Magic Diaries. Victorias Geheimnis - Marliese Arold - E-Book

Magic Diaries. Victorias Geheimnis E-Book

Marliese Arold

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Beschreibung

Das Leben einer 16jährigen ist schon kompliziert genug – auch ohne magische Fähigkeiten! Doch nun fühlt sich Victoria auch noch von Dorian, Mary-Lous totem Bruder, magisch angezogen. Und in einen Geist verliebt zu sein, birgt ungeahnte Tücken, denn Dorians Berührungen sind kaum spürbar. Victoria muss etwas tun! Wild entschlossen macht sie sich ans Werk – und schreckt dabei auch vor Schwarzem Zauber nicht zurück. Sie ahnt nicht, wie hoch der Preis ist, den sie für Dorians Küsse zahlen muss... Der zweite Teil der neuen und spannenden Serie von Marliese Arold, der Schöpferin der Magic Girls!

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Vollständige eBook-Ausgabe der Hardcoverausgabe

arsEdition GmbH, München 2012

© 2012 arsEdition GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten

Covergestaltung: Romy Pohl, Innengestaltung: Sandra Stefan unter Verwendung von Bildmaterial von © www.fotolia.de: fox 111184, © gettyimages/thinkstock

Illustration Auge: Petra Schmidt

Text und Vignetten: Marliese Arold

ISBN eBook 978-3-7607-9152-4

ISBN Printausgabe 978-3-7607-8468-7

www.arsedition.de

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Unsere Magie kann neue Impulse gebrauchen.

Mafaldus Horus

Inhalt

Fortschritte

Verwirrungen

Herzklopfen

Verzweiflung

Der Meister

Eine Begegnung

Versuchung

Rückkehr

Freundschaft

Leseprobe

„Bist du fertig?“ Schwester Selina wartete, bis Mary-Lou das leere Puddingschälchen auf das Tablett stellte, damit sie abräumen konnte. „Hat’s geschmeckt?“

Mary-Lou lächelte schief. „Geht so. Krankenhausessen halt. Ich bin froh, wenn ich endlich entlassen werde.“

„Ein paar Tage wirst du noch bleiben müssen.“

„Doktor Jung meint, dass ich am Montag vielleicht raus kann. Wenn meine Blutwerte bis dahin okay sind. Krankengymnastik kann ich auch zu Hause weitermachen.“

„Ich verstehe schon, dass du heimwillst.“ Schwester Selina räumte das Geschirr vom Beistelltisch am Nachbarbett ab. „Du hast wahnsinniges Glück gehabt. Die ganze Sache hätte auch anders ausgehen können.“

„Ich weiß.“ Mary-Lou mochte gar nicht daran denken. Vor drei Wochen hatte sie einen Unfall gehabt und sich dabei eine Hirnblutung zugezogen. Nach einer schwierigen Operation hatte sie ein paar Tage im Koma gelegen, und niemand hatte gewusst, ob und wann sie daraus erwachen würde. Die Ärzte hatten auch nicht sagen können, ob Lähmungen, Sprachschwierigkeiten oder andere Beeinträchtigungen zurückbleiben würden. Aber Mary-Lou ging es gut, und sie hatte keine weiteren Verletzungen außer einem gerissenen Meniskus und ein paar Blutergüssen. Der Meniskus war genäht worden und im Moment humpelte Mary-Lou noch mit Krücken umher. Aber sie bekam Krankengymnastik und es wurde täglich besser. Bald würde sie keine Gehhilfen mehr brauchen. Der Arzt hatte ihr versichert, dass sie – nach einer Pause – auch weiterhin Ballett tanzen könnte, vorausgesetzt, sie würde es damit nicht übertreiben. Das bedeutete jedoch im Klartext, dass eine Profikarriere als Tänzerin wohl ausgeschlossen war. An diesem Urteil hatte Mary-Lou noch zu knabbern, auch wenn sie heilfroh war, dass der Unfall für sie letztlich so glimpflich ausgegangen war.

Stefan kam fast jeden Tag ins Krankenhaus, um sie zu besuchen. Inzwischen waren sie so etwas wie gute Freunde, und Mary-Lou stellte mit Erstaunen fest, dass ihre Verliebtheit in Stefan ziemlich nachgelassen hatte. Sie freute sich jedes Mal, wenn er kam, und dann redeten sie über alles Mögliche – wie echte Kumpel eben.

Mary-Lous Eltern hatten die Strafanzeige gegen Stefan wegen fahrlässiger Körperverletzung zurückgezogen. Er hatte den Unfall verursacht. Mary-Lou hatte hinter ihm auf seinem Motorrad gesessen, während er nachts zu schnell einen Schleichweg durch den Wald gefahren war. Bei einer Kurve hatte er dann die Kontrolle verloren, die Maschine war ins Gestrüpp gerast und Mary Lou war vom Beifahrersitz geschleudert worden ... Stefan hatte nur ein paar Schrammen abbekommen, die mittlerweile abgeheilt waren.

Nachdem sich die Tür hinter Schwester Selina geschlossen hatte, schaute Mary-Lou auf den Wecker, der auf dem Nachttisch stand. Sie schlug die Bettdecke zurück, griff nach ihren Krücken und humpelte ins Bad, um sich schnell zurechtzumachen, bevor um 14 Uhr die Besuchszeit begann.

Das Spiegelbild zeigte ihr ein blasses, leicht hohlwangiges Gesicht mit riesig wirkenden grün-braunen Augen. Noch immer waren Schatten darunter zu sehen, deswegen griff Mary nach ihrem Make-up, um die dunklen Stellen zu kaschieren. Ein bisschen Wimperntusche wäre auch nicht schlecht, denn ihre Wimpern waren sehr hell und fielen kaum auf – im Gegensatz zu ihrem flammend roten Haar. Es war ein Stück gewachsen und verdeckte die Narbe an ihrer rechten Kopfseite. Dort hatte man ihr bei der OP den Schädel geöffnet.

Subdurales Hämatom ... Mary-Lou hatte inzwischen im Internet einiges darüber gelesen und wusste, dass sie dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen war.

Während sie mit der kleinen Mascara-Bürste die Wimpern tuschte, fiel ihr eine Bewegung im Spiegel auf. Sie drehte sich um.

„Dorian!“

Vor ihr stand ein junger Mann. Seine Gestalt war leicht durchscheinend, Mary-Lou konnte durch seine Brust den Haken der Badezimmertür sehen, an dem der Bademantel ihrer Bettnachbarin hing.

„Hallo, kleine Schwester! Komme ich ungünstig?“

„Du hast mich erschreckt“, sagte Mary-Lou vorwurfsvoll. „Jetzt ist außerdem gleich Besuchszeit. Was machst du hier?“

„Wer kommt denn?“, fragte Dorian neugierig.

„Ich weiß nicht genau ... Vermutlich Victoria und Stella, vielleicht noch jemand aus meiner Klasse.“

„Und dieser Stefan.“

„Ja, und Stefan. Aber der kommt erst später, so gegen vier Uhr, weil er heute endlich sein Motorrad aus der Werkstatt holen kann.“

„Auf das du dich hoffentlich nie mehr setzen wirst.“

Mary-Lou verschränkte die Arme, um energisch auszusehen, musste sich aber dann an der Duschkabine festhalten, weil ihr Knie doch noch nicht so belastbar war. „Du hast mir gar nichts vorzuschreiben“, erwiderte sie leicht trotzig, allerdings mit einem sanften Unterton. Dorian meinte es ja nur gut.

„Ich denke schon. Immerhin bin ich dein Bruder.“

„Der vor sechs Jahren gestorben ist. Haben Geister denn das Recht, sich in das Leben anderer einzumischen?“

„Wenn es nötig ist.“ Dorian lächelte. „Sei nicht so empfindlich. Ich bin nur um dich besorgt.“

„Sorry, aber das Krankenhaus hier macht mich langsam verrückt“, sagte Mary-Lou. „Ich drehe durch, wenn ich nicht am Montag rauskomme. Dieses fade Essen – und dann wird man immer schon um sechs Uhr morgens aus dem Bett geschmissen. Die Visiten, die Gymnastik ... das alles macht mich wahnsinnig, und wenn ich dran denke, dass ich wegen dieser blöden Knieverletzung nie mehr auf der Bühne stehen werde, dann ...“ Jetzt hatte Mary-Lou Tränen in den Augen.

„Wer sagt das?“

„Das sagt keiner, das ist es ja! Sie wollen mich schonen, anstatt mir die Wahrheit zu sagen. Sei dankbar, dass du mit dem Leben davongekommen bist, heißt es. Oder: Du hättest im Rollstuhl sitzen können.“ Sie verdrehte die Augen. „Keiner versteht, was es heißt, einen Traum aufgeben zu müssen.“

„Ich verstehe dich. Ich ... musste auch vieles aufgeben ...“

„Aber dafür kannst du jetzt so vieles, was früher nicht möglich war. Zum Beispiel an jedem Ort der Welt auftauchen, ohne dass dich jemand sieht. Das ist doch nicht schlecht, oder?“ Mary-Lou sah ihren Bruder an. „Gut, du brauchst nicht mehr zu essen und zu trinken. Aber sonst kannst du doch fast alles machen, theoretisch.“

Dorian lächelte. „Du irrst dich, liebe Schwester ...“

„Okay, das mit dem Sex ist vielleicht etwas schwierig“, meinte Mary-Lou und grinste schief.

„Liebe“, sagte er. „Ich habe mir immer gewünscht, mich richtig zu verlieben. Die Liebe meines Lebens zu finden. Doch dann kam dieser verfluchte Tag, an dem ich unbedingt mit dem Surfbrett aufs Meer musste.“

Mary-Lou schluckte. Sie streckte ihre Hand aus, um Dorian tröstend zu berühren. Doch ihre Finger glitten durch seinen Arm hindurch.

„Du weißt doch, Geister ...“

„Ich weiß“, unterbrach sie ihn und ließ ihre Hand sinken. „Es tut mir leid.“

Er lachte trocken. „Früher habe ich mir immer gewünscht, heimlich schöne Frauen beobachten zu können. Jetzt könnte ich es tun – aber ich habe kein Interesse mehr daran. Es würde meinen Schmerz nur vergrößern und mich daran erinnern, dass ich mich nicht mehr verlieben kann.“

„Bist du deswegen eifersüchtig auf Stefan?“, fragte Mary-Lou. „Aber ich kann dich beruhigen. Wir sind nur Freunde.“

„Oh, woher der plötzliche Sinneswandel?“

Mary-Lou zuckte mit den Achseln. „Seit er sich so um mich bemüht und mich dauernd besucht, prickelt es nicht mehr in meinem Bauch. Ich weiß auch nicht, warum.“

„Interessant“, sagte Dorian. „Du hast ihn vielleicht nur geliebt, solange er unerreichbar für dich war.“

„Wenn es überhaupt Liebe war. Ich habe für ihn geschwärmt, fand ihn cool ...“ Sie seufzte.

„Und jetzt ist er dir zu langweilig?“ Um Dorians Lippen spielte ein spöttisches Lächeln.

„Nein. Nicht langweilig. Aber er ist irgendwie ... so normal. Es ist, als würden wir uns schon ewig kennen. Wir reden über alles. Er ist ... wie ein Bruder ...“

„Vielen Dank. Dann hast du also Ersatz für mich gefunden.“ Dorians Stimme klang leicht beleidigt.

„Oh Dorian, du weißt ganz genau, dass dich niemand ersetzen kann. Du bist ... einzigartig. Du wirst immer mein geliebter großer Bruder bleiben. Und ich bin so froh, dass ich jetzt mit dir reden kann. Ich habe dich ... so vermisst ... Ich habe nächtelang geheult und nichts konnte mich trösten.“

„Ich weiß.“

„Dann musste ich diese Scheißtherapie bei Doktor Morgan machen. Was habe ich den schmierigen Kerl gehasst. Zuletzt habe ich ihm alles erzählt, was er hören wollte, nur damit ich nicht mehr hinmusste.“

„Du Arme. Ja, er war schlimm. Ich habe manchmal zugehört.“

„Du hast ...“ Mary-Lou schnappte nach Luft.

„Überrascht dich das? Ich wollte doch wissen, wie es dir geht. Und als ich dann hörte, wie wütend du auf mich bist, weil ich dich einfach im Stich gelassen und meine Versprechen nicht gehalten habe, war ich ziemlich erleichtert. Ich habe schon gedacht, du hörst nie auf zu heulen.“

„Wenn ich damals auch nur geahnt hätte, dass du mich beobachtest ...“

Erst seit Kurzem, um ihren sechzehnten Geburtstag herum, konnte Mary-Lou ihren toten Bruder Dorian sehen und mit ihm in Kontakt treten. Bei ihren beiden besten Freundinnen Victoria und Stella hatten sich ebenfalls ungewöhnliche Dinge ereignet, seit sie sechzehn geworden waren. Stella hatte herausgefunden, dass sie mit der Kraft ihres Willens Menschen beeinflussen konnte. Und Vic hatte vor ungefähr drei Wochen zum ersten Mal einen Zeitsprung erlebt.

Das alles war kein Zufall. Inzwischen hatten die Mädchen eine nicht unwichtige Gemeinsamkeit herausgefunden: Ihre Eltern hatten auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen können und deswegen die Dienste der Kinderwunschklinik ELDORADO in Anspruch genommen. Und dort waren, ohne das Wissen der Eltern, Manipulationen am Erbgut vorgenommen worden, bevor man den Frauen mittels In-vitro-Befruchtung zu einer Schwangerschaft verholfen hatte. Dieser Eingriff hatte ungeahnte Konsequenzen, wie sich später herausstellen sollte.

„Ich würde mich ja gern noch länger mit dir unterhalten, Dorian, aber ich bin etwas in Eile“, sagte Mary-Lou. „Würdest du mich jetzt bitte allein lassen?“ Sie machte eine Kopfbewegung in Richtung Toilettenschüssel. „Ich mag es nicht, wenn mir jemand dabei zusieht.“

„Okay, ich bin schon weg.“ Dorian grinste. Seine Umrisse verblassten.

Mary-Lou hockte sich erleichtert auf die Klobrille. Danach wusch sie sich die Hände und kontrollierte im Spiegel noch einmal ihr Aussehen. Dann humpelte sie zurück ins Krankenzimmer und setzte sich auf die Bettkante.

Die Tür ging auf und ihre Zimmernachbarin kam zurück. Sie war beim Kiosk gewesen und hatte sich ein Eis und zwei Zeitschriften gekauft. Denise war dreizehn und eine echte Nervensäge. Zum Glück würde sie am kommenden Tag entlassen werden.

„Boah, hier mieft’s“, rief sie. „Kannst du das Fenster nicht mal ganz aufmachen?“

„Es war bis vor fünf Minuten offen“, sagte Mary-Lou. „Und jetzt kommt die Sonne auf unsere Seite, da wird es im Zimmer nur noch heißer.“

„Weiß nicht, warum man hier keine Klimaanlage hat“, murmelte Denise, entfernte die Papierhülle von ihrem Schokoladeneis und kroch ins Bett. „Scheißrückständiger Laden.“

„Ich kann die Jalousien runterlassen.“

„Dann kann ich nicht lesen.“

„Ach, mach doch, was du willst“, murmelte Mary-Lou und holte ihren Laptop aus der Nachttischschublade, um schnell ihre Mails zu checken, solange noch kein Besuch da war.

„Stimmt es, dass du im Koma warst?“, fragte Denise, während sie in einem ihrer Hefte blätterte.

„Ja.“

Denise war erst seit drei Tagen im Krankenhaus. Man hatte ihr per Schlüsselloch-OP den Blinddarm entfernt. Mary hatte ihr nur erzählt, dass sie einen Unfall gehabt hatte. Die Geschichte von ihrem Koma musste Denise aus einer anderen Quelle erfahren haben.

„Echt? Wow.“ Denise starrte Mary-Lou an. „Und wie war das? Hast du da etwas mitbekommen von deiner Umgebung? Erzähl doch mal, das ist so spannend!“

Mary hatte wenig Lust, sich mit Denise über dieses Thema zu unterhalten. Doch das Mädchen ließ nicht locker.

„Bitte, es interessiert mich wirklich. Ich habe noch nie mit jemandem geredet, der im Koma lag.“

Mary blickte auf ihren Bildschirm. Der Computer war inzwischen hochgefahren. Du hast dreizehn neue Mails! Sie überflog die Absender. Die meisten stammten von ihren Hackerfreunden, die quer über die ganze Welt verteilt waren. Einige Werbemails und eine Nachricht von Stefan. Sie klickte letztere an.

„Ich stand an einer Wegkreuzung“, sagte sie und schaute auf. „Es gab zwei Wege. Der nach rechts war voller Rosenblüten, duftete auch so und führte leicht bergauf. Der linke Weg dagegen führte nach unten, roch nach Schwefel und in der Ferne loderten mehrere Feuer. Ich ging natürlich den Rosenweg entlang. Zwitschernde Vöglein begleiteten mich, und es dauerte gar nicht lange, da hörte ich den Chor der Engel. Dann sah ich sie. Sie trugen rosa Gewänder mit vielen Rüschen und hatten prächtige Flügel. Ein Engel, es war ein Erzengel, glaube ich, war allerdings gerade in der Mauser, er ließ dauernd Federn ...“

Denise hatte zuerst mit offenem Mund zugehört. Dann erschien eine Ärgerfalte auf ihrer Stirn. „Ich glaube dir kein Wort! Du lügst!“

Mary-Lou grinste.

„Wie war es wirklich?“

„Ich kann mich nicht daran erinnern. Und selbst wenn, dann würde ich mit dir nicht darüber sprechen.“

„Du bist echt ekelhaft“, stellte Denise fest. „Und arrogant. Mit dir rede ich nicht mehr!“

„Na endlich!“, sagte Mary-Lou und konzentrierte sich auf Stefans Mail.

Hallo Mary,

bin grad aufgestanden, muss gleich zur Schule. Ich habe von dir geträumt! Wir waren zusammen mit dem Motorrad in Frankreich unterwegs. Komischerweise saß ich hinter dir, du bist gefahren! Wir hatten ein Zelt und Schlafsäcke dabei. Du hast mir zwar schon gesagt, dass du für den Sommer andere Pläne hast, aber vielleicht überlegst du es dir ja doch noch! Bis heute Nachmittag!

Stefan

PS: Heute kann ich endlich die Honda abholen. Bin danach vermutlich für Jahre verschuldet ...

Mary lächelte. Vor drei Wochen wäre sie über so eine Mail vor Freude völlig ausgeflippt, sie hatte sich nichts sehnlicher gewünscht, als mit Stefan viel Zeit zu verbringen. Aber jetzt war ihr die Vorstellung eher unangenehm, zwei Wochen lang auf einem Motorrad unbekannte Landstraßen entlangzufahren und nachts in einem Zelt zu schlafen. Vielleicht würde sie mit Victoria und Stella ein paar Tage verreisen, mit ihnen fühlte sie sich im Moment viel mehr verbunden als mit Stefan.

Es klopfte an der Tür und Victoria trat ein. Stella folgte ihr. Die Freundinnen begrüßten sich mit Wagenküsschen, was Denise mit Augenrollen quittierte.

„Wie geht es dir?“, fragte Vic und zog eine Tafel Schokolade aus ihrer Handtasche. Sie brachte bei ihren Besuchen fast immer etwas mit.

„Oh, schon wieder Schokolade!“, rief Mary mit gespieltem Entsetzen und klappte ihren Laptop zu. „Wenn ich nach Hause komme, passt mir keine Hose mehr!“

„Unsinn, du hast noch kein Gramm zugenommen“, meinte Stella. „Außerdem bist du verliebt, und da läuft der Stoffwechsel auf Hochtouren. Du nimmst eher ab als zu.“

Mary schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht verliebt. Nicht mehr.“

Victoria zog die Augenbrauen hoch. „Aber es läuft doch gerade so richtig gut zwischen dir und Stefan. Inzwischen kann sogar ein Blinder sehen, dass er in dich verknallt ist.“

„Tja, aber leider haben meine Gefühle für ihn nachgelassen“, sagte Mary-Lou. „Ich kann nicht sagen, warum. Es ist einfach so. Wahrscheinlich habe ich mir die ganze Zeit etwas vorgemacht.“

Victoria und Stella wechselten einen Blick.

„Schade“, sagte Vic. „Offen gestanden, wir mussten anfangs etwas nachhelfen, damit er dich im Krankenhaus besucht. Und ich glaube, er hat es nur getan, damit er sein schlechtes Gewissen beruhigt. Aber dann hat sich bei ihm etwas verändert ...“

„Vermutlich, weil du in seiner Gegenwart aus dem Koma erwacht bist“, sagte Stella.

Victoria nickte. „Er hat dich inzwischen richtig, richtig gern. Das hat er mir letzte Woche sogar gesagt. Dass er dich toll findet.“

Mary-Lou lächelte. „Danke. So was geht mir natürlich runter wie Öl. Trotzdem. Inzwischen kann ich mir nicht mehr vorstellen, mit ihm zusammenzukommen.“

„Du warst wahrscheinlich hauptsächlich in deine Vorstellung von ihm verliebt, und jetzt, wo du ihn ein bisschen besser kennst, hast du festgestellt, dass er doch anders ist als dein Fantasiebild“, meinte Stella.

„So ungefähr“, gab Mary-Lou zu.

„Ich hätte dir dein Glück echt gegönnt“, sagte Victoria. „Aber dann sind wir eben alle drei noch Singles. Willkommen im Club!“

Mary-Lou merkte, dass Denise die ganze Zeit zuhörte. Sie hievte sich mithilfe der Krücken von der Bettkante hoch. „Kommt, lasst uns irgendwohin gehen, wo die Wände keine Ohren haben. – Vic, gibst du mir bitte mal den Bademantel?“

Victoria reichte ihr den Mantel, der über der Fußlehne des Bettes hing. Stella half Mary beim Hineinschlüpfen. Dann verließen die drei Mädchen das Krankenzimmer. Aus den Augenwinkeln sah Mary-Lou, dass Denise ihr die Zunge herausstreckte.

„Am besten gehen wir in den Park“, schlug Victoria vor.

Sie fuhren mit dem Aufzug nach unten und verließen durch einen Nebenausgang das Krankenhausgebäude.

„Du kannst schon recht gut laufen“, kommentierte Stella, die hinter Mary-Lou ging.

Mary-Lou schossen die Tränen in die Augen, sie konnte gar nichts dagegen tun. „Ich weiß, dass ich noch humple! Dieser verdammte Unfall! Meine Tanzkarriere kann ich jedenfalls in die Tonne treten, dieser Traum ist ausgeträumt.“

Vic legte den Arm um Mary-Lous Schulter.

„Sag jetzt nichts“, zischte Mary sie an. „Ich ertrage es nicht, wenn du jetzt auch noch sagst, dass ich froh sein soll, dass mir nicht mehr passiert ist.“

„Das wollte ich auch gar nicht.“

„Dann ist ja gut.“

Mary-Lou humpelte zu einer rot gestrichenen Bank und ließ sich darauf nieder. Vic und Stella nahmen links und rechts neben ihr Platz.

„Was gibt es Neues von deinem Magier?“, wandte sich Mary-Lou an Stella. „Erzähl, ich bin neugierig. Vic hat gesagt, er sähe umwerfend aus, gar nicht so alt.“ Sie grinste.

Stella zögerte etwas mit der Antwort. „Ich weiß nicht, ob ich darüber reden möchte.“

„Hey, hast du etwa Angst, dass ich deine Besuche bei ihm im Internet verbreite? Komm schon, Stella, hab dich nicht so.“ Mary-Lou schaute ihre Freundin herausfordernd an. „Ich beginne jetzt nämlich meinen magischen Blog. Wetten, dass ich haufenweise Fans haben werde?“

„Das kann ich mir vorstellen. Im Internet tummeln sich ja jede Menge Freaks, warum sollen die sich nicht ausgerechnet bei dir sammeln?“ Victoria wurde ernst. „Mary, ehrlich, was ist das denn für eine bescheuerte Idee – willst du etwa an die große Glocke hängen, was mit uns los ist?“

„Also – jetzt erzähl doch mal was von deinem wunderbaren Severin Skallbrax“, lenkte Mary-Lou das Thema wieder auf Stella. „Ich kann es gar nicht erwarten, ihn kennenzulernen. Auf den Fotos im Internet sieht er wirklich fantastisch aus. Ob seine Falten mit Photoshop wegretuschiert sind? Oder hat er tatsächlich keine?“

„Er hat keine Falten“, erwiderte Stella. „Wie alt er ist, habe ich noch nicht herausfinden können. Aber es ist mir inzwischen egal. Er verfügt über ein unglaubliches Wissen. Und mittlerweile weiß ich, dass er tatsächlich magische Fähigkeiten besitzt – wie wir.“

„Wieso bist du dir da so sicher?“, wollte Mary-Lou wissen.

„Bei einem meiner ersten Besuche hatte ich ein Glas Wasser verschüttet. Das Wasser war dann auf einmal wieder im Glas und die Pfütze auf dem Boden weg, ohne dass er einen Finger gerührt hat.“

„Vielleicht ein Taschenspielertrick?“

Stella schüttelte den Kopf.

„Angeblich existiert neben unserer Welt eine weitere, in der alle Menschen magische Fähigkeiten besitzen. Diese Welt ist von unserer abgetrennt, man kann sie nicht ohne Weiteres betreten“, fuhr Stella fort. „Skallbrax erklärte mir, dass Menschen und Magier früher gemeinsame Vorfahren hatten.“

„Das klingt reichlich abenteuerlich“, fand Mary-Lou. „Sorry, aber ich bin von Natur aus misstrauisch. Vielleicht tickt der Typ auch nicht richtig.“

„Mary, dank ihm bist du aus dem Koma erwacht!“, sagte Stella. „Wenn das kein Beweis ist! Sein und mein Geist haben sich miteinander verbunden. Ich weiß nicht, was da genau passiert ist, aber es fühlte sich unglaublich an. Und tatsächlich bist du in diesem Moment erwacht ...“

„Ihr habt da irgendeinen Hokuspokus veranstaltet?“ Mary-Lou runzelte die Stirn. Sie hatte bisher nur gewusst, dass Stefan bei ihr gewesen war und ihre Hand gehalten hatte – und alle hatten angenommen, dass die große Zuneigung, die Mary-Lou für Stefan empfunden hatte, ausschlaggebend gewesen war, um sie aus dem Koma zu holen. Dass angeblich Magie im Spiel war, war kaum vorstellbar.

Mary-Lou holte tief Luft. „Das muss ich erst mal verdauen. Und ehrlich gesagt glaube ich das auch nicht. Ich meine, wer kann denn schon beweisen, dass eure Energie etwas damit zu tun hat, dass ich genau in diesem Moment aufgewacht bin? Schon mal was von Zufall gehört? Außerdem glaube ich eher, dass es etwas mit Stefan zu tun hatte. Ich habe auf einmal seine Anwesenheit gespürt, seine Nähe ...“

„Glaube es oder glaube es nicht“, sagte Stella trocken. „Du wirst Skallbrax ja bald kennenlernen. Dann kannst du dir selbst ein Urteil über ihn bilden.“

„Jetzt sei nicht gleich eingeschnappt“, versuchte Mary einzulenken. „Ich kann mir das, was du erzählst, nur einfach schlecht vorstellen. Eine Parallelwelt, in der es Magie gibt ... Tut mir leid, das hört sich extrem nach einem Fantasyroman an.“

„Aber wir erleben die Magie doch inzwischen am eigenen Leib“, sagte Victoria. „Zeitreisen sind alles andere als normal. Und dass du deinen toten Bruder sehen kannst, das nimmt dir auch so schnell keiner ab. Wir müssen wohl akzeptieren, dass unser Leben jetzt anders ist als früher. Ich will gar nicht wissen, was das noch für Konsequenzen haben wird!“

„Ja, und es ist ungeheuerlich, dass wir das nicht selbst bestimmen können“, stöhnte Mary. „Man hat uns diese Fähigkeiten einfach eingepflanzt und wir müssen jetzt damit klarkommen.“

„Soviel ich weiß, haben sie nicht gewusst, was dabei herauskommen wird“, sagte Stella. „Die Magie hat sich ja bei uns auch ganz unterschiedlich entwickelt. Und wenn du eine natürliche Begabung hast, wie beispielsweise eine besonders tolle Stimme, dann ändert sich dein Leben auch“, beschwichtigte Stella ihre Freundin.

„Moment, Stella, das ist schon ein Unterschied!“, widersprach Mary-Lou. „Wenn man gut singen kann, dann kann man sich entschließen, Sängerin zu werden. Aber wenn ich plötzlich mit Fähigkeiten gesegnet bin, die ich so gar nicht im Griff habe? Das passiert einfach, ich habe überhaupt nicht die Möglichkeit, eine Entscheidung zu treffen! Was weiß ich denn über Magie!? Und so einfach ignorieren können wir unsere magischen Fähigkeiten eben auch nicht.“ Sie machte eine kurze Pause. „Das Einzige, was wir tun können, ist zu versuchen, so viel wie möglich über den Hintergrund des Ganzen herauszufinden. Vielleicht haben wir dann eine Chance, die Situation zu kontrollieren.“

Victoria nickte zustimmend.

„Ich kann wahrscheinlich mit der Tatsache, Dorian sehen zu können, noch am besten leben“, fuhr Mary-Lou fort. „Dass Vic nie weiß, wann sie in der Zeit springt, ist sehr belastend, finde ich. Und deine Fähigkeit, Stella, Menschen nach deinem Willen zu manipulieren, ist ehrlich gesagt ziemlich ...“ Sie suchte nach den passenden Worten. „Also, ich weiß nicht, was dir im Lauf der Zeit alles einfällt! Es ist eine sehr gefährliche Verlockung!“

„Jetzt mach mal halblang, Mary!“ Stella lachte. „Ich werde schon nichts Schlimmes tun! Und außerdem tappen wir ja gar nicht mehr so sehr im Dunkeln wie noch vor ein paar Wochen. Das ist übrigens auch der Grund, warum ich mich mit Typen wie Skallbrax treffe.“

„Okay, okay, wir haben es begriffen“, sagte Mary-Lou und rollte die Augen.

„Er ist sehr gebildet, ein äußerst kultivierter Mann“, sagte Stella. „Er läuft nicht in einer rauen Kutte herum und schwingt auch keinen knorrigen Zauberstab, Mary. Magie scheint bei ihm eine Sache der Konzentration zu sein – und das kann ich absolut nachvollziehen.“

„Ist schon klar, Stella“, sagte Victoria. „Das mag ja alles gut und schön und auch sehr faszinierend sein ... Ja, Skallbrax ist wirklich charismatisch – trotzdem traue ich diesem Mann nicht. Ganz ehrlich, Stella, ich habe jedes Mal Angst um dich, wenn du bei ihm bist.“

„Übertreib mal nicht“, entgegnete Stella. „Er tut mir nichts, keine Sorge!“

Mary-Lou knetete nervös ihre Finger. „Ich weiß, das Thema beschäftigt euch sehr – aber können wir nicht über etwas anderes reden? Über etwas ganz Normales, zur Ablenkung?“

Victoria grinste. „Nichts lieber als das. Nächste Woche wirst du hoffentlich entlassen, und wie wär’s, wenn wir das mit einer Shoppingtour feiern? Geht das mit deinen Krücken? Es gibt da nämlich eine neue Boutique, für Klamotten und Schmuck, die will ich mir unbedingt angucken.“

„Goth-Style?“, fragte Mary-Lou argwöhnisch. „Ich laufe nicht gern in Schwarz herum, das weißt du.“

„Nein, nicht so speziell“, sagte Stella. „Ich war schon mal kurz drin, die haben super Sachen.“

„Okay“, erwiderte Mary-Lou. „Dienstagnachmittag vielleicht? Ich brauche dringend neue Jeans ...“