Martin Salander - Gottfried Keller - E-Book

Martin Salander E-Book

Gottfried Keller

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Beschreibung

Neue Deutsche Rechtschreibung Gottfried Keller (19.07.1819–15.07.1890) war ein Schweizer Dichter und Staatsbeamter. Man kann ohne Zweifel sagen, dass Gottfried Keller der wichtigste Autor der Schweiz im 19. Jahrhundert war. Wegen eines Dummejungenstreiches von einer höheren Schulbindung oder gar einem Studium ausgeschlossen, fand der Halbwaise über den Umweg der Lehre zum Landschaftsmaler doch noch zur Literatur. Er hinterlässt ein großes Werk an Gedichten, Dramen, Novellen und Romanen. Null Papier Verlag

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Gottfried Keller

Martin Salander

Roman

Gottfried Keller

Martin Salander

Roman

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-962812-57-7

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Inhaltsverzeichnis

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1

Ein noch nicht be­jahr­ter Mann, wohl­ge­klei­det und eine Rei­se­ta­sche von eng­li­scher Le­der­ar­beit um­ge­hängt, ging von ei­nem Bahn­ho­fe der hel­ve­ti­schen Stadt Müns­ter­burg weg, auf neu­en Stra­ßen, nicht in die Stadt hin­ein, son­dern so­fort in ei­ner be­stimm­ten Rich­tung nach ei­nem Punk­te der Um­ge­gend, gleich ei­nem, der am Orte be­kannt und sei­ner Sa­che si­cher ist. Den­noch muss­te er bald an­hal­ten, sich bes­ser um­zu­se­hen, da die­se Stra­ßen­an­la­gen schon nicht mehr die frü­he­ren neu­en Stra­ßen wa­ren, die er einst ge­gan­gen; und als er jetzt rück­wärts schau­te, be­merk­te er, dass er auch nicht aus dem Bahn­ho­fe her­aus­ge­kom­men, von wel­chem er vor Jah­ren ab­ge­fah­ren, viel­mehr am al­ten Ort ein weit grö­ße­res Ge­bäu­de stand.

Die reich­ge­glie­der­te, kaum zu über­se­hen­de Stein­mas­se leuch­te­te auch so still präch­tig in der Nach­mit­tags­son­ne, dass der Mann wie ver­zückt hin­sah, bis er von dem Ver­kehrs­tru­bel un­sanft ge­stört wur­de und das Feld räum­te. Aber der er­ho­be­ne Kopf, die an der Hüf­te ge­lind sich hin und her wie­gen­de Rei­se­ta­sche lie­ßen er­ken­nen, wie er vom Schwun­ge der Ge­dan­ken be­wegt, von Ge­nug­tu­ung er­füllt da­hin­schritt, um Weib und Kin­der auf­zu­su­chen, wo er sie vor Jah­ren ge­las­sen. Je­doch ver­geb­lich forsch­te er zwi­schen der rast­lo­sen Über­bau­ung des Bo­dens nach Spu­ren frü­he­rer Pfa­de, die sonst zwi­schen Wie­sen und Gär­ten schat­tig und freund­lich hü­gel­an ge­lei­tet hat­ten. Denn die­se Pfa­de la­gen auch wei­ter­hin un­ter stau­bi­gen oder mit har­tem Kies be­schot­ter­ten Fahr­stra­ßen be­gra­ben. Ob­gleich das al­les sei­ne Be­wun­de­rung ste­tig er­höh­te, war er end­lich doch an­ge­nehm über­rascht, als er un­ver­merkt, um eine Ecke bie­gend, sich in einen Häu­ser­win­kel ver­setzt fand, den er au­gen­blick­lich an sei­ner ver­jähr­ten länd­li­chen Bau­art wie­der­er­kann­te. Die vor­sprin­gen­den Dä­cher, das rote Bal­ken­werk, die klei­nen Vor­gärt­chen wa­ren die näm­li­chen, wie seit Men­schen­ge­den­ken.

»Da ist ja der Zei­sig!« rief der Wan­ders­mann, in­dem er still­stand und mit war­mem Hei­mat­ge­fühl die alte Lo­ka­li­tät be­trach­te­te, »wahr­haf­tig der Zei­sig! ›Im Zei­sig‹, heißt es hier! Wer kann sa­gen, warum ei­nem eine sol­che Sa­che und ein sol­ches Wort wäh­rend sie­ben Jah­ren nicht ein ein­zi­ges Mal ein­ge­fal­len ist, und ha­ben wir doch als Schü­ler hier so schö­nen Ap­fel­most ge­trun­ken, wenn wir einen Bat­zen be­sa­ßen! Und der alte Brun­nen steht auch noch, mit wel­chem man den Zei­sig­bau­er auf­zog, dass er Most und Milch dar­aus spei­se!«

In der Tat spru­del­te aus der ur­al­ten Holz­säu­le das kla­re Berg­was­ser in den­sel­ben Trog, wie ehe­mals, und zwar durch den glei­chen ab­ge­säg­ten Flin­ten­lauf, der statt ei­ner ei­ser­nen Brun­nen­röh­re dar­in steck­te. Die­se Ent­de­ckung er­reg­te dem Mann eine neue Be­geis­te­rung.

»Sei mir ge­grüßt, ehr­wür­di­ges Zei­chen fried­li­cher Wehr­kraft!« dach­te er halb­laut; »dies Rohr, das einst Feu­er ge­sprüht, spen­det das lau­te­re Quell­was­ser für Mensch und Tier! Aber schon hängt in je­dem Hau­se, wie ich ver­neh­me, das ge­zo­ge­ne Ge­wehr und harrt der erns­ten Prü­fung; möge sie der Hei­mat lan­ge er­spart blei­ben!«

In die­sem Au­gen­bli­cke nä­her­te sich ein Trupp spie­len­der Kin­der dem Brun­nen, klei­nes Volk von zwei bis sechs Jah­ren. Letz­te­ren Al­ters konn­ten zwei Kna­ben und über­dies Zwil­lin­ge sein, weil sie ge­nau die­sel­be Grö­ße, ganz ähn­lich run­de Köp­fe mit di­cken Ba­cken und vor den Bäu­chen aus glei­chem Wachs­tuch ge­schnit­te­ne, mit Blüm­chen be­druck­te Schür­zen auf­wie­sen, of­fen­bar eben­so­wohl als Aus­zeich­nung wie zum Schut­ze der Klei­der. Et­was seit­wärts stand ein­sam ein blei­cher Jun­ge, der sei­nen ach­ten Som­mer zäh­len moch­te und An­lass zu ei­ner klei­nen Be­ge­ben­heit bot, wel­che die Auf­merk­sam­keit des heim­keh­ren­den Man­nes von dem al­ten Flin­ten­lauf ab­lenk­te.

Ei­ner der bei­den Schurz­trä­ger rief näm­lich den ein­sa­men Jun­gen hoch­mü­tig an: »Was tust du denn hier? Was willst du?«

Als der An­ge­ru­fe­ne nicht ant­wor­te­te und nur me­lan­cho­lisch her­über­blick­te, trat der an­de­re Zwil­ling, die Hän­de auf dem Rücken, den be­schürz­ten Bauch vor­stre­ckend, nä­her hin und sag­te pat­zig: »Ja, auf was war­test du hier?«

»Ich war­te auf mei­ne Mut­ter!« er­wi­der­te nun der Jun­ge, un­si­cher wer­dend, ob er das Recht habe, dort­zu­ste­hen. Der an­de­re aber ver­setz­te tro­cken und ver­ächt­lich wie ein Al­ter: »So, du hast eine Mut­ter?« wäh­rend sein Bru­der laut auf­lach­te und schrie: »Ha, ha! Der hat eine Mut­ter!«

So­gleich sang der gan­ze Kin­der­chor mit drol­lig nach­ge­ahm­tem Ge­läch­ter: »Der hat eine Mut­ter!«

Und nie hör­te man ein fröh­li­che­res La­chen so klei­ner Leu­te. Als ob das lus­tigs­te Er­eig­nis sie kö­nig­lich er­hei­te­re, hol­ten sie im­mer ein neu­es »Ha­ha­ha« aus der Tie­fe ih­rer arg­lo­sen Kin­der­herz­chen her­auf und stan­den da­bei im Krei­se bei­sam­men, in­ner­halb des­sen ein zwei­jäh­ri­ges Wat­schel­büb­chen, in­dem es sich mit den fet­ten Händ­chen die Sei­ten hielt, wie­der­hol­te: »Oh! eine Mo­der hat der!«

Als dies Ver­gnü­gen, wie al­les hie­nie­den, all­mäh­lich sein Ende er­reicht, frag­te der mit der Rei­se­ta­sche, der es wohl be­ob­ach­tet hat­te und nichts da­von ver­stand, mit freund­li­chen Wor­ten: »Wa­rum lacht ihr Kin­der so dar­über, dass der Kna­be eine Mut­ter hat? Habt ihr denn kei­ne Mut­ter?«

»Nein! Wir sa­gen Mama!« er­klär­te der eine Rä­dels­füh­rer der Klei­nen, und gleich­zei­tig nahm er einen Ton­scher­ben von dem Bo­den, schöpf­te Was­ser aus dem Brun­nen­be­cken und schleu­der­te es auf den In­ha­ber ei­ner Mut­ter. Der ver­lor aber die Ge­duld. Er sprang her­bei, um den bö­sen Zwil­ling ein we­ni­ges zu zau­sen, wor­auf bei­de Brü­der zu ze­tern und »Mama! Mama!« zu schrei­en be­gan­nen.

»Isi­dor! Ju­li­an! Was gib­t’s denn, was habt ihr wie­der?« ließ sich eine Stim­me ver­neh­men, und aus ei­nem der Häu­ser kam eine rüs­ti­ge Frau, un­zwei­fel­haft vom Wasch­zu­ber weg. Die feuch­te Schür­ze war zu­rück­ge­schla­gen, auf der einen Faust hielt sie einen mo­disch mit Blu­men und Sei­de auf­ge­putz­ten Stroh­hut vor sich hin, wäh­rend sie mit dem an­de­ren rot­brau­nen Arm den Schweiß von der Stirn zu wi­schen such­te und der ihr fol­gen­den Putz­ma­che­rin schmä­lend zu­rief, der Hut sei nicht ge­ra­ten, die Blu­men stell­ten nichts Rech­tes vor, sie wol­le eben­so schö­ne und große, wie an­de­re Frau­en­zim­mer, und wei­ße Bän­der statt der brau­nen. Sie wüss­te nicht, warum sie nicht eben­so gut wei­ße Bän­der tra­gen dürf­te, wie die­se und jene, und wenn sie auch kei­ne Rä­tin sei, so wer­de sie der­einst viel­leicht ei­nes oder zwei sol­cher Stücke zu Schwie­ger­töch­tern be­kom­men!

Die Mo­dis­tin, wel­che ihr den Hut in­zwi­schen ab­ge­nom­men, ver­setz­te be­schei­den schnip­pisch, es sei gut, dass die Bän­der nicht schon weiß ge­we­sen, sonst wür­den sie von den nas­sen Hän­den der Frau be­reits ver­dor­ben sein, und es fra­ge sich, ob die­se be­fleck­ten brau­nen sau­ber her­zu­stel­len sei­en. Sie woll­te se­hen, was die Meis­te­rin dazu sage. Hier­mit leg­te sie den Hut wie­der in die Schach­tel, in der sie ihn her­ge­tra­gen, und be­gab sich ver­drieß­lich hin­weg, in­des­sen die Wasch­frau ihr nachrief, sie sol­le nur ma­chen, dass sie den Hut bis nächs­ten Sonn­tag er­hal­te, denn sie wol­le da­mit zur Kir­che ge­hen. Dann sah sie end­lich nach ih­ren Bu­ben Ju­li­an und Isi­dor, wel­che zu schrei­en nicht auf­hör­ten, ob­gleich der frem­de Kna­be sich an sei­nen Stand­ort zu­rück­ge­zo­gen hat­te.

»Was ist denn mit euch? Wer tut euch was?« rief sie, wor­auf jene schri­en: »Der dort will uns hau­en!«

Nun aber misch­te sich der stets auf­merk­sa­me Wan­ders­mann in den Han­del und be­lehr­te die Frau, die bei­den Jun­gen hät­ten den an­de­ren zu­erst mit Was­ser be­gos­sen und ihn aus­ge­lacht, weil er nur eine Mut­ter und kei­ne Mama be­sit­ze.

»Das ist nicht schön von euch!« sag­te die Frau mit mil­der Zu­recht­wei­sung zu ih­ren Spröß­lin­gen; »er ist nicht schuld, wenn er arme oder un­ge­bil­de­te El­tern hat, und ihr könnt Gott dan­ken, dass es euch bes­ser geht!«

Der mit der Rei­se­ta­sche konn­te sich nicht ent­hal­ten, zu fra­gen, ob es denn hier­zu­lan­de ein Zei­chen von Ar­mut oder Ver­wahr­lo­sung sei, wenn un­ter dem Vol­ke die El­tern noch Va­ter und Mut­ter ge­nannt wer­den, und er tat die­se Fra­ge mit an­stän­di­ger Wiß­be­gier, ohne Spott, ge­wär­tig, schon wie­der et­was Neu­es, viel­leicht Güns­ti­ges und Rühm­li­ches zu er­fah­ren. Die Frau aber sah ihn groß an, be­sann sich ein we­nig, bis sie zu er­ken­nen glaub­te, dass es sich um einen un­vor­ge­se­he­nen un­be­fug­ten An­griff hand­le, und er­wi­der­te als­dann mit ge­schärf­ter Be­to­nung: »Wir sind hier nicht Volk, wir sind Leu­te, die alle das glei­che Recht ha­ben, em­por­zu­kom­men! Und alle sind gleich vor­nehm! Und für mei­ne Kin­der bin ich die Mama, da­mit sie sich nicht vor dem Her­ren­volk zu schä­men brau­chen und einst auf­rech­ten Haup­tes durch die Welt ge­hen dür­fen! Jede rech­te Mut­ter hat die Pf­licht, da­für zu sor­gen, weil es Zeit ist!«

»Was machst du denn für einen Lärm, Frau?« sag­te der hin­zu­ge­kom­me­ne Mann der­sel­ben; er setz­te einen großen Korb voll gel­ber Rüb­chen ne­ben den Brun­nen nie­der, in­dem er bei­füg­te: »Da ist Ge­mü­se zu wa­schen! Ich will gleich das Beet um­gra­ben und wie­der an­sä­en; die Bu­ben kön­nen das Zeug ab­spü­len! Da­mit sie das Was­ser im Trog nicht ver­un­rei­ni­gen, gib ih­nen einen Zu­ber, Frau, und ach­te doch dar­auf, dass dem Vieh das Trink­was­ser nicht im­mer ge­trübt wird von den Kin­dern!«

Hier­durch schi­en die wa­cke­re Frau, in Ge­gen­wart des Frem­den, noch ge­reiz­ter zu wer­den. Die Kna­ben sei­en jetzt or­dent­lich an­ge­zo­gen und sol­len sich nicht schon wie­der ver­sau­en! Sie wol­le die Rüb­chen nach­her schon ab­spü­len, wozu noch alle Zeit sei, denn sie wür­den erst am nächs­ten Mor­gen ge­holt.

Und die Zwil­lin­ge rie­fen ih­rer­seits: »Va­ter, die Mama sagt, wir dür­fen uns nicht ver­sau­en! Was sol­len wir nun tun? Kön­nen wir lau­fen, wo wir wol­len?«

Ohne die Ant­wort ab­zu­war­ten, spran­gen sie mit den an­de­ren Kin­dern da­von; der Frem­de aber, statt ih­rem Bei­spiel zu fol­gen, blieb im­mer noch ste­hen, in Nach­den­ken ver­lo­ren über die neue Tat­sa­che, dass der Mann der Mama doch ein ein­fa­cher Va­ter sei vor sei­nen Kin­dern, da­bei auch frei­lich nicht so­viel zu gel­ten schi­en, wie jene.

In die­sen Ge­dan­ken un­ter­brach ihn der Land­wirt oder Ge­mü­se­gärt­ner und frag­te: »Und was ist’s mit dem Herrn hier, was wünscht er?«

»Er wird wohl nichts zu wün­schen ha­ben!« rief die Frau da­zwi­schen; »er hat uns bloß Volk ge­nannt und sich ver­wun­dert, wie­so die Bu­ben mir Mama ru­fen sol­len!«

»Das war nicht so ge­meint!« sag­te der Frem­de lä­chelnd, »ich habe mich ja im Ge­gen­teil über die Ver­fei­ne­rung der Sit­te hier­zu­lan­de ge­freut, über die zu­neh­men­de Gleich­heit der Bür­ger; ge­wah­re nun aber doch, dass das Fa­mi­li­en­haupt noch Va­ter ge­nannt wird und nicht Papa! Wie darf ich mir nun das wie­der er­klä­ren?«

Die Frau blick­te är­ger­lich auf ih­ren Mann, der ihr in die­sem Punk­te ge­nug­sam Ver­druss ge­macht ha­ben moch­te, und ver­hielt sich im üb­ri­gen still. Der Mann sei­ner­seits be­trach­te­te den Fremd­ling nun eben­falls mit prü­fen­dem Bli­cke, wie vor­hin die Frau, und als er des­sen of­fe­nes und gut­mü­ti­ges Ge­sicht wahr­nahm, ließ er sich zu ei­ner ver­trau­li­chen Rede her­bei: »Seht, gu­ter Freund! Das ist eine Sa­che, wo­von man­ches zu be­rich­ten wäre! Die Gleich­heit ist al­ler­dings vor­han­den und alle stre­ben wir auf­wärts. Am eif­rigs­ten sind die Wei­ber da­hin­ter her; eine nach der an­de­ren nimmt je­nen Ti­tel an, wo­ge­gen wir Manns­leu­te bei un­se­rer Han­tie­rung der­glei­chen Zie­rat nicht brau­chen kön­nen. Wir wür­den uns selbst aus­la­chen, we­nigs­tens einst­wei­len noch, und dann, was die Haupt­sa­che ist, so wür­de man uns die Steu­ern hin­auf­schrau­ben, wenn wir den Pa­pa­ti­tel an­näh­men. So hat der Herr Pfar­rer in der Schul­pfle­ge zu ver­ste­hen ge­ge­ben, wo die Sa­che zur Spra­che kam, weil ein Schul­meis­ter einen Teil der Schü­ler mit Papa und Mama trak­tier­te, wenn er von ih­ren El­tern zu spre­chen hat­te. Es wa­ren dies na­tür­lich sol­che Kin­der, die schö­ne Ge­schen­ke brach­ten. Bei den Frau­en, sag­te der Pfar­rer, habe das nicht so­viel zu be­deu­ten, weil ihre Ei­tel­keit be­kannt sei; wenn aber die Manns­bil­der sich Papa ru­fen lie­ßen, so ur­kun­de­ten sie hier­mit, dass sie sich zu den Wohl­ha­ben­den und Für­neh­men rech­nen, und da sie oh­ne­hin zu we­nig ver­steu­ern, so wür­de man sie bald hö­her ein­zu­schät­zen wis­sen. Es wur­de dann auch so­fort al­len sechs Leh­rern strengs­tens be­foh­len, in der Schu­le von Gleich­heits we­gen das Wort Papa zu ver­mei­den und bei reich und arm nur Va­ter zu sa­gen!«

Die Frau war schon bei An­fang die­ser Rede zor­nig in ihre Kü­che zu­rück­ge­lau­fen; der Land­mann ging auch has­tig sei­ner Wege, in­dem er sich be­sann, dass er noch ge­nug zu tun und schon zu lang ge­schwatzt habe, und der Frem­de stand al­lein auf dem stil­len Plat­ze. Erst jetzt las er an dem al­ten Hau­se die In­schrift »Ge­mü­se­gärt­ne­rei und Milch­wirt­schaft von Pe­ter Wei­de­lich«. – »Also Wei­de­lich hei­ßen die­se Leu­te«, sprach er vor sich hin, ohne selbst dar­auf zu ach­ten. Er rieb sich sacht ein we­nig die Stir­ne, wie ei­ner, der nicht recht weiß, wo er sich im Au­gen­blick be­fin­det, bis er sich be­sann, dass er ja noch höchs­tens zehn Mi­nu­ten zu ge­hen brau­che, um die Sei­ni­gen zu se­hen. Doch wie er sich wand­te und den Fuß an­setz­te, fiel ihm eine Hand auf die Schul­ter und eine Stim­me frag­te: »Ist das nicht der Mar­tin Sa­lan­der?«

Er war es wirk­lich; denn er kehr­te sich wie der Blitz um da er auf dem hei­mi­schen Bo­den zum ers­ten Mal sei­nen Na­men hör­te und nun auch das ers­te be­kann­te Ge­sicht er­blick­te.

»Und du bist der Möni Wig­hart, wahr­haf­tig!« rief er. Bei­de schüt­tel­ten sich die Hän­de, ein­an­der auf­merk­sam, aber nicht un­er­freut be­trach­tend als gute alte Freun­de, von de­nen kei­ner dem an­de­ren et­was zu dan­ken oder je et­was von ihm ge­wollt hat­te. Das ist im­mer eine gute Be­geg­nung an der Schwel­le jeg­li­cher Hei­mat.

Der ge­nann­te Möni oder Sa­lo­mon schi­en um zehn Jah­re äl­ter als Herr Mar­tin Sa­lan­der, sah aber noch so frisch und sau­ber mit sei­nem Schnurr- und Ba­cken­bärt­chen aus, wie ehe­mals, und trug den­sel­ben Rohr­stock mit ver­gol­de­tem Hun­de­kopf, wie vor zwan­zig Jah­ren. Mit al­len or­dent­li­chen Leu­ten stand er auf Du und Du, ob­gleich kei­ner deut­lich wuss­te, seit wann. Trotz­dem hat­te er nie einen Feind; denn er war für je­den, der ihn traf, ein Ru­he­punkt und eine Pau­se in den Sor­gen und Ge­dan­ken, die ihn be­weg­ten, oder auch, wenn der Be­tref­fen­de just zer­streut da­hin­trieb, ein komm­li­cher An­halt zur Samm­lung.

»Mar­tin Sa­lan­der! Wer hät­te das ge­dacht! Und seit wann bist du wie­der im Land? Oder kommst du erst?« frag­te er aber­mals.

»So­eben komm ich vom Bahn­hof!« war die Ant­wort.

»Was du sagst! Ich kom­me doch auch da­her, trin­ke alle Tage mei­nen Kaf­fee dort und sehe, wer ab­ge­ht und an­kommt, und habe dich nicht be­merkt! Der Tau­send noch ein­mal! So so, da ist der Mar­tin Sa­lan­der wie­der! Nicht wahr, du kommst ge­ra­de­wegs aus Ame­ri­ka?«

»Aus Bra­si­li­en, das heißt ich habe mich sechs Wo­chen in Li­ver­pool auf­ge­hal­ten in et­was Ge­schäf­ten. Nun aber ist’s Zeit, dass ich mei­ne Frau auf­su­che, habe seit ei­nem hal­b­en Jah­re kei­ne Nach­richt von ihr und mei­nen drei Kin­dern, sie müs­sen mich längst er­war­ten. Hof­fent­lich steht es gut mit ih­nen!«

»Ja wo sind sie denn? Hier oben auf der Höhe?« Die­se Fra­ge tat der alte Freund nur mit hal­ber Si­cher­heit sei­ner Stim­me, und der an­de­re schi­en auch et­was be­tre­ten, in­dem er er­wi­der­te: »Ei frei­lich, sie hat ja seit Jah­ren eine klei­ne Som­mer­wirt­schaft und Frem­den­pen­si­on auf der Kreuz­hal­de ge­pach­tet, es kann nicht sehr weit von hier sein!«

Bei sich selbst dach­te er: Nun weiß der nichts da­von oder tut we­nigs­tens so; ein Zei­chen, dass er nicht ein ein­zi­ges Mal dort war, der ewi­ge Spa­zier­gän­ger und Schop­pen­ste­cher! Es muss also nicht glän­zend ge­hen, und je­den­falls hat die arme Ma­rie kei­nen vor­züg­li­chen Wein zu ver­zap­fen!

Die klei­ne Ver­le­gen­heit über­sprin­gend er­griff Wig­hart die Hand, wel­che Sa­lan­der zum Ab­schie­de bot, und hielt sie fest.

»Ich wür­de gleich mit­kom­men; das geht aber na­tür­lich jetzt nicht gut an bei eu­rem ers­ten Wie­der­se­hen, da kann man kei­ne Stö­rer und Gaf­fer brau­chen! Al­lein zehn Schritt von hier, um die Ecke, hat der alte Frie­dens­rich­ter Hau­ser im ›ro­ten Mann‹ einen Letzt­jäh­ri­gen, der trinkt sich wie Him­mels­luft. Ich neh­me bei schö­nem Wet­ter täg­lich ein Schöpp­chen da­von. Nun tu’ ich es nicht an­ders, Meis­ter Mar­tin, du musst zum Will­komm eine Fla­sche mit mir lee­ren! In ei­nem hal­b­en Stünd­chen, in zwan­zig Mi­nu­ten ist es ge­tan und der Nach­mit­tag ist noch lang! Komm! Mach kei­ne Um­stän­de! Ich will durch­aus das ers­te Glas mit dir trin­ken und ver­spre­che, dich nicht lan­ge auf­zu­hal­ten!«

Mar­tin Sa­lan­der, des­sen Hand der gute alte Freund nicht fah­ren ließ, sträub­te sich ernst­lich, vom Ver­lan­gen nach Frau und Kin­dern be­seelt, de­nen er so nahe war; als ein so Weit­ge­reis­ter je­doch, der oft grö­ße­re Um­we­ge und Auf­ent­hal­te ver­geb­lich ge­macht und den sie­ben Jah­ren sei­ner Ab­we­sen­heit leicht eine Vier­tel­stun­de hin­zu­fü­gen durf­te, um der un­ver­hoff­ten Be­geg­nung eine Ehre an­zu­tun, gab er end­lich nach. Er wuss­te zwar, dass es den ge­sel­li­gen Herrn vor­nehm­lich ge­lüs­te­te, in al­ler Eile et­was Nä­he­res von sei­nen Schick­sa­len zu er­fah­ren und nebst der An­kunft abends als der ers­te in der Stadt er­zäh­len zu kön­nen; aber auch er selbst emp­fand jetzt plötz­lich ein Be­dürf­nis, über die Din­ge in der Hei­mat von dem stets un­ter­rich­te­ten Man­ne Vor­läu­fi­ges zu ver­neh­men. So wand­te er sich denn, statt den Weg in die Kreuz­hal­de fort­zu­set­zen, mit dem Möni Wig­hart in an­de­rer Rich­tung hin­weg und folg­te die­sem nach dem »Ro­ten Mann«, ei­nem Bau­ern­gu­te, wo ein alt an­ge­ses­se­ner rei­cher Land­wirt ne­ben­her sein rein­ge­hal­te­nes Ei­gen­ge­wächs aus­schenk­te.

Der Platz um den Brun­nen war nun gänz­lich still und leer; nur in ei­ner Ecke stand noch der Kna­be, der auf die Mut­ter war­te­te und das jüngs­te Kind Sa­lan­ders war, der eben hin­weg­ge­gan­gen.

2

Die bei­den Män­ner hat­ten in der Tat nicht weit zu ge­hen, bis sie das hin­ter Obst­bäu­men ver­bor­ge­ne Haus fan­den. Die Wohn- und Gast­stu­be des Wir­tes war leer, als sie ein­tra­ten; eine Frau­ens­per­son, ir­gend­wo be­schäf­tigt, kam auf Wig­harts Klop­fen her­bei.

»Wo ha­ben wir den Herrn Frie­dens­rich­ter?« frag­te er, zu­gleich eine Fla­sche Wein be­stel­lend.

»Sie sind alle in den Re­ben,« gab die Magd zur Ant­wort, wäh­rend sie eine wei­ße Fla­sche aus dem Schran­ke nahm, sie ins Was­ser des blan­ken Kup­fer­kes­sels tauch­te, auf wel­chem ein halb­mond­för­mi­ger ge­schupp­ter Fisch ge­trie­ben war, zu bei­den Sei­ten die Na­mens­zü­ge ei­nes Vor­fah­ren und dar­un­ter eine Jahr­zahl aus dem acht­zehn­ten Jahr­hun­dert. Jene ging, den Wein frisch im Kel­ler zu ho­len, in­des die Gäs­te sich an den brei­ten Nuß­baum­tisch setz­ten.

Mar­tin Sa­lan­der schau­te sich um, hol­te tief Atem und sag­te: »Wie ru­hig und still ist es hier! Seit sie­ben Jah­ren bin ich nicht hin­ter ei­nem Tisch wie die­ser ge­ses­sen!«

Durch die Fens­ter sah man nur Grü­nes, Ap­fel­bäu­me, Wie­sen und statt der blau­en Luft, so­weit der Blick zwi­schen den Stäm­men und Äs­ten den Weg fand, im Hin­ter­grun­de den an­stei­gen­den Wein­berg, des­sen Erde so­eben sorg­fäl­tig ge­lo­ckert wur­de. Nur hier und da sah man von den ge­bück­ten Wer­kleu­ten einen Kopf aus dem Lau­be em­portau­chen, und man glaub­te die son­ni­ge Fer­ne selbst zu er­bli­cken, in die er hin­aus­schau­te.

»Sie­ben Jah­re, bei Gott! Ist es schon so lang, dass du fort bist,« sag­te Wig­hart.

»Und drei Mo­na­te!«

Die Magd brach­te den Wein und ein paar Schnit­te gu­tes Rog­gen­brot, und als die Gäs­te nichts wei­ter ver­lang­ten, ging sie wie­der an ihre Ar­beit. Wig­hart schenk­te bei­de Glä­ser voll.

»Also sei will­kom­men!« be­grüß­te er, mit ihm an­sto­ßend, wie­der­um den Heim­keh­ren­den, der noch nicht ganz zu Hau­se war und vor der Zeit die Ruhe kos­te­te; »auf dei­ne Ge­sund­heit! Aber gut siehst du ja schon aus, wirk­lich wie die Ge­sund­heit sel­ber! Also lass uns an­neh­men, es sei dir gut­ge­gan­gen und al­les wohl ge­lun­gen!«

»Auf jede Art ist es mir ge­gan­gen; doch habe ich mich ge­wehrt und ge­tum­melt und we­nig ge­schla­fen, das kann ich dir sa­gen, und end­lich mich von dem Schlag er­holt, der mich da­mals so schmäh­lich ge­trof­fen hat. Es dau­er­te frei­lich län­ger, als ich mein­te, dass es ge­hen wür­de!«

»Wenn ich nicht irre, so bist du durch eine Bürg­schaft ins Un­glück ge­kom­men? Ich war zu je­ner Zeit auf Rei­sen, und als ich wie­der­kam, hieß es, du sei­est fort.«

»Frei­lich, die Ge­schich­te mit dem Louis Wohl­wend!«

»Rich­tig! Je­der nahm teil an dei­nem Miss­ge­schick, aber all­ge­mein wur­de auch ge­fragt, wie du dein Ver­mö­gen durch eine so un­be­dach­te Hand­lung aufs Spiel set­zen konn­test?«

»Ich habe nichts aufs Spiel ge­setzt, ich woll­te nichts ge­win­nen, son­dern ein­fach ein Ge­bot der Freun­des­pflicht er­fül­len, das heißt – ich glaub­te eben nicht, dass es zum Zah­len käme, war viel­mehr der Mei­nung, so­viel mir noch vor­schwebt, die Sup­pe wür­de wohl nicht so heiß ge­ges­sen wer­den, wie sie ge­kocht sei, und je­der wah­re Freun­des­dienst sei mit ei­nem Wa­g­nis ver­bun­den, sonst wäre es kei­ner. Wir wa­ren im Leh­rer­se­mi­nar schon gute Freun­de. Er lern­te schwer und hielt sich des­halb an mich, dem es leich­ter ging; vor den an­de­ren schi­en es eher, als ob ich von ihm lern­te, Gott weiß, wie es zu­ging! Es mach­te mir je­doch Spaß, denn er war sehr drol­lig, zu­trau­lich und ge­scheit, und wo zwei bei­ein­an­der stan­den, trat er hin­zu, selbst un­ter den Leh­rern und Pro­fes­so­ren. Mit die­sen wuss­te er sich sehr er­götz­lich zu be­neh­men, wenn die Jah­res­prü­fun­gen da­wa­ren. Er forsch­te nicht etwa, wor­über sie ihn be­son­ders fra­gen wür­den, son­dern wuss­te ih­nen ge­ra­de­zu bei­zu­brin­gen, was er woll­te, das sie ihn fra­gen soll­ten, wor­auf er sich die be­züg­li­chen Ge­gen­stän­de ex­tra von mir ein­trich­tern ließ oder wie ich es nen­nen soll. Es war, wie wenn er eine Gabe hät­te, die Ge­dan­ken der Men­schen mit we­nig Wört­chen zu rei­hen, hin und her ge­hen zu las­sen und auf­zu­lö­sen, und doch war er nicht im­stan­de, selbst eine dau­ern­de Ge­dan­ken­ord­nung fest­zu­hal­ten. Aber al­les war, wie ge­sagt, spaß­haft, und je­der ließ ihn ge­wäh­ren. Er er­hielt auch rich­tig die Ver­we­se­rei ei­ner länd­li­chen Ele­men­tar­schu­le, wo es herr­lich und in Freu­den ging; als er aber Re­al­klas­sen über­nahm, das heißt den Un­ter­richt der grö­ße­ren Kin­der, be­gann er bald von Ort zu Ort zu rut­schen und gab in kur­z­er Zeit das Schul­meis­tern auf. Ich hat­te mich in­des­sen noch zum Se­kun­dar­leh­rer aus­ge­bil­det und or­dent­lich Fleiß dar­auf ver­wen­det; auch ver­wal­te­te ich die Schu­le, an die ich ge­wählt wur­de, nicht al­lein mit der üb­li­chen Be­geis­te­rung, son­dern auch mit ei­ni­gem Pf­licht­ge­fühl und be­müh­te mich red­lich, die Schü­ler so durch­ge­hend als mög­lich em­por­zu­ar­bei­ten. Ich freu­te mich schon der spä­te­ren Tage, wo ich man­chem Land­mann zu be­geg­nen hoff­te, der es mir dan­ken wür­de, wenn er eine rich­ti­ge Be­rech­nung an­stel­len, ein Stück Feld aus­mes­sen, sei­ne Zei­tung bes­ser ver­ste­hen und etwa ein fran­zö­si­sches Buch le­sen könn­te, al­les ohne die Hand vom Pflu­ge zu las­sen! Al­ler­dings hab’ ich es nicht er­lebt; denn die Bu­ben schwan­den ei­nem vor­weg aus den Au­gen und ver­kro­chen sich in alle mög­li­chen Schreib­stu­ben. Kei­nen sah ich je wie­der auf dem Feld und an der Son­ne!«

Sa­lan­der hielt inne und be­sann sich; dann tat er einen leich­ten Seuf­zer und re­de­te wei­ter: »Aber hab’ ich es denn bes­ser ge­macht? Bin ich nicht selbst vom Pflu­ge weg­ge­lau­fen?«

»Du meinst, als du den Lehr­er­be­ruf auf­gabst?« sag­te Wig­hart, da der an­de­re ein Weil­chen wie­der ver­stumm­te; »wie bist du denn dazu ge­kom­men?«

»Va­ter und Mut­ter star­ben mir in der Hei­mat in der­sel­ben Wo­che an ei­nem bös­ar­ti­gen Fie­ber. Im Stall war ih­nen ein kran­kes Kälb­chen zu­grun­de ge­gan­gen, das ha­ben sie ober­halb des Hau­ses in der Wie­se ver­gra­ben, un­fern un­se­rer gu­ten Brun­nen­quel­le, und sich so das Was­ser in al­ler Un­schuld ver­gif­tet. Knecht und Magd ent­ran­nen dem Tode mit Not. Die Ur­sa­che ward erst spä­ter ent­deckt. Mir aber wan­del­ten sich Schreck und Trau­er bald in eine große Un­ru­he, als ich mich im Be­sit­ze des el­ter­li­chen Ver­mö­gens sah, das nach dem Ver­kau­fe des Ho­fes für einen Schul­meis­ter ar­tig ge­nug aus­fiel. Ich hei­ra­te­te mei­ne Frau, die mir schon län­ger in die Au­gen ge­sto­chen, und auch sie be­saß bare Mit­tel. Da wur­de es mir plötz­lich zu eng in der fried­li­chen Schul­stu­be, in der ent­le­ge­nen Land­schaft; ich zog hier­her, in die Stadt dort hin­ter den Bäu­men, woll­te mit­ten im Ver­kehr ste­hen, un­ter Er­wach­se­nen, auf Frei­heit und Fort­schritt aus­schau­en, ein Ge­schäfts­mann, ein Mus­ter von Bro­therrn sein, ja so­gar noch den Mi­li­tär­dienst nach­ho­len und Of­fi­zier wer­den, um mei­nen Mann zu stel­len. Denn ich glaub­te al­les schul­dig zu sein, weil ich et­was Ver­mö­gen be­saß, das im Grun­de doch kein Reich­tum zu nen­nen war.

Zu­nächst be­tei­lig­te ich mich an ei­ner be­schei­de­nen Ge­we­be­fa­brik, die von ei­nem kun­di­gen Man­ne ge­lei­tet wur­de; da­ne­ben über­nahm ich einen her­ren­lo­sen Han­del mit Stroh­wa­ren; nun, das ist dir ja be­kannt, es ging gar nicht übel. Ich hielt mich flei­ßig und auf­merk­sam an die Sa­che, ohne der Welt den Rücken zu keh­ren. Da war denn auch der Louis Wohl­wend; der be­trieb ein Kom­mis­si­ons­ge­schäft, wie du auch weißt, nebst ei­ni­gen Agen­tu­ren und war im­mer noch der glei­che zu­tu­li­che und ver­trau­li­che Ge­sell und Hans in al­len Gas­sen, von dem je­der den Ein­druck emp­fing, dass es ihm gut gehe und er wohl wis­se, was er wol­le. Auch zu mir hielt er sich flei­ßig, so oft er Zeit fand, und bald stand ich im Rufe sei­nes Spe­zi­al­freun­des und wehr­te mich nicht da­ge­gen, ob­schon mir im stil­len man­ches auf­fäl­lig war, was ihm an­haf­te­te. In ei­nem Ge­sang­ver­ein, in den er mich ein­führ­te, be­merk­te ich, dass er im­mer falsch sang; ich dach­te aber, er kön­ne nichts da­für, und nach­her beim Gla­se Wein war er umso kurz­wei­li­ger und be­lieb­ter, und er be­haup­te­te sich, trotz­dem der Übel­stand of­fen­kun­dig, im zwei­ten Te­nor. Das är­ger­te mich zu­letzt ernst­lich; er tat aber, als ob er kei­ne Ah­nung hät­te, und am Ende sag­te ich mir, das sei ei­gent­lich auch ein Idea­lis­mus, wenn ein ar­mer Teu­fel, der kein Ge­hör habe, durch­aus sin­gen wol­le.

Als ich ei­nes Abends in der Weih­nachts­wo­che an mei­nem Rech­nungs­ab­schluss saß mit dem Vor­sat­ze, bis nach Mit­ter­nacht zu ar­bei­ten, kam er, mich in sei­nen Ve­rein ab­zu­ho­len, wo Christ­baum und Haupt­ver­gnü­gen sei. Ich woll­te nicht mit­ge­hen; er gab nicht nach, und da mei­ne Frau mich eben­falls zu ge­hen bat, mir die Er­ho­lung gön­nend, tat ich es. Dies war der Un­glücks­tag.

Un­ter­wegs kauf­te ich zum Über­flus­se auch noch eine Gabe für den Christ­baum, ein ar­ti­ges Bil­dungs­buch in Gold­schnitt, und er­hielt bei der Ver­lo­sung da­für einen west­fä­li­schen Schin­ken. Als das Es­sen, das folg­te, vor­über und die Renn­bahn für die ko­mi­schen Sän­ger, die De­kla­man­ten und Tra­ve­stan­ten er­öff­net war, be­stieg auch Louis Wohl­wend das Po­di­um, den Vor­trag der Schil­ler­schen Bal­la­de ›Die Bürg­schaft‹ an­kün­di­gend und so­gleich be­gin­nend. Er wuss­te das Ge­dicht zu mei­ner Ver­wun­de­rung aus­wen­dig und trug es mit ei­ner ge­wis­sen Er­re­gung oder Über­zeu­gung, mit halb zit­tern­der Stim­me vor, aber mit durch­ge­hend so ver­flucht falscher Be­to­nung, dass die Wir­kung mehr ver­drieß­lich als lä­cher­lich war. Un­be­wusst sprach er in je­nem Tone un­ge­bil­de­ter Leu­te, wel­che kla­gend oder kei­fend ein Schrift­stück vor­le­sen, da­bei auf den Tisch klop­fen und aus Lei­den­schaft die Rede ver­zer­ren, die Wor­te aus­ein­an­der­deh­nen und wie aus Wut die Ne­ben­sil­ben be­schrei­en, da ih­nen die Haupt­sil­ben nicht aus­rei­chen. Gleich den Schluss der ers­tem Stro­phe gab er mit stei­gen­den No­ten so:

Die Stadt vom Ty­ran­nen be­frei­en: Das sollst du am Kreu­ze be­reu­en!

Dann schloss er die zwei­te Stro­phe:

Ich las­se den Freund dir als Bür­gen, Ihn magst du, ent­rinn’ ich, er­wür­gen.

Ganz heil­los klang es, wie er fort­fuhr:

Da lä­chel­t der Kö­nig mit ar­ger List,

und dazu wirk­lich ein Lä­cheln und eine arge Ge­sin­nung auf sei­nem Ge­sich­te zu mi­schen such­te. Das Ende des Ge­dich­tes klang da­ge­gen ge­müt­lich aus:

Ich sei, ge­währt mir die Bit­te, In eu­rem Bun­de der drit­te.

Es sind jetzt sie­ben Jah­re her und die Dumm­hei­ten mir den­noch so ge­nau im Ge­dächt­nis, als wä­ren sie ges­tern Abend ge­sche­hen.

Ich war et­was ver­stimmt, als Wohl­wend, von sei­nem er­höh­ten Auf­ent­hal­te her­un­ter­ge­stie­gen, sich wie­der ne­ben mich setz­te, und da es be­reits auf Mit­ter­nacht ging, er­hob ich mich, um Hut und Man­tel zu su­chen, und be­gab mich hin­weg. Kaum war ich aber auf der Stra­ße, so hol­te er mich ein, lief ne­ben mir her, räus­per­te sich, als wol­le er ein neu­es Stück re­zi­tie­ren. Ihn un­ter­bre­chend, frag­te ich, was er für eine Freu­de dar­an fin­de, ein Ge­dicht, über­haupt eine Rede, so schlecht her­zu­sa­gen, so auf­ge­regt und zu­gleich so grund­falsch zu de­kla­mie­ren?

Ja, ant­wor­te­te er mit im­mer noch nach­zit­tern­der Stim­me, auf­ge­regt sei er und schön wer­de er al­ler­dings nicht de­kla­miert ha­ben, weil er selbst der­je­ni­ge sei, der den Bür­gen su­che, und auf ei­nem kri­ti­schen Wen­de­punkt schwe­be.

Mit ganz ver­än­der­ter, ganz ver­nünf­ti­ger Stim­me gab er un­ver­weilt sei­ne An­ge­le­gen­heit kund. Er hat­te eine fol­gen­rei­che Un­ter­neh­mung ge­wagt, wel­che be­deu­ten­den Ka­pi­tal­ein­satz ver­lang­te, wäh­rend sein Bank­kre­dit durch das lau­fen­de Ge­schäft schon voll­stän­dig in An­spruch ge­nom­men war und fer­ner ge­nom­men wur­de. Auf kei­ner Sei­te durf­te er rück­wärts ge­hen ohne Scha­den an Gut und Ehre; das Vor­schrei­ten aber konn­te bei­des nur meh­ren; kurz, es han­del­te sich um Öff­nung ei­nes neu­en Kre­dits ge­gen Bürg­schaft, die mit drei Un­ter­schrif­ten zu leis­ten war. In fünf­zehn Mi­nu­ten hat­te ich als so­li­da­ri­scher Bür­ge und Selbst­zah­ler die ers­te Un­ter­schrift auf ein in Wohl­wends Hau­se be­reit­lie­gen­des Do­ku­ment ge­setzt und ging gleich dar­auf schla­fen. Die zwei an­de­ren Un­ter­zeich­ner habe ich nie ge­se­hen; es wa­ren ein paar stil­le or­dent­li­che Män­ner und Nicht­zah­ler, wel­che sich vor der Ka­ta­stro­phe ru­he­sam ver­zo­gen, nicht ohne ih­rer­seits selbst ver­schie­de­ne Bür­gen oder de­ren Gläu­bi­ger ge­schä­digt zu ha­ben, in­so­fern sol­che wirk­lich etwa be­zahl­ten.

»Gut also, vor Ablauf ei­nes Jah­res er­klär­te Louis Wohl­wend sich zah­lungs­un­fä­hig, und was gleich mit Be­ginn der Kon­kurs­ver­hand­lun­gen voll und un­wei­ger­lich ge­deckt wer­den muss­te, war der Be­trag mei­ner Bürg­schafts­leis­tung. Sie fraß auf, was ich und mein Weib be­sa­ßen, und zu­gleich li­qui­dier­te sich mein ei­ge­nes Ge­schäft eben­so rasch und rein­lich, dank der gu­ten Ord­nung, die dar­in herrsch­te, und ich konn­te ge­hen, wo ich woll­te! Ich war für ein­mal fer­tig! Jetzt wäre es Zeit ge­we­sen, in die Schul­stu­be zu­rück­zu­keh­ren; aber ach, es lag mir fer­ne! Wohl­wend aber leb­te noch Jahr und Tag in und von dem Kon­kur­se, der im San­de ver­lau­fen sein soll, ich weiß nicht auf wel­che Wei­se.«

»Aber wie moch­test du dein Frau­en­ver­mö­gen so preis­ge­ben?« un­ter­brach ihn Wig­hart, »die Frau konn­te es ja nach Ge­setz und Recht an sich zie­hen!«

»Die Frau woll­te nicht,« sag­te Sa­lan­der, »we­gen der Zu­kunft der Kin­der, denn ich wäre bank­rott ge­wor­den. Wir wa­ren jung und glaub­ten an un­se­re Zu­kunft, die wir nicht ver­der­ben moch­ten!«

»Aber warum nahmst du die Fa­mi­lie nicht mit oder hol­test sie nach­träg­lich, als es dir gut ging?«

»Weil ich im Va­ter­lan­de le­ben und ster­ben will, ich bin kein Aus­wan­de­rer! Und dann hät­te ich mich nicht dre­hen und tum­meln kön­nen, wie ich tun muss­te; hat­te auch zwei­mal das Fie­ber und be­zahl­te sonst ge­nug Lehr­geld, fing wie­der­holt von vorn an. Als ich hin­über­ging, nahm ich ei­ni­ge Kis­ten Stroh­hü­te mit, die man mir an­ver­trau­te; et­was leich­te­re Sei­den- und Baum­woll­sa­chen be­kam ich auch mit, und so mach­te sich not­dürf­tig ein An­fang, mit dem ich be­schei­den am Ufer hin­steu­er­te, bis ein jun­ger Mensch, den ich zu mir ge­nom­men, mich be­stahl und durch­ging, wäh­rend ich wehr­los im Fie­ber lag. Not­ge­drun­gen trat ich in den Dienst ei­nes grö­ße­ren Hau­ses und be­reis­te die bra­si­lia­ni­schen Pro­vin­zen mit Kauf und Ver­kauf. Ich lern­te da­durch den dor­ti­gen Bin­nen­han­del, den ich in der Fol­ge auf ei­ge­ne Rech­nung be­trieb, na­tür­lich nach Ver­hält­nis mei­ner Mit­tel. Nun, ich bin jetzt durch und habe den Scha­den er­setzt, mehr woll­te ich nicht, und kann die Ar­beit hier bei den Mei­ni­gen und in mei­nem Lan­de wie­der auf­neh­men. Hier habe ich Mo­sen und die Pro­phe­ten!«

Er schlug auf sei­ne treff­lich ge­ar­bei­te­te Rei­se­ta­sche, rief je­doch, sich end­lich be­sin­nend: »Sieh ein­mal, das ist eine schö­ne Heim­rei­se! Sechs Wo­chen in Li­ver­pool, und hier, fünf Mi­nu­ten von der Frau, bleib’ ich noch han­gen! Trink die Fla­sche al­lein fer­tig, Freund, du wirst wohl noch sit­zen­blei­ben! Der grü­ne Schat­ten­win­kel hier ist wirk­lich zu ge­lun­gen!« Der alte Freund hin­ge­gen, auf die Ta­sche deu­tend, hielt ihn auf.

»Du hast ge­wiss«, sag­te Wig­hart, »gute Pa­pie­re bei dir? Soll­test du etwa das eine oder an­de­re schö­ne In­ha­ber­stück ab­ge­ben wol­len, so bit­te ich, mir die Ge­le­gen­heit zu gön­nen; du weißt, man hat in die­sen pa­pier­nen Zeit­läuf­ten im­mer et­was zu be­sor­gen oder bes­ser­zu­stel­len!«

»Nichts Der­ar­ti­ges ist da!« ver­setz­te Sa­lan­der; »in der letz­ten Zeit ließ ich al­les Er­wor­be­ne bei der At­lan­ti­schen Ufer­bank in Rio de Ja­nei­ro zu­sam­men­lau­fen, ei­nem kräf­tig sich ent­wi­ckeln­den jun­gen In­sti­tut, und tra­ge nun den Wert mei­ner nicht ganz drei Dut­zend Con­tos de Reis in ei­ner An­wei­sung bei mir, bar zehn Tage nach Sicht!«

Aber­mals schlug er ver­gnügt auf die Ta­sche.

»Don­ner­wet­ter, ein saf­ti­ger Wech­sel!« mein­te Wig­hart.

»Seit zwei Mo­na­ten oder län­ger avi­siert, wie ich den­ke!« der an­de­re.

»Bei wel­chem Hau­se? Ge­wiss beim ›großen Kas­ten‹? Oder der ›al­ten Kom­mo­de‹? Oder bei der ›neu­en Kom­mo­de‹? Das sind näm­lich die neues­ten Scherz­na­men un­se­rer Ban­ken.«

»Xa­ve­ri­us Scha­den­mül­ler & Comp. heißt’s, wart, ich hab’s im Car­net!«

Er zog das Büch­lein aus der Sei­ten­ta­sche sei­nes Rockes.

»Ja, Scha­den­mül­ler, Xa­ve­ri­us & Comp.«

Wig­hart sah ihn mit wei­tauf­ge­sperr­ten Au­gen an, bis er das Wort fand.

»Scha­den­mül­ler, sagst du? Weißt du, wer das ist?«

»Je­den­falls eine rüh­ri­ge Fir­ma, wenn auch vor sie­ben Jah­ren noch un­be­kannt!«

»Un­glücks­mann! Es ist Louis Wohl­wend und kein an­de­rer!«

Mar­tin Sa­lan­der er­hob sich lang­sam hin­ter dem Ti­sche, ganz fahl und blass ge­wor­den, setz­te sich aber gleich wie­der und sag­te: »Es scheint, dass je­der Mensch einen Öl­göt­zen hat, der al­ler­orts wie­der da­steht und ihm ent­ge­gen­glotzt. Denkst du am we­nigs­ten dran, so ist er da. Das ist mir jetzt eine an­ge­neh­me Lage! Wer sagt in­des­sen, dass er nicht zah­len wer­de? Er wird sich er­holt und em­por­ge­schafft ha­ben, wie, kann mir gleich sein! Mei­ne At­lan­ti­sche Ufer­bank ist doch auch nicht von Stroh und weiß, was sie tut. Am Ende will das Schick­sal, dass ich wie­der zu mei­nem frü­he­ren Ver­mö­gen ge­lan­ge, wenn der Bur­sche so zu Kräf­ten ge­kom­men ist!«

»Un­glücks­mann noch ein­mal! Der, wel­cher Scha­den­mül­ler heißt, ist schon vor zwei Jah­ren fort, sein Nach­fol­ger, Wohl­wends Ge­sell­schaf­ter, vor sechs Mo­na­ten, und vom jet­zi­gen al­lei­ni­gen Ver­tre­ter der Fir­ma, Wohl­wend, heißt es seit ges­tern, er habe wie­der ein­mal ein­ge­stellt, die Pro­tes­te reg­nen nur so und das Kon­tor sei ge­schlos­sen!«

Sa­lan­der sprang auf und mit­ten in die Stu­be, wo er un­ent­schlos­sen sich um­schau­te, sei­ne Rei­se­ta­sche rückend. Er er­mann­te sich bald ein we­nig und seufz­te: »Die arme Frau! Ich hat­te ihr ver­lo­re­nes Wei­ber­gut so ver­gnüg­lich aus­ge­schie­den in mei­nem Bu­che und um die Zin­sen ver­mehrt, um es so­fort nach der Heim­kehr si­cher­zu­stel­len! Nun hat’s der Wohl­wend zum zwei­ten Mal! Ein Kerl, der so falsch singt und noch schlech­ter de­kla­miert!«

Der gute Mann wisch­te sich ein paar bit­te­re Trä­nen von den Au­gen. Wig­hart, von Teil­nah­me und Ent­rüs­tung un­ge­wöhn­lich be­wegt, stand bei ihm und re­de­te ihm zu, kei­ne Zeit zu ver­lie­ren.

»Vor al­lem«, sag­te er, »musst du ste­hen­den Fu­ßes in die Stadt hin­un­ter, Wohl­wends Kon­tor auf­su­chen und dich über­zeu­gen, wie’s dort steht. Es ist in der Win­kel­rieds­gas­se.«

»Wo ist denn die? So eine gab es frü­her nicht.«

»Es ist eine vor­neh­me, stil­le Sei­ten­stra­ße im Wes­tend; kei­ne Ver­kaufs­lä­den, nur blan­ke Me­tall­plat­ten an den Hau­stü­ren und da­ne­ben, da wirst du Scha­den­mül­ler & Comp. gleich fin­den. Ich wür­de mit dir ge­hen; al­lein es wird viel­leicht bes­ser sein, wenn ich un­ter­des­sen dei­ne Frau von dei­ner An­kunft be­nach­rich­ti­ge und auf ir­gend­ei­ne zweck­mä­ßi­ge Wei­se vor­be­rei­te.«

Sa­lan­der er­griff ihn beim Arm. »Nein!« rief er, »gehe nicht hin! Ich muss es selbst über mich neh­men. Seit ich in Eu­ro­pa bin, habe ich der Frau nicht ge­schrie­ben, weil ich sie im­mer über­ra­schen woll­te und nicht dach­te, so lan­ge in Eng­land hin­ge­hal­ten zu wer­den, wo ich noch ei­ni­ges zu ord­nen und Zu­künf­ti­ges ein­zu­lei­ten hat­te. Nun kann ich es nicht über mich brin­gen, die arme Frau ei­ner frem­den Mit­tei­lung aus­zu­set­zen. Es wird bes­ser sein, wenn sie mich zu­erst nur ein­mal wie­der­ge­se­hen hat.«

»Wie du willst! Dann komm ich aber mit dir und füh­re dich zum No­tar, wenn es nö­tig ist, wie ich glau­be; denn das nächs­te wird sein, für den Pro­test zu sor­gen. Am Ende hast du den Re­greß auf dei­ne Ozea­ni­sche Ufer­bank, oder wie sie heißt. Die No­ta­ri­ats­kanz­lei be­fin­det sich näm­lich auch nicht mehr, wo sie vor sie­ben Jah­ren ge­we­sen. Es nimmt mich nur wun­der, wo­her sie in Rio so be­deu­tend mit Wohl­wend in Ver­kehr ste­hen!«

Hier­auf rief Wig­hart die Wirts­magd, be­zahl­te die klei­ne Ze­che, und die Män­ner eil­ten ab­wärts nach dem schö­nen Stadt­teil mit der Win­kel­rieds­gas­se.

3

Wäh­rend der Zeit hat­te der Kna­be im so­ge­nann­ten Zei­sig noch eine Wei­le auf die Mut­ter ge­war­tet und war dann wie­der­holt ihr eine Stre­cke ent­ge­gen­ge­gan­gen, aber im­mer wie­der auf sei­nen Stand­punkt zu­rück­ge­kehrt, aus Furcht, sie zu ver­feh­len; denn der kür­zes­te Weg von der Kreuz­hal­de nach der Stadt führ­te ei­gent­lich nicht hier durch, wes­halb die klei­ne Fa­mi­lie von den Leu­ten im Zei­sig auch nicht ge­kannt war.

Frau Sa­lan­der hat­te zum ers­ten Male die­sen Weg ge­nom­men, weil am an­de­ren Wege der Bä­cker wohn­te, wel­chem sie zum ers­ten Male die auf­ge­lau­fe­ne Mo­nats­rech­nung nicht be­rich­ti­gen konn­te und das eine der Töch­ter­chen, wel­ches sie nach Brot ge­schickt, un­ver­rich­te­ter Din­ge heim­kam. Das hat­te sie, nach­dem sie in stünd­li­cher Er­war­tung des Gat­ten sich schon lan­ge kärg­lich be­hol­fen und ge­spart, wie ein Schimpf ge­trof­fen, und die har­te Not war plötz­lich gleich ei­nem ein­sil­bi­gen Ge­richts­bo­ten ein­ge­kehrt.

So un­ver­se­hens war der schwei­gen­de Gast da, dass sie den Kin­dern am heu­ti­gen Tage nichts als et­was lee­re Milch zu ver­tei­len im­stan­de ge­we­sen, am frü­hen Mor­gen; sie selbst hat­te noch nichts ge­nos­sen. Und heu­te ge­wär­tig­te sie dazu die bei­nah ein­zi­ge Fa­mi­lie, wel­che bei schö­nem Wet­ter zu­wei­len noch ge­gen Abend kam, um den Kaf­fee im Frei­en zu trin­ken. An­de­re Gäs­te hat­te sie seit Wo­chen nicht ge­se­hen und sie be­saß des­halb auch kein ba­res Geld mehr. An­statt die­ser Tat­sa­che lan­ge nach­zu­sin­nen, brauch­te sie ihre Ge­dan­ken, mit den Kin­dern durch den Tag zu kom­men, weil die an­de­re Tat­sa­che, die An­kunft des Man­nes, auch be­vor­ste­hen muss­te.

Sie lief da­her nicht, von ih­rem be­weg­li­chen Be­sitz­tum zu ver­kau­fen oder ver­pfän­den, son­dern ging zum be­kann­ten Klein­bä­cker in die Stadt, von wel­chem sie sonst die Sem­meln und der­glei­chen Ge­bäck be­zo­gen hat­te, und dem sie nichts schul­de­te. Ohne viel Wor­te zu ver­lie­ren, er­hielt sie den ge­wünsch­ten Vor­rat von Bröt­chen und Hörn­chen, eben­so beim Krä­mer ein Tüt­chen ge­rös­te­ten Kaf­fee und den dazu er­for­der­li­chen Zu­cker, bei ei­nem an­de­ren ein Stück gu­ten Schin­ken und ein hal­b­es Pfund fri­sche But­ter, und über­all war sie wohl­an­ge­se­hen, weil sie eine stil­le, zu­rück­ge­zo­ge­ne Frau war, die sonst nie borg­te. Nur der Bä­cker in der Nähe hat­te nicht mehr ge­traut, weil er am Wege wohn­te und sah, dass fast nie­mand mehr hin­auf­ging, und klüg­lich das Ende be­dach­te.

Trotz des wil­li­gen Ent­ge­gen­kom­mens der Leu­te in der Stadt nahm sie aber nicht ein Lot mehr von den Sa­chen, als das au­gen­blick­li­che Be­dürf­nis er­heisch­te, ob­gleich es in ei­nem hin­ge­gan­gen wäre, wenn sie sich auf ei­ni­ge Tage ver­se­hen hät­te. In die­sem un­schein­ba­ren Zuge moch­ten drei Din­ge sich ver­ei­ni­gen: ihre red­li­che Be­schei­den­heit, die Ge­wohn­heit des Ver­trau­ens auf die nächs­te Son­ne und wahr­schein­lich nicht am we­nigs­ten ein fei­ner, wenn auch un­be­wus­s­ter Sinn, den nächs­ten Zweck zu scho­nen.

So kam denn Frau Ma­rie Sa­lan­der, ein­fach und sau­ber ge­klei­det, ohne Blu­men auf dem Hut und eher schmal als breit, den Korb am Arme, end­lich den Weg über den Zei­sig her­an­ge­gan­gen.

»Gelt, du hast lan­ge war­ten müs­sen, Ar­nold!« rief sie dem Kna­ben ent­ge­gen, der sehn­lich aus dem Scheu­nen­win­kel her­vor­sprang, wo er schließ­lich sich auf ein Mäu­er­chen ge­setzt hat­te. »Ich habe die Ess­wa­ren er­hal­ten, wenn ich sie auch nicht be­zah­len konn­te. Nun wol­len wir schnell heim­ge­hen, da­mit wir be­reit sind, wenn wirk­lich Leu­te kom­men! Gott sei Dank muss ich heu­te noch nicht sa­gen, es sei nichts mehr im Hau­se!«

»Aber wenn sie al­les auf­es­sen,« sag­te der Kna­be, »müs­sen wir dann wei­ter hun­gern?«

»Ei, sie es­sen ja nie al­les, sie neh­men höchs­tens die Hälf­te zu sich, und mit dem üb­ri­gen müs­sen wir uns bis mor­gen be­gnü­gen, wo ich ja dann et­was Geld habe! Kom­men sie aber nicht, so trin­ken wir lus­tig den Kaf­fee und es­sen, so­viel wir mö­gen, und mor­gen ist auch ein Tag!«

Bald er­reich­ten sie die hö­her­ge­le­ge­ne Kreuz­hal­de, wo sich die Aus­sicht auf die Stadt und die wei­te Land­schaft öff­ne­te, in der sie lag oder liegt. So­gleich ka­men die bei­den Schwes­tern Ar­nolds her­bei, Set­ti und Net­ti, der Mut­ter den Korb ab­zu­neh­men; sie wa­ren zehn und neun Jah­re alt, von der­sel­ben fei­nen Bläs­se wie der Bru­der, näm­lich der Bläs­se ge­sun­der Kin­der, wel­che von ei­nem un­wil­li­gen Kum­mer be­fal­len sind, der ih­nen un­er­klär­lich ist. Doch glänz­ten die Au­gen der Mäd­chen un­ge­dul­di­ger und gie­ri­ger als die des Kna­ben, der ge­las­se­ner Art zu sein schi­en.

Frau Sa­lan­der ging den Kin­dern vor­an ins Haus, und sie folg­ten höchst neu­gie­rig. Ohne Ver­zug ent­le­dig­te sie sich des Hu­tes und leg­te eine rei­ne wei­ße Schür­ze um, wor­auf sie den Korb aus­pack­te, das Brot­ge­bäck auf ei­nem grö­ße­ren Tel­ler auf­bau­te, die But­ter auf einen klei­ne­ren leg­te, den Schin­ken schnitt und eine Schüs­sel da­mit be­klei­de­te, dass sie sich als reich­lich ge­füllt dar­stell­te. Dies al­les, ohne dass sie einen ein­zi­gen Bis­sen nach dem Mun­de zu füh­ren sich ver­gaß, um den ar­men Kin­dern, wel­che die El­len­bo­gen rings auf den Tisch ge­stützt zu­schau­ten, nicht ein bö­ses Bei­spiel zu ge­ben.

»Frisch, Kin­der!« sag­te sie mit ei­nem leid­lich mun­tern Lä­cheln, »nehmt euch zu­sam­men, habt Ge­duld! Al­les nimmt ein gu­tes Ende, wenn der Va­ter kommt! Jetzt müs­sen wir noch ein Weil­chen zu­se­hen, wie an­de­re es­sen; wir wol­len doch für den Spaß pro­bie­ren, ob wir trotz­dem et­was tun kön­nen! Habt ihr die Fe­ri­en­auf­ga­ben wirk­lich fer­tig, nichts mehr zu rech­nen, zu schrei­ben oder aus­wen­dig zu ler­nen? Nehmt ein­mal eure Bü­cher vor! Ich glau­be fast, die Sprü­che und Lie­der­ver­se blei­ben euch ge­ra­de we­gen die­ses merk­wür­di­gen Hun­ger­ta­ges bes­ser im Ge­dächt­nis als sonst.«

Die Mäd­chen wol­len vom Ler­nen nichts hö­ren; Set­ti nann­te das Hohl­ge­fühl ih­res Lei­bes alt­klug einen Ma­gen­krampf; Net­ti fürch­te­te Kopf­weh zu be­kom­men, und bei­de woll­ten lie­ber hä­keln, wenn sie durf­ten, da je­des für den Va­ter einen Geld­beu­tel an­ge­fan­gen hat­te. Nur Ar­nold fass­te ein tap­fe­res Ver­trau­en zu der Schwin­de­lei der gu­ten Mut­ter und er­klär­te, die Ge­le­gen­heit zu be­nut­zen und sein schwe­res Lied für die nächs­te Kir­chen­lehr­stun­de in An­griff zu neh­men; es ent­hal­te vier Ver­se von je zehn Zei­len, von de­nen jede sich so lang stre­cke, dass sie kei­nen Platz habe und das Ende um­ge­bo­gen sei, wie die Sch­lin­ge für die Kram­mets­vö­gel. Die Mut­ter bil­lig­te al­les und eil­te in die Kü­che, den Milch­vor­rat be­reit­zu­stel­len, den sie am Mor­gen streng ab­ge­teilt und für alle Fäl­le weg­ge­schlos­sen hat­te. Dann hol­te sie aus dem Schran­ke den Ho­nig­topf her­vor, der in­fol­ge der schlech­ten Be­gan­gen­schaft lei­der nur zu viel der Sü­ßig­keit ent­hielt. Sie füll­te dar­aus eine hüb­sche Kris­tall­scha­le, und zu­gleich fiel ihr bei, dass ein Löf­fel des di­cken kräf­ti­gen Saf­tes den Kin­dern ihr jun­ges Lei­den für eine kur­ze Zeit wohl­tä­tig ver­hül­len dürf­te. Ge­dacht, ge­tan, ging sie mit dem Top­fe von ei­nem Kin­de zum an­de­ren, hieß es den Mund auf­ma­chen und strich den Ho­nig hin­ein.

Er­mü­det ließ sie sich end­lich auf einen Stuhl nie­der und über­blick­te mit ei­nem Seuf­zer die son­der­ba­re An­stalt, mit der sie das dun­kel­wal­ten­de Schick­sal be­strei­ten oder we­nigs­tens auf­hal­ten woll­te. Nicht nur in Fein­des­hee­ren, Erd­be­ben und Ge­wit­ter­stür­men und all­ge­mei­nen Not­aus­brü­chen fährt ja das­sel­be ein­her; auch in den un­schein­bars­ten Vor­gän­gen im stil­len Le­ben ei­nes Haus­halts tritt es jäh­lings zer­stö­rend, eh­ren­rüh­rig her­vor. Wenn die heu­ti­ge Vor­sor­ge schei­tert oder am Ende doch eine Be­schä­mung her­bei­führt, kann sie als­dann die Vor­spie­ge­lun­gen wie­der­ho­len, dass sie eine wohl­ver­se­he­ne Wir­tin sei? Schon vor so vie­len Wo­chen muss das Schiff, das ih­ren Mann und sein Gut trägt, ab­ge­fah­ren sein; wenn es nun un­ter­ge­gan­gen ist? Mit die­sem blo­ßen Ge­dan­ken ver­gaß sie sich selbst und ihr Ge­schick, ein­zig und al­lein das dunkle Bild des lan­gent­behr­ten Gat­ten su­chend. So in sich selbst ver­sun­ken wie aus dem Grund ei­nes Mee­res, schrak sie auf, als drau­ßen Stim­men hör­bar wur­den und die Gar­ten­glo­cke er­scholl, auch die Kin­der schon an die Fens­ter lie­fen und ver­kün­de­ten, dass die Pro­fes­sors­fa­mi­lie da sei.

Auf dem Hof- oder ehe­ma­li­gen Gar­ten­land der Wirt­schaft war von ei­nem nun ver­schwun­de­nen Hain großer Bäu­me eine ein­zi­ge Pla­ta­ne ste­hen­ge­blie­ben, wel­che mit ih­ren aus­ge­brei­te­ten Äs­ten einen letz­ten Tisch über­schat­te­te. Eine Fa­mi­lie, be­ste­hend aus ei­nem weiß­haa­ri­gen Herrn und sei­ner Ma­tro­ne nebst zwei ält­li­chen Töch­tern, hat­te be­reits am Ti­sche Platz ge­nom­men. Die Kin­der am Fens­ter aber rie­fen: »O weh, es ist noch ei­ner da­bei, ein lan­ger Frem­der, der ge­wiss den Schin­ken auf­ißt!«

Und wirk­lich war so ein lan­ger Über­zäh­li­ger noch her­an­ge­stie­gen, bis Frau Sa­lan­der un­ten an­lang­te und die Herr­schaft be­grüß­te.

»Wie geht es Ih­nen, Frau Sa­lan­der?« emp­fing sie der alte Herr, »Sie se­hen, wir blei­ben Ih­nen treu, so­lang noch ein Baum da­steht! Brin­gen Sie uns den üb­li­chen Kaf­fee samt But­ter wie El­fen­bein und dem flüs­si­gen Bern­stein! Dies für die Da­men!«

»Papa meint mit dem Bern­stein den schö­nen Ho­nig, den Sie uns das letz­te Mal vor­setz­ten!« be­lehr­te die Frau Pro­fes­sor die Wir­tin, wel­che die­se Er­klä­rung eben­so oft ge­hört hat­te als das Gleich­nis, al­lein der­ma­len aus Zer­streut­heit zu lä­cheln ver­gaß.

»So­dann, was uns Män­ner be­trifft,« fuhr der Herr Pro­fes­sor fort, »so trin­ken wir al­len­falls zu­sam­men eine Fla­sche je­nes süß ab­ge­kel­ter­ten ro­ten Fün­fund­sech­zi­gers, der durch dies Ver­fah­ren zwar kein Goe­the, wohl aber ein Schil­ler ge­wor­den ist und an­ge­nehm pri­ckelt, so­bald er das Theat­rum der mensch­li­chen Zun­ge be­tre­ten hat, um sei­ne Spie­le auf­zu­füh­ren. Dazu neh­men wir der Be­schäf­ti­gung hal­ber ei­ni­ge Schnit­ten ge­räu­cher­ter Rinds­zun­ge, wenn Sie da­von noch so zar­te be­sit­zen wie neu­lich.«

»Zun­ge ist lei­der nicht mehr da,« sag­te die Frau leicht er­rö­tend, »da­für könn­te ich mit Schin­ken auf­war­ten.«

»Auch gut, brin­gen Sie uns Schin­ken!«

Sie eil­te ins Haus, Kaf­fee und Milch zum Ko­chen auf­zu­set­zen, und über­trug die Auf­sicht den Mäd­chen, wäh­rend sie mit weißem Zeug und Ge­schirr den Tisch so sau­ber deck­te, als wäre das Haus im bes­ten Flor. Bald stan­den auch die Spei­sen ein­la­dend da­zwi­schen, nur noch der Wein fehl­te. Im Kel­ler be­wahr­te Frau Sa­lan­der noch die letz­ten zwei Fla­schen des er­wähn­ten Wei­nes, sonst war über­haupt kein Ge­trän­ke mehr vor­han­den als ein hal­b­es Dut­zend Fla­schen ab­ge­zo­ge­nen Bie­res, von wel­chem sie nicht wuss­te, ob es noch trink­bar sei. Den Wein hin­ge­gen hat­te sie für den Mann bei­sei­te ge­legt, auf den sie harr­te. Mit ei­nem Seuf­zer nahm sie eine der Fla­schen und trug sie auf, er­sor­gend, dass nicht nur die zwei­te, son­dern auch eine drit­te ver­langt wer­den könn­te und so eine neue Ge­fahr er­wuchs der Of­fen­bar­wer­dung ih­res Un­ver­mö­gens. Dann trug sie den damp­fen­den Kaf­fee hin­aus und ver­säum­te nicht, eine Fla­sche küh­len Was­sers vom Brun­nen zu ho­len.

Schon aber führ­te die Sor­ge sie ins Haus zu­rück, um die Kin­der, wel­che aus der Türe ka­men, dort fest­zu­hal­ten und in die Stu­be zu ban­nen; denn sie be­fürch­te­te, die Ärms­ten wür­den sich mit gie­ri­gen Bli­cken um die Gäs­te her­um­stel­len und den ge­sprä­chi­gen Her­ren, so­wie der kri­ti­schen Neu­gier der Frau­en ih­ren Hun­ger ver­ra­ten. Doch konn­te sie nicht hin­dern, dass die Kin­der Kopf an Kopf durch das Fens­ter schau­ten und kei­nen Blick von dem Ti­sche der sich rüs­tig er­fri­schen­den Leu­te ver­wand­ten. Sie sa­hen, wie die Frau­en ihre But­ter­bröt­chen schnit­ten und be­stri­chen, zu Mun­de führ­ten und im eif­ri­gen Ge­sprä­che das glei­che Ge­schäft im­mer von neu­em vor­nah­men. Mit mehr Wohl­ge­fal­len be­merk­ten sie, dass der alte Herr sei­nen Tel­ler bald zu­rück­schob, um sei­ne Zi­gar­ren­ta­sche aus­zu­kra­men; aber mit Schre­cken sa­hen sie, wie der lan­ge Un­be­kann­te mit dem brei­ten Mau­le und dem Bocks­bar­te in den Spei­sen her­um­wü­te­te und eine förm­li­che Fa­brik von Schin­ken­bröt­chen be­trieb, die er auf sei­nem Tel­ler im Krei­se ne­ben­ein­an­der leg­te und dann ei­nes nach dem an­de­ren ganz in den Mund steck­te. Kin­der schau­der­ten, und auch der Mut­ter wur­de es nicht woh­ler, als durch die Schuld des Un­heim­li­chen die Wein­fla­sche früh leer stand und der Pro­fes­sor nach der zwei­ten rief.

Ein neu­es Un­heil tat sich in ei­ner Kin­der­schar auf, die lär­mend, mit ab­ge­ris­se­nen Zwei­gen und Ru­ten, über den of­fe­nen Ho­fraum ge­zo­gen kam und als­bald vor dem Ti­sche der klei­nen Ge­sell­schaft gaf­fend an­hielt. An der Spit­ze der Trup­pe stan­den die Zwil­lin­ge Isi­dor und Ju­li­an, die Hän­de auf dem Rücken und ihre be­schürz­ten run­den Bäuch­lein vor­stre­ckend; sie be­schau­ten sehr auf­merk­sam den Tisch, und die Bli­cke sa­ßen auch auf den Schin­ken­bröt­chen und fuh­ren mit ih­nen in den Ra­chen des Breit­mäu­li­gen hin­un­ter, bis die­ser mit dem Ge­schäf­te zu Ende war. Der Pro­fes­sor stach mit der Ga­bel von dem Vor­rat in der Schüs­sel ein Scheib­chen her­aus und hielt es dem Zwil­ling Isi­dor vor die Nase mit den Wor­ten: »Mund auf, Au­gen zu!« Die­ser ge­horch­te un­ver­weilt und er­schnapp­te den Bis­sen samt dem Brotäpp­chen, das je­ner ihm dazu in den Mund steck­te. Das glei­che ge­sch­ah mit dem klei­nen Ju­li­an und so ab­wech­selnd mit bei­den, die im­mer zu­vor­derst stan­den, bis der letz­te Rest des Schin­kens ver­schwun­den war. Mit den üb­ri­gen Klei­nen mach­ten es die zwei Fräu­lein eben­so, in­dem sie ih­nen But­ter­bröt­chen in den Mund steck­ten und sich über die drol­li­gen Ge­sich­ter freu­ten, die sie dazu mach­ten. Bin­nen kur­z­em wa­ren alle Tel­ler rein und nichts Ess­ba­res mehr auf dem Ti­sche zu er­bli­cken.

Frau Sa­lan­der stand hin­ter ih­ren Kin­dern am Fens­ter und sah, wie auch hier der Welt Lauf er­ging und die einen ver­schlan­gen, was den an­de­ren be­stimmt war. Es dun­kel­te ihr vor den Au­gen, was in­des­sen auch da­von her­rühr­te, dass eine Re­gen­wol­ke un­ver­merkt her­an­zog und ein­zel­ne Trop­fen be­reits ge­gen die Schei­ben schlu­gen. Und im Lau­be der Pla­ta­ne rausch­te ein un­wir­scher Luft­zug. Die Ge­sell­schaft er­hob sich sehr ei­lig. Der alte Herr poch­te mit dem Stock auf den Tisch und ver­lang­te von der her­bei­ei­len­den Frau schleu­ni­ge Rech­nung. Ehe sie ant­wor­ten konn­te, rief er: »Nun hab’ ich auch noch die Bör­se ver­ges­sen oder gar ver­lo­ren!« Ver­geb­lich in al­len Ta­schen su­chend, nahm er den lan­gen Gast­freund in An­spruch: »Herr Dok­tor! Hel­fen Sie uns aus der Not! Sind Sie viel­leicht mit Spie­ßen be­wehrt?«

Der war aber schon so viel­fach, kreuz und quer, in einen gelb­li­chen Plaid ein­ge­wi­ckelt, dass er mit großer Mühe such­te, zu sei­nem Geld­täsch­chen zu ge­lan­gen. Es dau­er­te dem Al­ten zu lan­ge.

»Las­sen Sie,« rief er, »wir müs­sen sprin­gen, wenn wir noch den nächs­ten Drosch­ken­platz er­rei­chen wol­len! Ich be­zah­le das nächs­te Mal, lie­be Frau, Sie ken­nen uns ja!«

»Bit­te, Herr Pro­fes­sor, das macht ja gar nichts, kom­men die Herr­schaf­ten nur gut nach Hau­se!« sag­te Frau Ma­rie Sa­lan­der mit gu­ter Hal­tung, je­doch die Leu­te, die sich nicht mehr um­schau­ten, mit et­was un­si­che­ren Schrit­ten bis zum Aus­gan­ge des Grund­stückes be­glei­tend.

Zu­rück­keh­rend sah sie noch, wie die Zwil­lin­ge die Zucker­büch­se vollends aus­räum­ten und mit ih­rem Ge­fol­ge gleich­falls da­v­ons­to­ben. Der Ho­nig war auch aus­ge­löf­felt.

Ihre ei­ge­nen Kin­der hat­te sie vor­hin ein­ge­schlos­sen und den Schlüs­sel ein­ge­steckt; so stell­te sie jetzt ohne de­ren Hil­fe das sämt­li­che Gerä­te auf das große Kaf­fee­brett, leg­te das Tisch­tuch ord­nungs­ge­mäß zu­sam­men, nahm es un­ter den Arm, trug das Brett mit ei­ni­gem Klir­ren ins Haus und ging dann zu den Kin­dern hin­ein, die an ei­nem Häuf­lein stan­den.

Als sie sa­hen, dass die Mut­ter mit Kum­mer auf einen Ses­sel sank, un­ter­drück­ten sie den Aus­druck ih­rer kind­li­chen An­sprü­che auf die Vor­sor­ge und den Schutz der Mut­ter, die sich heu­te zum ers­ten Male als un­zu­ver­läs­sig er­wie­sen. Ihr lei­ses Wei­nen wur­de durch das Rau­schen ei­nes tüch­ti­gen Re­gen­schau­ers über­tönt, der jetzt her­nie­der­fiel und die Luft ver­dun­kel­te, und so blieb es eine gute Wei­le still in dem däm­mern­den Ge­mach. Frau Ma­rie be­nutz­te den Au­gen­blick, ihre Le­bens­geis­ter zu ver­sam­meln. Sie be­schloss, bis zu­letzt aus­zu­hal­ten und mit den Kin­dern für dies­mal lie­ber un­ge­ges­sen schla­fen­zu­ge­hen, als den Ruf des heim­keh­ren­den Man­nes durch wei­te­res Ver­ra­ten ih­res zer­rüt­te­ten Zu­stan­des zu ge­fähr­den.

Der Him­mel selbst schi­en ihr zu Hil­fe zu kom­men, denn es ward hel­ler um sie her; die sin­ken­de Son­ne be­herrsch­te wie­der das Feld und hat­te die Re­gen­wol­ke den Berg­hang hin­auf an den Wald­rand ge­trie­ben, wo sie als eine dunkle graue Wand hän­gen­blieb, auf wel­cher der brei­te Fuß ei­nes Stückes Re­gen­bo­gen sehr kraft­voll leuch­te­te, in­dem er auf ei­ner frisch­be­tau­ten fun­kel­grü­nen Wald­wie­se stand. Es war ein so star­ker Far­ben­schim­mer, wie man ihn nur we­ni­ge Male im Le­ben sieht und dann fast im­mer im Ge­dächt­nis be­hält. Da die Er­schei­nung ziem­lich nah auf­glüh­te, sah man links und rechts ein paar schlan­ke Bir­ken oder Eschen­bäum­chen sich ab­he­ben und de­ren Kro­nen in dem bun­ten Glan­ze ver­flie­ßen.

Ohne lan­ges Über­le­gen be­nutz­te die Mut­ter so­fort das schö­ne Far­ben­spiel, die Ge­dan­ken der Kin­der wo­mög­lich von ih­ren Küm­mer­nis­sen ab­zu­len­ken und zu be­schäf­ti­gen, bis viel­leicht die Dun­kel­heit her­an­sch­li­che und noch­mals den lie­ben Schlaf bräch­te. Für die­sen Fall woll­te sie zu­gleich die Kin­der mit den Schil­de­run­gen ei­ner herr­li­chen Schmau­se­rei un­ter­hal­ten und ihre Fan­ta­sie ganz da­mit an­fül­len, weil sie schon hat­te sa­gen hö­ren, dass hun­gern­de Leu­te, wenn sie im Schla­fe von gu­ten und le­cke­ren Din­gen träu­men, die Nacht so­weit ganz leid­lich durch­kom­men; und sie hoff­te so­gar selbst ein biss­chen mit­zu­schmau­sen.

»Seht doch, welch ein schö­ner Re­gen­bo­gen!« rief sie und weck­te da­mit die Kin­der aus ih­rem Brü­ten. Sie guck­ten auf und staun­ten die Pracht mit großen Au­gen an, die dar­über tro­cken wur­den.

»Die ha­ben’s dort jetzt bes­ser als wir, wenn das Mär­chen wahr ist!« rief sie wie­der.

»Wer denn? Wer denn?« die Kin­der.

»Nun, die klei­nen Leut­chen aus dem Ber­ge! Habt ihr noch nichts da­von ge­hört? Die Erd­männ­chen und -weib­chen, die so alt wer­den, dass sie eine klei­ne Uns­terb­lich­keit auf ih­ren Bu­ckel­chen ha­ben, na­tür­lich nur im Ver­hält­nis; denn sie sind nicht grö­ßer als ein mitt­ler­er Fin­ger. So um tau­send Jah­re her­um sol­len sie alt wer­den. Wenn sie nun mer­ken, dass ihr Ge­schlecht aus­stirbt in ei­ner Ge­gend, so kom­men die letz­ten hun­dert Leut­chen in den bes­ten Fei­er­klei­dern zu­sam­men und hal­ten ih­ren ewi­gen Ab­schieds­schmaus un­ter ei­nem Re­gen­bo­gen oder viel­mehr im Erd­ge­schoss des­sel­ben, das ein wah­rer Zau­ber­saal ist. Seht nur, ihr könn­te von au­ßen mer­ken, wie das in­wen­dig in al­len Far­ben glit­zern muss! Auch noch aus ei­nem an­de­ren Grun­de sol­len sie einen sol­chen Ab­schied fei­ern; näm­lich wenn das große Volk im Lan­de an­fängt aus­zuar­ten und dumm und schlecht zu wer­den und die ge­schei­ten Leut­lein un­ten ein be­trüb­tes Ende vor­aus­se­hen, dann be­schlie­ßen sie aus­zu­wan­dern und dem Ende aus dem Wege zu ge­hen. Auch dann kom­men sie in vie­len Re­gen­bo­gen zu­sam­men und sind noch ein Stünd­chen ver­gnügt. Sei dem wie ihm wol­le, so weiß ich nicht, wel­chen An­lass wir hier vor uns ha­ben. Es wird sich wohl um ein Aus­ster­ben han­deln, und da sind es, wie ge­sagt, höchs­tens hun­dert Männ­lein und ihre Frau­en, die dort sind. Den gan­zen Tag ha­ben sie in ih­ren Fels­stu­ben, im Wal­des­dickicht und an den ver­bor­ge­nen Bach­quel­len ge­ba­cken und ge­bra­ten und ge­braut und al­les Gute vor­aus­ge­schickt, und nun sind sie hin­ein­spa­ziert, je­der sein gol­de­nes Schüs­sel­chen in ei­nem sei­de­nen Säck­lein mit ei­nem Quäst­lein auf dem Rücken tra­gend, für uns nicht grö­ßer als ein al­ter Bat­zen, für Zwer­g­lein aber ein ge­hö­ri­ger Tel­ler. Lan­ge Ti­sche sind mit dem feins­ten Tu­che be­deckt, das über ei­ni­ge Dach­schin­deln ge­spannt ist. Da zie­hen sie in fei­er­li­chem Zuge her­um. Voran mar­schie­ren zehn ge­har­nisch­te Rit­ter in rot­ge­sot­te­nen Krebs­na­sen als Brust­pan­zer und die üb­ri­gen Scha­len­rin­ge als Arm- und Bein­schie­nen um­ge­legt; als Hel­me ha­ben sie zier­lich ge­wun­de­ne Schne­cken­häu­sel auf den Köp­fen. Sie tra­gen die al­ten Sil­ber- und Gold­kan­nen und an­de­re Klein­o­de des Ge­schlech­tes. Wie die Erd­leut­chen nun um die Ti­sche her­um­ge­hen, zieht je­der sei­ne Schüs­sel aus dem Säck­lein, legt sie an sei­nen Platz und setzt sich da­hin­ter, und je­der schüt­telt sei­nem Nach­bar ernst­haft die Hand. Frei­lich folgt nun ein de­sto fröh­li­che­res Es­sen, dass die gol­de­nen Tel­ler, die fei­nen Mes­ser und Ga­beln nur so klin­gen. Zu­erst kommt der de­li­ka­tes­te Reis­brei mit Ro­sin­chen, be­legt mit klei­nen Brat­würst­chen, die aus Feld­ler­chen und zar­tem Fer­kel­flei­sche ge­mischt und ge­hackt sind. Herr­lich sind die­se Würst­chen ge­rös­tet. Je drei oder vier Mann ha­ben zu­sam­men eine Bow­le vor sich, näm­lich einen präch­ti­gen rei­fen Pfir­sich, aus wel­chem der Kern ge­nom­men, das da­durch ent­stan­de­ne Loch aber mit Mus­kat­wein ge­füllt ist. Ihr könnt euch den­ken, wie sie mit ih­ren Löf­fel­chen da hin­ein­boh­ren!«

So fuhr sie mit eif­ri­ger Mühe fort, nicht nach den Ge­bo­ten der Wahr­schein­lich­keit, son­dern nach ih­rer Kennt­nis der kind­li­chen Ge­lüs­te das Ban­kett der Wich­tel­männ­chen aus­zu­ma­len, bis sie nichts mehr wuss­te und dar­um den Schluss her­bei­führ­te, zu­mal der Re­gen­bo­gen ver­bli­chen war und der letz­te Abend­schein der Däm­me­rung wich.

»Ha­ben sie nun ge­nug ge­ges­sen und ge­trun­ken und von ih­ren jun­gen Ta­gen, mitt­le­ren Jah­ren und al­ten Er­fah­run­gen ge­spro­chen, so ste­hen sie un­ver­se­hens alle mit­ein­an­der auf, schüt­teln sich aber­mals, und zwar durch­ein­an­der­ge­hend, die Hän­de und spre­chen et­was klein­laut: ›Wün­sche wohl ge­speist zu ha­ben!‹

Plötz­lich aber su­chen sie das Loch, wo sie her­ein­ge­kom­men sind, und fan­gen an, hin­aus­zu­drän­geln, sich auf die Fer­sen zu tre­ten und in den Rücken zu knuf­fen, bis alle ver­schwun­den sind und die Ti­sche im Saal mit al­lem, was dar­auf steht, ver­las­sen sind. Ein ein­zi­ges le­di­ges Weib­lein, das al­ler­jüngs­te von etwa zwei­hun­dert Jah­ren, was bei un­serei­nem ei­ner Per­son von un­ge­fähr zwan­zig Jah­ren gleich­käme, ist noch da­ge­blie­ben. Es hat die Pf­licht, das gan­ze Ge­schirr zu rei­ni­gen, tro­cken zu rei­ben und in eine ei­ser­ne Tru­he zu ver­schlie­ßen, die sie an der Stel­le, wo der Re­gen­bo­gen stand, in den Bo­den ver­gräbt. Hier­bei hel­fen ihr die zehn Rit­ter, die mitt­ler­wei­le drau­ßen noch zu­rück­ge­blie­ben sind und ihre Pfir­sich­bow­len aus­ge­schla­fen ha­ben. Und wie Bau­ern, wenn sie Mark­stei­ne set­zen, vor­her rote Zie­gel­scher­ben als so­ge­nann­te Zeu­gen in die Gru­be le­gen, so wer­fen sie die Krebs­scha­len mit hin­ein und ge­hen dann auch fort, sich schla­fen zu le­gen. Was tut aber nun das letz­te Weib­lein? Es nimmt das Säck­lein, wor­ein sein ei­ge­nes Gold­schüs­sel­chen ge­we­sen, auf den Rücken, einen Ste­cken zur Hand und wan­dert see­len­al­lein in die Fer­ne, um ei­nem an­de­ren Volk die­ser Art das Ge­dächt­nis des aus­ge­stor­be­nen zu über­brin­gen. Es soll schon vor­ge­kom­men sein, dass eine sol­che Per­son sich in der Frem­de noch glück­lich ver­hei­ra­ten konn­te bei ei­nem jün­ge­ren Ge­schlech­te.«

Hier schwieg Frau Ma­rie Sa­lan­der, doch et­was be­trof­fen über die Flun­ke­rei, die sie den Kin­dern vor­ge­macht, wäh­rend die­se sich noch ein Weil­chen still ver­hiel­ten und dem Mär­chen nach­schau­ten, das wie der Re­gen­bo­gen ver­duf­te­te. Kaum sa­hen sie noch das letz­te Fräu­lein mit Stab und Schüs­sel­chen in Gras und Acker­fur­chen da­hin­zie­hen.

Da rich­te­te sich die Mut­ter auf; von ei­nem Ein­fall er­grif­fen, schritt sie rasch auf ihr Kom­mo­den­schränk­lein los, öff­ne­te die Tür­lein, zog die Läd­chen und aus ei­nem der­sel­ben eine klei­ne Schach­tel her­vor, wel­che et­was Gold­schmuck ent­hielt. Als Braut­ge­schenk ih­res Man­nes war der be­schei­de­ne Hort un­an­tast­bar und nicht das, was sie such­te. Aber un­ter an­derm Klein­zeug lag auch ein Pa­pier­wi­ckel­chen da­bei, das sie pack­te und auf­mach­te. Ein glän­zen­des, gol­de­nes Re­gen­bo­gen­schüs­sel­chen trat zu­ta­ge, näm­lich eine ur­al­te Hohl­mün­ze, Brak­te­at ge­nannt. Sol­che Münzal­ter­tü­mer wur­den ehe­dem gern in wohl­be­ste­hen­den Fa­mi­li­en auf­be­wahrt und als be­son­de­re Gunst nur etwa zu Pa­ten­ge­schen­ken ver­wen­det. Auch Ma­rie Sa­lan­der hat­te das Stück, das sie in Hän­den hielt, bei der Tau­fe ins Wi­ckel­band be­kom­men und nun sich un­ver­mu­tet an des­sen Be­sitz er­in­nert. Auf den ver­tief­ten Grund war ein un­voll­kom­me­ner Manns­kopf ge­prägt und ne­ben dem Bil­de in zer­streu­ten Zei­chen die In­schrift Hein­ri­cus rex. Auf dem Pa­pier­schnit­zel stand von der Hand Sa­lan­ders die No­tiz ge­schrie­ben, der Gold­wert be­tra­ge zehn Fran­ken, der Ver­kaufs­wert kön­ne aber auf das Zehn­fa­che und hö­her stei­gen.