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Im vorliegenden Buch beschäftigt sich Nansen mit dem Zerfall der christlichen Weltanschauung und allgemeinen Sittlichkeit, die den Menschen nur Ziel- und Orientierungslosigkeit bescheren. Nansen referiert über den freien Willen des Menschen, die sittlichen Leitsätze der Gesellschaft und über eine bessere Zukunft der Menschheit. Er empfiehlt eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zur dauerhaften Verbesserung der sozialen Lage aller Menschen, wendet sich gegen ausbeuterischen Kapitalismus und plädiert engagiert für gegenseitige Toleranz.
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Seitenzahl: 25
Vorwort
Die Naturgesetze
Keine Unsterblichkeit des Einzelwesens
Die Selbsttäuschung über die Verantwortlichkeit
Die Stützen des Glaubens werden zerbrochen
Furcht beherrscht die Menschheit
Nachbemerkung
Es ist merkwürdig, wie selten man Menschen trifft, die frei und natürlich über ihren Glauben sprechen können, und zwar darüber, ob sie in ihrem besseren Selbst und ihren ehrlichsten Augenblicken wirklich glauben, dass ihr Leben hienieden und nach dem Tode in einer höheren Macht steht. Scheuen sie sich aus Rücksichtnahme auf die herkömmlichen Ansichten der Mitwelt, die sie nicht zerstören wollen? Oder weil die meisten gar nicht zu einer wirklichen, glaubwürdigen Überzeugung gelangten? Vielleicht trifft beides zu.
Als Charles Darwin nach seinem Glauben gefragt wurde, gab er folgendes zur Antwort: »Mir scheint, dass meine Überzeugungen – sie mögen nun sein, wie sie wollen – nur für mich gelten; für andere Menschen sind sie durchaus ohne Belang. Aber wenn ich mich schon darüber äußern soll, so müsste ich feststellen, dass meine Ansichten öfter wechseln. Nicht immer, aber meistens bin ich der Überzeugung, und zwar umso stärker, je älter ich werde, dass die genaueste Bezeichnung meiner religiösen Ansichten die Unkenntnis sei.«
So scheint also zunächst die innerste Glaubensüberzeugung eines Menschen eine rein vertrauliche Angelegenheit zu sein. Da die Glaubensüberzeugung aber das Handeln und das Verhalten zu den Mitmenschen wesentlich bestimmt, ist sie für Letztere doch von Wichtigkeit, und nicht nur Sache des Einzelnen. Dies war schon immer der Fall, heute aber mehr denn je.
Wir leben in einem bemerkenswerten Zeitalter. Wissenschaft und Tatkraft der weißen Rasse haben den ungeheuren Fortschritt ermöglicht und geschaffen. Aber statt ungetrübter Hoffnungen, statt Zuversicht und Kraftbewusstsein, wie sie unseren Fähigkeiten entsprechen müssten, hört man oft die ängstliche Frage: Wohin geht die Menschheit? Wie sieht die Zukunft der westlichen Zivilisation aus? Der letzte Krieg hat jedenfalls seinen Teil dazu beigetragen, unsere Zukunft in düsteren Farben zu sehen. Der Krieg war aber nicht die Ursache der schlechten Aussichten; diese lag weit tiefer: Die denkende Welt befindet sich gegenwärtig in einer schwierigen Verwandlung. Alte, überkommene Wahrheiten sind überholt und zerfallen, und es stehen keine neuen Wahrheiten bereit, um an ihre Stelle zu treten. –
Wir wissen nicht, ob es überhaupt ewige Wahrheiten gibt. Aber da wir einen Verstand mitbekommen haben, sollten wir auch Gebrauch davon machen und uns in solchen Fragen entscheiden, die von solch großer Bedeutung für unsere Lebensführung sind. – Wenn wir unsern Verstand schon einer Richtlinie unterstellen, so doch nur der, die wir als eine Wahrheit unserer Zeit erkannt haben. Wir dürfen unsere Ansichten vom Sein und unsere Weltanschauung von keinen Befehlen irgendeiner Person tyrannisieren lassen, sie mögen begründet sein oder nicht – auch wenn sie sich auf einen angeblichen Gottespropheten berufen – , weil dies weder sittlich noch gut ist. Jeder Befehl: »Du sollst glauben« ist unsittlich. – Wenn wir uns selbst zwingen,