Marmor, Stein und Liebe - Colleen McCann - E-Book

Marmor, Stein und Liebe E-Book

Colleen McCann

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Beschreibung

Aus einer finanziellen Not heraus nimmt Joelle einen Job als Escort Girl an. Von langweiligen über interessante bis hin zu lustigen Dates hat sie schon bald einen kleinen Kreis an Stammkunden. Nur einer interessiert sie mehr als andere Kunden. Als sie erfährt, dass er liiert ist, will sie noch rechtzeitig die Bremse ziehen. 

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Veröffentlichungsjahr: 2018

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Colleen McCann

Marmor, Stein und Liebe

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Intro

 

 

 

Marmor, Stein und Liebe

 

 

Roman

 

von

 

Colleen McCann

 

 

 

 

 

© Colleen McCann

2018

 

 

 

 

 

 

 

Dieser Roman ist völlig frei erfunden.

Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen mit Personen, Begebenheiten und Namen sind rein zufällig und unterliegen keiner realen Nacherzählung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Joelle

 

 

"Ich weiß, Jenny, aber mir geht langsam wirklich der Arsch auf Grundeis. Wenn nicht bald etwas passiert, kannst Du demnächst von einem Banküberfall lesen, in den ich verwickelt bin!"

"Oh bitte, Joelle!" Jenny lachte lauthals über die wagemutigen Zukunftspläne ihrer langjährigen Freundin. Aber nicht nur von einem Banküberfall war die Rede gewesen.

Joelle hatte Pläne, die Jenny nicht befürworten wollte und konnte.

"Ist doch wahr!" Joelle war verzweifelt und Jenny wusste ihr nicht zu helfen. Nicht diesmal. Wenn sie ihr sonst gerne mit Rat und Tat zur Seite stand, fiel ihr heute nichts dazu ein.

"Okay Baby, ich muss gleich los. Ich wünsche Dir einen schönen Abend! Und denk an mich!" verabschiedete sie sich nach dem wöchentlichen, ausführlichen Telefonat.

"Pass auf Dich auf, Süße!" kam noch von Jenny.

 

Joelle Reddington hatte Geldprobleme. Es ging darum, ihre Miete bezahlen zu müssen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie hatte sich übernommen und jeder Cent war doppelt so viel wert, wenn sie Geld hatte, weil sie die im wahrsten Sinne des Wortes jedes Mal am besten dreimal umdrehen musste. Außer mit Jenny, und ein paar anderen Mädels in ihrem Alter, war sie mit dem 30jährigen Parker Lloyd befreundet, ihrem Partner in Sachen "Freundschaft Plus". Sie hatten seit Jahren eine Bettgeschichte laufen. Mehr war es allerdings nicht, also war von dem auch keinerlei Hilfe zu erwarten. Oder besser gesagt, würde sie ihn niemals um Geld bitten oder irgendeinen anderen Gefallen, der über Sex oder höchstens darüber hinausging, ihr bitte etwas zu trinken aus der Küche mitzubringen, wenn er aus dem Bad kam. Wenn er sie besuchte, brachte er zwar immer etwas mit, von Sekt über Süßigkeiten bis hin zu Take Away Food, doch richtig unter die Arme greifen sollte er ihr gar nicht. Dazu waren sie nicht ausreichend genug Partner im klassischen Sinn.

 

In der vorangegangenen Nacht war Joelle wach geworden und hatte von etwas geträumt, das sie zuerst nicht einordnen konnte. Doch dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen: Sie erinnerte sich an eine frühere Bekannte, Bellinda, mit der sie keinen Kontakt mehr pflegte, seit sie erfahren hatte, dass die bei einem Escort-Service arbeitete. Warum sie sich damals von ihr abgewandt hatte, konnte sie heute gar nicht mehr genau sagen. Oder vielleicht war der Kontakt auch von Bellinda abgebrochen worden. Joelle brauchte dringend einen Job. Irgendetwas machen wollte sie aber nicht, dazu war sie zu stolz. Als Tochter eines angesehenen Anwalts der Stadt war sie verwöhnt, ein schönes Leben gewohnt. Aber nachdem sie sich mit ihrem Vater überworfen hatte, weil sie nicht nach seinen Vorstellungen studieren wollte, war von dort der Geldhahn abgedreht worden.

Nun hatte sie Jenny ihr Vorhaben geschildert, dass sie sich mit Bellinda in Verbindung setzen wollte, vielleicht würde sie durch die in deren Service eine Chance bekommen.

 

"Bellinda? Hier ist Joelle Reddington, hallo! Erinnerst Du Dich an mich?" Es war ihr peinlich, sich nach so langer Zeit zu melden, mit ihrem Anliegen. Erst einmal abwarten, wie sie reagieren würde.

"Oh hi, ich habe ja ewig nichts von Dir gehört! Sorry, dass ich mich auch kaum mehr gemeldet habe, ich habe so viel zu tun in meiner Agentur, dass nicht nur unsere Freundschaft auf der Strecke geblieben ist. Wie geht es Dir? Schön, dass Du Dich mal meldest!"

"Mir geht es ganz okay. Naja, es könnte besser sein, aber man schlägt sich so durch, nicht wahr? Du hast jetzt eine eigene Agentur?" staunte sie.

"Ja, seit einem halben Jahr. Läuft ganz gut. Nachdem ich nicht mehr vor meiner alten Chefin kuschen wollte, habe ich den Schritt gewagt und mich selbstständig gemacht! Was machst Du momentan?"

"Leider nichts, ich bin auf der Suche nach einem netten Job. Es ist gar nicht so einfach, etwas zu finden, das einem zusagt!" Sie wollte nicht so mit der Tür ins Haus fallen und ihr gleich unterbreiten, dass sie gerne als Escort arbeiten würde.

"Joelle, es tut mir sehr leid, ich habe noch einiges zu tun. Was hältst Du davon, wenn wir uns bald mal zu einem Kaffee treffen?"

"Das klingt klasse! Ich freu mich!" nickte Joelle eifrig.

Die beiden verabredeten sich für den nächsten Tag in der Agentur.

"Dann kann ich hier meine Arbeit machen und wir beiden plaudern ein bisschen!" Bellinda freute sich also auch.

 

"Mensch, hast Du Dich verändert!" staunte Bellinda, als sie Joelle begrüßte.

"Findest Du?"

"Na aber hallo! Ich habe Dich als etwas biederes, schüchternes Ding in Erinnerung! Du siehst sehr gut aus!" lachte sie. "Setz Dich! Ich bin sofort für Dich da!"

Schüchtern, bieder also, gut zu wissen, und noch besser zu wissen, dass sie nun einen anderen Eindruck machte.

Joelle schaute sich um. Die Agentur war sehr ansprechend eingerichtet, wobei man davon nicht ablichten konnte, wie so ein Job genau aussah. Wen "bedienten" solche Damen, die bei Bellinda arbeiteten? Was genau musste man als Escort tun, was durfte man, was nicht? Bellinda hatte damals schon in einem netten Laden gearbeitet, aber das hier war noch um einiges edler.

"So, meine Liebe. Erzähl doch mal: bist Du noch mit diesem unverschämt gutaussehenden Parker zusammen?"

Joelle war nicht oft mit Parker aus gewesen, aber einmal waren sie Bellinda über den Weg gelaufen, als sie gerade aus dem Kino kamen.

Joelle winkte ab. "Zusammen ist zu viel gesagt. Wir haben ab und zu Spaß miteinander, wenn Du verstehst, aber mehr hat sich da nicht entwickelt."

"Das ist schade. Ich dachte, der wäre perfekt für Dich. Aber das muss jeder selber wissen. Ich habe einen lieben Partner gefunden, kurz bevor ich mich von meinem alten Service getrennt habe. Er heißt Warren und, naja, er hat mich ein bisschen unterstützt bei meinem Laden hier." gab Bellinda bekannt.

"Also gehst Du jetzt selber nicht mehr als Begleitperson?"

"Nein, das war Voraussetzung von Warren, er hätte mich sonst sitzen lassen, in allen Hinsichten." Bellinda stellte eine Tasse Kaffee vor Joelle ab.

"Vielen Dank. Meinst Du, ich könnte auch so einen Job machen, Bel? Ich muss zugeben, ich war damals nicht begeistert davon, dass eine Freundin von mir sowas macht. Aber inzwischen habe ich meine Meinung geändert. Ich stelle mir das sehr interessant vor!"

"Leider wird das seriöse Escortgeschäft viel zu gerne mit dem der Prostitution verwechselt. Das soll nicht abwertend klingen, aber man verbindet mit Escort fast immer Sex. In den meisten Fällen mit verheirateten Männern aus den oberen Kreisen, die nicht ins Bordell wollen oder können." seufzte Bellinda und winkte ab. "Wenn man in dieser Branche tätig ist, muss man sich einiges gefallen lassen und sich mit Bezeichnungen herumschlagen, die unter aller Kanone sind. Wenn Du Interesse hast, kann ich Dich gerne in meine Datei aufnehmen. Du siehst gut aus, Anstand hast Du auch, das weiß ich, und wie man sich bei Tisch und sonstigen Veranstaltungen benimmt, weißt Du ja sicher auch!"

"Wie läuft das denn genau ab? Ich habe ja gar keine Ahnung, wie Du weißt!"

"Also, wir haben..." Das Telefon läutete. "Augenblick bitte - Agentur Esco Royal, Sie sprechen mit Bellinda McCarthy. - Conor. Wie geht es Ihnen? - Ja, ich habe meine eigene Agentur. - Vielen Dank. - Super, das freut mich sehr, dass Sie uns gefunden haben. Was kann ich für Sie tun? - Am Freitag? Moment, ich sehe kurz nach!" - Bellinda stellte das Mikrofon aus. - "Ich habe hier einen Kunden, Joelle, der wäre für den Einstieg klasse! Willst Du den am Freitag?"

Joelle nickte. Sie war etwas überrumpelt. Aber was sollte sie tun? Sie musste ja.

Bellinda bestätigte dem Kunden den Termin um 19 Uhr. "Nein, ich komme nicht persönlich, aber ich habe eine sehr nette Dame für Sie! Die wird Ihnen gefallen! - Vielen Dank, Conor!"

"So schnell geht das bei uns! Du hast Glück! Ich habe momentan wirklich alle Mädels ausgebucht! Du kommst sozusagen gerade recht! Und Conor ist wirklich nett. Der ist kein schmieriger Schleimer." erklärte sie.

"Das ist sehr gut. Um ehrlich zu sein: ich brauche wirklich dringend Kohle!" kam sie nun mit der Sprache heraus.

"Was, Du? Was ist mit Deinem reichen Dad? Ist der pleite?" staunte Bellinda. Sie wusste, aus welch gutem Haus Joelle stammte.

"Er wollte, dass ich unbedingt Jura studiere, wie er. Aber Du kennst mich ja, ich habe bisher an diesem Spießerleben nichts finden können. Nochmal zurück zum Thema, Bel."

"Ja, also, das ist so, Kunden rufen hier an, schicken eine E-Mail oder nutzen die unendlichen Weiten des Internets, und buchen über unsere Homepage eine Dame für Empfänge, Messen, auch mal für Theaterbesuche, fürs Essen, Kino, was auch immer. Was in keinem Fall inklusive ist, und das wissen unsere Kunden, ist Sex. Das ist eine Option, die wir unseren Mädchen zwar nicht verbieten, aber wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass es über die Agentur nicht buchbar ist, also auch nicht extra bezahlt wird, und zur Folge haben kann, dass sie dann von dem Gleichen wieder und letzten Endes nur noch dafür gebucht werden. Es ist sozusagen die Mundpropaganda, die unsere Werbung und unseren Ruf ausmacht. Bisher ging es gut. Zumindest ist mir nichts bekannt geworden, was das angeht."

"Okay, das bedeutet, dass Sex niemals zum Service gehört? Wenn es aber dazu kommt, ist es Privatsache der Agentin?"

"Wir nennen uns nicht Agentinnen, wir sind Dienstleister und ein netterer Begriff ist ganz einfach Hostesse. Und ja, wenn es einmal dazu kommt, ist das Privatsache. Wir können in dieser Sache weder belangt werden, noch kann sich ein Kunde wegen sowas bei uns beschweren."

"Okay." Joelle nickte. "Und was genau muss ich am Freitag machen, wo muss ich hin und wer ist das, den ich da treffen soll? Weißt Du im Vorfeld bei der Buchung, wozu er eine Dame braucht und was sie anziehen soll?"

"Wenn einer eine Dame bucht, wissen wir, wo sie den Herrn, manchmal sind es übrigens auch Frauen, treffen, und wofür man sie haben will. Wir stehen mit den Kunden in genauso enger Verbindung wie mit den Ladies. Schließlich ist Sicherheit in dieser Branche oberstes Gebot! Conor hat jemanden gebucht, ins Hilton Hotel, am Freitag um 19 Uhr, zum Essen. Das ist der offizielle Auftrag. Wenn er dann noch etwas anderes machen will, sagt er Dir das schon. Je nachdem, ob es Dir gefällt oder nicht, kannst Du ablehnen."

Joelle lächelte zufrieden. Essen würde sie irgendwie hinkriegen und ein bisschen Plaudern sicher auch.

"Du kennst den persönlich? Also hast Du ihn auch schon einmal begleitet?"

"Ja. Conor ist klasse. Er hat Humor und er ist sehr großzügig. Unternehmer, sehr erfolgreich und bekannt in New York, und er ist Europäer, wenn mich nicht alles täuscht."

"Das ist ja toll, dass das so schnell geklappt hat. Und worauf muss ich achten? Klamotten, Schminke, Frisur?"

"Das ist abhängig davon, was er vorhat. Hier ist eine Liste. Wenn er mit Dir ins Theater will, ziehst Du natürlich etwas anderes an, als wenn er mit Dir zu einer Cluberöffnung möchte."

Joelle studierte diese Liste. Gut, ihr Kleiderschrank war nicht zu verachten und sie hatte ja, dank ihrer Herkunft, nur gutes Zeug, keinen Billigkram. Aber das mit den Frisuren und speziellen Kleidern für höhere Veranstaltungen... Da musste sie wohl bald schon mal einkaufen gehen.

"Weißt Du, was mir gerade sehr gut gefällt?" fragte Bellinda und schlürfte von ihrem Kaffee.

Joelle schaute sie abwartend an.

"Dass Du, trotz Geldmangels nicht fragst, was Du überhaupt verdienst!" grinste Bellinda.

"Oh, stimmt, aber mir ist es wirklich erst einmal wichtig, überhaupt etwas zu bekommen." gab sie verlegen ab.

"Okay, auch der Verdienst staffelt sich. Wir machen keinen Unterschied, zu welchem Anlass die Mädchen gebucht werden. Was ausschlaggebend ist, ist die Zeit. Ob es nun für eine Stunde sein soll, oder für vier. Wir erstatten Auslagen wie Fahrtkosten, es gibt eine Pauschale für Klamotten. All das zahlen unsere zufriedenen Kunden mit. Und wenn es einmal länger geworden ist, müssen wir das so schnell wie möglich wissen, um auch das dem Kunden in Rechnung zu stellen." Bellinda holte etwas aus einem Ordner. "So kommt es schon mal vor, dass Du an einem Abend bis zu vierhundert Dollar bekommst. Üblicherweise sind es zwischen 150 und 250 Dollar am Abend. Nicht zu vergessen: wenn Du eingeladen wirst, bezahlt der Kunde schließlich auch Dein Essen oder Eintritt. Also Amüsement für lau!"

"Vierhundert Dollar?" Wow, das war viel. Nicht viel, wenn es nur bei einem Abend in der Woche blieb, aber anständiger Verdienst, wenn es zwei bis drei Mal in der Woche vorkommen würde.

"Bis zu vierhundert. Das kommt vor, ist aber nicht die Regel. Bezahlt wird immer, sobald der Kunde den Auftrag an uns gezahlt hat. Das ist normalerweise zwei bis drei Tage nach dem Date."

"Gut, und wenn ich zum Beispiel irgendwo nach außerhalb fahren muss, gilt es ab hier oder ab meinem Wohnsitz?"

"Da gibt es ein Raster." Sie deutete auf die Karte, die hinter ihr an der Wand hing. "Die grüne Zone ist ohne Spesen, gelb, orange, bis hin zu rot sind die Bezirke, die mit berechnet und Euch entsprechend erstattet werden. Wenn Du die Möglichkeit hast, hebe Dir Quittungen immer auf, nur zur Sicherheit."

 

Joelle war erst einmal zufrieden. Sie würde sich diesen Conor anschauen und dann weiter entscheiden, ob sie sich diesen Job für länger vorstellen konnte oder lieber nicht.

Es war erst Dienstag und sie hatte nur noch ein paar Dollar, das würde auf keinen Fall reichen bis Freitag, außerdem würde die Bezahlung niemals vor Montag bei ihr sein. Sie bedankte und verabschiedete sich von Bellinda.

"Wenn Du noch Fragen hast, melde Dich! Und wenn Conor am Freitag mit Dir noch etwas anderes vorhat – das gilt im Übrigen generell für alle Kunden – schickst Du bitte eine SMS mit Deinem Vornamen an diese Nummer!" Sie reichte ihr ein Kärtchen.

"Wie meinst Du das, wenn er noch etwas anderes vorhat?" Joelle riss die Augen auf.

Bellinda lachte. "Conor ist sehr spontan. Es kann also sein, dass er Dich noch in einen Club ausführt, ins Kino, zum Spazieren... Vor ihm brauchst Du aber wirklich keine Angst zu haben! Die SMS dient nur dazu, uns mitzuteilen, dass Du, wie in diesem Fall, nicht mehr im Hilton wärst, sondern in einer Kneipe oder einem Club. Wir möchten das wissen, um Unannehmlichkeiten vorzubeugen und eben zur Sicherheit der Mädchen."

Joelle atmete aus. "Apropos Namen. Habt Ihr Nicknamen oder heißen wir so, wie wir heißen?" musste sie noch wissen.

"Das kann jede selbst entscheiden. Manche haben Nicks, andere nehmen ihren echten Namen. Wir sollten das aber wissen, damit wir mit der SMS im Notfall was anfangen können!"

 

Joelle fuhr schweren Herzens zu ihrem Vater ins Büro.

"Mr Reddington ist gerade bei Gericht, das kann noch eine Weile dauern. Wollen Sie trotzdem warten?" verkündete die Sekretärin.

"Oh, ich warte gerne! Ah, da kommt er schon. Als hätte er es geahnt!" strahlte Joelle verhalten.

"Ach sieh an, was verschafft mir denn die Ehre?" kam zwar kühl von ihm aber er gab ihr ein Bussi auf die Wange und umarmte sie kurz, bevor er mit ihr in sein Büro verschwand.

"Dad. Ich will nicht, dass wir streiten. Ich will aber auch nicht in etwas gepresst werden, das mir überhaupt nicht liegt!" gab sie klein bei. "Es tut mir leid, dass wir uns überworfen haben! Ich vermisse Dich!"

"Ich hätte mich sehr in Dir getäuscht, wenn Du nicht früher oder später auf mich zugekommen wärst!" grinste er. Nicht etwa hämisch, eher erleichtert.

Sie nickte.

Er lehnte sich an seinen Schreibtisch, vor sie, und schaute sie abwartend an.

"Was?" Sie musste nun auch grinsen. Ihr Vater war ihr schon immer wichtig gewesen. Besonders, nachdem ihre Mutter gestorben war, hatte sie ihn gebraucht. Sie liebte ihn und sie wusste, dass er sie niemals verstoßen würde. Aber er verlangte einfach das Falsche von ihr.

"Und wenn Du etwas anderes studierst?"

"Oh bitte, Daddy! Ich bin dieses ganze Studienthema leid." moserte sie.

"Du hattest einen hervorragenden High-School Abschluss, Kind. Warum willst Du denn aus diesem Ergebnis nichts machen? Ich verstehe Dich nicht!" Ihm lag einfach daran, dass sie etwas Anständiges lernen und am besten eben studieren sollte.

Sie schaute ihn flehentlich an. Ihr sanfter Blick aus den hellblauen Augen, das dazu fast unschuldig wirkende Gesicht. Zusammen mit ihren hellbraunen Locken konnte sie gut und gerne als Engel durchgehen.

"Komm her!" Er zog sie zu sich hoch und nahm sie erneut in die Arme. "Du weißt genau, dass ich immer für Dich da bin, Joelle, aber ich bin eben nicht ewig hier. Du weißt auch, wie schnell es gehen kann und Du bist auf Dich allein gestellt! Du hast keinen Freund oder Ehemann, der für Dich sorgen würde!"

"Das weiß ich ja Dad. Aber ich denke noch gar nicht so weit voraus. Außerdem wäre ein treu sorgender Ehemann auch keine ewige Garantie."

Er seufzte tief und schüttelte den Kopf. "Ich meine es wirklich nur gut!"

"Auch das weiß ich und ich bin froh, dass Du so bist und auf mich achten willst!" nickte sie. "Aber Jura geht überhaupt nicht. Gib mir ein bisschen Bedenkzeit, okay? Vielleicht finde ich ja doch noch eine Richtung, die mich wirklich interessiert!"

"Das bleibt zu hoffen. Gehen wir nachher zusammen essen?" schlug er vor, nachdem er sich von ihr gelöst und zwei Gläser mit Wasser gefüllt hatte, ihr eines davon gereicht und sich in seinen Chefsessel gesetzt hatte.

"Sehr gerne! Ich kann auch zuhause was kochen, wenn Du magst?"

"Ich habe leider gar nichts mehr daheim, seit Du nicht mehr regelmäßig kommst!" bedauerte er mit einem unüberhörbaren Unterton, den sie sehr wohl zu deuten wusste. James Reddington hatte zwar eine Haushälterin angestellt, die war allerdings nicht für Einkäufe zuständig. Die war schon etwas älter und er konnte und wollte ihr diese Last nicht antun. Die putzte, wusch seine Klamotten und bügelte. Sie kochte für ihn, aber wenn nichts im Kühlschrank und in der Vorratskammer war, konnte sie damit nicht dienen.

"Okay, dann gehen wir heute essen und ich kaufe ab morgen wieder anständig für meinen alten Herrn ein, einverstanden?" Sie war froh, dass er so schnell eingelenkt hatte.

 

Joelle wohnte seit über einem Jahr in einem Apartment in Long Island, sehr nobel, aber alleine für sie unbezahlbar.

Das musste sie ihrem Vater noch irgendwie beibringen. Doch das brauchte sie gar nicht. Er war ja nicht dumm. Und dass Joelle aus ihrer Menschlichkeit zu ihm zurückgekommen war, schmeichelte ihm, dennoch wusste er genau, dass sein Mädchen ohne seine Unterstützung nicht weit kam. "Ich habe Deine Miete bereits überwiesen. Ich werde das Apartment kaufen, Joelle. Wenn es Dir dort so gut gefällt, ist es Unsinn, monatlich zu zahlen. Was hältst Du davon?"

Sie verschluckte sich an ihrem Wasser. "Was?"

Auch dieses Thema hatte zwischen den beiden lange für Zoff gesorgt. James hatte dieses riesige Haus und seine Tochter wollte weg von dort. Einerseits verstand er sein Mädchen, die flügge wurde und ihr Ding alleine durchziehen wollte. Andererseits war es vollkommen unverständlich und überflüssig, wie er fand, dass sie Miete zahlen wollte, wo die Villa so viel Platz bot, dass sie auch dort einen Teil des Gebäudes alleine hätte haben können. Aber nein, sie brauchte wohl diesen Freiraum. Er hatte gehofft, dass ihr dann eine Entscheidung, doch zu studieren, leichter fallen würde. Doch bisher blieb diese Hoffnung ungehört.

"Nicht gut?" stutzte er.

"Sehr gut!" nickte sie, als sie sich eingekriegt hatte. "Aber eigentlich hab ich das gar nicht verdient!"

"Ich lass doch nicht zu, dass Du auf der Straße landest! So weit kommt es noch!" lachte er. "Außerdem ist das eine gute Investition aus dem Erbe Deiner Mutter!"

"Erbe?" Für Joelle war dieses Thema nie eines gewesen. Da sie immer unterstützt worden war, war sie nie auf ein Erbe angewiesen.