihre Züge wieder und sie gaben ihm noch mehr Coiins.
Dieser Barde war der eigentliche Grund, warum Angus und seine Schwester den Markt in der Tarnung von Schaustellern besuchten. Normalerweise behielt Angus die Hyeena auf dem Anwesen, damit sie die Sklaven von dummen Gedanken abhielt. Aber dieser Musikant besaß ein Gerät, das aus der Zeit der Alten stammte und die Zuhörer zu seinen Gunsten beeinflussen musste – es gab dafür keine andere Erklärung.
Angus begutachtete das Schauspiel noch eine Weile, dann gab er Klooe unauffällig ein Zeichen und zog sich zurück. Seine Schwester wusste, was sie zu tun hatte. In Angus’ Magen kribbelte es. Wenn er mit seiner Vermutung recht hatte und das Gerät an sich bringen konnte, würde dies das Ende der leidigen Einschränkungen sein, die seinen Handel in den letzten Jahren beschnitten hatten.
Angus überbrückte die Zeit bis zur Dunkelheit und den Feuerspuckern mit einer gebratenen Geruulkeule, einem Aufenthalt im öffentlichen Zuber und einer Flirterei mit der Kräuterbrotverkäuferin. Als es endlich soweit war, dass Klooe die Hyeena in den hölzernen, von Wakudas gezogenen Käfig verlud, spürte Angus eine Vorfreude wie selten zuvor in seinem Leben.
Als ich diesen Bunker fand, zusammen mit dem Retrologen, das war auch so ein Tag, dachte Angus. Der Bunker bei Dublin hatte Angus etliche Wunder der Alten beschwert, und er spürte, dass ihm ein weiteres kurz bevorstand. Vielleicht war es das eine, das seine Macht vervollkommnen würde.
Der Barde packte sein Instrument ein und machte sich pfeifend auf den Heimweg zur nahen Ruinenstadt. Was für ein einfältiger, dummer Kerl. Wenn er es geschickter angestellt hätte, wäre ihm eine goldene Zukunft beschieden gewesen. Stattdessen begnügte er sich mit ein paar Almosen, für die er sogar noch arbeiten musste.
Auch Klooe machte sich auf den Weg und folgte dem einsamen Musikanten mit dem Wagen.
Angus schnitt dem Barden den Weg ab, kaum dass der Markt außer Sicht war. „Diaa duiit“, sagte er mit einem falschen Lächeln. „Gott mit dir, mein Freund. Hast du Zeit für ein kurzes Gespräch?“
Der Barde sah ihn verunsichert an. „Nee. Muss heim zu meina Frau. Zu den Beebies.“
„Ach, musst du das, ja?“ Er gab Klooe ein Zeichen. Die Käfigtür des Wagens hinter ihnen schwang auf und die Hyeena sprang heraus. Auf leisen Pfoten kam sie näher – ganz ohne Ketten, das graue Rückenfell gesträubt, die Lefzen hochgezogen.
Die Augen des Barden weiteten sich. „Was … was wollter von mir?“
„Bestimmt nicht die paar Coiins, die du heute gesammelt hast“, antwortete Angus. „Nur das Ding, das sie dir verschafft hat.“
„Meine Harfe?“
Angus zog die Brauen zusammen. „Stell dich nicht blöder, als du bist, Mann!“
„Ihr … ihr habt’s beobachtet, was? Ihr kennt mein’ Trick.“
„Allerdings“, sagte Klooe, die von hinten an den Barden herangetreten war. „Woher hast du das Gerät?“
„Hab’s im Wald gefunden. Ehrlich. Is mir einfach so zugeflogen.“ Der Barde sah nervös auf die Hyeena, die sich zwischen Klooe und Angus drängte. „Ihr … ihr könnt den Kasten ham, und das Diadem. Will kein’ Ärger …“
„Wir wollen vor allem keinen Mitwisser“, sagte Angus. „Wer weiß noch davon?“
„Nie …niemand, ehrlich. Hab’s für mich behalten. Hatte Angst, der Priiest meint, es käm vom Orguudoo und sein’ Dämonen.“
Angus lächelte. „Ausgezeichnet.“
Klooe machte ein Zeichen mit der Hand. Moony sprang vor. Obwohl der Barde die Arme nach oben riss, durchbrach die Hyeena seine Deckung und packte ihn am Hals. Außer einem kurzen Aufschrei und einem Röcheln war nichts zu hören, als sie ihm die Kehle zermalmte.
Angus zog dem Sterbenden das Gerät aus der Tasche, während Klooe ihm das Diadem vom Kopf nahm.
Als Angus den Kasten berührte, entstanden unvermittelt Bilder in seinem Kopf. Sie jagten einander und zeigten ihm, was er nie für möglich gehalten hatte.
Dieses Ding nannte sich selbst Emotiorekorder, und es hatte zahlreiche interessante Funktionen. Er keuchte.
„Was hast du?“, fragte Klooe.
„Das ist noch besser, als ich dachte“, flüsterte Angus, der sich rasch erholte. „Dieses Ding erklärt sich selbst. Hätte ich nicht schon etliche Gerätschaften der Alten gesehen, ich würd’s für Magie halten.“
Moony hob den Kopf, sah sie aus gelben Augen abwartend an, das Fell um Maul und Brust blutverschmiert. Klooe gab der Hyeena ein weiteres Zeichen: die Beute zu verstecken. Moony zerrte den Barden in die Büsche. Wenn man seine Überreste fand, würde man annehmen, dass irgendwelche Raubtiere ihn überfallen hatten. Die Hyeena würde man nicht verdächtigen, die hatte den Markt schließlich in einem Käfig verlassen.
Angus trauerte den Coiins in den Taschen des Barden nach. Doch sie an sich zu nehmen, hätte auf einen Raubmord hingedeutet, wenn der Tote gefunden wurde. Egal! Wenn es stimmte, was der silberne Kasten ihm eben gezeigt hatte, würde er ohnehin bald ein reicher Mann sein.
Er bot seiner Schwester den Arm. Zusammen gingen sie zum Wagen und warteten auf Moonys Rückkehr.
Im Shuttle, Anflug auf Irland
„Was für eine Geschichte“, murmelte Matt, der auch nach Stunden noch immer nicht fassen konnte, was Winni Colorado ihnen erzählt hatte.3 „Und nur so wenige Opfer.“
Aruula senkte den Kopf. „Jedes von ihnen war eines zu viel. Aber ich bin dankbar, dass die Katastrophe ausgeblieben ist – dank Wudans Prophezeiung. Ich brenne darauf, auch die dritte zu erfüllen. Erst dann werde ich aufatmen können.“
„Wie lautet sie noch gleich?“, fragte Matt. „Die Bestie, die den Atem des Meeres frisst?“
Aruula schüttelte missbilligend den Kopf. Sie selbst hatte die drei Weissagungen, die ihr Wudans Auge in New Orleans übermittelt hatte, längst verinnerlicht. Zwei hatten sich inzwischen bewahrheitet, eine stand noch aus, um in Wudans Augen Vergebung zu finden für die Schuld, die sie durch ihr Bündnis mit Samugaar auf sich geladen hatte.
Die erste hatte sie zu dem Artefakt geführt, mit dem sie die Nanobots abschalten konnten. Die zweite nach Waashton zu Mr. Black, dessen Gefährtin Aruula auf dem Gewissen hatte. Matt wusste bis heute nicht, was die beiden miteinander gesprochen hatten, nachdem sie Mr. Black befreit und vor dem Verdursten gerettet hatten. Aber er hatte ihr vergeben.
„Der Atem der Bestie frisst den des Meeres. Mit dem Rücken am Abgrund bringe das Grün zurück“, rezitierte Aruula. „Ich bin mir sicher, dass uns diese Bestie bald begegnen wird.“