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Das Werk 'Maß für Maß' von William Shakespeare ist eine tragische Komödie, die die Themen Gerechtigkeit, Moral und Macht erforscht. Der literarische Stil Shakespeares ist geprägt von seiner meisterhaften Beherrschung der Sprache und seiner fähigen Darstellung komplexer Charaktere. 'Maß für Maß' ist in Form eines Dramas geschrieben und spielt im Wien des 17. Jahrhunderts. Die Schönheit und Tiefe der Sprache lassen das Stück zu einem zeitlosen Klassiker werden, der bis heute fasziniert. Shakespeare ist bekannt für seine tiefgründigen Werke, die eine Vielzahl von Themen behandeln und eine Vielzahl von Lesern ansprechen. Durch seine Fähigkeit, menschliche Natur und Emotionen zu erfassen, bietet 'Maß für Maß' einen Einblick in die Komplexität des menschlichen Geistes und der Gesellschaft. William Shakespeare, ein bedeutender englischer Dichter und Dramatiker des 16. Jahrhunderts, schrieb 'Maß für Maß' mit dem Ziel, moralische Dilemmata und die Natur der Macht zu erforschen. Shakespeare war bekannt für seine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen und Konventionen, und 'Maß für Maß' ist ein herausragendes Beispiel für sein Können als Dramatiker. Der tiefgründige Charakter der Figuren und die komplexe Handlung machen das Werk zu einem spannenden und anregenden Leseerlebnis. Fans von klassischer Literatur und Theater werden 'Maß für Maß' von William Shakespeare sicherlich schätzen und genießen, da es eine meisterhafte Darstellung zeitloser Themen und menschlicher Erfahrungen bietet.
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Seitenzahl: 241
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Books
(german)
Inhalt
PERSONEN
ERSTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEYTE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
FÜNFTE SCENE
SECHSTE SCENE
SIEBENDE SCENE
ACHTE SCENE
ZWEYTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEYTE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
FÜNFTE SCENE
Sechste Szene
SIEBENDE SCENE
ACHTE SCENE
NEUNTE SCENE
ZEHNTE SCENE
EILFTE SCENE
DRITTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEYTE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SZENE
FÜNFTE SCENE
SECHSTE SCENE
SIEBENDE SCENE
ACHTE SCENE
VIERTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEYTE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
FÜNFTE SCENE
SECHSTE SCENE
SIEBENDE SCENE
ACHTE SCENE
NEUNTE SCENE
ZEHNTE SCENE
EILFTE SCENE
ZWÖLFTE SCENE
DREYZEHNTE SCENE
VIERZEHNTE SCENE
FÜNFTER AUFZUG
ERSTE SCENE
ZWEYTE SCENE
DRITTE SCENE
VIERTE SCENE
FÜNFTE SCENE
SECHSTE SCENE
SIEBENDE SCENE
Vincentio, Herzog zu Wien.
Angelo, Stadthalter in Abwesenheit des Herzogs.
Escalus, ein alter Herr von Stande, dem Angelo in Verwaltung der Regierung beygefügt.
Claudio, ein junger Edelmann.
Lucio, ein Libertiner.
Zwey Edelleute.
Varrius, einer von den Hofleuten des Herzogs.
ThomasundPeter, zwey Franciscaner-Mönche.
Ein Richter.
Kerkermeister.
Ellbogen, ein Policey-Aufseher in einem Quartier der Stadt.
Schaum, ein närrischer Junker.
Harlequin, Diener der Frau Overdone.
Abhorson, ein Nachrichter.
Bernardin, ein ruchloser Gefangner.
Isabella, Claudios Schwester.
Mariane, mit Angelo versprochen.
Juliette, Claudios Liebste.
Francisca, eine Nonne.
Frau Overdone, eine Kupplerin.
Wache, Stadtbediente, und andre aufwartende Personen.
Der Schauplaz ist in Wien.
Die Geschichte ist aus Cinthios»Epitia« von Giambattista Giraldi, gen. Cintio (Cinzio), 1504 – 1573. Novellen genommen.
(Des Herzogs Palast.)
Der Herzog, Escalus, und einige Herren vom Hofe.
Herzog. Escalus – –
Escalus. Gnädigster Herr – –
Herzog. Es würde eine unzeitige Sucht zu reden an mir scheinen, wenn ich euch die Eigenschaften einer klugen Regierungsart entfalten wollte, da mir bekannt ist, daß eure Wissenschaft hierinn alle Erinnerungen, die ich euch geben könnte, überflüssig macht; es bleibt mir also nichts übrig, als euch die Gelegenheit zu geben, diese Geschiklichkeit im Werke zu zeigen. Fleiß und Erfahrung hat euch den Character unsers Volkes, die Geseze unsrer Stadt, und die allgemeinen Regeln der Gerechtigkeit so bekannt gemacht, daß wir niemand kennen, der euch hierinn übertreffe. Hier ist unser Auftrag, welchem wir pünctlich nachgelebt wissen wollen – – Man rufe den Angelo hieher – – Wie meynt ihr, daß er unsre Stelle vertreten werde? Denn ihr müßt wissen, daß wir ihn mit besonderer Vollmacht ersehen haben, unsre Abwesenheit zu ersezen; ihm haben wir unsre volle Macht zu strafen und gutes zu thun geliehen; sagt, was denkt ihr hiezu?
Escalus. Wenn jemand in Wien eines solchen Vertrauens, und einer so hohen Ehre würdig ist, so ist es Angelo.
Angelo zu den Vorigen.
Angelo. Ich komme, Euer Durchlaucht Befehle zu vernehmen.
Herzog. Angelo, dein Leben entdekt dem aufmerksamen Beobachter die ganze Gestalt deines Characters. Die Ausübung jeder Tugend ist durch eine lange Uebung deine Natur geworden. Wir zünden keine Fakeln an, damit sie sich selbst leuchten; so macht es der Himmel mit uns; wofern unsre Tugenden nicht ausser uns würken, so wäre es gleich viel, wenn wir sie gar nicht hätten. Geister werden nur zu grossen Endzweken vollkommner von der Natur ausgebildet, und diese sparsame Göttin leyht nicht das kleinste Quintchen von ihrer Vortreflichkeit, ohne die Absicht, Dank und Interesse davon zu ziehen. Doch ich rede dieses zu einem, der mich selbst in dem Amt, das ich ihm auftrage, unterrichten könnte. Sey also in unsrer Abwesenheit der Vertreter unsres völligen Selbst in dieser Stadt; Leben und Tod, Angelo, hange von deinen Lippen ab; der alte Escalus, ob gleich der erste deiner Räthe, ist nur der zweyte nach dir. Hier ist deine Commißion.
Angelo. Nein, mein gnädigster Herr; laßt mein Metall vorher auf irgend eine schärfere Probe gesezt werden, eh eine so edle und grosse Figur darauf gestempelt wird.
Herzog. Kommt, keine Ausflüchte mehr; wir haben euch mit wohlbedachter Wahl hiezu ersehen; übernehmt also unsre Stelle. Unsre Abreise von hier wird so schleunig seyn, daß wir Sachen von Wichtigkeit unentschieden zurüklassen müssen. Wir werden euch, so viel Zeit und Umstände zulassen, von unserm Befinden Nachricht geben, und uns erkundigen, wie es hier stehe. Lebet also wohl; ich überlasse euch der hoffnungsvollen Ausführung unsrer Aufträge.
Angelo. Erlaubet wenigstens, gnädigster Herr, daß wir euch einige Umstände – –
Herzog. Wir können keinen Augenblik länger verziehen. Auch habt ihr, bey meiner Ehre, nicht nöthig euch das mindeste Bedenken zu machen. Euer Werk ist, wie das unsrige, die Geseze so einzurichten und in Würksamkeit zu sezen, wie ihr es am besten achtet. Gebt mir eure Hand, ich werde in geheim abreisen. Ich liebe das Volk, aber ich seze mich ihm nicht gern zur Schau aus; ob es gleich wohl thut, so bin ich doch kein Liebhaber ihres lauten Zujauchzens, und habe keine grosse Meynung von der Bescheidenheit derjenigen, die dergleichen Dinge lieben. Noch einmal, lebet wohl.
Angelo. Der Himmel befördere euer Vorhaben.
Escalus. Und bringe euch glüklich zurük.
Herzog. Ich danke euch, lebet wohl.
(Er geht ab.)
Escalus. Ich muß euch, mein Herr, um Erlaubniß bitten, eine freye Unterredung mit euch zu haben. Es ist mir daran gelegen, mein Amt recht zu kennen. Ich habe eine Gewalt; aber ich bin nicht belehrt, wie weit sie sich erstrekt.
Angelo. Es geht mir eben so; wir wollen uns mit einander hinwegbegeben, und durch Vergleichung unsrer Instructionen uns ins Klare sezen.
Escalus. Ich werde Euer Gnaden folgen.
(Sie gehen ab.)
(Eine Straasse.)
Lucio und zween Edelleute.
Lucio. Wenn der Herzog, und die übrigen Herzoge sich mit dem König von Ungarn nicht vergleichen können, so werden sich alle Herzoge wider den König vereinigen.
1. Edelmann. Der Himmel geb uns seinen Frieden, aber nicht des Königs in Ungarn seinen.
2. Edelmann. Amen!
Lucio. Du betest wie jener andächtiger Seeräuber, der mit den zehen Gebotten zu Schiffe stieg, aber eines aus der andern Tafel auskrazte.
2. Edelmann. Du sollt nicht stehlen – –
Lucio. Eben das.
1. Edelmann. Hatte er nicht Ursache? Das ist ein Gebott, das seine Leute von ihrer Schuldigkeit abgehalten hätte; denn sie schiften sich ein, um zu stehlen. Es ist nicht einer unter uns Soldaten, dem in dem Gebet vor dem Essen, die Bitte für den Frieden gefiele.
2. Edelmann. Ich habe doch nie keinen Soldaten gehört, der sie mißbilligt hätte.
Lucio. Das glaub ich dir; du bist vermuthlich nie dabey gewesen, wenn man das Tischgebet gesprochen hat.
2. Edelmann. Nie? wenigstens ein duzendmal.
1. Edelmann. Wie? In Reimen?
Lucio. In allen Reim-Arten und in allen Sprachen.
1. Edelmann. Und auch in allen Religionen denk' ich.
Lucio. Warum das nicht? – – Aber seht, seht, hier kommt Madam Gutherzigkeit.
1. Edelmann. Wahrhaftig, die Krankheiten, die ich unter ihrem Dach aufgelesen habe, kommen mich – –
2. Edelmann. Wie hoch, wenn ich bitten darf?
1. Edelmann. Rathet?
2. Edelmann. Dreytausend Thaler jährlich?
1. Edelmann. Ja, und mehr.
Lucio. Eine französische Crone mehr.
Die Kupplerin, die Vorigen.
1. Edelmann. Wie gehts, Mutter, auf welcher Seite habt ihr das Hüftweh am nachdrüklichsten?
Kupplerin. Gut, gut, dort wird einer ins Gefängniß geführt, der fünftausend wie ihr seyd werth ist.
1. Edelmann. Wer ist das, ich bitte dich?
Kupplerin. Zum Henker, Junker, es ist Claudio; Signor Claudio.
1. Edelmann. Claudio ins Gefängniß? das kan nicht seyn.
Kupplerin. Ich weiß aber daß es ist; ich sah, wie er angehalten wurde; ich sah ihn wegführen, und was noch mehr ist, in den nächsten drey Tagen wird ihm der Kopf abgeschlagen werden.
Lucio. Das stünde mir gar nicht an; bist du dessen gewiß?
Kupplerin. Nur allzugewiß; und das alles, weil er der Fräulein Juliette ein Kind gemacht hat.
Lucio. Glaubt mir, es kan seyn; er versprach mir, vor zwey Stunden mich hier anzutreffen, und er war immer genau sein Wort zu halten.
1. Edelmann. Und überdas stimmt dieser Bericht mit dem öffentlichen Ausruf ein.
Lucio. Kommt, wir wollen sehen, was an der Sache ist.
Die Kupplerin, Harlequin.
Kupplerin. Was bringst du neues?
Harlequin. Seht ihr nicht den Mann dort, den man ins Gefängniß führt?
Kupplerin. Was hat er denn gemacht?
Harlequin. Eine Frau.
Kupplerin. Ich frage, was ist sein Verbrechen?
Harlequin. Daß er in einem fremden Bache Dreuschen gefangen hat.
Kupplerin. Wie? geht ein Mädchen mit einem Kind von ihm?
Harlequin. Nein, aber ein Weib geht mit einem Mädchen von ihm. Ihr habt den Ausruf nicht gehört, habt ihr?
Kupplerin. Was für einen Ausruf, Mann?
Harlequin. Alle Häuser in den Vorstädten von Wien sollen niedergerissen werden.
Kupplerin. Und was soll aus denen in der Stadt werden?
Harlequin. Die läßt man zum Saamen stehen; sie hätten auch weg sollen, aber einige weise Bürger haben sich für sie ins Mittel geschlagen.
Kupplerin. So sollen also alle unsre Schenk- und Spiel-Häuser in den Vorstädten niedergerissen werden?
Harlequin. Bis auf den Grund, Madam.
Kupplerin. Wahrhaftig, es geht eine grosse Veränderung im gemeinen Wesen vor; was wird aus mir werden?
Harlequin. O, dafür macht euch keine Sorgen: gute Rathgeber haben nie Mangel an Clienten; wenn ihr schon euern Plaz ändert, so braucht ihr deßwegen nicht euer Gewerbe zu ändern; ich will immer euer treuer Diener bleiben. Habt nur gut Herz, man wird Mitleiden mit euch haben; ihr, die ihr eure Augen im Dienst des gemeinen Wesens beynahe aufgebraucht habt, ihr werdet in Betrachtung gezogen werden.
Kupplerin. Was giebts hier, Thomas, wir wollen uns zurük ziehen.
(Sie gehen ab.)
Der Kerkermeister, Claudio, Juliette, und Stadtbediente.
Lucio, und zwey Edelleute.
Claudio. Guter Freund, warum führst du mich so zur Schau herum? führe mich in das Gefängniß, wohin ich verurtheilet bin.
Kerkermeister. Ich thu es nicht aus bösem Willen, sondern auf ausdrüklichen Befehl des Herrn Stadthalters.
Claudio. So kan der Halbgott, Authorität, uns das volle Gewicht unsrer Uebertretungen bezahlen machen. So sind die Urtheile des Himmels; wem er verzeihen will, dem will er; wem er nicht will, will er nicht, und ist doch immer gerecht.
Lucio. Wie, was ist dieses, Claudio? Warum befindet ihr euch in solchen Umständen? Was ist euer Verbrechen?
Claudio. Nur davon zu reden, würde ein neues Verbrechen seyn.
Lucio. Wie, ist es eine Mordthat?
Claudio. Nein.
Lucio. Unzucht?
Claudio. Wenn ihr es so nennen wollt.
Kerkermeister. Fort, mein Herr, ihr müßt gehen.
Claudio. Nur ein Wort, guter Freund Lucio, ein Wort mit euch.
Lucio. Hundert, wenn sie euch etwas nüzen können; wird Unzucht so hart angesehen?
Claudio. Diß ist mein Fall: Auf ein beydseitiges Eheversprechen hin nahm ich Besiz von Juliettens Bette; (ihr kennet sie;) sie ist mein wahres Eheweib, ausser daß uns die Ceremonien mangeln, wodurch unsre Heurath öffentlich gemacht worden wäre. Die einzige Ursache warum wir sie unterliessen, war ein Erbe, das noch in den Kisten ihrer Verwandten ligt, denen wir unsre Liebe noch so lange zu verbergen gedachten, bis die Zeit sie uns günstiger gemacht haben würde. Allein das Unglük wollte, daß das Geheimniß unsrer Vertraulichkeit vor der Zeit verrathen würde – – es ist mit zu grossen Buchstaben an Julietten geschrieben.
Lucio. Mit einem Kind, vielleicht?
Claudio. Leider! und der neue Stadthalter des Herzogs (ob es daher kommt, daß der Staatskörper ein Pferd ist, welches der Stadthalter zureiten soll, und dem er, das erste mal, die Sporren stärker zu fühlen giebt, damit es wisse, daß er seiner meister ist; oder ob die Tyranney in dem Plaz oder in demjenigen ist, der ihn einnimmt? kan ich nicht entscheiden:) Kurz, der neue Stadthalter erwekt bey meinem Anlas alle die veralteten Straffen, die gleich einer ungepuzten Rüstung, so lange an der Wand gehangen, bis neunzehn Zodiaci sich umgewälzt haben, ohne daß sie in einem einzigen gebraucht worden; und um eines Namens willen, wekt er das vergeßne tiefeingeschlafne Gesez wider mich auf; in der That, um eines Namens willen.
Lucio. Du hast recht, es ist nicht anders; und dein Kopf steht so schwach auf deinen Schultern, daß ihn ein verliebtes Milchmädchen wegseufzen könnte. Schikt dem Herzog nach, und appellirt an ihn.
Claudio. Ich hab es gethan; aber man kan ihn nirgends finden. Ich bitte dich, Lucio, thu mir diesen Liebesdienst; ich hab eine Schwester im Kloster, die an diesem Tag ihre Probzeit enden soll. Gieb ihr Nachricht von der Gefahr worinn ich bin; bitte sie in meinem Namen, daß sie Freunde an den strengen Stadthalter schike; bitte sie, daß sie in eigner Person einen Anfall auf ihn thue; von dem leztern macht' ich mir die meiste Hoffnung. Eine junge Person wie sie, hat eine Art von sprachloser Beredsamkeit, der die Männer selten widerstehen können; und ausserdem, so ist sie auch geschikt genug, wenn sie durch Gründe und Vorstellungen überreden will.
Lucio. Ich wünsche, daß sie es könne; sowol zum Trost Aller die sich in ähnlichen Umständen befinden, als um deines Lebens willen; es würde mich sehr verdriessen, wenn es wegen eines Spiels Trictrak so närrischer Weise verlohren gehen sollte. Ich will zu ihr.
Claudio. Habe Dank, mein guter Freund, Lucio.
Lucio. Binnen zwo Stunden – –
Claudio. Kommt, Kerkermeister, wir wollen gehen.
(Sie gehen ab.)
(Ein Kloster.)
Der Herzog und Bruder Thomas.
Herzog. Nein, heiliger Vater, laßt diesen Gedanken fahren: Glaubet nicht, daß der schmuzige Pfeil der Liebe einen männlichen Busen durchdringen könne. Die Ursache, warum ich euch um eine geheime Beherbergung bitte, ist wichtiger und ernsthafter, als die ausschweiffenden Absichten der glühenden Jugend.
Bruder. Kan Eure Durchlaucht davon reden – –
Herzog. Mein ehrwürdiger Vater, niemand weiß besser als ihr, wie sehr ich immer das abgesonderte Leben geliebt, und wie wenig ich an den Gesellschaften, wo Jugend, Verschwendung, und fröliche Thorheit sich vereinigen, Geschmak gehabt habe. Ich habe dem Freyherrn Angelo, einem Mann von strengen Sitten und geübter Enthaltsamkeit, meine ganze unumschränkte Gewalt in Wien übertragen; und er ist in der Einbildung, daß ich nach Polen gereißt sey; denn so hab' ich unter die Leute streuen lassen, und so ist es angenommen: Nun, mein frommer Herr, werdet ihr mich fragen, warum ich das thue?
Bruder. Wenn es erlaubt ist, Gnädigster Herr.
Herzog. Wir haben strenge Geseze, (ein nothwendiges Gebiß für unbändige Unterthanen) die wir diese neunzehn Jahre her haben schlaffen lassen, gleich einem überfüllten Löwen, der in seiner Höle ligen bleibt, und nicht auf Beute ausgeht. Wie es nun zu begegnen pflegt, daß wenn allzu zärtliche Väter die Ruthe nicht zum Gebrauch, sondern nur zum Schreken, ihren Kindern vor die Augen steken, sie in kurzer Zeit mehr verlacht als gefürchtet wird; so ist es unsern Gesezen gegangen: Anstatt den Verbrechern den Tod zu geben, sind sie selbst todt; die ungebundne Freyheit zieht die Gerechtigkeit bey der Nase, der Säugling schlägt die Amme, und alle Anständigkeit der Sitten geht verlohren.
Bruder. Es hieng nur von Euer Durchlaucht ab, diese gefesselte Gerechtigkeit wieder los zu lassen, und es würde an Euch furchtbarer geschienen haben, als an Angelo.
Herzog. Ich besorge, nur allzu furchtbar. Da es mein Fehler war, dem Volk so viel Freyheit zu lassen, so würde es Tyranney gewesen seyn, sie für das zu strafen, was ich selbst ihnen zu thun befahl. Denn wir befehlen Böses zu thun, wenn wir den Uebelthaten statt der Straffe ihren freyen Lauf lassen. Dieses ist der wahre Grund, mein Vater, warum ich dieses Amt dem Angelo aufgetragen habe, der unter dem schüzenden Ansehen meines Namens straffen kan, ohne daß, so lange meine Person nicht gesehen wird, der Tadel auf mich fällt. Um aber selbst ein Augenzeuge von dieser Regierung zu seyn, will ich unter dem Namen eines Bruders von euerm Orden, sowol den Regenten als das Volk besuchen. Ich bitte dich also, schaffe mir einen Habit, und unterrichte mich, damit ich die vollständige Person eines ächten Franciscaner-Mönchs spielen könne. Noch mehr Gründe für diese Handlung will ich bey mehrerer Musse eröffnen; einer davon ist dieser: Angelo ist strenge; steht gegen jeden Tadel auf der Hut, gesteht kaum, daß sein Blut fließt, oder daß er zu Brot mehr Appetit hat als zu Stein. Wir können vielleicht bey dieser Gelegenheit lernen, wie viel man sich auf diese strengen Tugenden verlassen kan.
(Sie gehen ab.)
(Ein Frauen-Kloster.)
Isabella, und Francisca.
Isabella. Und habt ihr Kloster-Frauen keine andern Freyheiten?
Francisca. Sind diese nicht groß genug?
Isabella. Ja, freylich; ich frage nicht, als ob ich mehr wünschte; sondern weil ich wünschte, daß die Schwesterschaft der heiligen Clara noch enger eingeschränkt seyn möchte.
Lucio läßt seine Stimme hinter der Scene hören.
Isabella. Was ist das? Wer ruft?
Francisca. Es ist eines Mannes Stimme. Meine liebe Isabella, schließt ihr auf, und fragt ihn was er will; ihr dürft es thun, ich nicht; ihr habt das Gelübde noch nicht gethan; wenn ihr es gethan habt, so dürft ihr mit keiner Mannsperson sprechen, ausser in Gegenwart der Priorin; und auch dann, wenn ihr redet, dürft ihr euer Gesicht nicht zeigen, oder wenn ihr das Gesicht zeigt, dürft ihr nicht reden. Er ruft wieder; ich bitte euch, gebt ihm Antwort.
(Francisca geht ab.)
Isabella. Wer ruft hier?
(Sie macht die Thüre auf.)
Lucio kommt herein.
Lucio. Heil, Jungfrau, wenn ihr seyd, wofür euch diese Rosenwangen ankündigen; wollt ihr so gefällig seyn, und mich vor Isabellen bringen, der schönen Schwester des unglüklichen Claudio, die sich unter den Probe-Schwestern dieses Hauses befindet.
Isabella. Warum des unglüklichen Claudio, laßt mich zurükfragen, indem ich euch sage, daß ich diese Isabella und seine Schwester bin.
Lucio. Holdselige Schöne, euer Bruder grüsset euch; um euch nicht lange aufzuhalten, er ligt im Gefängniß.
Isabella. Weh mir! Und warum?
Lucio. Für etwas, wofür er, wenn ich sein Richter wäre, Belohnung statt Strafe erhalten sollte; er hat einer guten Freundin ein Kind gemacht.
Isabella. Mein Herr, erzählt mir nicht eure eigne Geschichte.
Lucio. Es ist wie ich sage; wenn es gleich meine Schooßsünde ist, den Kybizen mit den Mädchen zu spielen, und ihnen zum Spaß Dinge vorzusagen, wovon mein Herz nichts weiß, so wollte ich doch nicht mit allen Jungfrauen so scherzen. Ich sehe euch für ein geheiligtes und dem Himmel geweyhtes Geschöpf an; und, aufrichtig zu reden, euer Stand macht euch in meinen Augen schon zu einem abgeschiednen seligen Geist.
Isabella. Ihr lästert das Gute, indem ihr meiner spottet.
Lucio. Denket das nicht von mir. In wahrem Ernst, diß ist die Sache: Euer Bruder hat seine Liebste in einen Zustand gesezt, der dasjenige was zwischen ihnen vorgegangen, unleugbar macht.
Isabella. Ist eine schwanger von ihm? – – Meine Base Juliette?
Lucio. Ist sie eure Base?
Isabella. Durch Adoption, durch die Liebe, die wir als Kinder für einander gehabt.
Lucio. Sie ist es.
Isabella. O! So kan er sie ja heurathen.
Lucio. Das ist eben der Knoten. Der Herzog hat sich auf eine sehr seltsame Art von hier wegbegeben; und manchen Edelmann, worunter ich selbst einer bin, in der Hoffnung, einen Antheil an der Staats Verwaltung zu bekommen, getäuscht. Allein wenn denjenigen zu glauben ist, welche die wahren Nerven des Staats kennen, so ist die Bestellung die er gemacht, unendlich weit von seiner würklichen Absicht entfernt. Indessen herrschet an seinem Plaz, und mit seiner ganzen unumschränkten Gewalt, der Freyherr Angelo, ein Mann dessen Blut Schneewasser ist; ein Mann der durch die Stärke seiner Seele, durch Studieren und Fasten den Stachel der Natur stumpf gemacht hat; der die Bewegung der Sinne, und den Trieb der unordentlichen Lust nie gefühlt hat. Dieser, (um den Muthwillen und die Ausgelassenheit, die eine lange Zeit um die drohenden Geseze, wie Mäuse um Löwen, herumgeschwärmt, in Schreken zu sezen) hat ein Gesez hervorgesucht, unter dessen schwerem Inhalt eures Bruders Leben der Todesstraffe verfallen ist; er hat ihn also gefangen gesezt, und will durch Vollziehung der ganzen Strenge des Gesezes, ihn andern zu einem Beyspiel machen. Alle Hoffnung ist hin, wofern ihr nicht das Glük habt, durch eure schöne Fürbitte den Angelo zu rühren; und dieses ist, warum ich euch in euers Bruders Namen bitte.
Isabella. Er will ihm das Leben nehmen, sagt ihr?
Lucio. Er hat das Urtheil schon gesprochen, und der Kerkermeister hat, wie ich höre, schon den Befehl wegen der Hinrichtung.
Isabella. Ach Himmel! Was kan ich ihm also helfen?
Lucio. Versucht die Macht, die ihr habt.
Isabella. Meine Macht? Ach! ich zweifle – –
Lucio. Unsre Zweifel sind Betrüger, und bringen uns oft um das Gute, das wir gewinnen könnten, durch die blosse Furcht vor dem Versuch. Geht zu dem Stadthalter, und laßt ihn erfahren lernen, was die Bitten, die gebognen Knie und die Thränen der Schönheit über einen Mann vermögen.
Isabella. Ich will sehen was ich thun kan.
Lucio. Aber beschleuniget euch.
Isabella. Ich will nicht länger säumen, als um der würdigen Mutter Nachricht von meinem Geschäfte zu geben. Ich danke euch von Herzen; grüsset meinen Bruder: eh es Nacht ist, will ich ihm von meiner Ausrichtung Nachricht geben.
Lucio. Ich beurlaube mich von euch, schöne Schwester – –
Isabella. Lebet wohl, mein gütiger Herr.
(Sie gehen ab.)
(Der Palast.)
Angelo, Escalus, ein Richter, Bediente.
Angelo. Wir müssen kein Schrek-Bild aus dem Gesez machen, das, die Raubvögel zu verscheuchen, aufgestellt wird; und ihm so lang einerley Gestalt lassen, bis die Gewohnheit macht, das sie sich darauf sezen, anstatt davor zu fliehen.
Escalus. Auch ist mein Rath, nur in diesem Fall einige Nachsicht verwalten zu lassen. Ach! der junge Mann den ich retten wollte, hatte einen sehr edeln Vatter. Ich halte Euer Gnaden für einen Mann von strenger Tugend; aber möchtet ihr die Ueberlegung machen, ob ihr selbst, wenn Zeit und Gelegenheit euerm Wunsch oder dem Trieb des feurigen Blutes günstig gewesen wäre, ob ihr nicht selbst in gewissen Augenbliken euers Lebens, in eben diesem Punct, weßwegen ihr ihn strafen wollt, gefehlt und das Gesez wider euch gereizt hättet.
Angelo. Ein anders ist, versucht werden, Escalus, ein anders, fallen. Ich läugne nicht, daß unter den zwölf Geschwornen, die über eines Gefangnen Leben sprechen sollen, einer oder zween seyn können, die noch grössere Diebe sind, als der den sie verhören. Die Gerechtigkeit straft nur die Verbrechen, die ihr bekannt sind. Was weiß das Gesez davon, daß Diebe über Diebe urtheilen? Es ist natürlich, daß wir bey einem Edelstein, den wir finden, still stehen und ihn aufheben, weil wir ihn sehen; aber wenn wir ihn nicht sehen, so treten wir auf ihn und denken nicht daran. Ihr könnt sein Vergehen dadurch nicht verringern, daß ihr voraussezt, ich habe auch solche Fehler machen können; aber dann, wenn ich, der ihn bestraft, mich würklich so vergehe, dann redet, und laßt mein eignes Urtheil mir den Tod zu erkennen. Mein Herr, er muß sterben!
Der Kerkermeister zu den Vorigen.
Escalus. So sey es, wie eure bessere Einsicht es will.
Angelo. Wo ist der Kerkermeister?
Kerkermeister. Hier, zu Euer Gnaden Befehl.
Angelo. Sorget dafür, daß Claudio bis morgen um neun Uhr gerichtet werde. Bringt ihm seinen Beichtiger, laßt ihn vorbereitet werden; denn diese Zeit ist alles, was er noch zu leben hat.
(Kerkermeister geht ab.)
Escalusvor sich. Gut, der Himmel verzeihe ihm! und verzeih' uns allen! Einige steigen durch Sünde, andre fallen durch Tugend: Einige überwälzen sich in Lastern, und werden nur nicht zur Rede gestellet; andre müssen für einen einzigen Fehltritt die Straffe des grösten Verbrechens leiden.
Ellbogen, Schaum, Harlequin und Gerichtsdiener.
Ellbogen. Kommt, führt sie her; wenn das nüzliche Leute im gemeinen Wesen sind, die nichts thun, als das Pflaster treten, und in H** Häusern herumschwärmen, so versteh ich nichts vom Gesez. Führt sie her.
Angelo. Was giebts, mein Herr? Wie heißt ihr? Wovon ist die Rede?
Ellbogen. Mit Euer Gnaden Erlaubniß, ich bin des armen Herzogs Policey-Aufseher in diesem Quartier, und mein Name ist Ellbogen. Ich appelliere an die Justiz, und bringe hier vor Euer Gnaden ein paar notorische Beneficanten.
Angelo. Beneficanten? Was haben sie denn Gutes gethan? Du willt Maleficanten sagen, vermuthlich.
Ellbogen. Euer Gnaden nehmen mir nicht übel, ich weiß nicht wer sie sind; aber ausgemachte Buben sind es, das weiß ich gewiß, und leer an aller Profanation, welche gute Christen haben sollten.
Escalus. Das geht gut; das ist ein weiser Official.
Angelo. Zur Sache; von was für einer Gattung Leute sind sie? Ellbogen heißt ihr? Warum redst du nicht, Ellbogen?
Harlequin. Er kan nicht, Gnädiger Herr; er hat ein Loch im Ellbogen.
Angelo. Wer seyd ihr, Monsieur?
Ellbogen. Er? Ein Bierzapfer, Gnädiger Herr, ein Schlingel von einem H** Wirth, einer der bey einem übelberüchtigten Weibsbild in Diensten ist; dessen Haus, Gnädiger Herr, wie die Leute sagen, in den Vorstädten nieder gerissen worden ist. Izt hält sie ein Badhaus, welches, denk ich, wohl so gut oder nicht besser seyn wird, als ein H** Haus.
Escalus. Woher wißt ihr das?
Ellbogen. Mein Weib, Gnädiger Herr, die ich vorm Angesicht des Himmels und Euer Gnaden detestire – –
Escalus. Wie? dein Weib?
Ellbogen. Ja, Gnädiger Herr, Gott sey Dank, sie ist ein ehrliches Weib – –
Escalus. Und darum detestirst du sie?
Ellbogen. Ich sage Gnädiger Herr, ich detestire mich selbst sowohl als sie, daß dieses Haus, wenn es nicht ein H** Haus ist, so daurt mich ihr Leben, denn es ist ein schlimmes Haus.
Escalus. Und woher weist du es denn?
Ellbogen. Sapperment, Gnädiger Herr, von meinem Weib, die, wenn sie ein Weib wäre, das den cardinalischenEs braucht kaum der Anmerkung, daß Ellbogen den Fehler hat, gerne lateinische Worte einzumengen, die er nicht recht ausspricht; er sagt detestiren für attestiren, cardinalisch für carnalisch. respectirt für suspect, u.s.w. Lüsten nachhienge, in diesem Haus in Hurerey, Ehebruch, und alle Unreinigkeit hätte gerathen können.
Escalus. Durch dieser Frauen Vorschub?
Ellbogen. Ja, Gnädiger Herr, durch Frau Overdons Vorschub; aber sie spie ihm ins Gesicht, wie er sie – –
Harlequin. Mit Euer Gnaden Erlaubniß, es ist nicht so.
Ellbogen. Beweis es, beweis es vor diesen Schurken, du Ehrenmann! beweis es.
Escalus. Hört ihr, wie er sich verspricht?
Harlequin. Gnädiger Herr, sie gieng mit dem Kind als sie in unser Haus kam, und hatte (mit Respect vor Euer Gnaden zu sagen) einen Gelust nach gebratnen Pflaumen; Gnädiger Herr, wir hatten nur zwey im Hause, und die lagen zu eben derselben Zeit, wie das begegnete, in einem Confect-Teller, einem Teller für drey oder vier Groschen; Euer Gnaden haben wol auch solche Teller gesehen, es sind keine Porcellan-Teller, aber sehr gute Teller.
Escalus. Weiter, weiter, es ist am Teller nichts gelegen – –
Harlequin. Nein, in der That nicht, Gnädiger Herr, in diesem Stük hat Euer Gnaden recht: Aber zur Sache zu kommen; wie ich sagte, diese Madam Ellbogen gieng mit dem Kind, und hatte, wie ich sagte, schon einen ziemlich grossen Bauch, und gelüstete, wie ich sagte, nach Pflaumen, und es waren nur noch zwey auf dem Teller, wie ich sagte; denn dieser Herr von Schaum hier, dieser Junker, der hier steht, hatte die übrigen gegessen, wie ich sagte, und er bezahlte sie ehrlich, das muß ich sagen; denn, wie ihr wißt, Junker Schaum, ich konnte euch nicht drey Kreuzer herausgeben – –
Schaum. Nein, in der That.
Harlequin. Das muß wahr seyn; ihr waret eben daran, wenn ihr euch noch erinnert, die Steine von den vorbesagten Pflaumen aufzuknaken.
Schaum. Ja, das that ich, in der That.
Escalus. Fort, ihr seyd ein langweiliger Narr, zur Sache; was that man denn Ellbogens seinem Weib, daß er Ursach zu klagen hat? Kommt auf das, was man ihr that.
Harlequin. Gnädiger Herr, Euer Gnaden kan noch nicht auf das kommen.
Escalus. Das ist auch nicht meine Absicht.
Harlequin. Aber Euer Gnaden soll darauf kommen, mit Euer Gnaden Erlaubniß; und ich bitte euch, sehet einmal diesen Junker Schaum an, Gnädiger Herr, einen Mann von achtzig Pfund Renten des Jahrs, dessen Vater an aller Heiligen Tag gestorben ist. War es nicht aller Heiligen Tag, Junker Schaum?
Schaum. Aller Heiligen Abend.
Harlequin.