Mein Glück mit dir / Nur Augen für dich / Jeder Schritt zu dir - Lost in Love. Die Green-Mountain-Serie - Drei Romane in einem Band - Marie Force - E-Book

Mein Glück mit dir / Nur Augen für dich / Jeder Schritt zu dir - Lost in Love. Die Green-Mountain-Serie - Drei Romane in einem Band E-Book

Marie Force

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Beschreibung

Die Bände zehn bis zwölf der ›Lost in Love – Die Green-Mountain-Serie‹ von SPIEGEL-Bestsellerautorin Marie Force. ›Mein Glück mit dir‹ Die Zwillinge Lucas und Landon sind ein Herz und eine Seele – bis sie sich beide in Amanda verlieben, die neu in Butler ist. Um deswegen den Kopf freizubekommen, fährt Lucas in ein Ferienhaus in den Bergen. Unterwegs sieht er, wie ein Unfall geschieht und eilt einer jungen Frau und ihrem Baby zu Hilfe. Dani und Lucas verstehen sich vom ersten Augenblick an, doch kann aus ihrer zarten Verbindung etwas Ernstes entstehen? ›Nur Augen für dich‹ Nach einem Feuer braucht Amanda einen neuen Ort, an dem sie bleiben kann. Landon Abbott gewährt der Frau seiner Träume nur zu gern Unterschlupf, doch er macht sich Sorgen wegen allem, was mit seinem Zwillingsbruder Lucas vorgefallen ist. Amanda ist fest entschlossen, einmal im Leben wahre Liebe zu spüren, und Landon lässt ihr Herz wie wild schlagen. Doch überstehen ihre Gefühle auch schwere Zeiten? ›Jeder Schritt zu dir‹ Wie alles begann: Als Lincoln Abbott die junge Molly mit ihrem honigfarbenen Haar zum ersten Mal sieht, ist es sofort um ihn geschehen. Er weiß: Mit dieser Frau wird er den Rest seines Lebens verbringen. Nun beschließen Molly und Lincoln, ihren Kindern ihre unglaubliche Liebesgeschichte zu erzählen. Vom Herzklopfen des ersten Kennenlernens bis hin zu jenem Tag, der die beiden vor eine harte Entscheidung stellte…

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Seitenzahl: 1248

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Marie Force

Mein Glück mit dir / Nur Augen für dich / Jeder Schritt zu dir

Lost in Love – Die Green-Mountain-Serie

Drei Romane in einem Band

 

Aus dem amerikanischen Englisch von Lena Kraus

 

Über dieses Buch

 

 

Die Bände:

 

›Mein Glück mit dir‹

Die Zwillinge Lucas und Landon sind ein Herz und eine Seele – bis sie sich beide in Amanda verlieben, die neu in Butler ist. Um deswegen den Kopf freizubekommen, fährt Lucas in ein Ferienhaus in den Bergen. Unterwegs sieht er, wie ein Unfall geschieht und eilt einer jungen Frau und ihrem Baby zu Hilfe. Dani und Lucas verstehen sich vom ersten Augenblick an, doch kann aus ihrer zarten Verbindung etwas Ernstes entstehen?

 

›Nur Augen für dich‹

Nach einem Feuer braucht Amanda einen neuen Ort, an dem sie bleiben kann. Landon Abbott gewährt der Frau seiner Träume nur zu gern Unterschlupf, doch er macht sich Sorgen wegen allem, was mit seinem Zwillingsbruder Lucas vorgefallen ist.

Amanda ist fest entschlossen, einmal im Leben wahre Liebe zu spüren, und Landon lässt ihr Herz wie wild schlagen. Doch überstehen ihre Gefühle auch schwere Zeiten?

 

›Jeder Schritt zu dir‹

Wie alles begann: Als Lincoln Abbott die junge Molly mit ihrem honigfarbenen Haar zum ersten Mal sieht, ist es sofort um ihn geschehen. Er weiß: Mit dieser Frau wird er den Rest seines Lebens verbringen. Nun beschließen Molly und Lincoln, ihren Kindern ihre unglaubliche Liebesgeschichte zu erzählen. Vom Herzklopfen des ersten Kennenlernens bis hin zu jenem Tag, der die beiden vor eine harte Entscheidung stellte…

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Biografie

 

 

Als Marie Force Urlaub in Vermont, USA, machte, spürte sie sofort, dass diese wunderschöne, unberührte Landschaft die perfekte Kulisse für unwiderstehlichen Lesestoff bietet. Auf der Suche nach Souvenirs entdeckte sie in einer idyllischen Kleinstadt den Green Mountain Country Store und lernte dessen Besitzer kennen: eine moderne und sympathische Familie, die mit großer Freude heimische Produkte verkauft. Und schon sah Marie Force das Setting für die Romane vor sich. Fehlt nur noch die Liebe … aber die findet sich in Butler, dem fiktiven Städtchen in dieser Serie, zum Glück an jeder Ecke.

Marie Force lebt mit ihrer Familie in Rhode Island, USA, sie ist New-York-Times- sowie SPIEGEL-Bestsellerautorin, und allein in den USA verkauften sich ihre Bücher über 4 Millionen Mal.

Inhalt

Buch 1: Mein Glück mit dir

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

Epilog

Danksagung

Buch 2: Nur Augen für dich

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

Epilog

Danksagung

Buch 3: Jeder Schritt zu dir

1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

Epilog

Danksagung

Marie Froce

 

Mein Glück mit dir

1

Im Leben geht es nicht darum, sich zu finden.

Im Leben geht es darum, sich selbst zu erschaffen.

George Bernard Shaw

Es hatte genau siebenundzwanzig Jahre gedauert, bis Lucas Abbott sich zum ersten Mal wünschte, er wäre nicht als Zwilling geboren worden. Sonst liebte er es, die Hälfte der beiden jüngeren Abbott-Brüder zu sein, die Fröhlichkeit und gute Laune verbreiteten, wohin sie auch gingen.

Aber jetzt? Jetzt war er sauer auf seinen Doppelgänger, sauer auf jede nur denkbare Art und Weise. Lucas und Landon sahen so völlig gleich aus, dass selbst ihre eigenen Geschwister sie regelmäßig verwechselten, und sie hatten auch exakt dieselben Interessen. Sie hatten denselben Freundeskreis, denselben Tagesablauf, dasselbe Leben, und dazu gehörte auch, wie Lucas jetzt zu seiner Verzweiflung feststellen musste, der gleiche Geschmack, was Frauen anging.

Er hatte gehört, wie Landon von seinem Date mit Amanda Pressley gesprochen hatte, der Frau, mit der Lucas zwei Abende zuvor aus gewesen war.

Es war das beste erste Date gewesen, das er je gehabt hatte, aber dann hatte er mitbekommen, wie Landon ihrem Bruder Will genau dasselbe erzählt hatte. Als er das hörte, löste sich die Euphorie, die ihn seit seinem Date erfasst hatte, in Luft auf wie Wasserdampf in der Kälte.

Heute Abend würde sich die komplette Abbott-Familie in der Scheune, wo alle zehn Geschwister aufgewachsen waren, treffen, um seinen und Landons Geburtstag zu feiern, und er würde so tun müssen, als sei alles in Ordnung. Man würde ihn und den Menschen feiern, mit dem er gerade am allerwenigsten Zeit verbringen wollte. Alleine das war eine komplett neue Situation, denn normalerweise waren Landon und er »wie Pech und Schwefel«. So beschrieb es zumindest ihr Großvater.

Lucas trat aus der Dusche im Dachgeschoss der Scheune, die zu der von Landon geleiteten Weihnachtsbaumplantage der Familie gehörte. Landon hatte hier nicht einziehen wollen, also hatte er ihm den Vorrang gelassen und sich selbst eine Wohnung am Rand von Butler, ihrem Heimatstädtchen, gesucht. Eine Zeitlang hatten sie sogar darüber nachgedacht, sich die Wohnung zu teilen.

Gott sei Dank hatten sie das nicht getan, denn wenn es so wäre, würde er genau jetzt seine Koffer packen.

Er betrachtete sein Spiegelbild, und der Mann, den er sah, hatte sich verändert. Vielleicht lag es an seinem Geburtstag, vielleicht daran, dass er zum ersten Mal einer Frau begegnet war, die ihn wirklich interessierte. Er war sich nicht sicher, aber irgendetwas war definitiv anders. Er hatte sich den Bart, den er sonst den Winter über wachsen ließ, abrasiert, weil er gedacht hatte, dass er Amanda so besser gefallen würde. Jetzt ließ er ihn wieder wachsen, was glücklicherweise sehr schnell ging. Er wollte auf keinen Fall mit Landon verwechselt werden.

Die ganze Situation machte ihn angespannt und unausgeglichen. Er schlüpfte in sein gewohntes Winteroutfit – Thermo-Unterwäsche, ein Flanellhemd, eine Jeans und gefütterte Stiefel –, bevor er hinaus in die gefrorene Tundra trat und sich auf den Weg zu seiner Familie machte. Er hätte irgendeine Krankheit erfinden sollen, um dem alljährlichen Pizza- und Geburtstagskuchenessen zu entgehen, aber genau wie alle seine Geschwister erfreute sich Lucas einer außergewöhnlich guten Gesundheit. Niemand hätte ihm geglaubt, wenn er gesagt hätte, dass er krank sei.

Und weil das Letzte, was er wollte, war, dass seine Familie ihn mit Fragen löcherte, stieg er in seinen Truck und nahm den kürzesten Weg durch die Stadt. In der Elm Street fuhr er am Green Mountain Country Store der Familie zu seiner Rechten und dem Diner seiner Schwägerin Megan zu seiner Linken vorbei. Wenn man es genau nahm, gehörte der Diner seinem Großvater Elmer, aber Megan war diejenige, die den Laden schmiss.

Als Lucas die überdachte Brücke erreichte, die man überquerte, bevor man auf dem Weg zur Abbott-Scheune in die Hells Peak Road abbiegen musste, trat er hart auf die Bremse. Gerade noch rechtzeitig kam sein Truck zum Stehen, sonst wäre er mit Fred, dem Stadtelch, zusammengestoßen. Wie immer stand Fred seelenruhig mitten auf der Straße.

Lucas drückte auf die Hupe.

Fred schaute sich verstört zu ihm um, bewegte sich aber nicht vom Fleck.

»Na toll.« Lucas zog die Handbremse an und lehnte sich zurück. Er musste sich wohl damit abfinden, zu spät zu seiner eigenen Geburtstagsfeier zu kommen. Er wünschte, er wäre in seiner Werkstatt und könnte sich in der Holzarbeit verlieren, die seine Seele nährte, vor allem in Zeiten wie diesen, wo seine Seele das besonders nötig hatte. Streit mit jemandem aus seiner Familie war einfach das Schlimmste. Streit mit Landon zu haben machte ihn völlig fertig.

In einer Familie mit zehn Kindern gab es immer wieder Meinungsverschiedenheiten, und ab und zu auch echte Prügeleien. Aber er hatte noch kein einziges Mal wirklich Streit mit Landon gehabt, der während der siebenundzwanzig Jahre, die sie gemeinsam verbracht hatten, immer sein bester Freund und Verbündeter gewesen war.

Bis Amanda in die Stadt kam und sie beide beschlossen, sie zum Essen einzuladen. Sie hatte beide Einladungen angenommen. Niemand nahm ihn und Landon ernst, warum also hätte ausgerechnet sie das tun sollen? Vor allem nach dem, wie sie sich benommen hatten, während sie das Sexspielzeug erklärte, das von nun an im Geschäft ihrer Eltern zu haben sein würde.

Im Nachhinein waren Lucas die Fragen, die sie Amanda gestellt hatten, peinlich. Es war fast so, als könnten sie nicht anders; andererseits gibt es wohl kaum jemanden, der sich in einem Raum voller Sexspielzeug und Familienmitglieder zu benehmen weiß. Amanda war so professionell mit ihnen umgegangen, dass er sich sicher war, dass sie es nicht zum ersten Mal mit unreifen Kommentaren zu tun gehabt hatte. In ihrem Job traf sie wahrscheinlich ständig auf Typen wie ihn und Landon, die das Ganze höchst amüsant fanden.

Wahrscheinlich fand sie sie beide bescheuert und hatte sich nur aus Gutmütigkeit auf die Dates eingelassen. Ihre Firma hatte mit ihrer Familie ein wichtiges Geschäft abgeschlossen, also war sie nett – und professionell.

Der Gedanke machte ihn wütend und traurig zugleich. Wenn Landon sie nicht zur gleichen Zeit wie er gefragt hätte, hätten sie nun nicht das Problem, dass sie mit derselben Frau ausgingen. Es war einfach lächerlich, jetzt, wo er richtig darüber nachdachte. Keiner von ihnen hatte sich je besonders viel Mühe geben müssen, um Aufmerksamkeit von Frauen zu bekommen. Genau genommen bekamen sie ständig mehr Aufmerksamkeit, als sie wollten. Warum also musste Landon jetzt, wo es zum ersten Mal wirklich darauf ankam, derselben Frau schöne Augen machen?

Seine Wut auf Landon sorgte dafür, dass Lucas sich ganz krank fühlte. Es widerstrebte jedem einzelnen seiner natürlichen Impulse, seinem Zwilling so aus dem Weg zu gehen, wie er das heute schon den ganzen Tag über getan hatte. Sie waren ihr Leben lang beste Freunde gewesen. Selbst wenn die anderen Geschwister sich anfauchten, hatten Landon und er darübergestanden. Klar, sie hatten auch mal Streit mit den anderen Geschwistern gehabt, aber nie untereinander. Hunter und Hannah, den ältesten Abbott-Geschwistern, die auch Zwillinge waren, ging es nicht anders. Sie waren beste Freunde.

Der Gedanke, dass er diese Verbindung zu Landon verlieren könnte, tat weh, vor allem, weil sie so viel Zeit miteinander verbrachten. Sie waren zusammen bei der Feuerwehr im Einsatz, fuhren zusammen Ski, kletterten, wanderten und gingen allen möglichen anderen Outdoor-Sportarten nach, wenn es sich ergab – immer zusammen.

Und wenn er sich entscheiden müsste, Landon oder Amanda …

Er schnaubte durch die Nase. Natürlich war ihm sein Bruder wichtiger als eine Frau, die er gerade erst kennengelernt hatte, aber das Ganze war wirklich ein fieses Dilemma.

Als könnte er Lucas’ Gedanken lesen, stieß Fred ein lautes Muhen aus.

Lucas drückte wieder auf die Hupe und hoffte, dass er Fred diesmal überzeugen konnte, zur Seite zu gehen. Aber Fred hatte keine Angst vor Autos – oder vor überhaupt irgendetwas, wenn man es genau nahm, außer vor Hannah. Sie konnte auf eine Art und Weise mit dem Elch umgehen, die ihren Mann, Nolan, fast um den Verstand brachte. Er hatte Angst, dass der riesige Elch, dem Hannah alle möglichen Kosenamen verlieh, die zierliche Frau einfach plattwalzen würde.

Lucas probierte es mit der Sirene, die für Notfälle an seinem Truck angebracht war, aber Fred starrte ihn nur verächtlich an, als wollte er sagen: »Mehr hast du nicht drauf?«

Über Fred nachzudenken war deutlich einfacher, als sich zu fragen, was er wegen seinem Bruder und Amanda unternehmen sollte.

Sein Date mit ihr war nahezu perfekt gewesen. Das Gespräch hatte nie gestockt, sie hatten über dieselben Sachen gelacht, sie hatten ähnliche Interessen, und sie fand seine kleine Stadt in Vermont und den Green Mountain Country Store, den seine Familie seit Generationen führte, einfach toll.

Sie hatte ihm Tausende Fragen zum Familiengeschäft und darüber gestellt, wie die Abbotts es schafften, Privates vom Beruflichen zu trennen. Auch wenn Lucas nicht direkt im Laden arbeitete, war dieser immer Teil seines Lebens gewesen, und er konnte ihre Fragen genauso gut beantworten wie alle anderen aus der Familie. Er verkaufte den Großteil seiner Holzarbeiten im Country Store, handgefertigte Betten, Frisiertische und Kommoden und kleinere Gegenstände wie die geschnitzten Holzelche. Die verkauften sich so schnell, dass er nie genug schnitzen konnte. Er hatte also definitiv eine Verbindung zu ihrem Familienladen.

Lucas öffnete das Autofenster und steckte den Kopf raus. »Komm schon, Fred, sei fair. Ich hab heute Geburtstag, und es ist sowieso schon der reinste Dreckstag gewesen. Fass dir ein Herz und beweg dich ein bisschen, okay?«

Fred betrachtete ihn, als würde er eingehend über seine Bitte nachdenken.

»Bitte?«

Mit einem weiteren lauten »Muuuh!« machte Fred einen Schritt vorwärts, und dann noch einen.

»Hat er ernsthaft darauf gewartet, dass ich bitte sage?«, fragte Lucas das Universum, schloss das Fenster, machte den Motor wieder an und fuhr über die Brücke nach Hause. Er wohnte schon seit Jahren nicht mehr in der roten Scheune, aber für ihn und seine Geschwister würde sie trotzdem immer ein Zuhause sein. Die Einfahrt war mit Trucks und Pick-ups zugeparkt, den einzigen Autos, die den brutalen Wintern in Vermont gewachsen waren. Sein Großvater Elmer schien ebenfalls gerade angekommen zu sein.

Lucas stellte seinen Truck ab und stieg aus, um Elmer zu begrüßen, der stehen geblieben war, um auf ihn zu warten.

»Oh, hey, Luc.« Elmer sagte seinen Namen erst, nachdem er ihn eingehend gemustert hatte, um sicher zu sein, dass er den Richtigen erwischte. Elmer war einer der wenigen Menschen, die so gut wie nie danebenlagen. »Ich konnte im Dunkeln gar nicht sehen, welche Farbe dein Truck hat.«

Seiner war dunkelblau, Landons schwarz. Dasselbe Modell; wie überraschend.

Lucas umarmte seinen Großvater. »Wie geht’s dir, Gramps?«

»Gut, gut.« Er klopfte Lucas auf den Rücken. »Alles Gute zum Geburtstag, Junge.«

»Danke.«

»Ich kann nicht fassen, dass du schon siebenundzwanzig bist. Wo zum Teufel sind nur die Jahre geblieben?«

»Und immer noch kein bisschen reifer.«

»Das hast du jetzt gesagt.«

Lucas lachte und hielt Elmer die Tür zum Vorraum auf. »Hab dir diese schwere Aufgabe mal abgenommen.«

»Ihr Jungs habt eben gerne euren Spaß. Das ist völlig in Ordnung.«

Noch vor ein paar Tagen hätte er seinem Großvater uneingeschränkt zugestimmt. Jetzt fragte er sich, wie man den Übergang vom Spaßvogel zum erwachsenen Mann schaffen konnte. Das war sein Ziel für das neue Lebensjahr. Seine Geschwister würden sich schonungslos über ihn lustig machen. Und auch alle anderen, die sich über die Jahre gewisse Erwartungen bezüglich seines Charakters aufgebaut hatten, würden ihn nicht leicht davonkommen lassen, aber das würde ihn nicht daran hindern, sein Ziel zu erreichen.

Einen Plan zu haben half ihm, sich besser zu fühlen, als er seinen Mantel an den Haken mit seinem Namen hängte, links von Landons. Er war zehn Minuten vor Landon zur Welt gekommen. Weil Landons Haken noch frei war, wusste Lucas, dass er vor ihm angekommen war. Ein Blick auf die restlichen Haken verriet ihm, dass alle anderen schon da waren.

Lucas nahm die Mütze ab, steckte sie in seine Manteltasche und fuhr sich mit den Fingern durch sein dunkelblondes Haar, um ein Mindestmaß an Ordnung hineinzubringen. Um diese Jahreszeit waren in Vermont sämtliche Frisuren von den Mützen plattgedrückt. Dann betrat er die Küche, wo ihn seine Mutter mit einem herzlichen Lächeln in Empfang nahm.

»Da ist ja endlich einer meiner Ehrengäste.«

Lucas fragte sich, wie es wohl wäre, einen Geburtstag ganz für sich alleine zu haben, hatte aber sofort ein schlechtes Gewissen wegen diesem Gedanken. »Hi, Mom.«

Molly Abbott, ihr weißes Haar wie immer zu einem langen Zopf geflochten, strahlte vor Freude über den Abend mit ihrer Familie. Sie nahm ihn in die Arme. »Alles Gute zum Geburtstag, Luc. Die Siebenundzwanzig steht dir gut!«

Er streckte das Kinn vor. »Besser als sechsundzwanzig?«

»Viel besser.«

»Schlechter konnte es ja wohl kaum werden«, meldete sich sein jüngster Bruder Max zu Wort, der in diesem Augenblick mit seinem Sohn Caden auf dem Arm in die Küche trat.

Molly versuchte, ihr Grinsen zu verstecken, scheiterte aber kläglich.

Lucas warf seinem Bruder einen finsteren Blick zu und streckte die Arme nach Caden aus. Aus dem Wohnzimmer erklang die reinste Kakophonie – sicher schaute der Rest der Familie ein Eishockeyspiel.

Max reichte ihm das Baby. »Hör nicht auf das, was er sagt, und tu nichts, was er tut.«

Nach den Entwicklungen der letzten Zeit verletzten Max’ Worte Lucas. Nicht, dass er den gutgemeinten Seitenhieb nicht verdient hätte. Das tat er mit Sicherheit, aber das würde sich jetzt ändern, ab sofort. Er drückte Caden an sich und gab ihm einen Kuss auf sein seidiges Köpfchen. Der kleine Kerl roch immer so verdammt gut! Sein Fäustchen griff nach Lucas’ Hemdkragen und erwischte ein paar Brusthaare. Lucas zuckte zusammen. »Vorsicht, Kleiner. Onkel Lucas braucht keine kahlen Stellen. Jedenfalls noch nicht.«

»Hey!«, rief seine große Schwester Hannah begeistert, als sie in die Küche kam und fast mit Lucas zusammenstieß. »Alles Gute zum Geburtstag!«

»Danke.« Er beugte sich vor, weil sie ihn auf die Wange küssen wollte. »Wo ist denn meine Nichte?«

»Bei ihrem Daddy. Sie kann in letzter Zeit gar nicht genug von ihm bekommen. Außer sie hat Hunger, dann ist Mommy die Nummer eins.«

Lucas lächelte, als er Hannahs Gesichtsausdruck sah. Er spiegelte perfekt wider, dass sie sich zwar gerne darüber geärgert hätte, aber viel zu sehr in ihre kleine Tochter, auf die sie so lange gewartet hatte, vernarrt war. Und in ihren Mann, der sie so verdammt glücklich machte. »Fred war mal wieder Fred. Stand mitten im Weg, direkt vor der Brücke, und hat die ganze Straße blockiert.«

»Er ist in letzter Zeit wirklich widerspenstig.« Hannah verhielt sich immer, als hätte sie einen direkten Draht zu Freds Gefühlen, und das stimmte auch irgendwie, nur dass niemand das zugeben wollte. Sie musste in ihrer Elchflüsterei wirklich nicht auch noch bestärkt werden. In ihren Augen war ihre Beziehung zu einem ausgewachsenen Elch kein bisschen seltsam. Alle anderen sahen das anders, vor allem Nolan, dem ihre Begegnungen mit dem Elch immer wieder Sorgen bereiteten. »Er ist einfach nicht er selbst, seit ich den kleinen Dexter mit nach Hause genommen habe.«

»Hast du mal darüber nachgedacht, dass Fred den kleinen Dexter vielleicht gerne um sich hatte und es nicht besonders toll fand, dass du dich eingemischt hast?«

»Natürlich habe ich darüber nachgedacht, aber er kann doch unmöglich ein Elchkalb aufziehen.«

Lucas wiegte Caden, der eingeschlafen war, sanft hin und her und riss ungläubig die Augen auf. »Aha. Und du schon?«

»Ich kann es jedenfalls besser als Fred. Bei mir bekommt der arme Kleine wenigstens regelmäßige Mahlzeiten und ganz viel Liebe.«

»Unglaublich wichtig für junge Elche.«

»Babys brauchen immer viel Liebe. Elchbabys sind sicher keine Ausnahme.«

Lucas musste sich alle Mühe geben, um nicht die Augen zu verdrehen. Er wusste, dass sie das Ganze völlig ernst meinte, und das hielt ihn davon ab, sich über sie lustig zu machen. Das und sein Beschluss, sich mehr wie ein Erwachsener aufzuführen und weniger wie ein Idiot. Im Wohnzimmer fing ein Baby an zu weinen, und Hannah wirbelte herum, um zu ihrer Tochter zu gehen. »Apropos Babys …«

Als sie nach nebenan verschwunden war, schaute Lucas auf Cadens schlafendes Gesicht hinunter. »Tante Hannah ist vielleicht ein bisschen verrückt, aber auf die bestmögliche Art.« Lucas bewunderte seine ältere Schwester mehr als irgendjemand anderen, den er kannte. Nachdem sie mit dem Verlust ihres ersten Mannes Caleb, der im Irak gefallen war, fertigwerden musste, war es eine echte Inspiration gewesen zu sehen, wie die Liebe zwischen ihr und Nolan gewachsen war. Und jetzt hatten sie ihre Tochter Caleb, die sie Callie nannten, und Hannah lächelte die ganze Zeit. Wenn es sie glücklich machte, sich um einen kleinen Elch zu kümmern, dann sollte es so sein. Niemand hatte Glück mehr verdient als Hannah.

»Hat sie schon wieder über ihren Babyelch geredet?«, fragte Nolan mit vollem Mund.

»Vielleicht?« Lucas wollte keinen Ehekrach auslösen.

Nolan stöhnte. »Sie ist komplett verrückt. Letztens wollte sie ihn sogar mit ins Haus nehmen. Hat behauptet, es sei draußen zu kalt für ihn. Ich muss sie die ganze Zeit daran erinnern, dass er ein wildes Tier ist, kein Schoßhund.«

»Wenn sie mit ihm fertig ist, ist er wahrscheinlich einer.«

»Genau davor habe ich ja Angst – ein ausgewachsener Elch im Bett zwischen mir und meiner Frau.«

Lucas prustete vor Lachen. »Ist wahrscheinlich wirklich besser, das zu verhindern, solange du noch kannst.«

»Ach wirklich?«

»Was soll hier verhindert werden?« Lucas’ Vater Lincoln kam aus dem Wohnzimmer zu ihnen.

»Hannahs Affäre mit dem kleinen Elch«, antwortete Nolan. »Wenn es nach ihr ginge, würde er bei uns im Bett schlafen.«

»Oje«, meinte Lincoln. »Dann ist es wahrscheinlich wirklich besser, das zu verhindern.«

»Ich sage es ja nicht gerne, Linc, aber deine Tochter ist nicht besonders leicht zu bändigen«, sagte Nolan.

»Das hat sie von ihrer Mutter«, erklärte Linc.

»Ich höre dich, Lincoln Abbott«, mischte sich Molly ein, »und du wirst das später noch bereuen.«

»Entschuldige, Nolan«, sagte Lincoln. »Du musst wohl alleine damit fertig werden.« Er ging zu seiner Frau. »Du hast dich verhört, Liebling.«

»Nein, hab ich nicht.«

»Kein Wunder, dass meine Frau komplett verrückt ist«, sagte Nolan. »Sie ist in einem Irrenhaus aufgewachsen.«

Lucas musste grinsen. »Und das fällt dir jetzt erst auf?«

»Oh, es ist mir schon seit einer ganzen Weile klar.« Nolan war mit Lucas’ älteren Geschwistern zusammen aufgewachsen und ging schon seit Jahren in der roten Scheune ein und aus. In Hannah hatte er sich erst Jahre nach dem Tod seines guten Freundes Caleb verliebt. Und niemand würde je an seiner großen Liebe für Hannah zweifeln, egal, was er über sie und den Elch sagte.

Die Tür zum Vorraum fiel mit einem Knall ins Schloss, und Caden schreckte auf.

Lucas klopfte dem Baby leicht auf den Rücken. »Alles gut, Kleiner.«

»Knall doch nicht immer diese Tür so zu«, sagte Molly zu Landon.

»Entschuldige, Mom.« Landon gab Molly einen lauten Schmatz auf die Wange. »Ich habe Geburtstag, darf ich da nicht ein bisschen mit den Türen knallen?«

»In diesem Haus werden keine Türen geknallt, auch nicht am Geburtstag. Steht im Regelbuch der Familie Abbott.«

»Ich habe meine Ausgabe nie bekommen«, erklärte Landon. Lucas grinste. Er hätte genau dasselbe gesagt. »Mom, du erinnerst dich sicher an Amanda, oder? Ich hoffe, es ist okay, dass ich sie eingeladen habe.«

Lucas erstarrte.

Landon hatte Amanda zu ihrem Geburtstagsessen eingeladen? Das durfte doch nicht wahr sein.

»Natürlich ist das okay«, sagte Molly. »Je mehr, desto besser. Ein Familienmotto der Abbotts. Das du kennen würdest, wenn du das Regelbuch gelesen hättest. Willkommen in unserem Irrenhaus, Amanda.«

Als er Amanda lachen hörte, wollte Lucas sich umdrehen und sie anschauen, aber er blieb wie angewurzelt stehen. Er konnte kaum atmen, geschweige denn sich bewegen. »Vielen Dank, Mrs. Abbott.«

»Bitte nenn mich Molly. Das machen alle so.«

Lucas war wie betäubt. Seine Gedanken rasten, während er versuchte, die Situation zu erfassen. Amanda war zu ihrer Geburtstagsfeier gekommen. Mit Landon.

Das war der schlimmste Geburtstag aller Zeiten.

2

Wer es wagt, eine Stunde Lebenszeit zu verschwenden,

hat den Wert des Lebens noch nicht kennengelernt.

Charles Darwin

Wie immer servierte ihre Mutter zu ihrem Geburtstag selbstgemachte Pizza – Zwiebel mit Würstchen für ihn und Paprika-Pepperoni für Landon, und natürlich die Lieblingssorten der anderen Familienmitglieder.

Normalerweise liebte Lucas diese Tradition und wie sich seine Mutter selbst die kleinen Details zu jedem ihrer zehn Kinder merkte, selbst jetzt, wo sie erwachsen waren und manche von ihnen schon selbst Kinder hatten.

Aber am heutigen Abend, wo Landon ihm mit Amanda gegenübersaß, konnte Lucas die wunderbare Pizza kaum herunterschlucken, und auch mit dem Bier, das sein Vater ihm aufgemacht hatte, hatte er zu kämpfen. Es gab nichts, was er zu irgendjemandem hätte sagen wollen – und auch das kam nur sehr selten vor. Lucas Abbott hatte immer etwas zu sagen, vor allem, wenn er von seiner lauten, lebhaften Familie umgeben war. Alle waren gekommen, um den Geburtstag der Zwillinge zu feiern. Als achtes von zehn Kindern lernte man früh, wie man sich Gehör verschaffte.

Wenn alle da waren, kamen mittlerweile leicht zwanzig Menschen zusammen, vor allem jetzt, wo seine Geschwister unaufhaltsam Beziehungen eingingen, heirateten und Kinder bekamen.

Erst kürzlich hatte ihr einzelgängerischer, ruhiger Bruder Wade alle schockiert, als er mit seiner Frau Mia aufgetaucht war. Kaum einer von ihnen hatte sie kennengelernt, bevor sie und Wade sich das Jawort gegeben hatten. Das war unerwartet gewesen. Mias jahrelang verschollener Vater würde im Juni eine riesige Hochzeitsfeier in Boston ausrichten, wo sie alle hinfahren würden. Würde Landon Amanda dann auch mitbringen?

Der Geräuschpegel im Raum war wahrscheinlich laut genug, um es auf die Richterskala zu schaffen. Normalerweise wäre er maßgeblich daran beteiligt. Jetzt hatte er schreckliche Kopfschmerzen.

Elmer berührte seinen Arm. »Was ist denn los mit dir?« Lucas war froh, dass sein Großvater leise gesprochen hatte, so dass niemand sonst die Frage hörte.

»Nichts.«

»Sieht dir gar nicht ähnlich, so an der Pizza herumzupicken. Normalerweise schlingst du sie nur so in dich hinein.«

»Ich hab heute Abend nicht so viel Hunger.«

Elmer runzelte die Stirn und legte Lucas die Hand auf die Stirn. »Fieber hast du nicht.«

Molly war Elmers Bewegung nicht entgangen. »Was ist los?«

»Gar nichts. Die Pizza ist super, Mom.«

Auch wenn sie seine Antwort akzeptierte, wusste Lucas genau, dass er seiner Mutter nichts vormachen konnte.

Genau wie immer brachte sie als Nachspeise eine riesige Torte an den Tisch, halb Schoko für ihn und halb Vanille für Landon, und sie bliesen zusammen die Kerzen aus. Genauso hatten sie es schon sechsundzwanzigmal gemacht, und noch nie hatte Lucas gedacht, dass er als erwachsener Mann so langsam seine eigene verdammte Torte verdient hätte. Bis heute.

»Alles Gute zum Geburtstag, Bruderherz«, sagte Landon mit einem herzlichen Lächeln.

»Dir auch.« Lucas hielt es fast nicht aus, seinem Zwillingsbruder ins Gesicht zu schauen, das seinem bis ins kleinste Detail glich. Er fühlte sich ganz nackt ohne den Bart, der ihn wenigstens ein wenig von seinem eineiigen Zwilling unterschieden hatte.

Offensichtlich zog Amanda seinen Bruder ihm vor, wenn es etwas bedeutete, dass sie über jede bescheuerte Kleinigkeit lachte, die er von sich gab.

Sie hatte ihr dunkles Haar für die Feier hochgesteckt, was ihre wunderschönen grünen Augen und die Sommersprossen auf ihrer Nase, die er süß und gleichzeitig wahnsinnig sexy fand, noch mehr zur Geltung brachte. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass sie so viel gekichert hatte, als sie zusammen ausgegangen waren, und er war dankbar dafür. Im Allgemeinen hatte er übermäßiges Kichern noch nie besonders attraktiv gefunden.

Aber er wollte verdammt sein, wenn er den Rest von ihr nicht trotzdem besonders attraktiv fand. Sie war einfach unglaublich sexy, das hatte er schon gedacht, als er sie zum ersten Mal im Konferenzsaal gesehen hatte, umgeben von den Spielzeugen, deren Verwendung sie seiner gesamten Familie erklärt hatte.

Und nein, es hatte nicht an den Spielzeugen gelegen. Es lag ganz allein an ihr. Wie selbstbewusst sie in einem Raum voller Fremder über Dinge gesprochen hatte, über die sich die meisten Leute selbst im privaten Bereich ausschwiegen, hatte ihn wirklich für sie eingenommen. Das war eine Frau, die sich ihrer Sexualität bewusst war und die wusste, dass sie die Freiheit hatte, diese auch zu leben.

Das war es, was sein Interesse an ihr geweckt hatte. Während des Abends, den sie gemeinsam verbracht hatten, war es dann gewachsen. Sie hatten sich so gut unterhalten – das kam selten vor, wenn er jemanden gerade erst kennengelernt hatte.

Sie hatten über alle möglichen Themen gesprochen, ihre Familien, ihre Heimatstädte, welche Sportarten sie mochten, Filme, Bücher, Serien, und es war … leicht gewesen. Es hatte Spaß gemacht. Er hatte es sofort wiederholen wollen und den Eindruck gehabt, dass es ihr genauso ging. Aber wenn er sie jetzt mit Landon beobachtete, konnte er deutlich sehen, dass zwischen den beiden ebenfalls eine Verbindung bestand. Wenn das so war, gab es nichts, was er dagegen tun konnte. Sie war die Einzige, die eine Entscheidung treffen konnte, und das hatte sie offensichtlich getan.

Er stand auf.

»Wo gehst du hin?«, fragte sein Großvater überrascht.

»Muss nach Hause. Morgen geht’s früh los.«

»Wo musst du denn hin?«, fragte nun auch Landon.

»Vertretung für Denny«, sagte Lucas. Denny war einer der Rettungssanitäter, mit denen sie zusammenarbeiteten. »Seine Frau hat einen Ultraschalltermin, sie lassen das Geschlecht des Babys bestimmen.«

»Oh, cool.«

»Du hast noch gar nicht deine Geschenke aufgemacht«, warf Molly ein.

»Ich hab doch gesagt, ich will keine Geschenke.«

»Und wann machen wir jemals, was du sagst?«, fragte Lincoln.

Lucas nahm sich die Zeit, die Geschenke von seinen Eltern aufzumachen. Neue Holzwerkzeuge, ein Schlafsack (sein alter war kaputtgegangen), Cargo-Shorts, wie er sie im Sommer immer trug, ein Buch über Lewis und Clarke, das er schon länger hatte kaufen wollen, und eine GPS-Uhr.

»Vielen Dank, Mom. Die Sachen sind wirklich super.«

»Sehr, sehr gerne.«

Er wusste es zu schätzen, dass sie verstand, dass er gehen wollte, und hoffte, dass sie wusste, dass es nicht an der Familie lag.

Morgen würde er Dennys Schicht übernehmen, danach hatte er drei freie Tage vor seiner nächsten Schicht bei der Feuerwehr. Genug Zeit, um ein paar Tage aus der Stadt zu verschwinden. Wenn sein Bruder mit Amanda zusammenkam, wollte er das Ganze wenigstens nicht sehen müssen.

Nachdem er sich von den anderen verabschiedet hatte, ging er in den Vorraum. Seine Mutter wartete schon auf ihn.

»Du hättest wirklich nicht diese ganzen Geschenke kaufen sollen, Mom.«

Sie zuckte die Achseln. »Es macht mir Spaß, Sachen rauszusuchen, von denen ich denke, dass sie dir gefallen.«

»Na ja, vielen Dank. Für die Geschenke, und die Pizza, und den Kuchen. Für alles.«

»Geht es dir gut, Luc? Du bist heute Abend so gar nicht du selbst.«

»Alles gut. Ich kämpfe nur mit einer Erkältung.«

»Bist du sicher, dass das alles ist?«

»Ja.« Niemals würde er zugeben, dass er eifersüchtig auf seinen Bruder war. So ein dummes, unnötiges Gefühl, und er hatte noch nicht oft genug damit zu tun gehabt, um zu wissen, wie er damit umgehen sollte. Er gab seiner Mutter einen Kuss auf die Stirn. »Ich habe ein paar Tage frei und fahre morgen nach Stowe.« Einer seiner besten Freunde vom Bowdoin College lebte in Stowe, also würde es niemanden wundern, dass er dorthin fuhr. Sie mussten ja nicht wissen, dass er dieses Mal nicht vorhatte, Craig zu besuchen.

»Es soll Schnee geben. Fahr vorsichtig.«

»Das werde ich. Mach dir keine Sorgen.«

»Du weißt doch, dass es keinen Sinn hat, mir zu sagen, dass ich mir keine Sorgen machen soll.

»Aber das brauchst du nicht. Wenn es eine Sache gibt, die deine Kinder sicher können, dann ist es, auf sich aufzupassen. Dafür hast du gesorgt.«

»Stimmt. Darauf bin ich wirklich stolz.«

»Dann mach dir keine Sorgen. Ich hab Schnee in meiner DNA.« Er nahm sie in die Arme und ging eilig zur Tür hinaus, bevor er noch einmal Landon mit Amanda sehen musste. War es lächerlich, vor ihnen wegzulaufen? Bestimmt, und das wusste er auch, aber dann war es eben so. Er wollte nicht darüber nachdenken, vor allem nicht an seinem verdammten Geburtstag.

Er stieg in seinen Truck und drehte die Heizung auf. Er hoffte, dass es nicht zu lange dauern würde, bis es warm wurde. Es war wirklich verdammt kalt, wie üblich in Vermont Ende März. Der Winter endete in der Regel erst lange nachdem sich die ersten Knospen an den Bäumen bemerkbar machten. George und Ringo, die Hunde seiner Eltern, die ihm nach draußen gefolgt waren, im Augenwinkel, setzte er zurück und fuhr aus der Einfahrt. Er warf einen Blick zurück zum Haus und sah, dass seine Mutter ihn, in der offenen Tür stehend, immer noch beobachtete.

Lucas hoffte, dass sie verstehen würde, dass er so früh wegfuhr. Er hatte einfach weggemusst, bevor die ganze Familie mitbekommen hätte, was mit ihm los war. Das war alles unbekanntes Terrain für ihn. Er hatte normalerweise keine Geheimisse. Lucas Abbott war ein offenes Buch, und er hatte keine Ahnung, wie er mit dieser neuen Situation fertigwerden sollte.

Immer darauf gefasst, dass ein rebellischer Elch ihm den Weg versperrte, machte sich Lucas auf den Weg zur Weihnachtsbaumplantage. Normalerweise liebte er die Ruhe und die Einsamkeit der Farm, aber wie alles andere in den letzten Tagen spendete ihm nun auch die bekannte Umgebung nicht den gewohnten Trost. Er war angespannt, unausgeglichen, überfordert, und er fühlte sich inmitten all der bekannten Orte und Gesichter einsam.

Mit jeder Minute, die verging, gefiel ihm sein Plan, für ein paar Tage zu verschwinden, besser. In seiner Wohnung über der Farm stellte er eine Waschmaschine an und zog seine Reisetasche mit dem Logo der Vermonter Feuerwehr unter seinem Bett hervor.

Landon und er waren beide Brandmeister in ihrer Abteilung und machten gegen eine Aufwandsentschädigung die meiste Verwaltungsarbeit. Der Lohn reichte aus, um seine Lebenshaltungskosten zu decken. Er brauchte nicht viel, weil er keine Miete zahlen musste. Er konnte auf der Farm der Familie leben, wenn er außerhalb der Saison auf alles aufpasste und als Hausmeister arbeitete. Kombiniert mit dem Geld von der Feuerwehr und dem Gewinn aus dem Verkauf der Möbel, lebte er ziemlich gut. Allerdings hatte er auch keine hohen Ansprüche.

Würde einer Frau wie Amanda das Leben reichen, das ihn bisher immer mehr als zufriedengestellt hatte? Und seit wann interessierte es ihn, was andere über sein Leben dachten?

Seit dem besten ersten Date aller Zeiten.

Er hatte seine Wäsche in den Trockner getan und ein Bier aufgemacht, als das Telefon klingelte. Er sah die Nummer seines Großvaters auf dem Display und nahm ab. »Was gibt’s, Gramps?«

»Ich habe auf dem Nachhauseweg an dich gedacht und beschlossen, dich anzurufen. Du warst heute Abend nicht du selbst, und ich frage mich, ob ich nicht vielleicht weiß, warum.«

Belustigt lehnte Lucas sich an die Theke in seiner Küche. »Tu dir keinen Zwang an.«

»Ich vermute, dass du und dein Bruder euch in dieselbe Frau verguckt habt und dass dir das mächtig gegen den Strich geht.«

Lucas wusste, dass es ihn eigentlich nicht überraschen sollte, dass sein Großvater wusste, was mit ihm los war.

»Warm?«

»Ziemlich warm.«

»Dachte ich’s mir doch. Ist wirklich eine harte Nuss, wenn man jemanden trifft, der einem gefällt. Ist mir einmal passiert, und es war das schlimmste Gefühl der Welt.«

Lucas richtete sich auf. »Wann war das?«

»Mit deiner Großmutter. Als ich sie kennengelernt habe, war sie mit meinem Cousin zusammen.«

»Ist nicht wahr.«

»Ist wohl wahr, und es war wirklich schlimm, das kann ich dir sagen.«

»Was hast du gemacht?«

»Nichts, und das war das Schwerste daran. Ich mochte meinen Cousin sehr gerne. Wir waren wie Brüder. Ich hätte nie etwas tun können, das ihn verletzt hätte.«

»Ich weiß ja, wie diese Geschichte endet, aber es würde mich jetzt schon interessieren, wie es dazu gekommen ist.«

»Sie hat ihm gesagt, dass sie auf mich steht.«

»Wow. Wie hat er das aufgenommen?«

»Hat mir in die Fresse geschlagen«, lachte Elmer. »So habe ich herausgefunden, dass sie sich für mich entschieden hatte.«

»Wow, Gramps. Ich hatte ja keine Ahnung!«

»Wir haben nie besonders viel darüber gesprochen. Mein Cousin und ich standen uns, bis er gestorben ist, sehr nahe. Ich habe alles dafür getan, dass die Stimmung zwischen uns gut ist.«

»Hat er je geheiratet?«

»Ja, ein paar Jahre später hat er eine tolle Frau geheiratet, und dann sind wir für den Rest seines Lebens zu viert unterwegs gewesen.«

»Freut mich, dass er auch sein Glück gefunden hat.«

»Glaub mir, mich auch. Der zweitbeste Tag meines jungen Lebens war der, an dem ich sein Trauzeuge sein durfte.« Elmer hielt inne. »Man weiß nie, was jemand vor dem Glücklich-bis-ans-Ende-ihrer-Tage durchmacht, Junge. Es sind nicht immer nur Regenbögen und Einhörner und gerade Linien, die uns von A nach B bringen. Im Gegenteil, oft ist es schwer und unordentlich und schmerzhaft.«

»Ja.« Lucas bewunderte, wie genau Elmer seine Gefühlslage eingeschätzt hatte.

»Aber das Wichtigste ist immer noch die Familie. Dein Bruder ist dein engster Freund, dein Seelenverwandter, falls du an so was glaubst. Ihr beide seid von Anfang an unzertrennlich gewesen. Ich fände es wirklich schlimm, wenn etwas zwischen euch stehen würde.«

»Ich auch.«

»Dann lass es nicht zu, Luc. Amanda scheint ein tolles Mädchen mit ordentlich Köpfchen zu sein. Wenn sie sich für Landon entscheidet, kannst du nichts dagegen tun. Aber es wird es nicht besser machen, wenn du wütend auf ihn bist. Das macht alles nur noch schlimmer.«

Elmer hatte recht. Natürlich. Er hatte immer recht. »Wohl wahr.«

»Freut mich, dass du mir zustimmst. Amanda ist nur vorübergehend hier. Brüder sind für immer.«

»Vor allem eineiige Zwillingsbrüder.«

Elmer lachte. »Vor allem die. Alles klar, Junge?«

»Ja, Gramps. Alles gut. Das hat mir wirklich geholfen, danke. Ich fahre für ein paar Tage nach Stowe zum Skifahren, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen.«

»Super Idee. Hab eine tolle Zeit.«

»Danke, dass du angerufen hast.«

»Alles Gute zum Geburtstag, Lucas. Ich glaube, das hier wird das beste Jahr, das du je hattest.«

»Das hoffe ich.«

»Hab dich lieb, Junge.«

»Hab dich auch lieb, Gramps.«

Lucas legte auf. Er war unglaublich dankbar für die bedingungslose Liebe seines Großvaters, der schon sein ganzes Leben lang für ihn da gewesen war. Elmer hatte natürlich recht. Es wäre verrückt, zuzulassen, dass eine Frau zwischen ihm und seinem Zwillingsbruder stand. Landon war auch sein bester Freund. Lucas würde nicht zulassen, dass sich daran irgendetwas änderte, und er würde die Zeit in Stowe nutzen, um die nötige Klarheit zu bekommen.

Amanda war ein toller Mensch, und er mochte sie wirklich gerne. Aber sie war ja nicht die einzige Frau auf der Welt. Wenn sie entschieden hatte, dass Landon der Richtige für sie war, würde er eben jemand anderen finden. Seinem Bruder Raum zu geben war einfach das Richtige. Nachdem er mit seinem Großvater gesprochen hatte, hatte er daran nicht mehr den geringsten Zweifel.

Er konnte nicht fassen, was ihm sein Großvater über den Beginn seiner Beziehung mit seiner Großmutter erzählt hatte. Er hatte nie besonders viel darüber nachgedacht, wie seine Großeltern vielleicht zusammengekommen waren, aber selbst wenn er das getan hätte, wäre er wahrscheinlich nie auf das gekommen, was Elmer erzählt hatte.

 

Am nächsten Tag, nach einer zehnstündigen Schicht bei der Feuerwehr mit ein paar dem Schnee geschuldeten Blechschäden und einem älteren Mann, der ins Krankenhaus gefahren werden musste, machte Lucas sich auf den Weg nach Stowe. Normalerweise dauerte die Fahrt etwa neunzig Minuten, aber heute kam er wegen des frischen Schnees deutlich langsamer voran. Lucas ließ sich Zeit, fuhr nicht schneller als vierzig und folgte der Spur eines LKWs, der etwa eine Meile vor ihm unterwegs war.

Das Autofahren im Schnee war ihm in Fleisch und Blut übergegangen, schließlich lebte er seit seiner Kindheit in Vermont. Wenn man da jedes Mal zu Hause blieb, wenn es schneite, dürfte man monatelang das Haus nicht verlassen.

Er hatte seinen Freund Craig angerufen, der ihm gesagt hatte, er solle sein Haus benutzen. Craig selbst war auf Geschäftsreise. Lucas hatte den Code zum Haus und freute sich auf die Zeit für sich auf der Piste. Sport half ihm immer, seine Gedanken zu ordnen, und er hoffte, dass das auch diesmal der Fall sein würde.

Es gefiel ihm gar nicht, wie er sich fühlte, und er wollte es so schnell wie möglich abschütteln und wieder der Alte sein. Es sah ihm gar nicht ähnlich, so herumzujammern. Da die Skisaison in Stowe in vollem Gange war, konnte er damit rechnen, dass das Nachtleben ziemlich gut sein würde. Vielleicht würde ihm eine Nacht mit einem Schneehäschen guttun. Was er sicher wusste, war, dass es ihm guttat, aus Butler rauszukommen. Er fühlte sich schon jetzt viel besser als während der letzten zwei Tage.

Nachdem er ungefähr zwei Stunden gefahren war, fing Lucas an zu gähnen und trank den Kaffee, den er auf der Feuerwache gekocht hatte, um sich wach zu halten. Seine Augen waren müde von dem Schneegestöber, das stärker zu werden schien, je näher er Stowe kam. Er nahm die Ausfahrt und stellte fest, dass die Landstraße, die zu Craigs Haus führte, nicht geräumt worden war.

»Na toll.«

Er konnte jetzt nur noch Meter für Meter dahinkriechen, immer in der Hoffnung, dass sein Truck sich nach wie vor auf der Straße befand. Er fuhr um eine Kurve und beobachtete erschrocken, wie das Auto vor ihm nach hinten wegrutschte und im Graben landete.

3

Ein Baby ist Gottes Art zu sagen,

dass das Leben weitergehen sollte.

Carl Sandburg

Lucas machte den Warnblinker und die zusätzlichen Warnlichter an, die er an seinem Truck angebracht hatte, und blieb an der Stelle stehen, wo das Auto vor ihm von der Straße gerutscht war. Kein Mensch außer ihm und der Person, die sich in dem Auto befand, war in der Nähe. Er schnappte sich seinen Parka und den Ausweis, den er nach der Schicht im Handschuhfach verstaut hatte, dann griff er nach der Taschenlampe, die er immer dabeihatte. Er stieg aus und schlüpfte in seinen Mantel, während er auf das Auto zulief.

Vorsichtig bahnte er sich einen Weg, wo das Auto einen kleinen Hügel hinuntergerutscht war. Die Rücklichter waren noch an und zeigten ihm den Weg. Obwohl alle Fenster und Türen geschlossen waren, hörte er, dass die Fahrerin hysterisch weinte, während sie versuchte, die Tür zu öffnen, die durch den Hang blockiert war. Er würde sie als Allererstes beruhigen müssen.

Sie zuckte zusammen, als er ans Autofenster klopfte.

»Ich bin Feuerwehrmann und Rettungssanitäter.« Er sprach sehr laut und hoffte, dass sie ihn so durch das geschlossene Fenster hören würde. Er nahm seinen Ausweis aus der Tasche und hielt ihn ans Fenster. »Ich kann Ihnen helfen. Machen Sie das Fenster auf.«

Sie öffnete das Fenster ungefähr zur Hälfte.

»Ich bin Lucas Abbott von der Freiwilligen Feuerwehr in Butler, Vermont. Wie heißen Sie?«

»Danielle«, sagte sie schluchzend. »Danielle Rowson.«

»Sind sie verletzt, Danielle?«

»Ich … ich glaube nicht.«

Ein Quietschen vom Rücksitz sorgte dafür, dass er das Baby bemerkte, das in seinem Sitz zappelte.

Er war erleichtert zu sehen, dass sich Arme und Beine des Babys bewegten.

»Ich habe kein Handy dabei«, sagte er. »Haben Sie eins?« In Vermont war es nicht ungewöhnlich, ohne Handy unterwegs zu sein, da der Empfang ohnehin nicht verlässlich war.

»Ich habe eins, aber das hat schon eine Weile lang keinen Empfang mehr.«

»Das ist hier oben ja nichts Ungewöhnliches. Okay, dann sind wir also auf uns gestellt. Wenn Sie sicher sind, dass Sie nicht verletzt sind, kann ich Ihnen und dem Baby aus dem Auto helfen. Ich kann Sie dorthin fahren, wo Sie hinmüssen.«

Er reichte ihr das Portemonnaie mit seinem Ausweis, weil er bemerkte, dass sie noch immer zögerte. »Ich weiß, ich bin ein Fremder, aber ich schwöre Ihnen, dass Sie und Ihr Baby bei mir sicher sind. Ich bin das achte von zehn Kindern. Meine Brüder und ich haben alle die Erste-Hilfe-Ausbildung für kalte Witterungsverhältnisse, und wie gesagt, ich bin Brandmeister bei der Freiwilligen Feuerwehr von Vermont.«

Nachdem sie den Ausweis ausgiebig betrachtet hatte, gab sie ihn ihm zurück. »Okay.« Sie klang nach wie vor nervös, und wer hätte ihr das verübeln können? Er war ihr völlig fremd, daran änderte auch sein Ausweis nichts. Immerhin hatte sie aufgehört zu weinen.

»Lösen Sie Ihren Sicherheitsgurt und dann den von Ihrem Baby. Ich helfe Ihnen raus, und dann holen wir das Kleine.«

Sie befolgte seine Anweisungen und kletterte durch das Fenster in seine Arme. Das Erste, was er bemerkte, war, dass sie viel kleiner war, als er gedacht hatte, und eine kurvige Figur besaß. Nicht, dass er besonders darauf geachtet hätte, wie sie sich anfühlte. Er griff durch das Fenster und zog ihren Mantel und ihre Handtasche heraus, die er ihr reichte, bevor er sich dem Baby zuwandte. Der Schneeanzug, den es trug, war pink, also dachte er, dass es sich wahrscheinlich um ein Mädchen handelte.

Er untersuchte sie flüchtig, um sicherzugehen, dass sich Arme und Beine normal bewegten und ihre Pupillen auf das Licht seiner Taschenlampe reagierten. Als er sich sicher war, dass es dem Baby gut ging, hob er es aus dem Sitz und legte es in die Arme seiner Mutter. Dann zog er auch den Sitz aus dem Fenster.

Das Baby quietschte begeistert, als es seine Mutter sah.

»Gott sei Dank geht es ihr gut«, seufzte Danielle erleichtert.

»Was braucht ihr beiden denn noch aus dem Auto?«

»Unsere Taschen aus dem Kofferraum. Die geblümten ganz oben.«

Er beugte sich durch das Fenster vor und zog den Schlüsselbund aus der Zündung, dann drückte er den Knopf für den Kofferraum. Er nahm die Taschen, um die sie gebeten hatte, aus dem vollen Kofferraum, warf sie sich über die Schulter und drückte den Knopf am Schlüssel, der das Auto zusperrte und glücklicherweise auch die Fenster schloss.

»Alles, was wir haben, ist in diesem Auto. Können wir es wirklich einfach hierlassen?«

»Ich rufe einen Abschleppdienst an, sobald wir ein Telefon finden. Sie bringen das Auto über Nacht an einen sicheren Ort.« Lucas wünschte, sie wären in Butler, dann hätte er einfach Nolan anrufen können.

Er bot Danielle seinen Arm an. »Halten sie sich an mir fest, und machen Sie ganz langsam.«

Als sie ihren Arm in seinen legte, spürte er, dass sie zitterte. Das lag wahrscheinlich genauso sehr am Schock wie an der beißenden Kälte. Der Schnee fiel weiterhin stetig, und die Schicht auf der Straße wuchs besorgniserregend.

Lucas arbeitete sich mit den beiden den Hügel hinauf zu seinem Truck. »Wir können den Kindersitz auf dem Rücksitz anschnallen.«

Während sie sich darum kümmerte, legte er die beiden geblümten Taschen auf die andere Seite der Rückbank, neben seine Ausrüstungstasche mit seiner Schutzkleidung. Als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr konnte er jederzeit gerufen werden, und darauf musste er immer vorbereitet sein. Er stieg ein und drehte die Heizung voll auf.

Als das Baby sicher angeschnallt war, setzte Danielle sich auf den Beifahrersitz und schloss die Tür. »Vielen Dank, dass Sie uns helfen.«

»Kein Problem. Wo müssen Sie denn hin?«

»Ich … ich weiß nicht genau. Ich hatte gehofft, in Stowe etwas zu finden, aber dann hat es so viel geschneit, dass ich nicht mehr sicher war, ob wir es bis dorthin schaffen.«

»Sie haben keine Reservierung?«

Sie schüttelte den Kopf. »Glauben Sie, das ist ein Problem?«

»Normalerweise wahrscheinlich nicht, aber wir sind mitten in der Skisaison. Hotels und Gasthäuser sind im März schon Monate vorher komplett ausgebucht.«

»O Gott.« Sie seufzte tief.

»Ich bin unterwegs zum Haus eines Freundes kurz vor Stowe. Er ist nicht zu Hause, aber er hat viel Platz und einige Gästezimmer. Sie können gerne in einem davon übernachten, falls das helfen würde.«

»Ich … ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist.«

»Das verstehe ich. Sie kennen mich überhaupt nicht – warum sollten Sie mir also vertrauen, oder?«

Von der Seite schaute sie ihn verängstigt an. »So was in der Art.«

»Ich kann beweisen, dass ich wirklich bei der Feuerwehr bin. Das Blaulicht an meinem Truck, die Plakette auf dem Nummernschild, die Ausrüstung und die Werkzeuge auf dem Rücksitz.«

Trotz seiner Versicherungen sah Danielle unsicher aus, was er nur zu gut verstand. Er konnte auch ein Vergewaltiger sein, und sie tat recht darin, sich und ihr Baby zu schützen.

»Wie wäre es hiermit? Wir fahren zu einer Tankstelle oder einem Restaurant, ich gebe Ihnen eine Nummer, die Sie anrufen können, um ganz sicherzugehen.«

»Wen würde ich denn anrufen?«

»Meine Mom«, sagte er grinsend. »Ich kann Ihnen auch die Nummer der Feuerwache geben, meine Kollegen können ebenfalls für mich sprechen.«

Sie dachte einen Moment lang über seine Worte nach, was ihm die Chance gab, ihr hübsches Gesicht unter der Strickmütze zu betrachten. Rotblonde Haarsträhnen hatten sich aus ihrer Frisur gelöst und schauten unter der Mütze hervor, und ihre Augen waren entweder blau oder grün. Es war nicht besonders hell in seinem Truck, deshalb war er sich nicht sicher. »Das klingt gut.«

»Okay, alles klar.« Er legte den Gang ein und fuhr langsam in Richtung Stadt. »Wie heißt denn das Baby?«

»Savannah.« Als sie ihren Namen hörte, stieß Savannah ein leises Glucksen aus.

»Sie ist wirklich süß. Wie alt ist sie denn?«

»Danke, finde ich auch. Sie ist vier Monate alt.«

»Was habt ihr beiden denn mitten in diesem Schneesturm da draußen gemacht?«

»Ich hatte mein Handy über Bluetooth mit dem Radio verbunden, deshalb wusste ich nicht, dass der Sturm kommt. Jetzt ist mir natürlich klar, wie dumm das war.«

Er bemerkte, dass sie nichts darüber sagte, warum sie und ihr Baby unterwegs waren, und beschloss, nicht nachzubohren. Es spielte ja auch keine Rolle, er würde sie wahrscheinlich nie wiedersehen.

»Sind Sie neu in Vermont?« Er hatte die Nummernschilder aus Kentucky gesehen, aber es könnte ja auch ein Mietwagen sein.

»Nein, ich habe hier schon als Kind immer meine Großeltern besucht, aber ich war seit Jahren nicht mehr hier. So ein Willkommen hatte ich mir allerdings nicht ausgemalt.«

Lucas lachte leise. »Vermont benimmt sich in der Regel zwischen November und April so. Dann fängt alles an zu schmelzen, und die Schlammzeit beginnt.«

»Wunderbar.«

»Mit der Schlammzeit ist es wie mit Kaffee. Man muss sich erst an den Geschmack gewöhnen. Das geht schneller, als man denkt.«

»Da muss ich mich auf Ihr Wort verlassen.«

»Möchten Sie länger bleiben?«, fragte er und dachte an den vollen Kofferraum.

»Das ist zumindest der Plan. Ich habe mich in Stowe und in Butler beworben. Ich hoffe, eine der Bewerbungen ist erfolgreich und dass ich eine Krippe für Savannah finde.«

»Was für eine Arbeit suchen Sie denn?«

»Ich bin Einzelhandelskauffrau.«

Er musste sofort ans Familiengeschäft denken.

»Meine Großeltern haben in Stowe gewohnt, als ich klein war. Wir haben jeden Sommer dort verbracht, und meine besten Erinnerungen stammen von hier. Ich habe ihr Haus nie vergessen und immer gehofft, eines Tages hierher zurückzukehren.«

»Eine tolle Stadt, und es gibt einiges zu sehen. Ein paar Häuser mehr als damals werden es wohl schon sein, aber insgesamt hat es sich nicht besonders verändert.«

»Gut zu wissen.« Sie schaute wieder zu ihm hinüber. »Sind Sie wirklich das achte von zehn Kindern?«

»Ja.«

»Wie war das?«

»Laut.«

Sie lachte.

»Ist immer noch laut, vor allem jetzt, wo die meisten meiner Geschwister entweder schon verheiratet oder fast verheiratet sind. Zwei von ihnen haben schon Kinder, und es sind noch mehr unterwegs. Es wird immer lauter.«

»Das klingt wirklich toll«, sagte sie wehmütig.

»Haben Sie Geschwister?«

Sie schüttelte den Kopf. »Es gibt nur mich.«

»Sie können sich keine neun Geschwister vorstellen, ich mir kein Leben als Einzelkind.«

»Das sind ja auch zwei Extreme.«

»Zehn ist definitiv extrem. Wir sind in einer Scheune aufgewachsen.«

»Im Ernst?«

»O ja. Meine Eltern haben eine alte Scheune renoviert und ausgebaut. Man kann sich im Leben ziemlich viel erlauben, wenn man den Leuten sagt, dass man in einer Scheune aufgewachsen ist. Und jetzt wohne ich in einer anderen Scheune.«

Sie lachte wieder, diesmal war es ein Kichern, das sie anscheinend nicht hatte unterdrücken können und das ihn zum Lächeln brachte. Er wusste nicht, wie er darauf kam, aber er hatte das Gefühl, dass sie nicht besonders oft lachte. »Und haben Sie das getan? Sich viel erlaubt, meine ich?«

»Ich habe mir schon ein paar Streiche geleistet.«

»Das glaube ich sofort«, sagte sie und lachte noch ein bisschen mehr.

»Sind Sie den ganzen Weg von Kentucky hierhergefahren?«

Sie schnappte erschrocken nach Luft, und er bereute seine Frage sofort.

Er hob beschwichtigend die Hand. »Ich habe die Nummernschilder gesehen. Sie müssen mir gar nichts sagen, wenn Sie nicht wollen. Ich möchte Sie nicht ausfragen.«

Sie schwieg ziemlich lange. Dann sagte sie: »Ja, ich bin aus Kentucky hergefahren. Es war dumm von mir, mir nicht den Wetterbericht anzuschauen, aber ich wollte möglichst schnell hierher.«

Er hätte gerne gefragt, ob sie vor etwas – oder vor jemandem – auf der Flucht war, aber angesichts ihrer Reaktion eben stellte er ihr lieber keine weiteren persönlichen Fragen. Wenig später erreichten sie den Stadtrand von Stowe. Lucas zeigte auf eine Tankstelle. »Ist die hier okay?«

»Klar.«

Er war froh, dass sie damit einverstanden war, dort anzuhalten, denn er glaubte nicht, dass sie um diese Tageszeit und bei dem Wetter eine besonders große Auswahl haben würden. Er fuhr in eine Parklücke und machte den Motor aus.

Sie stiegen aus, und er wartete vor dem Laden der Tankstelle, während sie das Baby abschnallte. Dann hielt er ihr die Tür auf.

»’n Abend«, sagte der Tankwart.

»Hallo. Haben Sie ein Münztelefon, das wir benutzen können?«, fragte Lucas.

»Da hinten.«

»Wen sollten wir anrufen, wenn wir einen Abschleppwagen brauchen?«

Der Tankwart reichte ihm eine Visitenkarte. »Das Telefon ist rund um die Uhr besetzt.«

»Vielen Dank.« Lucas bedeutete Danielle vorzugehen. Das Telefon war am hinteren Ende des Ladens zwischen den Waschräumen. »Ich rufe zuerst den Abschleppdienst an, wenn das okay ist.«

»Ja, danke, aber was bitte ist ein Münztelefon?«

»Gibt es die in Kentucky nicht?«

Sie schüttelte den Kopf. »Wir haben eine ganz neue Erfindung. Sie nennt sich Handy.«

»Ah, davon habe ich schon mal was gehört, aber weil diese Handys hier oben oft völlig nutzlos sind, sind Münztelefone unabdingbar.«

Schmunzelnd wählte Lucas die Nummer, gab die Wegbeschreibung zu Danielles Auto durch und erwähnte, dass es im Graben gelandet sei. Der Mitarbeiter sagte, dass er unter Craigs Festnetz anrufen würde, um ihnen zu sagen, wohin sie das Auto abgeschleppt hätten. Als das erledigt war, warf Lucas Danielle einen Blick zu. »Ich rufe meine Mom an, und Sie können sie fragen, was Sie wollen. Ich bin ein offenes Buch.« Lucas warf ein paar Münzen ein und wählte die Nummer, die er besser kannte als irgendeine andere.

»Hi, Mom, hier ist Luc.«

»Hallo. Bist du gut in Stowe angekommen?«

»Gerade eben erst. Ich habe auf dem Weg einen Unfall mitbekommen.«

»Oh, wow, geht es allen gut?«

»Ja. Ich habe Danielle und ihre vier Monate alte Tochter Savannah hier bei mir. Sie hatten gehofft, in der Stadt eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden.«

»Das wird um diese Jahreszeit nicht leicht sein.«

»Das habe ich ihr auch gesagt. Ich habe ihr ein Zimmer bei Craig angeboten, aber sie ist sich verständlicherweise nicht ganz sicher, ob sie jemandem vertrauen kann, den sie noch gar nicht kennt. Ich dachte, du kannst sie vielleicht beruhigen.«

»Aber natürlich. Gib sie mir mal.«

»Moment.« Lucas reichte Danielle den Hörer. Sie hielt Savannah im rechten Arm. Er hätte gerne angeboten, das Baby zu halten, glaubte aber zu spüren, dass sie das nicht gewollt hätte. »Meine Mom. Molly Abbott.«

»Hallo?«

Lucas wünschte, er könnte hören, was seine Mutter sagte, aber er war sich ziemlich sicher, dass sie Danielle versichern würde, dass sie ihm vertrauen könnte und dass er ihr und ihrem Baby eine sichere Unterkunft für die Nacht angeboten hatte. Wahrscheinlich sagte sie auch noch, dass er ihr am nächsten Morgen helfen würde, ein Hotel zu finden.

Danielle hörte mehr zu, als sie sprach, und ungefähr fünf Minuten später nickte sie, bedankte sich und gab Lucas den Hörer zurück.

»Danke, Mom.«

»Ich erzähle doch immer gerne von meinen Kindern.«

Dieser Satz war typisch Molly, und Lucas musste lächeln. »Bis bald.«

»Hab dich lieb.«

»Hab dich auch lieb.« Er legte auf und schaute Danielle an. Im hellen Licht konnte er sehen, dass ihre Augen haselnussbraun waren. Sie war unglaublich hübsch, mit einem feingeschnittenen Gesicht und Pfirsichhaut. So hätte seine Großmutter das jedenfalls genannt. »Soll ich auf der Feuerwache anrufen?«

Sie schüttelte den Kopf. »Deine Mom war sehr überzeugend. Ich nehme dein Angebot gerne an.«

»Was genau hat meine Mom dir denn gesagt?«, fragte er und hoffte, dass es etwas Gutes gewesen war, schließlich war Danielle gleich danach zum Du übergegangen.

Danielle lächelte. »Das werde ich dir nie verraten.«

Lucas hätte es wirklich unglaublich gerne gewusst, hakte aber nicht nach. »Wir nehmen noch ein paar Lebensmittel für heute Abend und morgen früh mit. Trinkst du Kaffee?«

»Natürlich trinke ich Kaffee. Keine Ahnung, wie manche Leute ohne auskommen.«

Lucas lachte und schnappte sich einen Einkaufskorb. »Gute Antwort. Sahne? Zucker?«

»Beides, bitte.«

Sie suchten sich je eine Tiefkühlpizza zum Abendessen aus sowie Eier, Speck und Brot fürs Frühstück. Lucas nahm noch eine Packung Wurst, ein paar Chips und Salsa, einen Zwölferpack Bier und Toilettenpapier und Küchenrolle, falls Craig nicht genug im Haus hatte. »Möchtest du noch eine Flasche Wein oder so?«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich stille, also kein Alkohol für mich.«

»Ah, klar«, sagte er, und versuchte, die Vorstellung von ihr, wie sie ihr Baby stillte, aus seinem Kopf zu verdrängen. Ein Kribbeln breitete sich auf seiner Haut aus, und dann berührte sie ihn kurz, als sie an ihm vorbeiging, und sein ganzer Körper reagierte darauf, dass sie ihm so nahe war. Was zum Teufel? Er schüttelte die seltsamen Gefühle ab, damit er sich ganz auf sie und das Baby konzentrieren konnte und darauf, dass sie alles hatten, was sie brauchten. »Windeln?«

»Ich habe genug dabei, aber vielen Dank, dass du daran gedacht hast.«

»Brauchst oder willst du sonst noch etwas?«

»Schokolade.«

Lächelnd ging er mit ihr zum Süßigkeitenregal. »Nimm, was du willst.«

Sie begutachtete die große Auswahl eingehend und entschied sich dann für genau die Knusperriegel, die auch Lucas’ Lieblingsschokolade waren. Als sie sich auf den Weg zur Kasse machte, legte er noch eine zweite Packung in den Korb, dann folgte er ihr.

Als Lucas die Lebensmittel auf die Theke legte, schob Danielle Savannah auf ihre Hüfte, damit sie ihren Geldbeutel aus der Tasche nehmen konnte.

Lucas legte ihr die Hand auf den Arm.

Sie zuckte zusammen und schaute zu ihm auf.

»Ich mach schon. Ich musste sowieso einkaufen.«

»Machen wir halbe-halbe?«

»Nein, alles gut.«

»Danke schön.«

Er bezahlte die Lebensmittel, dann trug er die Tüten zum Auto und verstaute sie auf dem Rücksitz, während Danielle Savannah anschnallte.

Sie warf einen Blick in seine Richtung, und sie sahen sich für einen kurzen, spannungsgeladenen Moment in die Augen, dann schaute sie weg.

»Alles okay?«

»Ich habe einen Riesenfehler begangen, als ich so unvorbereitet losgefahren bin.« Sie klang so traurig und voller Selbstzweifel, dass Lucas ihr sofort widersprechen wollte. »Ich hoffe einfach nur, dass das hier nicht der nächste Fehler ist.«

»Ich schwöre bei Gott und den Leben von allen, die ich liebe – und ich liebe sehr viele Menschen –, von mir hast du rein gar nichts zu befürchten.«

»Das hat deine Mutter auch gesagt.«

»Na ja, sie ist vielleicht ein bisschen voreingenommen, was mich und meine Geschwister angeht, aber ich habe sie noch nie lügen hören. Das war überhaupt das Einzige, wofür wir so richtig Ärger bekamen, als wir klein waren. Meine Schwester Charley war Weltklasse im Lügen Erzählen, also hatte sie ständig Ärger.«

»Und du? Hattest du auch mal Ärger, weil du gelogen hast?«

»Nein, bei mir ging es immer eher um kaputte Fensterscheiben, Blechschäden am Auto meines Vaters, meine Musik war immer zu laut, und ich habe mich öfter mal mit meinen Brüdern geprügelt, manchmal auch im Wohnzimmer, wo meine Mutter das Porzellan meiner Großmutter aufbewahrt. Das war dann schon ein Problem für sie, gelinde gesagt. Manchmal prügeln wir uns heute noch.«

»Diese Frau muss eine Heilige sein.«

»So wird sie oft genannt.«

»Wie viele Brüder hast du?«

»Sechs. Einer von ihnen ist mein eineiiger Zwilling.«

»Oh, wow, das ist ja cool.«

»Steig mal ein, dann erzähle ich dir davon.« Meistens waren die Leute nicht besonders begeistert, wenn sie hörten, dass es ihn doppelt gab, aber Danielle schien es einfach nur interessant zu finden. Was wahrscheinlich daran lag, dass sie nicht wusste, dass die Zwillinge von den meisten Leuten für Idioten gehalten wurden. Sie kannte ihn nicht, also war das hier eine tolle Gelegenheit, seinen Plan, sich künftig wie ein echter Erwachsener zu verhalten, in die Tat umzusetzen.

Auf dem Weg zu Craigs Haus fiel Lucas auf, dass er in der letzten Stunde noch kein einziges Mal an Amanda gedacht hatte oder an Landon und das Durcheinander, vor dem er geflohen war.

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