Magic Sparks - Helen Harper - E-Book

Magic Sparks E-Book

Helen Harper

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Beschreibung

Was bedeutet es, wenn man sich in einer Welt voller Werwölfe und Vampire seine eigenen übernatürlichen Kräfte nicht erklären kann?

Emma Bellamy ist eine junge erfolgreiche Polizistin und kurz davor Detective beim Londoner CID zu werden. Doch ihre letzte Station während ihrer Ausbildung wird ausgerechnet die Supernatural-Squad. Die Abteilung, die sich mit den übernatürlichen Bewohnern der Stadt, wie Werwölfen und Vampiren, herumschlägt, gilt allgemein als Karrieresackgasse. Und dort hört Emmas Pech nicht auf, denn während sie in ihrem ersten Fall ermittelt, wird sie selbst ermordet - und wacht zwölf Stunden später gesund und munter in der Leichenhalle wieder auf. Sie hat keine Ahnung was passiert ist, doch ihr Instinkt sagt ihr, dass sie nicht nur ihren eigenen Mord aufklären, sondern sich auch um das mysteriöse Verschwinden einiger Werwölfe kümmern muss, wenn sie Antworten finden will. Da hilft es nicht gerade, dass sich ein zwielichtig scheinender Vampir hartnäckig an ihre Fersen heftet ...

Band 1 der Firebrand-Reihe

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Seitenzahl: 359

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

1

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Die Autorin

Die Romane von Helen Harper bei LYX

Impressum

HELEN HARPER

Magic Sparks

Roman

Ins Deutsche übertragen von Andreas Heckmann

Zu diesem Buch

Was bedeutet es, wenn man sich in einer Welt voller Werwölfe und Vampire seine eigenen übernatürlichen Kräfte nicht erklären kann?

Emma Ballamy ist eine junge erfolgreiche Polizistin und kurz davor Detective beim Londoner CID zu werden. Doch ihre letzte Station während ihrer Ausbildung wird ausgerechnet die Supernatural-Squad. Die Abteilung, die sich mit den übernatürlichen Bewohnern der Stadt, wie Werwölfen und Vampiren, herumschlägt, gilt allgemein als Karrieresackgasse. Und dort hört Emmas Pech nicht auf, denn während sie in ihrem ersten Fall ermittelt, wird sie selbst ermordet – und wacht zwölf Stunden später gesund und munter in der Leichenhalle wieder auf. Sie hat keine Ahnung was passiert ist, doch ihr Instinkt sagt ihr, dass sie nicht nur ihren eigenen Mord aufklären, sondern sich auch um das mysteriöse Verschwinden einiger Werwölfe kümmern muss, wenn sie Antworten finden will. Da hilft es nicht gerade, dass sich ein zwielichtig scheinender Vampir hartnäckig an ihre Fersen heftet …

Für Ruth, Tussy, Roch und David.

Kampai!

1

Nichts ist befriedigender, als mit einem Glas Rotwein auf dem Sofa zu kuscheln und mit seinem Freund über die beste Methode zu diskutieren, wie man einen knurrenden Kerl von gut eins achtzig überwältigt, der mit einer Machete bewaffnet ist.

»Er hatte diesen irren Blick.« Ich kreiste mit einem Finger an meiner Schläfe. »Mir war intuitiv klar, dass er Sekunden später ins Restaurant stürzen und möglichst viele Leute niedermetzeln würde. Um Haaresbreite haben wir ein Massaker verhindert.«

Jeremy schüttelte bestürzt den Kopf. »Du bist noch in der Ausbildung, Emma – unfassbar, dass du in einer derart gefährlichen Lage eingesetzt wurdest.«

Obwohl ich noch eine Stunde nach dem Vorfall heftig gezittert hatte, bemühte ich mich nun um Lässigkeit und trank einen Schluck Wein. »Das war auch nicht vorgesehen. Außerdem lerne ich so am besten.«

»Indem ein Verrückter dir fast den Kopf abschlägt?«

»Diese Gefahr bestand nicht annähernd«, wiegelte ich mit einem plötzlichen Gefühl der Unbesiegbarkeit ab, das sich nur bei den Menschen einstellt, die die direkte Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit unbeschadet überlebt haben.

Ich stellte mein Glas auf den Tisch, stand auf und zog Jeremy auf die Beine. Dann gab ich ihm das Buttermesser, an dessen stumpfer Klinge noch Krümel hafteten, und trat sechs Schritte zurück. »Er hat laut genug gebrüllt, um Tote zu erwecken.«

Grinsend ließ Jeremy das Buttermesser nach links und rechts sausen und stieß den bemerkenswert schwachen Versuch eines Brüllens aus.

»Aber«, fuhr ich fort, »er brauchte für seinen Lärm so viel Energie und war so konzentriert auf die Waffe in seiner Hand, dass er nicht merkte, wie Williams sich von hinten anschlich. Derweil habe ich den Schlagstock gezogen und tat, als wollte ich ihn von links attackieren.«

Ich nahm eine Illustrierte, rollte sie ein und benutzte sie, um das Geschehen nachzuspielen. Jeremy reagierte, hob sein Buttermesser, um meinen »Angriff« abzuwehren, und brüllte erneut. Ich nickte strahlend.

»Unterdessen hat Williams sich an den Täter geschoben«, ich schlängelte mich um den Tisch, bis ich hinter Jeremy stand, »ihm den Arm um den Hals geschlungen und zugleich mit der freien Hand seine Halsschlagader getroffen.« In Zeitlupe tat ich, als ließe ich Jeremy diese Behandlung zukommen. »Der Schlag schickte seinen Blutdruck sofort in den Keller, und er brach zusammen.«

Stöhnend sank Jeremy auf die Knie und ließ das Messer los. Es fiel klappernd zu Boden.

Ich trat vor ihn und staubte die Hände ab. »Schwupps – wieder ein Verbrecher unschädlich gemacht.«

Er würgte und prustete theatralisch, aber Hollywood würde sich so bald nicht melden. »Dieser Verbrecher braucht Mund-zu-Mund-Beatmung, um zu überleben«, röchelte er.

»Na«, sagte ich leise, »dann kümmere ich mich besser darum, bevor es zu spät ist.« Ich schmiegte mich an ihn und drückte die Lippen auf seinen Mund. Einen Moment reagierte er nicht, dann erwiderte er meinen Kuss. Da wir auf Knien waren, stellte das alles eine unbeholfene Angelegenheit dar, und bald überwog das Unbequeme die Leidenschaft. Wir lösten uns voneinander, lächelten verlegen und setzten uns wieder aufs Sofa.

»Na ja«, meinte ich achselzuckend, »all das war binnen Sekunden vorbei. In Gefahr war ich zu keinem Zeitpunkt.«

»Trotzdem bin ich froh, dass du diese Station hinter dir hast und Montag in einem neuen Dezernat anfängst. Ich schlafe nachts viel besser, wenn ich dich in Sicherheit weiß. Die Vorstellung, dass meine Freundin sich in Gefahr begibt, passt mir nicht. Als Buchhalterin würde dir das nicht passieren. Was du heute getan hast, könnte ich nie. Und auch du solltest so was nie mehr tun.«

»Du unterschätzt die Gefahren der Tabellenkalkulation«, neckte ich ihn.

Er zwinkerte mir zu. »Falsche Daten können tödlich sein, aber das ist nicht das Einzige, worum ich mich kümmern muss. Heute Morgen habe ich meinen Aktenkoffer mit allen Unterlagen vergessen, zum dritten Mal in diesem Monat. Brewster meinte, wenn mir das noch mal passiert, mahnt er mich ab.« Jeremy verdrehte die Augen. »Er sah aus, als wollte er mich einen Kopf kürzer machen. Lächerlich ist das. Heutzutage ist doch alles digitalisiert. Ich denke, er ist bloß gern der große, böse, Furcht einflößende Boss.«

Ich lachte. »Überall lauern Risiken und Gefahren.«

»Allerdings.« Jeremy strich mit den Fingern über meine Wange. »Rechnest du noch damit, als letzte Station der Ausbildung bei der Cyberkriminalität zu landen? Das klingt erheblich sicherer als die Arbeit beim Criminal Investigations Department. Dafür bist du auch viel besser geeignet als für die Kriminalpolizei.«

»Das CID war eine Erfahrung, aber ich glaube, dass ich lieber Schreibtischarbeit erledige.« Ich überging den stechenden Schmerz, der mir zeigte, dass ich das Blaue vom Himmel log, und straffte die Schultern. Jeremy sorgte sich zu sehr um mich, und ihn zu beruhigen war das Mindeste, was ich tun konnte. Außerdem hatte ich die Büroarbeit bisher durchaus genossen. Ermittlerin bei der Polizei zu sein umfasste heutzutage mehr, als in übel beleumundeten Vierteln zu patrouillieren und Kriminelle buchstäblich zur Strecke zu bringen.

Ernst sah ich ihm in die Augen. »Im Betrugsdezernat habe ich mich gut geschlagen, und DSI Barnes wirkte erfreut, als ich bat, die Ausbildung im Bereich Cyberkriminalität beenden zu dürfen. Noch zwei Wochen bis zum Abschlussexamen, dann«, ich breitete die Arme aus, »bin ich endlich eine richtige Ermittlerin.«

Jeremy stieß mit mir an. »Darauf trinke ich. Auf Londons beste Ermittlerin.«

Ich strahlte. »Prost.«

Montagfrüh spazierte ich in schlichter weißer Bluse und schwarzem Kostüm ins Akademiegebäude. Wenn ich fast den ganzen Tag am Computer sitzen würde, kam es sowieso nicht so sehr darauf an, mich in meinen Sachen bequem bewegen zu können.

Ich nickte Phyllis am Empfang zu und nahm den Aufzug zum Besprechungszimmer im dritten Stock. Die meisten meines Ausbildungsjahrs waren schon da, standen in Kleingruppen beieinander, tauschten sich über ihre letzte Station aus und waren gespannt, wohin es sie nun verschlagen würde.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatten wir kaum Abgänge gehabt. Ein paar Leute waren in den ersten Wochen ausgestiegen, aber das Auswahlverfahren für die Akademie war streng, und darum hatten die meisten sämtliche Zwischenexamen bestanden. Zwar blieben wir nur zwölf Wochen dort, doch es dauerte zwei Jahre, Ermittlerin zu werden, sofern man nicht schon bei der Polizei gewesen war, sondern ohne Vorbildung begonnen hatte. Niemand wollte Ermittler im Einsatz, die das wirkliche Leben nicht kannten. Auf jeden Fall kostete es viel Zeit und Engagement, um so weit zu kommen; inzwischen gab es kaum eine Möglichkeit mehr, dass eine oder einer von uns noch durchfallen konnte.

Dennoch war ich nervös hinsichtlich dessen, was mich nun erwartete. An den bisherigen Ausbildungsstationen hatte ich hervorragende Beurteilungen bekommen, und so sollte es bleiben. Je besser ich mich schlug, desto höher die Chancen, es nach dem Abschlussexamen ins Dezernat meiner Wahl zu schaffen.

Kaum war ich eingetreten, kam Molly angeschossen. Schon am ersten Tag hatten wir uns angefreundet, als wir bei unserer ersten praktischen Übung gemeinsam eingeteilt wurden, um zu lernen, im unscharfen Filmmaterial von Überwachungskameras verräterische Indizien aufzuspüren.

Molly war ursprünglich zur Polizei gegangen, um ihrer Familie den Stinkefinger zu zeigen. Ihre Eltern waren der Meinung, sie solle sich einen Mann suchen und sich mit einem Teilzeitjob in einem Geschäft oder einer Schule begnügen, statt auf Londons dreckigen Straßen herumzulaufen und in die dunklen Seiten der Stadt einzudringen. Recht bald aber hatte sie begriffen, dass sie nicht nur ihrer Familie einen Strich durch die Rechnung gemacht, sondern auch ihre wahre Berufung gefunden hatte.

Ich dagegen war ihren Fragen, warum ich mich bei der Polizei beworben hatte, ausgewichen und hatte nur geraunt, das sei ein Kindheitstraum von mir. Molly war klug genug, zu merken, dass mehr dahintersteckte – und freundlich genug, mich nicht auszuquetschen.

»Ein Vögelchen hat mir gesungen, dass du am letzten Tag beim CID einen glanzvollen Auftritt hattest.« Sie knuffte mich gegen den Arm. »Ich wusste ja, dass du groß rauskommst. Du hast einen echten Übeltäter kaltgestellt.«

Ich lächelte. »Eigentlich nicht – der Ermittler, mit dem ich eingeteilt war, hat die Schwerstarbeit erledigt.«

»Sei nicht immer so bescheiden, Emma. Du hast dich behauptet, hast also gute Arbeit geleistet. Ich an deiner Stelle würde das von allen Dächern rufen.«

»Wie lief’s bei der Drogeneinheit?«, erkundigte ich mich.

Sie verzog das Gesicht. »Finster. Richtig finster.« Sie hob eine Hand und kreuzte die Finger. »Aber jetzt kommt die CID. Da sorge ich für frischen Wind.«

»Na hoffentlich«, sagte ich mit gesenkter Stimme, weil Lucinda Barnes, Direktorin der Akademie, aufs Podium trat.

Detective Superintendent Barnes lächelte nicht, fasste ihr Publikum aber freundlich ins Auge. Obwohl sie zuvor eine erfahrene und abgebrühte Ermittlerin gewesen war, hatte sie sich etwas Gluckenhaftes bewahrt.

»Willkommen zurück«, begann sie. »Ich habe die letzten Beurteilungen gelesen und muss sagen, dass Ihre Leistungen mich tief beeindruckt haben. Sie alle können stolz auf sich sein.«

Ihr Blick glitt über unsere aufmerksamen Gesichter, und bestimmt hatte ich mir nicht bloß eingebildet, dass sie mich länger angesehen hatte als nötig. »Jetzt beginnt die letzte Phase Ihrer Ausbildung. Vor Ihnen liegen nur noch zwei Wochen in einem neuen Dezernat und das Abschlussexamen. Danach sind Sie voll ausgebildete Ermittler, die es mit der Welt aufnehmen können. Während ich hier rede, gelangt die Liste für Ihre neuen Einsatzorte ans Schwarze Brett. Sie arbeiten hoffentlich weiter so professionell wie bisher, aber denken Sie daran, dass es bei Ihrer Arbeit nicht bloß um Äußerlichkeiten geht.« Sie legte kurz die Hand an die Brust. »Sie muss mit Herz und Seele getan werden.«

Ich biss mir auf die Lippe, und ein Anflug von Stolz rieselte durch mich hindurch. Lange hatte ich gebraucht, um an diesen Punkt zu kommen; die Akademie war die Spitze des Eisbergs, und dorthin hatte ich eine ausgedehnte Reise machen müssen. Doch ich hatte es geschafft. Zwei Monate vor meinem dreißigsten Geburtstag würde ich endlich in eine Position gelangen, von der aus ich alles erreichen konnte, was ich mir je gewünscht hatte.

Wir stürzten auf den Flur, denn alle brannten darauf, ihren neuen Einsatzort zu erfahren. Da ich etwa zwei Handbreit kleiner als die meisten meines Ausbildungsjahrgangs war, waren mir viele Köpfe im Weg. Mollys Freudenschrei indessen machte klar, dass sie den erhofften Platz beim CID ergattert hatte. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um endlich etwas zu sehen. Im gleichen Moment schnappten einige nach Luft, und ich bemerkte so manchen raschen Seitenblick in meine Richtung.

»Emma«, murmelte Molly. »Oh je …«

Ich warf ihr einen finsteren Blick zu, drängte mich nach vorn und überflog die Liste auf der Suche nach meinem Namen. Als ich ihn endlich ganz unten entdeckte und lesen musste, auf welchen Posten es mich verschlagen hatte, blinzelte ich. Das ergab keinen Sinn.

Ich rieb mir die Augen und las erneut. »Das muss ein Irrtum sein«, sagte ich mit hohler Stimme. »Das kann nicht stimmen.«

Molly drückte meine Hand. »Ja, das ist sicher ein Fehler.«

Ich fuhr herum, schob mich blindlings zwischen den anderen durch und kehrte ins Besprechungszimmer zurück. Das würde ich im Handumdrehen klären.

Barnes stand noch am Podium und musterte stirnrunzelnd einige Unterlagen. Als ich eintrat, sah sie auf. Ihre Miene zeigte keinerlei Überraschung, im Gegenteil: Sie schien mich erwartet zu haben.

»Detective Superintendent«, begann ich.

»Bisher haben Sie mich Lucinda genannt«, erwiderte sie. »Es gibt keinen Grund, plötzlich so förmlich zu werden.«

Ich holte tief Luft und marschierte mit energisch schwingenden Armen auf sie zu. Doch je näher ich ihr kam, desto mehr schwand mein Selbstvertrauen. Einen guten Meter vor ihr blieb ich stehen, und meine Hände sanken herab. »Zu den Supes?«, fragte ich nahezu flüsternd. »Ich komme zu den Supes?«

Sie sah mich durchdringend an. »Sehr selten bekommen unsere Auszubildenden Gelegenheit, zwei Wochen im Supernatural Squad zu arbeiten – Sie sollten das als Auszeichnung betrachten.«

Es war aber keine Auszeichnung. So unerfahren ich sein mochte: Sogar mir war klar, dass nichts unwahrer sein konnte als ihre Behauptung. »Ich hatte mit Cyberkriminalität gerechnet.« In meiner Stimme lag eine Spur von Verzweiflung.

»Da sind schon alle Plätze besetzt. Sie sollten das als ausgezeichnete Gelegenheit betrachten, Ihre Fähigkeiten als Ermittlerin zu verbessern, Emma.«

Ich richtete mich etwas höher auf. »Ich denke, dieses Dezernat ist mir nicht angemessen.«

»Und ich glaube, dieses Dezernat ist für Sie perfekt. Falls sich das Gegenteil erweist«, sie zuckte die Achseln, »sind es ja nur zwei Wochen. Sobald Sie Ihr Examen abgelegt und Ihren richtigen Dienstausweis bekommen haben, können Sie sich auf jeden Posten des Dezernats für Cyberkriminalität bewerben. Aber erst gehen Sie zu den Supes.« DSI Barnes nickte zum Zeichen, dass das Gespräch beendet war. »Machen Sie das Beste draus. Diese Gelegenheit bekommen nur wenige.« Sie nahm ihre Unterlagen und verließ das Zimmer, während ich ihr nachgaffte.

Molly schob sich herein. Kaum sah sie meine Miene, wurde sie blass. »Also doch kein Irrtum.«

»Nein.« Ich ballte die Fäuste.

»Es könnte schlimmer sein.«

Ich warf ihr einen unheilvollen Blick zu. »Ach ja? Nur Versager landen im Supernatural Squad, Molly. Hat man uns das nicht in der ersten Woche gesagt? Und dass die armen Schweine dort vorher Mist gebaut haben, nur eben nicht Bockmist genug, um rauszufliegen. Und einige kurz vor der Pensionierung sind auch da. Aber warum werde ich dorthin geschickt? Ich dachte, ich leiste gute Arbeit.«

Sie schluckte. »Die Ermittler dort dürfen Waffen einsetzen, zu denen wir anderen keinen Zugang haben. Armbrüste mit silbernen Pfeilspitzen. Das ist cool. Außerdem lernst du viele interessante Leute kennen. Wenn du deine Trümpfe richtig ausspielst, kannst du Kontakte knüpfen, die nützlich sind, wenn du erst deine Prüfung abgelegt hast.«

»Vampire und Werwölfe brauch ich nicht im Adressbuch!«, fuhr ich Molly an und bereute es sofort. »Entschuldige, ich bin einfach …«

»Alles gut.« Sie versuchte zu lächeln. »Wird schon, Emma. Wenn jemand auf diesem Posten brilliert, dann du.«

Das war, wie wir beide wussten, eine hohle Phrase. »Ja.« Ich hob den Kopf und tat, als glaubte ich ihr. »Es wird großartig.«

2

Als ich ins Erdgeschoss der Akademie herunterkam, wartete mein neuer Kurzzeit-Kollege-und-Betreuer bereits im Foyer.

Erst übersah ich ihn völlig. Er glich überhaupt nicht den Ermittlern, die ich bisher getroffen hatte. Man soll ein Buch nicht nach seinem Umschlag beurteilen, gut und schön, aber das tun wir alle ständig. Detective Constable Anthony Brown hatte das zerfurchte, pockennarbige und abgespannte Gesicht und die schäbigen Klamotten, die man bei Leuten auf der anderen Seite des Gesetzes vermuten würde. Hätte Phyllis nicht mit einer Kopfbewegung auf ihn gewiesen, als sie mich irritiert dastehen sah, hätte ich ihn völlig ignoriert.

»Äh, hallo?«

Brown wandte den Kopf langsam zu mir um. »Ist das eine Frage?«, knurrte er.

Sofort stellten sich meine Nackenhaare auf. Das Letzte, was ich brauchte, war das Abziehbild eines hartgesottenen Ermittlers, der die Welt hasste. »Ich bin Emma Bellamy«, sagte ich mit kräftigerer Stimme und streckte die Hand aus. »Ich vermute, Sie sind Detective Constable Brown.«

Er musterte meine Rechte wie einen fremden, seltsamen Gegenstand und ergriff sie mit schlaffem Händedruck. »Tony. Ich kann den Quatsch mit den Dienstgraden nicht ausstehen – eine sinnlose Übung. Atemverschwendung.«

Auch gut. »Tony also«, erwiderte ich mit geheuchelter Fröhlichkeit. »Freut mich, Sie kennenzulernen.«

Wieder knurrte er und musterte mich von oben bis unten. »Mit diesem Aufzug gehören Sie in ein Großraumbüro. Sich nett anzuziehen, hilft Ihnen bei den Supes nicht, ganz im Gegenteil. Trage ich einen Schlips? Ich besitze nicht mal einen. Wir brauchen keine Sekretärinnen oder Bürohengste.« Seine Miene bekam etwas Argwöhnisches. »Kennen Sie sich mit Computern aus?«

»Ja.« Mit verschränkten Armen funkelte ich ihn an. »Und ich bin so angezogen, weil ich erwartet hatte, die nächsten zwei Wochen im Department für Cyberkriminalität zu arbeiten, nicht mit Ihnen.« Ich schniefte. »Mich stimmt das so wenig froh wie Sie, doch es sind nur vierzehn Tage, die ich nicht mit einem wortkargen Betreuer verbringen möchte, der dauernd nörgelt. Und Sie möchten bestimmt, dass ich Ihnen eine Hilfe bin. Das aber«, ergänzte ich spitz, »kann ich nur sein, wenn Sie es zulassen.«

Von ihrem Schreibtisch aus sah Phyllis uns mit großen Augen an. War ich zu weit gegangen? Hatte ich meine Chancen, eine gute Beurteilung zu bekommen oder in den nächsten zwei Wochen etwas Nützliches zu lernen, schon zunichtegemacht?

Da warf Tony den Kopf in den Nacken, lachte und schlug mir kräftig auf die Schulter. »Sieh an, sieh an«, gluckste er, »das Mäuschen kann brüllen. Vielleicht wird das gar nicht schlecht. Was haben Sie eigentlich angestellt?«

»Wie meinen Sie das?«

»Na, was haben Sie ausgefressen, um in meinem Dezernat zu landen? Wir Supes bekommen nie Leute zur Ausbildung.«

Meine Lippen wurden schmal. »Ich weiß nicht, was ich getan habe«, raunte ich. »Aber ich mache das Beste daraus.«

Er musterte mein Gesicht, um die Wahrheit zu finden, und zuckte dann die Achseln. »Gut, Emma Bellamy. Ich will nicht behaupten, es wird ein Vergnügen, denn das wäre eine Lüge. Aber vielleicht wird es keine totale Katastrophe.« Er wies zur Tür. »Los, ich hab direkt vor der Tür geparkt.« Schon drehte er sich um und schritt aus dem Gebäude. Ich schluckte und eilte ihm nach.

Statt den großen Parkplatz rechts neben der Akademie zu nutzen, hatte Tony seinen ramponierten Mini im absoluten Halteverbot abgestellt. Skeptisch beäugte ich das schreiend violette Fahrzeug, während er ein Schild vom Armaturenbrett nahm, auf dem »Polizei im Einsatz« stand.

Der uralte Mini musste, dem Nummernschild zufolge, seit den Siebzigerjahren im Einsatz sein. Doch nicht sein Alter beunruhigte mich, sondern die geborstene Heckscheibe, die mit einem schwarzen Müllsack abgeklebt war, wohl um den ärgsten Wind abzuhalten. Und die gesprungenen Seitenspiegel und die schwarze Abgaswolke, die aus dem Auspuff gehustet kam, als Tony den Motor anließ.

Er beugte sich über den Beifahrersitz und kurbelte die Seitenscheibe mit offenbar ungeheurer Anstrengung herunter. »Steigen Sie ein oder nicht?«

Ich stemmte meine Tür auf, während er Müll auf die enge Rückbank schob. Das Polster war übersät mit verschiedenfarbigen Flecken zweifelhafter Herkunft. Mit angehaltenem Atem zwängte ich mich auf den Sitz. Drinnen roch es intensiv nach Patschuli und etwas anderem, das ich nicht zuordnen konnte. Es war kein ganz unangenehmer Geruch, aber so stark, dass mir die Augen tränten.

»Wie kommt dieser Wagen überhaupt durch den TÜV?«

Tony gab Gas und bog auf die Straße, ohne auf den Verkehr zu achten. Eilends schnallte ich mich an und krallte mich an den Sitz. Es würde garantiert eine rasante Fahrt werden.

»Gar nicht.« Er tippte sich an die Nase. »Aber wenn Sie darüber schweigen, tu ich das auch.«

»Aber wie …«

»Tallulah ist speziell.«

Äh … »Tallulah?«

»So heißt der Wagen«, sagte er stolz. »Ich will keine Witze darüber hören.«

Ich war in einer Blechkiste mit halsbrecherischem Tempo unterwegs, am Steuer ein Wahnsinniger. Das war auf jeden Fall schlimmer, als es mit Machete-Schwingern zu tun zu haben.

»Tallulah ist speziell«, wiederholte Tony. »Mäkeln Sie nicht an ihr herum.« Mit quietschenden Reifen nahmen wir die nächste Kurve.

»Das würde mir im Traum nicht einfallen«, erwiderte ich, schloss die Augen und begann zu beten – zum ersten Mal, seit ich kein kleines Kind mehr war.

»Also«, sagte Tony, »was wissen Sie über Supes? Sind Sie auf Kindergartenniveau, oder haben Sie ein Hochschulexamen?«

Zwar hatte ich einen Uniabschluss, allerdings nicht in einem Fach, das mit Übernatürlichem zu tun hatte. Da Tony sich aber allmählich für mich zu erwärmen schien, wollte ich auf keinen Fall Boden verlieren und wie eine Idiotin erscheinen.

Ich durchforstete mein Gedächtnis nach dem wenigen, was ich wusste. »Die Vampire leben überwiegend in Soho, in einer Art mittelalterlicher Lehnsherrschaft. Es gibt etwa tausend von ihnen –«

»Eher zweitausend«, unterbrach mich Tony abwinkend. »Aber machen Sie weiter.«

Ich holte Luft. »Ihr Anführer ist ein Typ namens Lord – äh …« Verdammt. Wie hieß er noch?

»Lord Horvath.«

Ach ja. Da klingelte es schwach bei mir, obwohl der Kerl an mir hätte vorbeigehen können, und ich hätte nicht gemerkt, um wen es sich handelt. Es gab kaum Bilder von ihm, und Supes hatten mich nie genug interessiert, um ihn zu recherchieren. Ich stellte ihn mir als mürrischen alten Kerl vor, mit gelblichen Fangzähnen und dünnem weißen Haar.

»Wie ist er so?«, fragte ich.

Tony schürzte die Lippen. »Lästig. Was sonst können Sie mir über Vampire erzählen?«

Ich versuchte, mich auf Dinge zu besinnen, die ich noch über sie wusste. »Sie ernähren sich von Blut …«

»Pfffft!«

»Außerdem sind sie erheblich schneller und stärker als Menschen.« Verstohlen warf ich ihm einen Blick zu. »Und sie sind unsterblich.«

»Tss, tss«, spöttelte Tony. »Unglaublich. Was bekommt ihr Kinder heutzutage bloß beigebracht?«

Innerlich begann ich zu brodeln. Als ob ich ein Kind wäre! Doch ich wusste wenig über Vampire, und Tonys Reaktionen zeigten mir deutlich, dass dieses wenige offenbar falsch war.

»Vampire sind mehrheitlich kaum stärker als wir und neigen dazu, ihre körperlichen Qualitäten anders zu nutzen. Die meisten verlassen sich darauf, nach ihrer Verwandlung in Vampire attraktiver zu werden. Ein schönes Gesicht und aufblitzender Sexappeal verleiten dumme Menschen dazu, sich als Nahrung anzubieten.«

Bei der Vorstellung, dass wir Menschen derart oberflächlich waren, verzog ich mein Gesicht, und ich gelobte mir, mich niemals von gutem Aussehen blenden zu lassen.

»Und die Wölfe?«, fragte Tony. »Was glauben Sie, über die zu wissen?«

»Es gibt vier Gruppen«, begann ich.

»Clans«, gab er zurück, »aber okay.«

»Sie leben in Lisson Grove, nicht weit vom St. James’s Park. Bei Vollmond begeben sich alle in den Park, der dann für die Öffentlichkeit geschlossen ist, damit kein Mensch versehentlich gefressen wird. Jeder Werwolf ist in eine Hierarchie eingebunden, die von totaler Unterordnung bis zum Gruppen-, äh, nein, Clan-Alpha reicht. Außerdem gibt es die anderen, also übernatürliche Wesen, die keinem Clan angehören. Ihre Zahl ist geringer, aber darunter sind Ghule, Kobolde und Elfen, die genetisch verschieden und unterschiedlich begabt sind.«

»Und?«

Und weiter reichte mein Wissen nicht. Ich zuckte die Achseln. Es hatte keinen Sinn, ihm etwas vorzuspielen.

Überraschenderweise wirkte Tony jedoch erfreut. »Gut. Sie kennen sich gar nicht aus, sind also kein Groupie. Von denen hatten wir einige. Es ist schwer genug, unsere Aufgaben zu bewältigen, aber wenn obendrein Polizisten auftauchen, die beim ersten Anblick eines Fangzahns oder eines Fleckchens Fell weiche Knie bekommen, kann es nahezu unmöglich werden.«

Tony hatte mir unabsichtlich die Gelegenheit eröffnet, die ich brauchte. »Was genau ist Ihre Aufgabe?«, fragte ich.

Er trat auf die Bremse und brachte Tallulah kreischend zum Stehen. Ich wurde nach vorn katapultiert, knallte trotz Sicherheitsgurt gegen die Scheibe, rieb mir die Stirn und zuckte vor Schmerz. Tony sah finster drein und wischte mit der Manschette seines Hemds den winzigen Fleck weg, den ich an der Scheibe hinterlassen hatte, als würde er die Ästhetik des Wagens stören.

»Willkommen im Supernatural Squad«, erklärte er.

Durchs Fenster sah ich ein schmales graues Gebäude, eingezwängt von einem Supermarkt und einem teuren Hotel, vor dem ein livrierter Portier stand. »Gleich weit entfernt und in Fußnähe von Vampiren und Wölfen. Und obendrein nah an allen anderen.«

Unwillkürlich stieß ich einen leisen Pfiff aus. Eine teurere Postleitzahl gab es kaum.

Tony schien zu wissen, was ich dachte. »Tja.« Er machte den Motor aus. »Glauben Sie nicht, die anderen Dezernate hätten uns dieses Gebäude nicht abknöpfen wollen. Aber das dürfen sie nicht. Seit einem Gesetz von 1798« – er zog einen imaginären Hut – »ist dieses Dezernat zur Nutzung des Baus berechtigt. Unterhalten wird er laut Gesetz zum großen Teil von den Übernatürlichen selbst, die nicht glücklich darüber sind, für unsere Existenz zu bezahlen.«

»Besteht da kein Interessenkonflikt?«

Er zwinkerte mir nur zu und stieg aus. Ich folgte ihm eilends und warf einen kurzen Seitenblick zu dem schicken Portier vor dem Hotel. Fast rechnete ich mit dem Vorwurf, Tallulah werte die Nachbarschaft ab, doch stattdessen verbeugte er sich vor uns.

»Guten Morgen, Detective Constable Brown.«

Tony lächelte. »Guten Morgen, Jeeves.« Er gesellte sich zu mir auf den Gehsteig und stupste mich an. »So heißt er gar nicht.«

Ach nein? Ich lächelte Jeeves (oder wie auch immer er hieß) an und warf dann einen Blick auf den Mini. »Schließen Sie den Wagen nicht ab?«

»Niemand rührt Tallulah an.« Er ging zur unauffälligen Haustür, trat ein und erwartete, dass ich folgte.

Ich sah ihm kurz nach und fragte mich, wohin ich hier geraten war. Mir schwante, dass es zwei sehr lange Wochen werden würden. Und Tony hatte mir noch immer nicht beantwortet, welche Aufgabe er im Supernatural Squad innehatte.

Das Supes-Squad mochte eine vornehme Adresse haben, war von innen aber nicht sonderlich nobel. Es gehörte auch nicht zu den Bauten, die mehr Platz boten, als es von außen den Anschein hatte. Die Wände besaßen eine schmutziggelbe Farbe, vermutlich aus den Tagen, als es noch für normal galt, drinnen zu rauchen. Der Flur war eng, und die Wände rochen durchdringend nach altem Kaffee und nach dem schweren Aroma, das mir schon im Wagen aufgefallen war.

»Wonach riecht es hier?« Meine Frage war ebenso an mich wie an Tony gerichtet, der vorausschritt.

Unvermittelt blieb er stehen und drehte sich um. »Haben Sie Werwölfe in der Familie?«

Ich war erstaunt. »Natürlich nicht.«

Er hob eine Braue. »Aber Sie riechen die Kräuter.«

»Die sind nicht gerade dezent. Und da Sie von Kräutern sprechen –«

Er verdrehte die Augen. »Machen Sie sich nicht ins Hemd – die sind völlig legal. Das sind Eisenkraut und Wolfswurz.«

»Um die Übernatürlichen zu bannen?«, vermutete ich.

»Genau.« Er ging wieder weiter.

»Und das klappt?«

»Nein.«

»Aber warum –« Zu spät. Er war schon in einem Zimmer am Ende des Flurs verschwunden. Leise fluchend folgte ich ihm.

Das Zimmer war nicht gerade ein Bienenstock geschäftiger polizeilicher Aktivität. Vier Schreibtische standen wie zufällig auf einer Seite. Am mir nächsten Tisch saß eine Frau, kaum älter als ich, mit leuchtend roter Kurzhaarfrisur und blasser Haut, die durch ihre pechschwarze Kleidung noch bleicher wirkte; offenbar war sie allein auf das Kreuzworträtsel vor sich konzentriert. Ein jüngerer Mann in Uniform lag auf der anderen Seite des Zimmers auf einem kleinen Sofa und schaute Frühstücksfernsehen. Keiner von beiden blickte bei meinem Eintreten auf.

»Morgen allerseits«, sagte Tony. »Das ist …« Er sah mich an.

»Emma«, soufflierte ich.

»Ach ja.« Er wies auf die Rothaarige. »Moneypenny – für den operativen Betrieb zuständig.« Dann, an den Mann auf dem Sofa gewandt: »Und unser stinknormaler Polizist.«

»Liza«, sagte die Rothaarige.

Der Mann hob die Hand. »Fred.«

»Freut mich, Sie kennenzulernen.« Ich sah mich um. »Der Rest des Dezernats ist oben?«

Liza schnaubte.

Tony lächelte. »Das ist das Dezernat«, sagte er stolz.

Ich kratzte mich am Kopf. »Die … Frühschicht?«

»Nein«, erwiderte er geduldig. »Das ganze Dezernat. Wie Sie sehen, ist es nicht so, dass wir vor Arbeit kein Bein auf den Boden bekommen.«

»Das ist alles? Sie sind nur zu dritt?«

Tony schlenderte in eine Ecke, um den Wasserkocher einzuschalten. »Wie gesagt, es gab andere. Sie sind gekommen und gegangen – die meisten bleiben nicht lange. Einige Zeit gab es noch einen Ermittler, aber der ist seit Dezember in Pension.«

Oh. Ich entspannte mich etwas. Es war erst Februar. »Dann warten Sie auf Ersatz?«

»Er meint Dezember 2016«, merkte Liza an.

Ich starrte sie an. Das war gut fünf Jahre her.

Sie legte ihren Kugelschreiber weg, stand auf und warf mir ein müdes Lächeln zu. »Hallo Emma – willkommen im Supes-Squad.«

Ich wollte zurücklächeln, wirklich, doch ich vermochte es nicht. Die Bestürzung, die mich allmählich durchdrang, verhinderte selbst das leiseste Zucken der Mundwinkel. Ich konnte nur daran denken, wie Lucinda Barnes mir im Vertrauen gesagt hatte, das sei das perfekte Dezernat für mich. Ich setzte mich auf den nächsten Stuhl und ließ die Schultern sinken.

Liza öffnete eine Schublade, zog etwas Kleines heraus und warf es mir zu. Fast hätte ich es gefangen, aber dann knallte es mir ins Gesicht. »Ein Schlüssel fürs Gebäude.«

»Äh …« Ich drehte ihn in den Händen. »Ich bin nur zwei Wochen hier. Ich bleibe nicht.«

Sie zuckte die Achseln. »Man kann nie wissen.«

Ich wusste es. Sobald ich meine Zeit hier abgearbeitet hätte, würde ich nie mehr zurückschauen.

3

»Nein, ich bin nicht im Department für Cyberkriminalität.«

»Aber da hättest du doch antreten sollen.« Jeremy klang so unzufrieden, ganz so, wie ich es auch war.

»Das dachte ich auch. DSI Barnes hat mich reingelegt.«

Es war kurz still. »Und wo bist du stattdessen?«

»Im Supernatural Squad.«

»Was?«

»Ich wurde ins Supernatural Squad gesteckt.«

»Gute Güte, Emma – ist das nicht gefährlich?«

Soweit ich wusste, bestand nur das Risiko, dass ich an Langeweile starb. »Gefährlich garantiert nicht«, beruhigte ich ihn. »Tatsächlich ist es so …«

»Hey!«, unterbrach mich Tony. »D’Artagnan! Auf geht’s!«

»Ich muss los«, sagte ich in den Hörer. »Bis heute Abend.«

»Hab dich lieb.«

»Bye.« Hastig beendete ich das Telefonat und steckte das Handy in meine Tasche. »D’Artagnan?«, fragte ich Tony.

Sein Stirnrunzeln vertiefte die Falten seines Gesichts. »Ich kann mir unmöglich jeden Namen merken. Sie sind nur zur Ausbildung hier – und D’Artagnan kann ich im Gedächtnis behalten.«

»Und Sie sind dann wer? Einer der drei Musketiere? Allzu draufgängerisch wirken Sie mir nicht.«

Tony drohte mit dem Finger. »Abwarten.« Er warf sich einen abgetragenen Mantel über. »Los, Zeit zum Aufbruch.«

»Und wohin?«

»An die Arbeit, D’Artagnan. Die Öffentlichkeit will, dass die Steuern sinnvoll verwendet werden, und ich möchte sie ungern enttäuschen.« Er grinste. »Hopp, auf geht’s.«

Alles war besser, als innerhalb dieser deprimierenden Mauern zu bleiben. Ich nahm meine Kostümjacke, schlüpfte hinein und trat auf den Flur. »Nehmen wir für unterwegs keine Armbrüste mit silbernen Pfeilspitzen mit?«

Tony schnaubte. »Wenn Sie denken, ich lasse Leute wie Sie auch nur in die Nähe einer derart tödlichen Waffe, sind Sie naiver als vermutet. Und solche Dinge werden seit Jahren nicht mehr verwendet. Wir brauchen sie nicht. Ich weiß nicht mal mehr, wo sie verwahrt werden.«

Ich musterte ihn. Offenkundig trug er keine Waffe. So viel zu diesem Bonus an meinem Einsatzort.

»Die Vampire regen sich erst zur Teestunde«, sagte Tony im Gehen zu mir, »also beginnen wir mit den Werwölfen. Sehen Sie das als Einführungstour in unsere Arbeit.« Er tätschelte seinen Bauch. »Außerdem bekomme ich langsam Hunger, und es gibt einen tollen Sandwichladen neben dem Schlupfwinkel der Sullivans.«

»Die Sullivans sind einer der Werwolf-Clans?«

Er nickte. »Derzeit mit den McGuigans verbündet. Oder zumindest waren sie das, als ich sie das letzte Mal überprüft habe. Unter Wölfen ist alles möglich – die sind sehr launisch.«

Ich zog ein Notizbuch aus der Jacke. »Wie schreibt sich ›McGuigan‹?«, fragte ich, um mich gut anzustellen.

Tony blieb abrupt stehen. »Machen Sie sich Notizen?«

»Ich möchte kein Detail verpassen.«

Er verdrehte die Augen und stapfte weiter. »Es ist echt nicht kompliziert, D’Artagnan«, rief er über seine Schulter. »Packen Sie das weg, ehe Sie uns beide blamieren.«

Wütend sah ich ihm nach und war versucht, mich zu weigern. Aber im Gehen Notizen zu machen, war nicht leicht, und so nahm ich den Weg des geringsten Widerstands und steckte den Block ein.

»Bleiben Sie einfach locker«, sagte Tony überraschend freundlich, als ich zu ihm aufschloss. »Mir ist klar, dass Sie Ihre Sache gut machen und ein tolles Zeugnis bekommen wollen, um bei Detective Superintendent Barnes zu punkten und nach dem Examen den Posten Ihrer Träume zu kriegen. Keine Sorge. Dies ist der leichteste Einsatzort der Welt. Wenn die zwei Wochen vorbei sind, schreibe ich Ihnen in Ihr Zeugnis, was immer Sie wollen. Egal, welchen Mist Sie gebaut haben, um in dieser Abteilung zu landen: Ich merke, dass Sie eine von den Guten sind. Das wird schon. Einer für alle und alle für einen.«

Ob er erwartete, dass ich mich bedankte? »Ich möchte während meiner Zeit hier wirklich was lernen. Das soll keine Zeitverschwendung werden.«

»Darum unser kleiner Ausflug. Dabei lernen Sie jede Menge.« Tony grinste. »Glauben Sie mir.«

Wir überquerten die Fahrbahn, wandten uns nach rechts und gingen eine breite Straße entlang. Dies war ein berühmtes Viertel der Stadt; obwohl ich es nie betreten hatte, erkannte ich viele Gebäude und Denkmale. Wir erreichten die Swain Street und den riesigen Bogen, der sich von einer Seite zur anderen spannte. Er bestand aus verschiedenen geschnitzten Hölzern, die am Scheitelpunkt zu einem großen Wolfskopf zusammentrafen. Unwillkürlich schnappte ich nach Luft.

Tony warf mir einen Blick zu. »Beeindruckend, was?«

»Ich habe Fotos gesehen, aber er ist sehr viel größer als gedacht«, erwiderte ich nickend, streckte die Finger aus und strich über das warme Holz.

»Die meisten Menschen glauben, das sei reine Dekoration oder diene nur dazu, Touristen anzulocken.« Er wies auf eine Gruppe aufgekratzter Besucher, die vor dem Bogen Selfies machten. »Doch die Wahrheit ist komplizierter. Zwar besteht der Bogen aus verschiedenen Hölzern, aber im Innern ist viel Weißdorn. Der Legende zufolge hält Weißdorn Vampire ab. Ob das stimmt, weiß ich nicht, allerdings laufen hier garantiert nie Vampire herum. Weder bei Tag noch bei Nacht.«

»Könnten sie denn tagsüber auftauchen?«

»Natürlich. Aber das tun sie nicht so gern. Stellen Sie sich Vampire wie Studenten vor – nachts Party, und bei Tag wird geschlafen.«

»Und die Wölfe?«

Tony schürzte die Lippen. »Als Hunde markieren sie ihr Territorium und sind wild auf Nahrung.« Er hielt inne und senkte die Stimme ein wenig, als fürchtete er, belauscht zu werden. »Nur unterschätzen Sie sie nicht. Keinen einzigen. Egal, was andere behaupten: Beide Gruppen sind noch immer Räuber. Und am oberen Ende der Nahrungskette. Uns halten sie sich mit raffinierten juristischen Tricks vom Leib, aber wenn sie diese Stadt beherrschen wollten, könnten sie das im Handumdrehen tun.«

Durch den Bogen gelangten wir ins Viertel der Werwölfe. Ich überspielte den Schauer, der mir den Rücken hinunterlief, und überdachte Tonys Worte. »Also betreibt das Supernatural Squad«, sagte ich dann, »bloße Augenwischerei.«

Tony nickte. »Im Großen und Ganzen. Unser Auftauchen beschwichtigt Menschen, die intelligent genug sind, sich vor den Übernatürlichen zu fürchten, aber wir haben keine Macht. Übernatürliche, die aus der Reihe tanzen, werden von den eigenen Leuten zur Raison gebracht. Wir helfen verirrten Touristen, streifen herum, demonstrieren Präsenz und berufen in sehr seltenen Fällen Versammlungen ein, damit der Friede gewahrt bleibt.« Er warf mir einen schelmischen Blick zu. »Sie begreifen also, warum die meisten Ermittler nicht lange bei uns bleiben. Hier passiert einfach nichts Aufregendes.«

»Weshalb sind Sie geblieben?«, fragte ich in aufrichtiger Neugier.

Er lächelte. »Ich mag ein bequemes, müheloses Leben und ein fixes Monatsgehalt.«

Ich musterte ihn. Etwas an seiner Stimme, nein, an Tony insgesamt, ließ mich vermuten, dass es mit seinem Dasein im Supernatural Squad weit mehr auf sich hatte, als er erkennen ließ. Herauszufinden, worum es sich handelte, würde mir in den nächsten zwei Wochen zu tun geben.

Bevor ich ihn weiter ausquetschen konnte, pflanzte sich eine schwerfällige Gestalt vor uns auf, die aus dem Nichts aufgetaucht zu sein schien. »Anthony Brown«, knurrte der Mann. Also eindeutig ein Werwolf. »Was machen Sie hier?«

»Nur einen Spaziergang«, erwiderte Tony heiter. »Um das Gesetz hochzuhalten und den Frieden zu wahren. Das Übliche.«

Ich erlag meiner Neugier und musterte den Werwolf. Er wirkte überwiegend menschlich, sofern man ihn nicht genauer ansah: Sein volles schwarzes Haar war unnatürlich gelockt, und Brust und Schultern waren viel zu breit für seine kurzen Beine. Eines war gewiss: In einer dunklen Mondnacht würde ich ihm nicht begegnen wollen.

»Wer ist sie?«

»Sie ist D’Artagnan«, erwiderte Tony. »Für zwei Wochen auf Gastspiel.«

»Eigentlich«, begann ich, »ist mein Name –«, aber Tony gab mir einen überraschend kräftigen Stoß in die Rippen.

Der Werwolf wirkte amüsiert. »Du führst sie herum, was? Bring sie doch später mit in den Club. Das kleine Ding sieht appetitlich aus.«

Ich widerstand dem Drang, einen Schritt zurückzutreten. Der plötzlich aufschimmernde Hunger im Blick des Wolfs war ungemein einschüchternd.

»Was meinst du, Schätzchen?«, fragte er. »Stehst du auf Fell?« Seine Haut zitterte und schlug an den Wangenknochen Wellen. Wieder schnappte ich unwillkürlich nach Luft. Im nächsten Moment sprang ihm im Gesicht schlammbraunes Fell aus der Haut. Sogar Schnurrhaare hatte er nun.

Tony trommelte nervös mit dem Fuß. »Toller Partytrick. Heb dir den für Touristen auf.«

»Zwanzig Piepen für ein Foto.« Der Wolf öffnete das Maul, bleckte die scharfen Zähne und schnappte, als wollte er angreifen.

Ich blinzelte, blieb aber, wo ich war. »Nein, danke«, erwiderte ich förmlich.

Das Fell verschwand, und unvermittelt wirkte der Wolf gelangweilt. »Sagen Sie nicht, ich hätte es nicht versucht.« Er warf Tony einen Blick zu. »In fünf Tagen ist Vollmond.«

»Ich zittere wie Espenlaub.«

Der Werwolf kehrte ins Dunkel neben dem Gehsteig zurück, und wir setzten unseren Weg fort. Erst als wir ein Stück weiter waren, merkte ich, dass ich schon die ganze Zeit die Luft anhielt. Mit lautem Seufzer atmete ich aus und spürte einen kurzen Schmerz in der Lunge.

»Ihre erste Begegnung mit einem Wolf?«, fragte Tony.

Ich nickte.

»Dann haben Sie sich tapfer geschlagen«, gestand er mir widerwillig zu. »Marsh macht nur Getöse und zieht eine Show ab, damit keine Menschen in verbotenes Gelände eindringen, aber ein schlechter Kerl ist er nicht. Er gehört zu den Sullivans und sollte eigentlich keine untergeordneten Routinearbeiten verrichten, doch letzte Woche hat er gegen einen Wolf aus dem Carr-Clan gekämpft und leistet nun seine Strafe ab.« Tonys Mund wurde schmal. »Wie gesagt: Die Übernatürlichen regeln ihre Probleme intern.«

»Warum haben Sie mich abgehalten, ihm meinen richtigen Namen zu sagen?«

»Weil es unsere Aufgabe ist, uns den Verhaltensweisen der Übernatürlichen anzupassen, nicht umgekehrt. Und die Übernatürlichen nennen Leuten von außerhalb ihren richtigen Namen nur, wenn sie ihnen absolut vertrauen. Sie glauben an die Macht von Namen. Gequirlter Unsinn ist das, wenn Sie mich fragen, aber als in Rom …«

»Ihren richtigen Namen wusste er doch.«

Kurz umspielte ein Lächeln Tonys Mund. »Ja. Allerdings bin ich ein dummer alter Mann und schon zu lange hier. Ich habe meinen Namen freimütig genannt in der Hoffnung, die Übernatürlichen so dazu zu bringen, mir zu trauen. Überflüssig zu sagen, dass das nicht geklappt hat.«

Ich runzelte die Stirn, doch ehe ich antworten konnte, wies Tony mit dem Kopf auf den kleinen Laden gegenüber: Sullivan Sandwiches. »Auf geht’s. Die haben das beste Roastbeef diesseits der Themse.«

Kaum öffnete Tony die Tür, läutete die Klingel, und intensiver Roastbeef-Geruch wallte uns entgegen. Eine junge Frau hinterm Tresen lächelte uns zu. Ich sah genau hin: Sie hatte sehr scharfe Zähne.

»Cassidy, Baby! Wie geht’s dir an diesem herrlichen Morgen?«, rief Tony.

Cassidy? War das ihr echter Name? Ich sah mich um und bemerkte die große Fleischauswahl. Ach so: Butch Cassidy.

Sie blickte betont auf ihre Uhr. Dabei bekam ich kurz ein seltsames gelbes Tattoo an ihrem Arm zu sehen. Der Wolf draußen, Marsh, hatte eine ähnliche Tätowierung gehabt, nur war es grün gewesen. Interessant.

»Es ist fast zwei, Tony«, tadelte Cassidy ihn leise. »Fürs Mittagessen etwas spät.«

Tony breitete die Arme aus. »Schon zwei? Kein Wunder, dass ich so hungrig bin! Roastbeef auf Roggenbrot mit viel Meerrettich bitte. D’Artagnan, was hätten Sie gern?«

Ich kratzte mich am Kopf. »Haben Sie Hummus?«

Die Frau und Tony tauschten einen Blick.

»D’Artagnan.« Er schüttelte den Kopf. »Hier gibt es das vermutlich beste Fleisch überhaupt.«

»Oder Käse?«, schlug ich vor. »Haben Sie Käse? Und dazu Salat?«

Tony ließ die Schultern sinken und sah mich bestürzt an. »Oh nein.«

»Was denn?«

»Oh nein, D’Artagnan. Das geht nicht. Bitte sagen Sie es nicht. Bitte sprechen Sie das Wort nicht aus.«

Ich verschränkte die Arme. »Ich bin Vegetarierin.«

Er hob die Hände in gespieltem Schrecken. »Und ich fing gerade an, Sie zu mögen! Bei den Supes sind Sie eindeutig falsch. Wagen Sie es nicht, das irgendwem sonst zu sagen.« Er funkelte Cassidy an. »Und du erzählst es auch niemandem.« Er seufzte. »Wir sind im blutigsten, fleischlastigsten Viertel von London, und die Knallköpfe aus der Verwaltung schicken mir eine Vegetarierin. Unfassbar.«

War das bloß harmlose Neckerei, oder stichelte er etwa ernsthaft? Jedenfalls war es nicht der richtige Moment, um ihm zu sagen, dass ich überlegte, aufs Ganze zu gehen und Veganerin zu werden.

»Ich kann Ihnen ein Käsebrot machen«, sagte Cassidy und betrachtete dabei ihre akkurat geschichteten Stapel aus Fleisch, Fleisch und noch mehr Fleisch.

»Das wäre fantastisch«, erwiderte ich. »Vielen Dank.«

Tony schob mich Richtung Tür. »Los – Sie warten draußen. Ich möchte auf keinen Fall Ihre heiklen Gefühle als Vegetarierin beleidigen, indem ich sie an einem Ort bleiben lasse, wo es so viel herrliches Fleisch zu kaufen gibt.«

Der Laden setzte mir nicht sonderlich zu, aber ich spürte, dass er mit Cassidy allein reden wollte. Also trat ich wieder nach draußen. Es war kühl. Weil links von mir ein Sonnenfleck war, entfernte ich mich ein Stück vom Laden. Meine Kostümjacke bot wenig Schutz gegen die Kälte, und das bisschen Sonne war besser als nichts.

Ich blickte mich um und überlegte, wie viele weitere Werwölfe ich entdecken könnte. Trotz der seltsamen Begegnung mit Marsh war ich über die entspannte Atmosphäre erstaunt. Es gab keine Spur von Bedrohung oder Angst; ehrlich gesagt: Von dem beeindruckenden Eingangsbogen abgesehen, unterschied sich das Viertel der Werwölfe nicht von anderen Bezirken Londons.

Mein Blick folgte einem alten Mann, der anscheinend über achtzig war und dessen stattliche graue Koteletten und Schnurrhaare ihn eindeutig als Wolf auswiesen. Da flackerte etwas Seltsames in meinem Augenwinkel. Ich lehnte mich zur Seite, um es besser zu sehen, und richtete mich dann abrupt auf.

Als wären alle Höllenhunde ihr auf den Fersen, rannte eine junge Frau durch eine Seitenstraße; am Leib trug sie nur einen Fetzen Unterwäsche, und ihre bleiche Haut schien blutverschmiert zu sein.

4

Ich verschwendete keine Zeit, raffte den Rock, dankte meinem Glücksstern, dass ich keine Schuhe mit hohen Absätzen trug, und rannte ihr nach. Ob Werwölfin oder nicht: Sie steckte in Schwierigkeiten. Ich stürmte die Straße hinunter und ignorierte gekonnt die erstaunten Blicke der Passanten.

Obwohl sie barfuß war, kam sie besser voran als ich. Ich zwang mich, so schnell wie möglich zu rennen, und Wind fuhr mir durchs kurz geschnittene Haar. »Polizei!«, rief ich. »Anhalten!«

Entweder hörte sie mich nicht, oder sie blieb aus Angst nicht stehen. Binnen Sekunden war sie um die Ecke am Ende der Straße verschwunden. Fluchend setzte ich ihr nach, an gepflegten Häusern und Reihen teurer Autos vorbei.

Mir war klar, dass ich auf Tony hätte warten müssen. Auf eigene Faust zu ermitteln, war uns Auszubildenden streng verboten. Aber ihn zu holen, dazu war keine Zeit gewesen. Ich musste die Frau finden und ihr auf jede erdenkliche Weise helfen, ehe ihr etwas Schlimmeres zustieß.

Am Ende der Straße bog ich nach rechts und hielt Ausschau nach der blutüberströmten Frau. Doch keine lebende Seele war zu sehen.