Marylin - Manfred Stutz - E-Book

Marylin E-Book

Manfred Stutz

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Beschreibung

Marylin, wirkliche Frau oder schöner Schein? Das Verlangens- und Sehnsuchtsbild ärmlich beglückter, törichter Männer.

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Seitenzahl: 85

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Burleske/Moritat

in sechs Bildern

Die Personen

Toth..................... Bestattungsunternehmer

Brutus Krank.......sein Neffe

Marylin............... Mitarbeiterin Toths

Himmelmann.......Kunde Toths

Witwe..................Himmelmanns Frau

Verzag..................Kunde Toths

Dr. Siech............ Arzt

Zufall...................Kriminalkommissar

Krause.................sein Kollege

„Liebe nennen wir das, was uns an bestimmte Wesen bindet, (...) in bezug auf eine kollektive Sichtweise, für die die Bücher und die Märchen verantwortlich sind.“

(Albert Camus: Der Mythos von Sisyphos)

Inhaltsverzeichnis

Erstes Bild

Zweites Bild

Drittes Bild

Viertes Bild

Fünftes Bild

Sechstes Bild

Erstes Bild

Bei Marylin; ein Raum halb ‚Praxis’, halb Wohnzimmer. Aus einem Nebenraum durch die geöffnete Tür Lustschreie Marylins, Schnaufen und Stöhnen Himmelmanns.

Marylin: „O, mein Hasi, o, o, komm... komm – o...“ (danach Ruhe; Marylin erscheint, zieht sich einen Morgenmantel über. Kurz darauf Himmelmann, bis auf seine Hose angekleidet; geht erschöpft zu einem Sessel, setzt sich) Aber Hasi, das kommt vor... (sieht ihn an) Du bist doch sonst... wie vital du bist!“

Himmelmann starrt vor sich hin, lehnt sich zurück, schließt die Augen. Marylin geht in einen zweiten Nebenraum.

Himmelmann: „Marylin!“ Marylin: „Ja?“

Himmelmann: „Bringst du mir was zu trinken mit? – Wasser, ein Glas Wasser, bitte“

Marylin (kommt mit einem Glas Wasser zurück, gibt es Himmelmann): „Hasilein, du willst doch nicht schlapp machen!“

Himmelmann (trinkt, strafft sich): „Ich –? Wo steht das Klavier?“

Marylin (lacht): „So gefällst du mir! – (läuft einige Schritte) Hier! Hier ist das Klavier! – (bewegt sich aufreizend) Willst du drauf spielen? – (noch aufreizender) Dur oder moll?“

Himmelmann (tut, als wolle er sich erheben, läßt sich wieder in den Sessel fallen): „War auch ´n bißchen viel letzte Zeit.“

Marylin: „Findest du?“

Himmelmann: „Du nicht? – Ach, ihr Frauen! Könnt nicht genug kriegen!“

Marylin: „Das mußt du sagen! – Du –! Kann ja nirgendwo um die Ecke gucken!“

Himmelmann: „Ja?“

Marylin: „Ja!“

Himmelmann: „Kann nichts dafür. Liegt an dir. – Hatte auch einiges nachzuholen.“

Marylin: „So sieht´s aus. – Und liegt an mir?“

Himmelmann (sieht sie an): „Wie schön du bist. – Wie schön Frauen sind.“

Marylin: „Liegt an mir?“ – (öffnet ihren Mantel etwas, nähert sich ihm)

Himmelmann (stöhnt): „Nicht – bitte... ich kann nicht mehr. – (denkt etwas nach) Und stimmt ja auch nicht.“

Marylin: „Was?“

Himmelmann: „Ihr Frauen...“

Marylin: „Was ist mit uns?“

Himmelmann: „Daß ihr nicht genug kriegt. – Wenn´s mal so wäre.

Marylin: „Ich denke, es ist so?“

Himmelmann: „Du... du ja, aber sonst.“

Marylin: „Nicht?“

Himmelmann: „Nein.“

Marylin: „Warum?“

Himmelmann: „Weiß ich nicht.“ – Erst tun sie so – und dann...“

Marylin: „Ich nicht?“ (setzt sich ihm auf den Schoß)

Himmelmann: „Nein, du nicht. – Du hast ein Herz. Man muß ein Herz dazu haben. Zu allem muß man ein Herz haben, wenn´s was Gutes sein soll – auch dazu. Das ist doch mehr als – (denkt kurz nach) Welche Frau ist schon zärtlich? Alles erwarten sie und selber? – Und wir sind Kinder... bleiben doch Kinder. Wir alle. Egal, wie alt wir sind.“

Marylin (küßt ihn auf die Schläfe): „Solche Sensibelchen seid ihr Männer – da!“ (küßt ihn noch einmal)

Himmelmann: „Ja, Zärtlichkeit...“

Marylin: „Und ich hab ein Herz?“

Himmelmann „Du hast ein großes Herz.“

Marylin (steht auf): „Deine Frau nicht?“

Himmelmann. „Meine Frau! – Die hat ´ne Anatomie wie ´ne Frau, mag sein, ich weiß es nicht mehr, aber ´n Herz ist nicht dabei – nicht mehr, das weiß ich... und darum ist sie auch nicht mehr schön – und das hat nichts mit dem Alter zu tun. Ha, meine... Frau! Ob die überhaupt je ´n Herz gehabt hat – egal. Wenn´s dreißig Jahre nicht so traurig gewesen wäre, müßt ich lachen.“ (winkt ab)

Kleine Pause

Himmelmann: „Ich glaube manchmal, die sind eine

Fata Morgana.“

Marylin: „Wer?“

Himmelmann: „Die Frauen... die meisten.“

Marylin: „Eine Fata Morgana?“

Himmelmann: „Ja, lach nicht – das, was der liebe Gott Adam mit Eva versprochen hat, ist nichts als eine Fata Morgana.“

Marylin (geht zu ihm, streichelt ihm über den Kopf): „Mein armes Hansilein... die bösen Frauen – bist du auch böse mit mir? – Hansilein... bist du böse mit mir? Bin ich eine Fata Morgana? – (läuft wieder einige Schritte) Oder eine Oase? (bewegt sich erneut aufreizend) Eine wirkliche Oase... mit einer Quelle und... Datteln. Und einer schönen Bauchtänzerin – (tanzt etwas, läßt sich auf Hände und Knie nieder) Hasilein...“

Himmelmann (stöhnt)

Marylin: „Mein Häschen, komm – mach hoppel, hoppel!“ (wackelt mit dem Hintern) Himmelmann (stöhnt, erhebt sich, läßt sich ebenfalls auf alle viere nieder, beginnt Marylin, die zwischendurch zurückschaut und Abstand zu ihm hält, zu verfolgen)

Marylin: „Komm – hoppel, hoppel!“

Himmelmann (immer schneller hinter ihr her, hält an, greift sich plötzlich an die Brust, fällt zur Seite, bleibt auf dem Rücken liegen)

Marylin (sieht sich nach ihm um): „Hasilein – o... (krabbelt zu ihm) Häschen... (schüttelt ihn, legt ein Ohr an seinen Mund) Mein armes... (verstört dann, steht auf, geht zum Tisch, nimmt ein Tefefon) Ich... ich bin´s... Wo? Bei mir. – Was? Ich glaube, Hasilein... Hasilein ist... wer? – Hansi... Johannes... Herr Himmelmann – ich glaube, er ist nicht mehr... vielleicht doch, ich weiß nicht – schnell, und den Doktor, schnell – ach Gott... und kommen Sie!“

Zweites Bild

Toths Büro; Toth und Marylin Toth ist hinter Marylin her, die vor ihm um den Schreibtisch herum flüchtet. Er kriegt sie zu fassen, sie macht sich wieder frei.

Marylin: „Nicht! – Chef, hören Sie auf, bitte! (in eine Ecke gedrängt) Herr Toth –! In Ihrem Alter!“

Toth (läßt von ihr ab, geht zu einem Stuhl, setzt sich, atmet schwer)

Marylin (ordnet ihr Haar und die Kleidung): „Das haben Sie davon!“

Toth: „Schon gut.“

Marylin (nähert sich ihm, besorgt): „Alles in Ordnung?“

Toth: „Ja.“

Marylin: „Sie sollen das auch nicht machen. Sie sind mein Chef. Und in Ihrem Alter.“

Toth: „Ach, Chef –!“

Marylin: „Ich mag das nicht. Schnaps ist Schnaps und...“

Toth: „Ja, ja.“ (nimmt ein Taschentuch, wischt sich über Stirn und Schläfen)

Marylin: „Man muß das auseinanderhalten. – Ich halte das auseinander.“

Toth: „Ja! – (sieht sie an) Du sollst dich nicht so anziehen, wenn du hierher kommst.“

Kleine Pause

Toth: „Hörst du?“

Marylin: „Wie?“

Toth: „Wir sind ein Bestattungsunternehmen.“

Marylin: „Ja.“

Toth: „Ein seriöses Haus.“

Marylin: „Das müssen Sie sagen, gerade Sie.“

Toth: „Seriös!“

Marylin (mit ihren Gedanken woanders): „Natürlich.“

Toth: „Du hörst gar nicht zu.“

Marylin: „Wie?“

Toth: „Du hörst nicht zu.“

Marylin: „Ich will nicht.“

Toth: „Wie –?“

Marylin: „Ich will nicht!“

Toth: „Was willst du nicht?“

Marylin: „Ich will nicht mehr.“

Toth: „Was willst du nicht mehr?“

Marylin: „Das –!“

Kleine Pause

Marylin: „Nein, ich will nicht mehr.“

Kleine Pause

Marylin: „Die tun mir leid.“

Toth: „Geh.“

Marylin: „Doch, die tun mir alle leid.“

Toth: „Tun dir leid – die! Die haben den Sechser gezogen.“

Marylin: „Den Sechser –! Schöner Sechser!“

Toth: „Die Glücksfee sagt, tritt ein ins Paradies.“

Marylin (wendet sich ab): „Es macht mich traurig.“

Kleine Pause

Toth (grinst): „Sie öffnet ihr Türchen. – Ihr Türchen, hörst du?“

Marylin: „Türchen, hm...“

Toth: „Und Adams Herz schlägt hoch, zu hoch... und bricht – aber vor Glück!“

Marylin: „Das sagen Sie so.“

Toth (sieht sie an): „Glaub mir, du bist ein schöner Tod.“

Marylin schüttelt den Kopf.

Toth: „Der schönste. Einen schöneren gibt es nicht.“

Marylin: „Ich will kein Tod sein.“

Toth (steht auf, geht auf sie zu): „Bist du doch auch gar nicht.“

Marylin (weicht etwas zurück, beobachtet ihn): „Sie machen es sich sehr einfach.“

Toth: „Ich bin der Tod, hast du das vergessen?“

Marylin: „Und wer bin ich?“

Toth (lächelt): „Du bist die Liebe.“

Kleine Pause

Marylin: „Die sterben.“

Toth: „Und?“

Marylin: „Sie werden alle sterben.“

Toth (sieht sie an, winkt ab): „Gott, in Schönheit sterben!“

Marylin: „Sie sterben!“

Toth: „An Schönheit sterben! Was will man mehr in dieser Welt! Der Sechser schlechthin.“

Pause

Toth (hat überlegt): „Ich will das eigentlich nicht.“

Marylin: „Was?“

Toth schüttelt den Kopf.

Marylin: „Was wollen Sie nicht?“

Toth: „Dir... dich... hinter dir her sein.“

Marylin: „Ach so – und warum tun Sie es?“

Toth: „Ich weiß nicht.“

Marylin: „Sie sollen das auch wirklich nicht machen.

Wir sind in einem Bestattungsinstitut... und überhaupt.“

Toth: „Es treibt mich halt.“

Marylin: „Was?“

Toth: „Man ist es sich schuldig.“

Marylin: „Was?“

Toth: „Ja, man schuldet sich etwas. – Sich selbst auch und mehr noch...“

Marylin: „Ja?“

Toth: „Dem Leben? – Oder wie soll man es ausdrücken?“

Marylin: „Das sagen Sie.“

Toth: „Das darf keiner mit mehr Berechtigung sagen als ich, höchstens du.“

Marylin: „Man schuldet sich etwas?“

Toth: „Man!“

Marylin: „Solang man Mann ist.“

Toth: „Man ist immer Mann.Und du bist einfach zu... ja, zu schön.“

Marylin: „Gut so, laden Sie es ruhig bei mir ab. Ach, ihr armen Männer, was habt ihr es doch schwer mit den Frauen. Nichts ist so, daß ihr in Frieden leben könnt.“

Pause

Toth: „Eigentlich will ich gar nicht mehr.“

Marylin: „Wie?“

Toth: „Ich hab´s satt. Ich will nicht mehr.“

Marylin: „Chef, was reden Sie!“

Toth: „Es ist ein trauriges Geschäft mit den Toten.

Und mit den Lebenden noch mehr.“

Marylin (betrachtet ihn und lächelt): „Hat der Tod Depressionen?“

Toth ist in Gedanken

Marylin: „Muß er zu einem Seelendoktor?“

Toth: „Und dann kommst du noch daher und machst mir Vorwürfe und willst aussteigen.“

Marylin: „Es geht Ihnen da doch nur ums Geld.“

Toth: „Hör mal, das darfst du nicht sagen! Das ist... das geht mir gegen die Ehre... und gegen einiges andere noch mehr.“

Marylin: „Meinen Sie, ich hab nicht mitbekommen, daß Sie in Schwierigkeiten sind?“

Toth: „Die Geschäfte gehen nicht gut, aber so schlecht nicht. Außerdem – nein, so etwas darfst du nicht sagen. Das – das...“

Kleine Pause Toth: „Willst du mehr Geld?“

Marylin: „Nein – die tun mir leid. Sie müßten gar nicht sterben.“

Toth: „Alle müssen sterben.“

Marylin: „Noch nicht, jetzt noch nicht.“

Toth: „Ach, ja, leben... die!“

Marylin: „Natürlich.“

Toth: „Ha, was für ein Leben! Mit welchen Aussichten?“

Marylin: „Das ist egal.“

Toth